Das Problem

Text zum Thema Achtung/Missachtung

von  Mondscheinsonate

Nun, das Problem ist, dass nicht jeder stark ist, nicht jeder sich denkt: "Rutsch mir den Buckel runter!" und so entstehen dann die verpatzten Leben, mitunter. 


Mit dem Verkauf der Firmen zeigte man natürlich dem Sohn gegenüber ein Misstrauen, zu Recht, aber das konnte man vorher nicht wissen. Von klein auf als unfähiger Mensch angesehen werden. Was macht das mit jemanden? 

Er wurde unfähig, in jeglicher Hinsicht. Wartet zum Trotz nur noch auf sein fettes Erbe, bestätigt inzwischen die Vermutung täglich auf das Neue. 


"Du kannst nichts und du bist nichts!"

Das hörte ich beinahe täglich. Brachte ich ein gutes Zeugnis, dann war es "ein Zufall"! 

Dies, meine Mutter, die mit 16 und lauter Sehr gut die Schule schmiss, aus Trotz, denn meine Großeltern, ihre Eltern, brachten plötzlich zwei kleine Kinder mit nachhause und sie wurde beiseite geschoben. Die kleinen Kinder waren meine Kusinen, ihr Vater lief nach Amerika davon, es war der Sohn meiner Großmutter, und deren Mutter, Großmutters Schwiegertochter war überfordert. Später sollte meine Großmutter den Vorwurf "Sie habe die Kinder weggenommen" hören. Ich kenne die Wahrheit nicht und möchte nicht urteilen.

Auf jeden Fall war meine Mutter abgeschrieben, sagte sie, sagten tatsächlich alle. 

Nun, sie schmiss die Schule und die Großmutter steckte sie in die Schwesternschule, wo sie bemerkte, wenn sie sich krank stellte, dass ihr Vater angerufen wurde und kam, sie wieder bemerkte. Dieses Spiel trieb sie permanent an die Spitze, sprang sogar aus dem Fenster, brach sich den Fuß, meinte, sie sei gestürzt, u.v.m.

Aber, irgendwann reichte es auch und sie ließ eine Blutkonserve fallen. Das wertvolle Blut ergoß sich über den Plastikboden, sie meinte, sie hätte Lähmungserscheinungen. Das verursachte großes Geschrei und der Vater musste sie holen, endgültig. 

Die Großmutter sagte: "Du bist eine Versagerin, eine Schande für deinen Vater, ich wünschte, du wärst nie geboren worden!" 

Der Großvater schwieg dazu, was zum weiteren Lebensverlauf beitrug. Dies erzählte mir meine, leider verstorbene Tante Laura, damit ich besser verstehen konnte. 

Natürlich ist es keine Ausrede, aber eine Erklärung. 

Die Mutter versagte ab diesem Zeitpunkt nur noch. Sie lief nach Wien und lebte in einer Kommune, tat nichts und kiffte nur noch. Mit 19 lernte sie meinen erzkonservativen Vater kennen, dem sie 16 Jahre lang das Leben zur Hölle machte, danach meiner Schwester und mir, eigentlich schon dazwischen, danach nur noch sich selbst, weil wir gingen und kamen nie wieder. 

Ich habe sie 26 Jahre nicht mehr gesehen, was gut so ist, denn es war 20 Jahre purer Egoismus und Horror.

Und genau diese Frau wollte mir ihr Versagen einreden, wollte es auf mich übertragen, aber jetzt meine These, es ist nur eine Vermutung, ein Glaube, nein, eine These: 

Ich habe das große Glück gehabt, Freunde zu haben, die ehrgeizig, gewissenhaft waren, deren Mütter sich um mich kümmerten, mir ihre Werte vermittelten, deren Bücher ich lesen durfte und die mir Mut zuflüsterten. Auch ihre Kinder. Schon als junges Mädchen bewunderte ich immer die, die etwas erreichten und mein Traum war die Universität. Ich kapierte es erst mit 36 Jahren, dass ich viel lernen muss, um meinen Traum verwirklichen zu können und das tat ich, Tag und Nacht. 

Ich glaube, das Elternhaus ist wichtig, aber, wenn das nichts taugt, dann muss man sich ein passendes Umfeld suchen, das erzieht nicht, sondern zieht. 

Natürlich hatte ich auch Glück, denn was mein Großvater bei seiner Tochter verpatzte, das machte er bei mir wieder gut und beschäftigte sich viel mit mir, seine Gedanken sind nun meine. 


Er, hingegen, lebte wie meine Mutter, suchte sich ein Umfeld, wo nur Versager waren, die soffen und nichts auf die Reihe bekamen und das zieht sich durch, seit 25 Jahren. Bei ihr sind es schon 58 Jahre. Er wird nicht aufhören, genauso, wie sie es nie tat. Diese Leute prägten, beide verstecken sich hinter Besoffenen und Drogensüchtigen, damit sie nichts anderes sehen können, eine Rechtfertigung haben. Sie versuchten und versuchen nicht einmal etwas, irgendetwas, einfach nichts. Von klein auf suhlen sie sich in miesen Verhaltensweisen, die sie sich antrainiert haben, als Abwehrreaktion gegen das Leben, warten beide nur auf den Tod oder auf ein gutes Wort ihrer Eltern. Sie kann es nicht mehr hören, er vielleicht schon, aber er tut alles dagegen, weil im Grunde weiß er, dass er es nie hören wird, dass er ein guter Junge ist.


Ich sage euch die letzten Worte meines Großvaters: "Mein Mausi."

Mausi war seine Tochter, die nicht einmal zu seinem Begräbnis kam, weil sie sich vor den Verwandten schämte.


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Kommentare zu diesem Text


 Fridolin (07.06.22, 06:28)
Ein hochinteressanter, hochkomprimierter Text zu einem zentralen Menschheits-Thema. Durch die Verteilung auf mehrere Personen werden zudem Varianten durchgespielt.
Von klein auf als unfähiger Mensch angesehen werden. Was macht das mit jemanden?
klingt zunächst wie ein rhetorische Frage. Es zeigt sich dann aber, dass die Antwort stark von der Glaubwürdigkeit der Quelle, bzw. dem Widerspruchsgeist des "Opfers" abhängt.

Beim Lesen stellt sich bei mir ein Bedürfnis nach mehr "epischer Breite" ein. Kommt das vielleicht noch?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.06.22 um 08:08:
Die ist stets verteilt, in verschiedenen Geschichten. :)

 TassoTuwas (07.06.22, 09:23)
Hallo Mondscheinsonate, 

das ist das ewige Problem, was gebe ich meinen Kinder und vor allen Dingen wie, mit fürs Leben.
Allgemein Erziehung genannt, dann fiel das Wort in Ungnade. Für das Wichtigste, das Eltern für ihre Kinder tun müssen, gibt es keine Ausbildung, werden sie unvorbereitet gelassen.
Es gibt eben nicht die eine richtige, allgemein gültige Methode, und darum wird von Generation zu Generation herum experimentiert und hinterlässt auch Opfer.

Dieser Text bewegt sich in einer wohltuenden Mischung aus Nähe und Distanz zum Thema!

Herzliche Grüße
TT

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 07.06.22 um 20:18:
Erziehung ist wahrlich in Ungnade gefallen, aber schon damals, als ich klein war. Da gab es das gar nicht mehr. Komisch irgendwie.
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