5 - Alles Gute kommt von oben

Groteske zum Thema Katastrophen

von  TassoTuwas

Dieser Text ist Teil der Serie  Das große Windlichtdesaster

Rudi war hörbar überrascht, "Was die heutzutage alles so machen".

"Unterbrech mich bitte nicht...", sagte ich kurz angebunden, "...du wirst schon sehen, ...also um uns herum eine flackernde Lichterpracht und Müllenstein, von nebenan, du kennst den alten, neugierigen Klugscheißer ja schon, der immer durch die Hecke peilt, wenn wir feiern, damit ihm nur nichts entgeht, der hat das alles beobachtet und rennt nun in seinem Garten hin und her, und stellt mit seiner Alten ebenfalls Windlichter auf. Das kriegt natürlich sein Nachbar auch mit, und Plischkes auf unser linken Seite ist  natürlich nichts entgangen und die schließen sich selbstverständlich dem allgemeinen Treiben an. Tatsache war, auf der ganzen Straßenseite, vom ersten bis zum letzten Garten, schleppen alle, alles, in das man eine Kerze stecken kann zwischen ihre Blumenbeete".

"Wahnsinn!", sagte Rudi.

"Das hat der Einsatzleiter von der Feuerwehr auch gesagt".

Rudis Stimme bebte, "Was wollte der denn?"

"Der musste doch mit dem Obermeister des Polizeieinsatzkommandos, dem Vorturner vom Technischen Hilfswerk, dem Chef der Umweltschutztruppe und dem Leiter der seelischen Beistandsmitarbeiter die Vorgehensweise koordinieren!"

Von Rudis Seite blieb es eine ganze Weil still, ich hing meinen Gedanken nach, dann hörte ich seine unsichere Stimme.   

"Berni, ...mir wird Angst, ... was ist passiert?"

"Rudi...", sagte ich, "...immer der Reihe nach. Stell dir die Gärten vor. Es war wie bei der Abschlussveranstaltung der Lichterwoche. Stell dir vor, alles was die Windlicht-Industrie von der Antike bis zur Gegenwart auf den Markt geworfen hat, große, kleine, hohe, flache, bauchige, einfarbige, bunte, glatte, geschwungene und verschnörkelte, aus Glas, aus Keramik, Holz und Metall, Plastik, alles was du dir vorstellen kannst, verteilt über fünfundvierzig Gärten".

"Das muss ein überwältigender Anblick gewesen sein!", 

Es war deutlich zu hören, in Rudis Stimme schwang grenzenlose Bewunderung

"Ja, das war es....", sagte ich und fügte nach einer Pause hinzu, "...Kemal Üzdekül hat mir versichert, so etwas hätte er noch nie gesehen".

Rudi schnaufte, "Wer ist das schon wieder, und wie viele Leute rannten da denn noch herum?"

"Später...", sagte ich, "...jedenfalls was ich dir die ganze Zeit zu erklären versuche...", fuhr ich unbeeindruckt fort, "...es war ein unbeschreiblich stimmungsvoller Frühlingsabend und vor unseren Augen ringsum dieses grandiose Bild unzähliger Kerzen, auf denen die Flammenzungen, wie von einem unsichtbaren Taktstock geführt in der leichten Abendbrise im Gleichklang hin und her schwankten, dabei bewegte Schatten über die Blumenbeete warfen, ein Tanz vergleichbar, einem stummen Ballett  voller Anmut und Harmonie".

"Berni...", Rudi seufzte tief, "...du bist ein Poet!"

Ich nickte, und ich wusste, er würde gerade auch nicken, vor unserem geistigen Auge das Bild der Lichter-Garten-Idylle, tief versunken, bis ein "Und dann?" in mein Ohr bellte.

Ich zuckte zusammen. "Äh, ...ja, ...dann ist es passiert".

"Was ist passiert?"

"Dieser dumme Zwischenfall halt".

"Mach es nicht so spannend...", herrschte mich Rudi an, "...was war dann?"

"Na ja, dann brach urplötzlich ein erst unbeschreibliches Pfeifen und unmittelbar danach rumpelndes und schepperndes Getöse in diese paradiesische Stille ein und ein riesiger schwarzer Schatten pflügte durch die Gärten".

