Wiedergeburt?

Ansprache zum Thema Glaube

von  Graeculus

Du warst ein liebenswertes Kind und bist ein vernünftiger Mensch geworden. Allerdings waren Deine Eltern beide berufstätig und hatten wenig Zeit für Dich, weshalb Du in Deinen frühen Tagen öfters von Deiner Großmutter betreut worden bist. Das war nicht traurig für Dich, denn Du hast Dich gut mit ihr verstanden, und sie hat sich hingebungsvoll um Dich bemüht.

 

Eines Tages jedoch hat sich eine Krise ergeben: Ihr seid spazierengegangen, und einen Moment lang hat Deine Großmutter nicht aufgepaßt. Spontan bist Du, ohne auf den Verkehr zu achten, auf die Straße gelaufen – ein Kind halt. Um ein Haar hätte Dich ein LKW überfahren; nur ganz knapp konnte er noch ausweichen. Um ein Haar wärst Du tot gewesen.

 

Das war für Deine Großmutter noch weit schrecklicher als für Dein unbesorgtes Gemüt. Sie hat sich geschämt wegen ihrer Unachtsamkeit. „Bitte“, meinte sie, nachdem sie sich vom ersten Schrecken erholt hatte, „es ist gut ausgegangen. Laß uns niemandem davon etwas erzählen! Versprichst du mir das?“ Du hast es Deiner Großmutter zuliebe versprochen und dieses Versprechen gehalten.

 

Viele Jahre sind vergangen. Deine Großmutter ist längst gestorben, doch Du hast sie in liebevoller Erinnerung behalten.

 

Eines Tages kommt ein junger Mann, etwa 20 Jahre alt, auf Dich zu und sagt: „Du, es klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich bin deine Großmutter.“

Diese unverschämte und sinnlose Aussage läßt Ärger in Dir aufsteigen: „Wissen Sie, verarschen kann ich mich selber! Wie reden Sie über meine Oma? Was soll der Quatsch?“

„Doch, doch“, entgegnet der junge Mann. „Ich bin die Wiedergeburt deiner Großmutter. Schau, erinnerst du dich nicht daran, wie du damals beinahe unter ein Auto gekommen bist, weil ich nicht aufgepaßt habe? Und daß wir einander versprochen haben, niemals jemandem etwas davon zu erzählen? Nur du weißt davon und ich, deine Großmutter. Erkennst du mich nun?“

 

Ein durch nichts zu erschütternder Glaube (oder Unglaube) ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Erstarrung.

 

Du glaubst nicht an Wiedergeburt. Aber ließe Dich ein solches Erlebnis zweifeln?

Oder andersherum: Du glaubst an Wiedergeburt. Was müßte passieren, damit Du Deine Ansicht änderst?




Anmerkung von Graeculus:

Es handelt sich um ein Gedankenexperiment. Diese Genre gibt es hier nicht.

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Kommentare zu diesem Text

klausKuckuck (71)
(02.07.22, 13:54)
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 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:32:
Es wird ja mal wieder kälter. Wiedergeburt ist zudem m.W. temperaturunabhängig.

 LotharAtzert (02.07.22, 14:28)
Der ursprüngliche Kommentar wurde am 02.07.2022 um 22:10 Uhr wieder zurückgezogen.

 Graeculus antwortete darauf am 02.07.22 um 23:39:
Schreiben, zurückziehen, löschen - kann es sein, daß du in dieser Hinsicht etwas instabil bist?

Nun, wie auch immer:
Es handelt sich hier um ein Gedankenexperiment, was ein wirkliches Experiment und völlig unabhängig vom tatsächlichen Stattfinden des geschliderten Ereignisses ist.
Wenn man nämlich zeigen kann, daß ein bestimmtes Ereignis denkbar (widerspruchsfrei zu denken möglich) ist, dann ist damit bewiesen, daß das (kontradiktorische) Gegenteil wahr sein kann, aber nicht logisch notwendig wahr ist.
Das heißt in diesem Falle nichts darüber, ob es Wiedergeburt tatsächlich gibt, aber es würde besagen, daß Wiedergeburt möglich ist. Wir hätten dann sogar ein Kriterium dafür, wann das der Fall ist.

Die Überlegung, was eigentlich passieren muß, damit wir unsere Ansichten in Frage stellen oder sogar aufgeben, kann ich dir ebenfalls ans Herz legen. Alles andere wäre eine Inanspruchnahme von Unfehlbarkeit.
Adrian (47) schrieb daraufhin am 03.07.22 um 07:29:
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 LotharAtzert äußerte darauf am 03.07.22 um 11:22:
Graeculus, weil du so unterhaltsam bist:
Einer bewußt wiedergeborenen Reinkarnation teile ich jederzeit (und mit Freude) mit, wer mein Vorgänger war. Einer nur am Stoffgrund (Beweise!) Interessierten, also nur von außen die „Angelegenheit“ erforschend, der seine Neugierde befriedigen will, nicht.
Entweder man hat eine Ahnung und folgt (der inneren Stimme) vertrauensvoll, oder aber nicht. Eine andere Möglichkeit zur Gewissheit von egal was zu kommen, sehe ich nicht. Außer, wie gesagt, zu denjenigen gehen, die vorangingen.
Wenn ich von Frankfurt nach München will, weiß ich, wie ich da hinkomme. Wüsste ich es nicht, fragte ich einen, der sich auskennt, weil er die Strecke bereits hin- und zurück gefahren ist. Nicht aber fragte ich ins Blaue hinein einen Bäcker, Professor, Schneider, Hinz und Co nach dem Weg, weil Meinungen bloß Vermutungen sind und das birgt immer Überraschungen.
Ein bewußt Wiedergeborener (Tulku in Tibet) erinnert sich. Ein bloß Meinender kann das anzweifeln, oder glauben, das steht ihm frei.


