O-Ton von Christiane F.: "Das waren keine Freunde, nur Menschen mit denen ich Drogen genommen habe."
Natürlich, alles ganz eng, bis zum Gerichtssaal oder der Intensivstation, dann sind alle weg.
Die schwersten Drogenabhängigen waren im AKH immer alleine da.
"Geh! Geben 's mir die Spritz' n, i wass wo i eini stechen muaß!"
Ja, so war das, ein Kontrastmittel, die Venen waren alle zerstochen, nun, wenn er es weiß!
Es war, übrigens über dem Knöchel. Sehr übel.
Ich war dennoch immer stolz auf die, die freiwillig kamen und es zumindest versuchten.
Einmal stand ein Herr im Anzug vor mir, gepflegt und gekampelt, wie man früher so schön sagte. Eine Zuweisung: AIDS, Hepatitis C, löchrige Nasenwände, Drogenabusus, Nikotinabusus, Syphilis.
Nein, das ist kein Scherz, der gute Mann von Nebenan. Heute sieht er sicherlich anders aus, vermutlich wurmzerfressen.
Die Gaby arbeitete als heroinabhängige Nutte in ihrer Jugend, dann verliebte sie sich in den Walter, die beiden heirateten, sie kam vom Stoff weg, bekam zwei Kinder, Haus und Garten. Ich erinnere mich gerne an schöne Sangria-Abende. Während ich noch beim ersten Glas war, trank sie fast den Doppler weg, 2 Liter, alleine. Sie lallte ein bisschen, stand noch aufrecht.
Gaby ist mit 43 gestorben. Elend zugrunde gegangen an Hepatitis C, alles war aufgedunsen, furchtbare Schmerzen, ein langes Leiden. Jetzt nicht mehr.
Zurück ins AKH. Zwischen halb sieben und sieben kamen die "Psych"- PatientInnen. Auch Zwölfjährige, zumeist Anorexie/Bulimie. Dem Schönheitsideal nacheifernd.
Hauptsächlich Menschen mit Schizophrenie, drogeninduzierten Psychosen, auch Depressionen.
Ich sah Zerstörung in allen Gesichtern.
Ein Mädchen kam zwei nach sieben aus der Palliativ, schwer verkrebst, 18 Jahre alt, sie zog sich ständig Speed rein, auf ihrer Niere bildete sich ein Karzinom, das streute bis ins Gehirn. Sie musste länger sitzen, ich fragte, ob ich ihr ein Glas Wasser bringen dürfte, der Arzt sagte, das sei kein Problem. Als ich wieder herauskam, lag sie am Boden. "Herzalarm" in so einem Fall. Das Team kam in 45 Sekunden gelaufen, vollbepackt, nützte nichts, die Reanimation dauerte 45 Minuten. Todeszeitpunkt: 8:49. Dr.X.
Auch sie starb ohne ihre "Freunde".
Natürlich, man kann sich die Sucht stetig lustig reden, den Clown runterreißen, alles verherrlichen, aber die Wahrheit ist doch, dass nichts, rein gar nichts, lustig ist. Jedes Gefühl ist produziert. Synthetik verhindert die natürliche Ausschüttung von Dopamin, d.h. ohne Droge kann man nicht einmal mehr glücklich sein. Alles, was man tut, läuft auf den Stoff hinaus, kein eigener Wille mehr. Es zehrt.
Was ist, rein psychisch und körperlich lustig, wenn man sich krank macht? Gar nicht mehr bemerkt, dass man nur noch für und mit der Droge lebt?
Nicht einmal mehr fähig zur Selbstreflexion ist? Alle beschimpft, die mit der Erklärung kommen, nichts aus den Fingern gesogen ist. Was ist daran lustig, wenn "Freunde" bewusst klatschen, wenn man wieder drauf ist? Keiner meint: "Du hast nicht einmal eine Ausbildung, wieso setzt du dir keine Ziele und schaust, dass du gesund wirst?" Keiner die eigentliche Depression hinter den Substanzen bemerkt und nur mit Esoterikdreck kommt, statt mit einem Arschtritt?
Nun, dann müssten sie sich selbst eingestehen, dass sie versagt haben, da schließt man sich lieber der Gruppe von Gleichgesinnten an und nennt es weiterhin Spaß. Man braucht auch immer einen, der mieser drauf ist als man selbst.
Im Übrigen: Eine meiner letzten Patientinnen war Elisabeth, sie sprang von der Ebene 8, genau vor meinen Augen in die Tiefe. Drogeninduzierte Psychose.
Die Glaswand brach und musste erneuert werden.