"Du lieber Himmel...", schrie Rudi, "...was war das denn?"

"Genau...", sagte ich, "...das war der Ferienflieger aus Antalya!"

"Oh Gott...", Rudi stöhnte laut auf, "...ich kann's mir denken dieses Kamel Ützdiwas war der Pilot".

"Rudi...", sagte ich, "...der Kemal ist ein ganz Netter, er hat zu Protokoll gegeben, so eine schöne Landebahnbefeuerung hätte er in seiner gesamten dreißigjährigen Berufszeit, noch nie erlebt, und glaub mir, der kann was. Der hat seinen Flieger im allerletzten Garten, dem von Dr. Springmann, zum Stehen bekommen, weil er geistesgegenwärtig die Nase von seinem Jet in dessen Seerosenteich gebohrt hat. Und dann hat Kemal mir versichert, wegen der Blumenbeete soll ich mir kein Sorgen machen, seine Airline sei gut versichert!"

"Verstehe...", sagte Rudi, "...und seitdem sind alle Windlichter weg!"

"Ja, mit spitzen Fingern eingesammelt, jedes in einer Plastiktüte, durchnummeriert, mit genauer Beschreibung des Fundortes. Eine Spedition hat alles abtransportiert, sie sind die ganze Nacht hin und her gefahren und, die Polizei meint, wir würden sie nicht mehr wiederkriegen, Beweismittel oder so, und Beate sitzt auf der Terrasse und flennt wegen dem Verlusst ein Taschentuch nach den anderen nass. Ins Haus dürfen wir auch nicht, das ist nämlich ein Tatort, und wie findest du nun meinen Geschenktipp?"

"Ich bin sprachlos!" erwiderte Rudi und das klang ehrlich begeistert, und dann sagte er, "Ich werde Arno, Philipp, Helmar, Rüdiger und Ortwin Bescheid sagen. Stell dir vor jeder bringt zur Party drei oder vier Windlichter mit, ab Samstagabend seid ihr aus dem Gröbsten raus!"

Er hielt abrupt inne, dann stieß er einen Freudenschrei aus.

"Ich hab's, wir kaufen die zusammen, bei der Menge kriegen wir doch einen dicken Rabatt!"

Da wusste ich, seine Welt war wieder in Ordnung.


 


                                                                                    E N D E


  

 


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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (12.04.22, 01:54)
Es ist klar: Auf Windlichter gehören Warnhinweise! Noch besser: Sie dürfen erst nach einem erfolgreich absolvierten Sicherheitskurs käuflich erworben werden. Denn diese Geschichte zeigt eindeutig: Nur Liebe reicht da nicht aus.

 TassoTuwas meinte dazu am 12.04.22 um 09:27:
Stimmt.
Der Verbraucherschutz hat mal wieder versagt!

 EkkehartMittelberg (12.04.22, 11:25)
Hallo Tasso,
Unterhaltung vom Feinsten mit dem happy end, dass Rudi ein Licht aufgegangen ist.
Herzliche Grüße
Ekki

 TassoTuwas antwortete darauf am 12.04.22 um 13:45:
Danke Ekki,
inzwischen ist in der Nachbarschaft wieder Frieden eingekehrt und die Gartenarbeiten sind in diesen Jahr besonders aufwendig.
Herzliche Grüße
TT

 AZU20 (12.04.22, 13:21)
Das mit den Windlichtern überzeugt mich. Bei der Punktlandung wäre ich gern dabei gewesen. Gern gelesen. LG

 TassoTuwas schrieb daraufhin am 12.04.22 um 13:52:
Kann ich verstehen, so was erlebt man nicht alle Tage!
LG TT

 plotzn (12.04.22, 13:30)
Servus Tasso, ein furioses Finale einer höchst unterhaltsamen Geschichte. Ich wäre natürlich gerne noch dabei gewesen, wenn Rudi seiner Carola den Geschenk- und Lösungsvorschlag präsentiert. Aber wozu hat man das eingebaute Kopfkino...?