Instabilität - ja gibt es denn eine beharrende Substanz? - Das wäre mir neu.

 Graeculus ergänzte dazu am 03.07.22 um 18:45:
An Adrian:

Kants kategorischer Imperativ ist mit

Das notwendige tun, um großes Leid zum Beispiel zu verhindern.
doch sehr eigenwillig wiedergegeben. Vo der Verhinderung von Leid ist da gar nicht die Rede, sondern von der gesetzmäßigen Form unserer Maximen/Handlungsgrundsätze. Leiden erzeugst du ja schon, wenn du jemandem, der dich liebt, sagst, daß du ihn nicht liebst; das ist kaum zu umgehen.


Jedenfalls ist das gewissenhafte Aufnehmen von Informationen als Grundlage unserer Entscheidungen eine moralische Pflicht, auch und gerade im Sinne Kants. Ob das heißt, daß man schlechthin alles studieren muß, ist eine andere Frage; Kant jedenfalls hat es abgelehnt, sich mit Swedenborg näher zu befassen, obgleich ihn dessen Thema interessierte.

Was der Sinn eines Gedankenexperimentes - im Rahmen von Wissenschaft - ist, habe ich ja mehrfach in Re-Kommentaren erläutert.
Man mag wissenschaftliches Denken für gut oder schlecht halten (Kant hat da einen eindeutigen Standpunkt!), aber das steht auf einem anderen Blatt.

Persönliche Gespräche haben gegenüber Internet-Diskussionen Vor- und Nachteile. Z.B. geht bei Freunden gleich ein ganzer Abend drauf, während ich mich hier für eine halbe Stunde hinsetzen und Kommentare schreiben kann.

LotharAtzerts Neigung, Texte und Kommentare zu schreiben und dann wieder zu löschen, ist nicht auf meinen Fall hier beschränkt und dadurch auch nicht zu erklären. Da ich aber die Kommentare als E-Mail bekomme, also lesen kann, auch wenn er sie anschließend für die Öffentlichkeit löscht, habe ich hier einmal darauf geantwortet, obgleich ich das Löschen in der Regel respektiere.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 18:50:
An LotharAtzert:

Ich verstehe das so (wenn ich es denn verstehe), daß du einer sehr speziellen Erkenntnisquelle folgst (der "inneren Stimme"), die für mich, soweit ich sie einsetze, eine zu prüfende und nicht unbedingt zuverlässige Informationsquelle darstellt.
Im Ergebnis bedeutet das dann wohl, daß du deine Einstellungen auf der Grundlage von Argumenten gar nicht und auf der Grundlage von Erfahrungen in der Außenwelt höchst selten änderst; für Letzteres ist vielleicht die Einstellung zum Krieg in der aktuellen Lage ein Beispiel.

Das läuft bei mir ganz anders ab und führt nur im Falle der Ukraine zum gleichen Ergebnis: der Einschränkung einer pazifistischen Einstellung.

 LotharAtzert meinte dazu am 03.07.22 um 21:42:
daß du einer sehr speziellen Erkenntnisquelle folgst (der "inneren Stimme"), die für mich, soweit ich sie einsetze, eine zu prüfende und nicht unbedingt zuverlässige Informationsquelle darstellt.
O Graeculus, tätest du den Überprüfer doch mit der gleichen Vehemenz überprüfen. (zB. was ist das Ich, das vorgibt, in der Lage zu sein, alles überprüfen zu können. Was wiegt es, wie groß ist es, welche Farbe hat es, wo befindet es sich genau etc. etc. etc ) - so geht das im Theravada doch, oder nicht?

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:21:
Dem gehe "ich" (wer immer das sein mag) durchaus nach. Wenn man die Welt in "Vorgestelltes" und "Vorstellendes" einteilt, dann ist hier bei kV - warum auch immer - mehr vom Vorgestellten die Rede; aber "ich" bin ja nicht nur nur kV-Autor.

"Ich" behalte die Anregung "Wer bin ich?" mal als mögliches Thema im Kopf. Eine Frage ist was Wie - soll ja kein philophisches Seminar und kann keine Meditation werden.

