Panik vor dem Unbekannten vor der Tür

Text zum Thema Angst

von  Seelensprache

Es war am Vormittag als ihn ein Klingeln aus dem zweiten Schlaf gerissen hatte. Der zweite Schlaf war derjenige, der ihn überfiel, nachdem er das erste Mal so wach geworden war, dass er hätte aufstehen können, er sich aber umdrehte und zum Weiterschlafen entschied. Der zweite Schlaf war meistens unruhig, geprägt von intensiven, brutalen Träumen aus denen er mit schmerzverzerrtem Gesicht und verstörtem Geist aufwachte.

Es klingelte noch einmal. Dieses Mal etwas länger. Er erschrak. Wer könnte das sein? Er hatte schon lange den Kontakt zu anderen abgebrochen und legte keinen Wert auf ein soziales Miteinander, das ihn meistens langweilte oder verängstigte, ihn aber verlässlich mit einer schlechteren Energie zurückließ, verglichen mit jener, mit der er in den sozialen Austausch hineingegangen war. Er spürte wie sein Herz pochte. Einen Moment lang verharrte er in angespannter Stille. Er versuchte kein Geräusch zu machen. Da klingelte es ein zweites Mal.

Langsam hob er seine Beine und stellte sie auf dem Holzboden ab. Er saß nun auf der Bettkante und war noch immer bedacht darauf, keine Geräusche von sich zu geben. Vorsichtig setzte er einen Fuß vor den anderen, trat in den Flur und bewegte sich auf die Wohnungstür zu, die nun übermächtig in seinem Blick erschien. Es war, als sei sie in sein Bewusstsein hineinvergrößert worden und der Rest der ihn umgab aus seinem Blickfeld herausgeschnitten. Da stand sie nun, diese große Tür, die schwer atmete, so schien es ihm. Schweiß tropfte ihm auf den Fuß. An seiner Stirn drangen die Schweißperlen hervor wie Maden aus einem verwesten Körper. Auch an den Achseln und Handinnenseiten trat Feuchtigkeit aus. Hitze stieg in ihm empor.

Seine Hand streckte sich zur Türklinke hin aus. Es war, als hätte sie eine Entscheidung getroffen und er selbst wäre der Zuschauer, dem nun etwas widerfahre. Er umgriff die Klinke und drückte zu, wie man eine Zitrone auspresst. Seine Hand zitterte und färbte sich rot. Dann ließ er los. Es war, als ob ein Moment der Klarheit einkehrte und sich etwas von einem Willen offenbarte. Er wollte nicht. Er wollte einfach nicht. Erleichterung kehrte ein. Er drehte ab, ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank und legte seine Arme auf die kühle Trennscheibe. Gebannt und regungslos wartete er. Es klingelte nicht mehr.



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Kommentare zu diesem Text


 Regina (19.06.22, 15:36)
Für den Moment abgewimmelt, aber die kommen wieder.

 Seelensprache meinte dazu am 20.06.22 um 13:55:
So sicher wie das Amen in der Kirche! Danke für deinen Kommentar!

 AlmaMarieSchneider (19.06.22, 19:11)
Spannend geschrieben.

LG
Alma Marie

 Seelensprache antwortete darauf am 20.06.22 um 13:54:
Danke für das Kompliment!

 Thal (20.06.22, 12:35)
Oh man, ... wie oft schon, besonders blöd, wenn man kein Spion hat; .. hätte ja auch immer jemand gewesen sein können, den man jederzeit gerne rein lässt..

 Seelensprache schrieb daraufhin am 20.06.22 um 13:56:
Genau so ist es! Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, ein Spion könnte helfen :) Danke für deinen Kommentar!
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