Liebe Grüße,
Stefan

 TassoTuwas äußerte darauf am 12.04.22 um 14:06:
Hallo Stefan,
aus Diskretion habe ich die Einzelheiten des Gesprächs zwischen Carola und Rudi hier nicht öffentlich gemacht, aber im Vertrauen, es sind Tränen geflossen, beidseitig!
Liebe Grüße
TT

PS. Der leichte Wind hat mir ein Lied erzählt  :D !

 harzgebirgler (12.04.22, 13:45)
toll erzählt, gerne gelesen!

mit der story kannst du bei allen landen
die windlichter zuvor entbehrlich fanden. :) 

herzliche schmunzelgrüsse

 TassoTuwas ergänzte dazu am 12.04.22 um 18:11:
Und landest du im falschen Garten
musst du einfach nochmal starten.

Toll gefällt mir.
Herzliche Grüße
TT

 Didi.Costaire (12.04.22, 13:52)
Die Pointe ist ein echtes Highlight, Tasso, originell und überraschend.

Liebe Grüße,
Dirk

 TassoTuwas meinte dazu am 12.04.22 um 14:12:
Hallo Dirk,

freut mich, dass es gefallen hat und danke auch für die Sturmwarnung  :)  !

Herzliche Grüße
TT

 Lluviagata (12.04.22, 14:15)
HERRLICH!

Auf diesen Gedanken muss man erst mal kommen! Darf ich sagen - typisch TT, das Schlitzohr?!

Grinsegrüße
Llu ♥

 TassoTuwas meinte dazu am 12.04.22 um 18:04:
DANKE!

Du darfst, mit Schlitzohr kann ich prima Leben!

Herzliche Grüße
TT

 Moja (12.04.22, 17:42)
Spannend und so witzig pointiert, muss unbedingt noch die Folgen davor lesen! Da hätte ich ja beinahe etwas verpasst...  :D

Schönste Grüße,
Moja

 TassoTuwas meinte dazu am 12.04.22 um 18:14:
Hallo Moja,

etwas zu verpassen, ist tunlichst zu vermeiden  :( !

Liebe Grüße
TT

 Moja meinte dazu am 14.04.22 um 13:01:
Hab's stracks nachgeholt, lieber TT, 

las alle Folgen dieser spannenden Geschichte auf einen Rutsch, was den Vorteil hat, das meine Neugier nicht auf die Folter gespannt wurde. 

Auf was für originelle Ideen du kommst!
Witziges Drehbuch, Berni und Rudi, was für Komödianten!

:P Vergnügte Grüße,
Moja

 AchterZwerg (12.04.22, 17:57)
Lieber Tasso,

IKEA gegenüber fühlte ich stets ein leichtes Unbehagen, kann jetzt aber besser sagen warum.
Viele meiner Bekannte entschieden sich nach dem Aufstecken eines Möbelkaufs oder der Rückführung von Billy-Regalen für einen Trostpreis.  - Abgesehen von diesen schwedischen Fleischbällchen (wie heißen die noch?) fanden sich  häufig Windlichter in der Stofftüte wieder. Und: Zog der/die jeweilige Partner*in daheim eine Fresse, wurd ich recht gern damit beschenkt ...
Du siehst, selbst Zwerge sind mit der Windlichtproblematik bestens vertraut, jedoch (noch) unfallfrei! :)

Alles Gute für die Zukunft wünscht
der amüsierte 8.Zwerg

 TassoTuwas meinte dazu am 12.04.22 um 19:08:
Verehrter Zwerg,

ich hoffe nach dieser Geschichte wird sich dein Blick auf Windlichtern geändert haben.
Stell sie doch auch mal ins Freie, es muss ja nicht unbedingt in der Einflugschneise sein.

Herzliche Grüße
TT
 
Übrigend, die heißen immer noch Köttbullar.
Nicht zu verwechseln mit Meisenknödeln !

Antwort geändert am 13.04.2022 um 09:48 Uhr

 Saira (13.04.22, 17:29)
Lieber Tasso,
 
was für eine Story! Fesselnd, rührend und herrlich komisch.
 
Das Finale ist grandios!
 
Mit lachenden Grüßen
Sigrun

 TassoTuwas meinte dazu am 15.04.22 um 11:03:
Liebe Sigrun,
 
das war mein Überraschungsei, für alle die bis zum Ende durchgehalten haben.