Eine kluge und weise Philosophin hat einmal einen Aufsatz über "ich" mit folgendem Zitat aus dem "Wörterbuch des Teufels" von Ambrose Bierce eingeleitet:

Ich, pron. – Das erste Personalpronomen, das erste Wort der Sprache, der erste Gedanke des Geistes, der erste Gegenstand der Zuneigung. Sein Plural soll „wir“ lauten, aber wie es mich mehr als einmal geben kann, ist den Grammatikern zweifellos klarer als dem Verfasser dieses unvergleichlichen Diktionärs. Mich selbst in Zweizahl vorzustellen, ist schwer, aber schön. Der freimütige und dabei anmutige Gebrauch von „ich“ unterscheidet den guten Schriftsteller vom schlechten; dieser trägt das Wort wie ein Dieb, der seine Beute zu verbergen sucht.

Das war schonmal ein guter Anfang, nicht ohne Witz.

Wie gesagt, Thema bleibt in "meinem" Kopf.

 Bluebird (02.07.22, 15:12)
Ja, es gibt da ganz erstaunliche Zeugnisse über solche Begebenheiten. Wenn sie stimmen, könnte man schon geneigt  sein, an Wiedergeburt zu glauben.
   Tue ich aber dennoch nicht, weil ich dahinter einen dämonischen Trick vermute.

Dies jetzt näher zu erklären, würde zu weit führen. Ich wollte meine - und  damit die christliche  Sichtweise - nur mal kurz erwähnt haben.

 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:44:
Es handelt sich hier um eine Gedankenexperiment, nicht um einen Tatsachenbericht. Was darunter zu verstehen ist, habe ich oben bei meiner Antwort auf (den  gelöschten Beitrag von) LotharAtzert erläutert.

Außerdem erscheint mir die Frage wichtig, was - ganz grundsätzlich - geschehen müßte, damit wir unsere Ansichten bzw. unseren Glauben als falsch einsehen.
Nicht daß das geschieht, sondern was müßte geschehen, was wäre so eindrucksvoll, daß wir daraus diese Konsequenz zu ziehen bereit wären?

Eine große, laute Stimme, die vom Himmel herab verkündet: "Es gibt keinen Gott!"?
Nein, du hieltest auch das für dämonisch. D.h. es gibt rein gar nichts, was dich von einem Irrtum überzeugen könnte.
Das klingt stark, ist aber m.E. lediglich starrsinnig.

Die Haltung der Wissenschaft ist es ganz und gar nicht.

 Bluebird meinte dazu am 03.07.22 um 10:06:
Ich stehe auf dem Standpunkt, dass man autobiografische Berichte Ernst nehmen sollte. Und es gibt in der Tat verblüffende "Reinkarnations-Fälle", die den Eindruck vermitteln könnten, dass es tatsächlich so etwas wie Reinkarnation gibt.
   Lese mal Beispiele durch, wie ein neuer Dalai Lama gesucht und gefunden wird.
   Für mich allerdings ist das eine dämonische Irreführung, ohne dies jetzt tiefergehend zu begründen.

Als gläubiger Mensch bin ich mir sehr wohl der subjektiven Gewissheit meines Glaubens bewusst. Was auch - zumindest theoretisch - einen Irrtum nicht ausschließt. Es müsste allerdings schon Einiges geschehen, um meinen Glauben ernsthaft zu erschüttern.
   Und was den Starrsinn angeht, da stehst du einem Gläubigen in nichts nach. Ich vermute aber, dass sich das dramatisch ändern würde, wenn du mal eine echte Offenbarung erleben würdest.
   Da ist dann nämlich Schluss mit - sorry - der skeptisch-intellektuellen Laberei. Da ist man so unmittelbar mit der transzendenten Wirklichkeit konfrontiert, dass da erst mal keine Fragen mehr offen bleiben.

Antwort geändert am 03.07.2022 um 10:07 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 18:55:
Was auch - zumindest theoretisch - einen Irrtum nicht ausschließt. Es müsste allerdings schon Einiges geschehen, um meinen Glauben ernsthaft zu erschüttern.

Da das hieße, einen über Jahrzehnte gegangenen Weg als Irrweg einzusehen, ist das nicht sehr wahrscheinlich.

Allerdings habe ich meine Weltanschauung im Laufe meines Lebens schon mehrfach geändert, und sie ändert sich bis heute.
Skeptisch verhalte ich mich übrigens in erster Linie gegenüber monotheistischen Religionen (sonst nicht), und wenn ich mal ein 'seltsames Erlebnis' (was du echte Offenbarung nennst) hätte, würde ich das vermutlich anders interpretieren, als du es tust.
Und da müßte etwas anderes kommen, als das, was du in deinen Berichten schilderst: Regenwunder, Jesus-Wolken etc.
Bei einem jungen Mann an meinem Bett hätte ich spontan wohl eher einen unangenehmen Eindruck.

 Bluebird meinte dazu am 03.07.22 um 19:41:
Etwas, was sich bewährt  hat braucht man nicht zu ändern. Als ich 1985 zum christlichen Glauben gefunden hatte, wusste ich einfach, dass ich in der Wahrheit angekommen bin.
   Und an diesem stimmigen Grundgefühl hat sich bis heute nichts geändert.

Mein Glaube ist nicht von irgendwelchen Meistern oder Vordenkern abhängig, sondern erweist sich in meinem Alltag als richtig.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:31:
Sieh an, ich wollte ohnehin nochmal auf den Vergleich von Dir und mir zurückkommen.

