Punx gegen Atomkraft

Kurzgeschichte zum Thema Technik

von  Koreapeitsche

Die Atomproblematik wurde immer gravierender in der Punkszene. Immer mehr Bands nahmen Songs gegen Atomkraft auf, gegen Atombomben, Atomkrieg und Atommüll und gegen Atomtransporte (Атомная энергия? Спасибо Нет).
      Das Logo mit der roten, faustschwingenden Sonne auf rapsgelbem Hintergrund und dem kreisförmigen Logotext wurde 1975 in Dänemark erfunden. Ursprünglich lautete der Text „Atomkraft? Nej tak“, bis er in 44 weitere Sprachen übersetzt wurde. Das Logo gab es auf Buttons und Aufklebern. Die sammelte fast jeder, und wir waren schon als Kinder scharf drauf.
Allerdings stammte der Button und der Aufkleber „Atomkraft? Nein Danke“ eindeutig aus der Hippie-Szene, und die Punkszene tat sich schwer, das Logo kritiklos zu adaptieren. Die Punks brauchten ihre eigene Machart. Deshalb wurde das Strahlenzeichen zweckentfremdet, sodass das schwarze und pissgelbe Atomflügelrad jetzt immer häufiger auf Plattencovern, in Fanzines, in Collagen und auf Lederjacken erschien.
Den Punks war frühzeitig klar, dass wir immer mit einem Atomkrieg rechnen mussten, im Kalten Krieg, die ganzen F*cking 80er über und über den Fall des Eisernen Vorhangs hinaus. Unzählige Punkbands nahmen sich dem Thema an, wenn es nicht gerade Fun-Punk-Bands waren.
Deshalb gab es unzählige Songs, die sich mit der Atomproblematik auseinandersetzten, so auch “Nagasaki Nightmare“ von Crass, “4 Minute Warning“ von Chaos U.K., “Hell on Earth“ und “Cries of Help“ von Discharge, “One Nation Under The Bomb“ von Conflict oder sogar “Radioactive Kid“ der Psychobilly-Band The Meteors.
      Die F*cking Atomlobby (Forsa Tomica? No Grassie) war ohnehin getrieben von Alt-Nazis, die am liebsten die BRD schnellstmöglich zur Atommacht ausstaffiert hätten - nicht nur von Nazi-Oberleutnant Franz-Josef Strauß.
      Die ergebnislosen Diskussionen in der Schule, das unüberschaubare Info-Material, die unzähligen Demos, die Atomtreiberei in der Politik und die verstörenden Fernsehbilder aus  Brockdorf, Gorleben und Wackersdorf machten mich zum Polit-Weichei. Hinzu kamen die größeren Atomkatastrophen (Urani? Naamik) von Harrisburg, Sellafield und schlussendlich Tschernobyl. Diese ökologischen und ideellen Fiaskos jagten mir dermaßen F*cking Angst ein, dass mich keine zehn Pferde zu einer Protestveranstaltung in der Nähe eines Atomwerkes hätten bringen können. Ich bekom schon schiss, wenn wir in der Entfernung von zehn Kilometern an einem Atomkraftwerk vorbei fuhren, oder wenn wir von der Autobahn oder vom Zug so etwas wie den Meiler eines Kraftwerks sahen. Ich war ganz sicher mal auf Anti-Atom Demos und kann mich lediglich erinnern, dass es mir auf diesen Demos sehr schlecht ging. Diese Demos wirkten unfassbar emotional und machten mich krank, als würde ich dort eine Strahlendosis abbekommen. Es waren Psycho-Trips. Das liegt wohl daran, dass ich seit frühester Kindheit unter der harschen Kernenergie-Diskussion gelitten habe, die von beiden Seiten rücksichtslos geführ wurde. Die F*cking Atomlobby war ohnehin getrieben von Alt-Nazis, die am liebsten die BRD schnellstmöglich zur Atommacht ausstaffiert hätten. Da wirkten alle Punk-Songs über die Materie wie Atemtherapie. 
      Es war ja von Anfang an bekannt, dass der F*cking Atommüll (Nuklearrik? Ez eskerrik asko) ein langanhaltendes Problem darstellte. Das wussten alle Alt-Punks lange vor den Politikern, da sie die Plakate der Hippies auf den Demos lasen und bei Kurzeinblendungen in den Heute-Nachrichten und der F*cking Tagesschau sowie in Zeitungen und Zeitschriften. Bloß die Nachwuchspunks hatten das P im Auge.
      Auf einem meiner Berlin-Trips erzählte in einer Kneipe in Kreuzberg eine Tresenfrau, die aus Schottland stammte, dass sie in der Nähe des Atomkraftwerkes Dounreay (Energia Nucleare? No Grazie) aufgewachsen sei. Die Ortschaft, aus der sie stammte, heißt Wick. Ich fand das so lustig, da wir in F*cking Kiel auch einen Stadtteil namens Wik hatten, da wo die Wiker Punks herkamen, jedoch mit k am Ende geschrieben und nicht mit ck. Die Schottin bezeichnete sich als radikale Atomkraftgegnerin (Nuclear Power? No Thanks). Ich las in einem Buch, dass Wik so viel wie Marktplatz bedeutet. Ich weiß jedoch nicht, ob das für das schottische Wort Wick zutrifft.
      Eines Tages offenbarte mir ein Alt-Hippie aus Kiel, dass in Schwedeneck nördlich von Kiel an der Eckernförder Bucht ebenfalls ein F*cking Atomkraftwerk (Nucléaire? Non merci !) gebaut werden sollte. Deshalb wäre beinahe aus F*cking Eckernförde Bloody Finsterförde geworden. Das Projekt wurde auf Druck der Bevölkerung gekippt, speziell als eine Hippie-Kommune einen Kieler Staatssekretär bedrängte, der schließlich im Angesicht der F*cking Anti-Atom-Hippies abschwören musste. Das Abschwören des Bauvorhabens fiel den F*cking Verantwortlichen deshalb leicht, da F*cking Kiel den Zuschlag für die Ausrichtung der F*cking Segelwettbewerbe der F*cking Olympischen Spiele 1972 erhalten hatte. Das hätte bedeutet, dass zwei F*cking Großprojekte in der Region innerhalb kürzester Zeit hätten umgesetzt werden müssen. Also kippten die Verantwortlichen den Bau des F*cking Atomkraftwerkes Schwedeneck (¿Nuclear? No gracias), denn Olympia und die Errichtung des Olympiazentrums hatten Vorrang. Allerdings war die Zubringerstraße zum F*cking Atomkraftwerk (Nükleer Enerji? Hayir teşekkürler), die B503, bereits fertiggestellt. Auf der F*cking B503 sollten ursprünglich die Atomtransporte (스마일링 선) verlaufen, das hatte die Atomindustrie so von der Politik gefordert. Stattdessen konnten jetzt noch mehr F*cking Strandurlauber nach Schwedeneck durchpreschen.
      Wenn ich Frauen aus der Region Gorleben kennenlernte, waren diese stets sehr aufgeschlossen und rührseelig. Mit einer, die als Putzfrau in einer Kieler Kneipe arbeitete, hatte ich sogar eine Affäre. Früher, noch in F*cking Gorleben, hatte ihr als 13-Jährige ein Bloody Cop auf einer Anti-Atom-Demo (原子力? おことわり) mit dem Stiefel in den Unterleib getreten,
      „Rollant, seitdem mag ich keine Bullen mehr. Kannst Du das verstehen?“
Ich sagte
      „Ja, klar verstehe ich das“
und gab ihr einen Kuss.