Dafür Dank und ein schönes Osterfest!

Herzliche Grüße
TT

 monalisa (15.04.22, 10:14)
Furioses Finale 8-) , war da nicht unlämgst eine Meldung darüber in der Tagesschau oder der ZiB!

An an raffiniert komischen und absolut unerwarteten Einfällen mangelt es dir nicht,  und die sprachliche Umsetzung verdient mindesten ein *! Empfehlenswert

Liebe Grüße
mona

P.S.: Schade, dass es schon aus ist. Weitere Geschichten um Berni und Rudi geplant?

 TassoTuwas meinte dazu am 15.04.22 um 10:59:
Hallo Mona,

Ostern geht Beate immer in den Garten, sie sucht Eier, sagt sie. Ich glaub, sie hofft doch noch eines ihrer alten Windlichter zu finden!
:) 
Herzlichen Dank für deine Anteilnahme.
liebe Grüße
TT

 GastIltis (15.04.22, 21:31)
Lieber Tasso,
nun habe ich ja aus den dir bekannten Gründen die Folgen zwei bis fünf in einem Ritt gelesen. Damit ist mir mit Sicherheit ein Teil der Spannung abhanden gekommen, aber was heißt das bei einem so gut durch komponierten Werk.
Nichts. Oder eher fast nichts! Entweder hast du deinen Beruf gänzlich verfehlt, nämlich den eines Schreibers von Geschichten oder Kolumnen in einem Satire-Magazin oder du hast ihn bisher in gekonnter Weise verheimlicht.
Nun weiß ich nicht zu sagen, ob du dein täglich Brot damit leichter hättest verdienen können oder nicht. Aber sicher ist eines: du hättest es, egal, was du im richtigen Leben, außer dem eines Intelligenzsimulanten, gemacht hast, mit mehr Freude durchgeführt. Nun spricht ja für die zweite Variante meiner Theorie folgende Tatsache: Ich vermisse, aus welchen Gründen auch immer, eine einzige Stellungnahme eines im Forum bekannten Profis, dem doch sicher die stilistischen Feinheiten deines Textes aufgefallen wären und der es sich darüber hinaus zur Pflicht gemacht hätte, auf die absichtlich von dir als Flüchtigkeitsfehler eingebauten und geschickt getarnten Nachlässigkeiten an geeigneter Stelle hinzuweisen. Da es nicht erfolgt ist, erscheint es als sicheres Indiz von kollegialem Verständnis bzw. Schutz und damit ein deutlicher Beweis für meine Theorie zu sein.
Auf jeden Fall war und bin ich als literarischer Laie von solch starker Einfalls- und Ausdrucksstärke überrascht gewesen, dass mich schon das Lesen des ersten Teiles völlig aus der Bahn geworfen hatte. Nochmals allergrößte Hochachtung und herzliche Ostergrüße an dich.
Sendet dir Gil.

 TassoTuwas meinte dazu am 23.04.22 um 14:38:
Lieber Gasti,
die Dauer, die ich zur Beantwortung deines überaus großzügigen Kommentars brauchte, hat zwei Gründe. 
Zum Ersten, die Fachkenntnisse, die aus jedem deiner Worten spricht, bedarf einer besonderen Würdigung. So habe ich den Kommentar ausgedruckt und in einem, von einem Kunsttischler, handgefertigten Bilderrahmen aus hochwertigem Edelholzimitat auf meinem literarischen Hausaltar aufgestellt. 
Zum Zweiten, die Frage, ob ich den richtigen Weg eingeschlagen habe, hat mich für Tage umgetrieben. Mit Sicherheit bin ich an Kreuzungspunkten mehrfach falsch abgebogen. Du weißt, nichts kann weiter sein als eine unbekannte Abkürzung. Trotz allem war es doch eine gute Entscheidung, dann in einem technische-nüchternen Zahlen und Fakten orientiertem Beruf war der regelmäßige Ausflug in die Welt der Fantasie das ideale Kontrastprogramm.
Was ich sagen will, mit einem Blick auf den Bilderrahmen, wir sind noch immer unterwegs!
Herzlichen Dank
TT

 GastIltis meinte dazu am 25.04.22 um 12:17:
Feine Antwort!!!
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