Es ist ja nicht so, daß es in Deinem "stimmigen Grundgefühl" keine Störfaktoren gibt (was immer ein spannendes Erlebnis ist); Wunder in anderen Religionen sind ein Beispiel dafür.
Du neigst dann - so meine jahrelange Beobachtung - dazu, Dämonen als (hypothetische) Erklärung einzuführen. Und schon scheint der Störfaktor entschärft zu sein, es paßt wieder in Dein Weltbild.

Wie gehe, so habe ich mich gefragt, eigentlich ich mit Störfaktoren in meinem Weltbild um? Wenn z.B. ein Mensch mir von einem Gotteserlebnis berichtet?
Nun, ich ziehe andere mögliche Erklärungen in Betracht. Letztlich bleibt das dann meistens offen, weil keine eindeutige Antwort möglich ist.
Wunder (= unerklärliche Ereignisse) gibt es auch in meinem Leben - derartige Erfahrungen haben aber noch nie etwas mit Religion zu tun gehabt. (Vgl. den Spatz, der auf unserem Balkon seltsame Dinge tut.)

Eines möchte ich regelrecht richtigstellen: Zwar bediene ich mich gerne bei "Meistern und Vordenkern", um die Welt besser zu verstehen; aber mein Atheismus beruht zunächst auf einer ziemlich soliden Erfahrung in meinem Leben: daß da niemand war, als ich als Kind Kontakt aufzunehmen versucht habe, und daß da bis heute niemand ist. Gott schweigt. Er hat immer nur geschwiegen, wenn Menschen in Not waren: in Auschwitz, an der Kolyma und jetzt in der Ukraine.

 Regina (02.07.22, 15:41)
Ich wollte nur erwähnen, dass Wiedergeburt aus Wasser und Geist etwas anderes meint als Reinkarnation. 
Ansonsten kein Kommentar.
Agnete (66) meinte dazu am 02.07.22 um 18:52:
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 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:49:
Zwar ist "Wiedergeburt" in etwa eine Übersetzung von "Reinkarnation", aber auf einen speziell christlichen Standpunkt kommt es mir nicht an.

Kann es sein, daß Ihr den Unterschied zur "Seelenwanderung" (Metempsychose) meint? Das wäre in der Tat etwas anderes und müßte ich bedenken. Mein Beispiel läuft wohl in der Tat eher auf Seelenwanderung hinaus.

Für die Frage, ob man das geschilderte Ereignis als Beweis dafür ansähe, ist das natürlich nicht erheblich.

 Regina meinte dazu am 03.07.22 um 18:00:
Nein, Reinkarnation bedeutet aufeinanderfolgende Erdenleben der individuellen Seele in immer neuen Körpern aufgrund des selbst verursachten Schicksals, im Hinduismus, Buddhismus, in Japan und bei Theosophen und Anthroposophen so gelehrt. Wiedergeburt aus Wasser und Geist bedeutet Erneuerung, Erlösung der Gebundenheit an Karma, ein völlig neues Geschöpf geworden zu sein. 
Beides gibt es auch im Christentum, aber nicht bei allen Vereinigungen. Christliche Lehren sind auch sehr unterschiedlich.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:35:
Es geht mir nicht darum, hier auf Teufel komm raus Recht zu behalten - aber für mich ist

aufeinanderfolgende Erdenleben der individuellen Seele in immer neuen Körpern
eine präzise Beschreibung von Seelenwanderung = Metempsychose, während "Wiedergeburt" nur die Übersetzung von "Reinkarnation" (= Wiederfleischwerdung) ist.


Allerdings habe ich den Eindruck, daß im normalen Sprachgebrauch oft nicht sauber auseinandergehalten werden. Während du sie auseianderhältst, aber in einer für mich irritierenden Weise, die ich nicht nachvollziehen kann.

Ja, vielleicht hätte ich meinen Text eher "Seelenwanderung" nennen sollen. Asche auf mein Haupt.

 FrankReich (02.07.22, 16:00)
Mich ließe dieses Erlebnis nicht an meinem Unglauben zweifeln, denn ich rede im Schlaf. 😂😂

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:51:
Okay. Damit hättest Du eine naturgesetzliche Erklärung für das geschilderte Phänomen.
Ich nicht, denn ich beschränke mich auf Selbstgespräche (kein Reden im Schlaf nach Auskunft gewöhnlich gut informierter Kreise).

 FrankReich meinte dazu am 03.07.22 um 10:20:
Selbstgespräche? Dann dürfte aber auch Dich nicht wundern, dass jemand Deine intimsten Geheimnisse kennt. 👋😂👍

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:38:
Keine Sorge. Meine Selbstgespräche simulieren "nur" Gesprächs- und Diskussionssituationen. Ich feile an einem Argument u.ä.
Kein Ausplaudern von Geheimnissen aus der Kindheit!

Meine Frau beobachtet mich da scharf, ob die Grenze zum Therapie-Bedarf überschritten wird.