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Kommentare zu diesem Text


 Regina (29.05.22, 07:23)
Und 1980 gründete sich die Partei "die Grünen" gegen Atomkraft. Wo der Atommüll hin soll, ist bis heute unklar. Der alpine Granit steht nunmehr zur Diskussion. Dein Rückblick auf die Hippie- und Punkszene ist gelungen, zeigt aber auch, wer hier die Macht in Händen hält. O tempora, o morden, was ist nur aus den Grünen geworden?

 Koreapeitsche meinte dazu am 30.05.22 um 09:56:
Alte Lateinerin, was?
Ja, die Grünen. Ich wunder mich auch nur noch. Das mit den Umweltzertifikaten macht die Grünen zur BWL-Partei.

 Dieter_Rotmund antwortete darauf am 11.09.22 um 17:23:
Korrekt heißt es eigentlich "o mores!"

 RainerMScholz (11.09.22, 15:25)
F*cking Anti-Atom-Hippies - ich schmeiß mich weg! Gottseidank ist das Problem heute ja obsolet.
Grüße,
R.

 Dieter_Rotmund (11.09.22, 17:23)
schiss -> Schiss
geführ -> geführt
seelig -> selig

Das dauernde Verwenden des beliebten Kraftausdrucks desavouiert den Text übrigens deutlich. 
Vieles im Text ist sehr allgemein gehalten. Spannend sind die ganz persönliche Erfahrungen des Erzählers, aber leider kommen gerade diese viel zu kurz!

 AngelWings (11.09.22, 17:48)
Wo Müll hin landet! Na Unterirdisch! Wo sie immer noch gelagert ist. So gesagt eine Zeit Bombe!

 Koreapeitsche schrieb daraufhin am 11.09.22 um 21:28:
Viel Atommüll lagert wohl zwischenzeitlich auf dem Gelände von Atomkraftwerken, bis der Verbleib geklärt ist. Wie groß diese Menge ist, steht in den Sternen.
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