 Vaga (02.07.22, 17:43)
Du glaubst nicht an Wiedergeburt. Aber ließe Dich ein solches Erlebnis zweifeln?
Ein Versuch der Beantwortung:
Versetzte ich mich (nicht an Wiedergeburt glaubend) nun in dieses einst liebenswerte Kind, aus dem ein vernünftiger Mensch geworden ist, würde ich vermutlich auch in diesem Dialog nach einer vernünftigen Erklärung dieser für mich 'fragwürdigen Situation' suchen. Vernünftig im Sinne einer auf Fragen bauenden Erkenntnissuche im Gespräch miteinander. Bereits meine erste Frage zöge die nächste und diese wiederum die nächste nach sich usw., so lange, bis mein Gegenüber - nach für mich bisher unbefriedigenden Antworten - nicht mehr umhin käme, mir die Wahrheit zu sagen - also nicht sein subjektives/individuelles Fürwahrhalten, sondern die reine - über alle (meine) Zweifel erhabene - 'objektive' Wahrheit, die sich (logischerweise) aus einem - der Überzeugung meines Gegenübers entsprechenden - selbsterfahrenen Wissen speisen müsste. Also ich würde/könnte in dem Falle nur an meinem Nichtglauben an die Wiedergeburt zweifeln, wenn mir eine solche "Wahrheit" als Antwort 'glaubhaft' und voll und ganz akzeptabel erschiene.  

Das 'Spekulative', das m. M. n. sowohl Grundlage für das/den Glauben, als auch für das/den Nichtglauben ist, wird solchen Diskussionen oder Dialogen immer innewohnen, und 'Spektakuläres' (wie im o.g. Erlebnisfall) wird m. E. eher Halb- oder Unwahrheiten als die Wahrheit ans Licht bringen.

LG - Vaga

Kommentar geändert am 02.07.2022 um 17:47 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:54:
Keine eindeutige Entscheidbarkeit der Frage?
Ich habe meine Geschichte bewußt so konstruiert, daß der Fall einer Lüge oder eines Irrtums auf Seiten des jungen Mannes nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen ist.

Mich würde es daher schon nachdenklich machen, zumal ich - s.o. - den Falle des Redens (Ausplauderns) im Schlaf für mich ausschließen kann.

 TrekanBelluvitsh (02.07.22, 18:19)
Das interessante daran ist, was sich daraus ergibt. Denn ganz offensichtlich können sich die meisten Menschen nicht an ihr vorheriges Leben erinnern. Wenn es einige können, muss...

a) es Zufall sein. Wenn dem so ist, spielt die Möglichkeit der Wiedergeburt keine Rolle für das jetzige Sein. Die aufeinander folgenden Leben existieren unabhängig von einander.

b) die Erinnerung an ein vorheriges Leben Lohn oder Strafe eines in einem Kult verehrten Wesen, umgangssprachlich Gott genannt, sein Und dann - oh, was für ein Zufall! - eignet sich die Wiedergeburt ganz hervorragend zur Disziplinierung der Anhänger des Kultes.

So wird es Teil einer extremistischen Ideologie, die ohne Probleme allgemeine Menschenrechte negieren kann, weil es ja gottgegebene Unterschiede gibt (jene, die sich an ihr vorheriges Leben erinnern können und jene, die dazu nicht in der Lage sind).


Mit a) könnte ich Leben. Im Falle von b) würde ich alles in meiner Macht stehende tun, um einen nuklearen Holocaust herbeizuführen. Denn wenn wirklich alle Menschen tot sind, gibt es keine Wiedergeburt mehr und damit wären in diesem Falle - also im Tod - alle Menschen gleich und die allgemeinen Menschenrechte wären durchgesetzt.

 Graeculus meinte dazu am 02.07.22 um 23:59:
Stimmt, das Rätsel bliebe, warum wir uns in aller Regel nicht an frühere Existenzen erinnern (der Trank der Lethe in der antiken Mythologie).

Der Ausnahmefall würde auch auf mich ziemlich düster wirken (sogar für ihn gibt es eine Parallele in der antiken Mythologie: die wenigen Menschen, die aus dem Hades zurückgekehrt sind und uns von den Gepflogenheiten dort [inkl. Lethe] berichtet haben).

Eine merkwürdige Ungleichheit unter den Menschen? Zum Glück nur ein Gedankenexperiment.

 Regina meinte dazu am 03.07.22 um 18:10:
"Stimmt, das Rätsel bliebe, warum wir uns in aller Regel nicht an frühere Existenzen erinnern (der Trank der Lethe in der antiken Mythologie)."
Schatzilein, das Kind beginnt etwa erst mit dem dritten Lebensjahr, sich später an die Geschehnisse zu erinnern. Es ist aber als Baby, mit ein und zwei Jahren auch schon dagewesen. Der Grund, warum es sich später an diese frühe Kindheit nicht erinnert, ist, das das Gehirn das in diesem Alter noch nicht speichern kann. Und wir erinnern uns auch nicht an unser intrauterines Leben, als wir im Bauch der Mutter wie ein Meerestier herumschwammen. Dennoch würdest du diese Phase niemals anzweifeln.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:44:
Das stimmt, die Nichtexistenz von Erinnerung beweist nicht die Nichtexistenz. Es sagt allerdings auch nichts über die Existenz ... oder die Präexistenz.
Einen Schritt weiter: Erinnerungen müssen im Gehirn gespeichert werden; vorher existieren sie nicht.
Aber wie sollten sie ohne Gehirn von einem Individuum zum anderen 'wandern'? D.h. wie ist dann überhaupt Erinnerung an frühere Existenzen möglich?
Was übernimmt die Funktion des USB-Sticks, über den Information von einem Gerät zum anderen übertragen wird?

P.S.: Es ist mir in der Regel gleichgültig, wie mich jemand anspricht - Hauptsache, ich erkenne, daß ich gemeint bin. Das ironische "Schatzilein" empfinde ich allerdings als grenzwertig, und ich glaube nicht, daß ich mich jemals dir gegenüber so verhalten habe.
Agnete (66)
(02.07.22, 19:17)
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 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:04:
Das Motiv des jungen Mannes habe ich außen vor gelassen, das stimmt. Spontan weiß ich dazu nichts zu sagen.

Du glaubst an Wiedergeburt/Reinkarnation. Für Dich scheint ein unerschütterlicher, durch nichts in Frage zu stellender Glaube irgendeinen Vorzug zu besitzen. Für mich - und ich habe diesen Gedanken ganz bewußt angehängt - hat er das nicht.
Das hat, meine ich, mit Offenheit oder Geschlossenheit eines Weltbildes zu tun. D.h. die Unerschütterlichkeit eines Glaubens muß durch ein geschlossenes Weltbild erkauft werden. Nichts mehr von "offene Weite, keine Spur von heilig" (Bodhidharma).
Taina (39) meinte dazu am 03.07.22 um 08:16:
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 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 22:51:
Ja. Ein schönes Beispiel für einen erstarrten Glauben ist die Anthropozentrik und Geozentrik der monotheistsichen Religionen. Sie befinden sich noch auf einem Wissensstand, in dem sich die Erde im Zentrum des Universums befand und der Mensch als Höhepunkt des Kosmos galt - und damit im Fokus der göttlichen Fürsorge.

Was eine Weltanschauung angeht, in der es Tripstrillionen Sterne und Erden und Lebewesen gibt, da war der antike Lukrez schon weiter. Und dann erst - davon wußte auch er noch nichts - ein Multiversum, von dem viele Physiker/Kosmologen heute ausgehen!

Welche Berufsperspektive hat der Gott der abrahamitischen Religionen noch in der modernen Kosmologie? Wie können wir noch im Zentrum seines Wirkens stehen?
Befindet sein Sohn sich etwa auf einer Rundreise im Weltall und macht überall dort Station, wo intelligentes Leben entstanden ist?
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 10:04:
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 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 18:40:
Die Menschheit befindet sich auf der Erde, klar; aber steht der Mensch im Zentrum der Erde, wie Gott sie (angeblich) geschaffen hat? Ein Biologe sagte einmal, Gott müsse Käfer lieben, denn von denen gibt es die meisten Arten (von der Zahl der Individuen abgesehen).

Das Multiversum ist experimentell (noch) nicht nachweisbar; aber die experimentellen Befunde der Quantenphysik legen seine Existenz (und einiges andere mehr) nahe.
Eine letztgültige Antwort ist das freilich nicht.

Was die Rolle der Frau in der Religion angeht, so scheint mir - auf meinem Kenntnisstand - der Taoismus führend, während der Buddhismus mich in dieser Hinsicht irritiert: die strenge Apartheid der Geschlechter in den Klöstern sowei Buddhas Äußerungen über Sexualität stimmen mich skeptisch.
Was der gravierendste Reformbedarf in den (abrahamitischen) Religionen ist, darüber kann man diskutieren. Judentum und Islam sind ja auch Gott als Vater nicht so festgelegt wie das Christentum, aber in anderen Hinsichten 'himmelschreiend'. Ich wollte nun einmal das kosmologische Defizit einmal hervorheben, weil über das Frauenproblem viele reden, über das andere jedoch kaum jemand.

 Verlo (02.07.22, 20:51)
Wiedergeburt gibt es.

Hier in KeinVerlag.

Dieter_Rotmund "sieht" sie. 

Der Webmaster kennt sie.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:06:
Ja. Zum Glück wissen die nur was über ihre eigenen früheren Existenzen auf keinVerlag, aber nicht, was allein meine Oma und ich erfahren haben.

Privatnachrichten auf kV sind nicht das Gleiche, denn die kann der Webmaster m.W. einsehen. In dieser Hinsicht ist er wie Gott: allwissend.

 Tula (02.07.22, 20:51)
Hallo Graeculus
Da die Menschheit zahlenmäßig stetig anwächst, gehe ich davon aus, dass wir sogar mehrmals wiedergeboren werden. Ähnlich wie bei der Zellteilung. Aus eins mach zwei.
Das könnte echt witzige Situationen ergeben, wenn sich zwei Reinkarnationen derselben Person treffen und sich darüber streiten, wer denn nun 'die einzig wahre' ist.

Möglich natürlich auch, dass der Herr nur der Sohn des Pfarrers war, der deiner Großmutter vor 20 Jahren im letzten Moment die Hand hielt  ;)

LG
Tula

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:09:
Die letzte Beichte meiner Oma - ich schlage mir vor den Kopf. Das ist es. Und das Beichtgeheimnis kann sehr brüchig sein, entgegen allen Mythen, die im katholischen Glauben darum gesponnen werden.
Warum bin ich als Ex-Katholik nicht auf diese Möglichkeit gekommen?

 Verlo (02.07.22, 20:55)
Graeculus, wünsche dir nicht, wiedergeboren zu werden, denn das nächste Mal wirst du dich in einer kommunistischen Diktatur zu bewähren haben.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:14:
Als Schlachttier, was wäre gerecht, weil ich kein Vegetarier bin.

Aber Scherz beiseite - du bist ja ein Mensch, den ich im Verdacht eines geschlossenen Weltbildes habe: Was müßte passieren, damit Du einsiehst, daß Selenskyj ein Freiheitsheld ist und Trump die Wahl wirklich verloren hat?

Da du umgekehrt mich für den Vertreter eines geschlossenen Weltbildes hältst, bekommst du meine Antwort auf die Frage: Ich bräuchte solide, nicht parteiische Informationen.
Eine ewige, unverbrüchliche Liebesbeziehung habe ich zu meiner - im Leben mehrfach geänderten - Weltanschauung nicht.
Meine letzte Meinungsänderung war die Abkehr vom Pazifismus.

 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 01:53:
Graeculus, sieh den Film "2000 Mules".

 https://2000mules.com/

 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 02:39:
Graeculus:

Was müßte passieren, damit Du einsiehst, daß ...
Graeculus, ich muß ebensowenig einsehen wie du.

Aber zu ignorieren, was seit Monaten thematisiert sind, ist unausgewogen.

Du wünschst dir also einen Bundeskanzler wie Selenski?

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:00:
Ich meinte keinen äußeren, sondern einen inneren Zwang - eine Situation, in der ich zähneknirschend zugeben muß, mich geirrt zu haben, weil meine Ansicht nicht mit der Logik oder den Fakten übereinstimmt. Kennst du das (nicht)?

Ich weiß nicht, was du meinst mit dem Ignorieren dessen "was seit Monaten thematisiert wird". Wieder Corona doer Rußland und die NATO? Oder Bill Gates? Oder der Klimawandel?

Ich vermute, daß du dir meine Meinungsbildung etwas unterkomplex vorstellst: etwa so, daß ich abends die Tagesschau gucke und das dann 1:1 übernehme.

Zu deiner letzten Frage: Selbstverständlich wäre mir Selenskyj mit seinem Team als Bundesregierung weitaus sympathischer als Putin mitsamt den Betonköpfen seiner Umgebung. Macnhmal lasse ich mich auch durch Physiognomien beeinflussen. Über Putins "Humor" haben wir schon einmal gesprochen, oder? Und seine Freunde à la Ramsan Kadyrow.

 Verlo meinte dazu am 04.07.22 um 01:40:
Graeculus, ich bezog mich auf dein


Trump die Wahl wirklich verloren 

Wobei es nicht darum geht, ob Trump die Wahl verloren hat oder nicht, sondern wie massiv in die Wahl eingegriffen wurde.

Es sind ja nicht nur die Mules, sondern auch die manipulierten Wahlmaschinen, mehrfache Auszählung von Stimmen, ...

#

Ist es nicht schön, wenn sich ein Wunsch erfüllt?


Selbstverständlich wäre mir Selenskyj mit seinem Team als Bundesregierung weitaus sympathischer als Putin 

Selenski verkauft die Ukraine an die USA. Scholz Deutschland.

 EkkehartMittelberg (02.07.22, 21:03)
Hallo Graeculus,
ich empfehle deine Geschichte, weil sich schon jetzt zeigt, dass sie eine rege Diskussion auslöst. Mir persönlich erscheint sie zu konstruiert.

LG
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:21:
Gedankenexperimente, lieber Ekkehart, sind keine Literaturform, sondern haben oft etwas Konstruiertes an sich. Da kommt es nicht auf die literarische Qualität an, sondern darauf, ob etwas möglich (widerspruchsfrei denkbar) und damit das Gegenteil jedenfalls nicht notwendigerweise wahr ist.

In der Philosophie kommen solche Gedankenexperimente häufig vor (und es sind in dem genannten Sinne echte Experimente).

Vielleicht ist Literatur, gute Literatur mehr als das, nämlich ein auch ästhetisch anspruchsvolles Gedankenexperiment. Was täte ich (tua res agitur!) in der Situation eines Partnertauschs (Goethes "Wahlverwandtschaften") o.ä.?

Nun, zum Diskutieren reicht auch die weniger anspruchsvolle Form. Manchmal. Um mehr zu leisten, müßte ich mehr üben ... oder ein besserer Schriftsteller sein.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 03.07.22 um 01:08:
Mit der charmanten Replik erweist du dich als besserer Schriftsteller.
Amüsierte Grüße
Ekki

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:01:
Glaube mir, Lieber, ich bin mir der Defizite in meinem Schreibvermögen sehr bewußt. Wobei ich die Unfähigkeit, Romane zu schreiben, noch mehr bedauere als die bei Gedichten.
Taina (39)
(02.07.22, 21:24)
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 Verlo meinte dazu am 02.07.22 um 22:01:
Taina:

Ich würde den Betrug wittern.
Taina, du hast nur deinen Meister noch nicht gefunden.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:25:
An Taine: Wie heißt der Film? Zwar habe ich einiges von Kidman gesehen, kann mich aber nicht an sowas erinnern.

Natürlich würde auch ich zunächst an Betrug denken. In eine Krise käme ich, wenn ich dabei zum dem Ergebnis käme: unmöglich. Allerdings ist das vielleicht einem Mangel an Phantasie geschuldet.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:25:
An Verlo:

Ein Albtraum. Ein dermaßen geschickter Betrüger, daß ich ihn nicht durchschauen kann.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 00:26:
Korrektur: An Taine --> An Taina

 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 01:43:
Der Film heißt: "Birth", USA 2004.

 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 02:43:
Graeculus, mir macht es keine Angst, daß ich jemand nicht durchschauen kann, weil ich meist das mache, was für mich das Beste ist.
Taina (39) meinte dazu am 03.07.22 um 04:52:
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 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 09:18:
Taina, wenn doch wieder einmal eine Betrügerin zu mir finden würde ...

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:07:
"Birth", genau, so heißt der Film! Und ich habe ihn - wahrscheinlich ebenso wie Taina - kürzlich auf arte gesehen. Peinlich für mein Gedächtnis.

Ja, wenn man nachdenkt, gibt es mehrere mögliche Erklärungen für ein Erlebnis wie das geschilderte. Ob es sich um einen Betrug handelt, hängt dann davon ab, was der junge Mann mittels seiner Aussage erreichen will.

"Skepsis" heißt ja eigentlich "Prüfung" (griechisch). So geht es ... oder sollte es gehen: sorgfältig prüfen und dann gegebenenfalls seine Meinung ändern.
Da wir ja vergleichsweise kleine Lichter sind - ich jedenfalls -, kann es bei der Beschäftigung mit den Ansichten klügerer oder weiserer Leute nicht ausbleiben, daß zur Meinungsänderung Anlaß besteht.

Ich lese gerne. Denn es sind so viele interessante Menschen tot, und das Lesen ihrer Bücher, ist die einzige Möglichkeit, mit ihnen zu kommunizieren.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 09:34:
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 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 13:02:
Mir ist jetzt klar, daß ich "Birth" und "Der fremde Sohn" von Clint Eastwood nicht auseinandergehalten habe, der ein ganz ähnliches Thema hat. Übrigens ebenfalls empfehlenswert. Nur ohne Nicole Kidman.

 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 13:03:
Aber Angelina Jolie und John Malkovich sind ja auch nicht schlecht.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 13:35:
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 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 18:30:
Kennst Du auch? Großartig! Ja, der bessere Film - so gut, daß meine Erinnerung daran die andere an "Birth" überlagert hat.

Clint Eastwood hat sehr gute Filme durch seine Regie gestaltet, oder? Seine Western fallen dagegen etwas ab.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 19:53:
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 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 23:51:
Gut, wir teilen diese Sympathie für Filme mit Clint Eastwood als Regisseur. Auch wenn das etwas vom aktuellen Thema abführt, nenne ich mal zwei, die mich beeindruckt haben: "Die Brücken am Fluß" und "Gran Torino".
Falls Du sie kennst, interessiert mich Deine Einschätzung; falls nicht: meine Empfehlung.
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 06:15:
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 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 15:53:
Das ist wahr! Dieser (und mancher andere) gute Film wäre heute nicht mehr durchsetzbar. Die moralische Zensur von Ästhetik nimmt bedenkliche Ausmaße an.

 Dieter_Rotmund (03.07.22, 11:19)
Ich finde das einfach übergriffig und viel zu persönlich, einfach so angesprochen zu werden. War die Oma so doof?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 03.07.22 um 11:20:
Der von Verlo genannte Film gefällt mir sehr gut - aber es ist reine Fiktion.

 Verlo meinte dazu am 03.07.22 um 18:51:
Danke, Dieter, damit ist mein Glaube an die westliche Demokratie gerettet.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 03.07.22 um 19:22:
Wegen Nicole Kidman?

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:08:
Sicher nicht wegen Tom Cruise. Also eher wegen Nicole Kidman.

 Augustus (03.07.22, 12:05)
Interessant ist, dass Menschen erzählen, sie hätten mehrere Wiedergeburte hinter sich und dass sie sich an jeweilige vorleben erinnern können. Mal waren sie Schmied, dann Schäfer, dann Bauer, etc … 

Beim wiederholten Übergang vom Tod ins Leben zurück, müsste es eine Zustand geben, wo die Erlebnisse und Erfahrungen abgespeichert sind und nicht verloren gehen. 
Beim nächsten „hochladen“ der Seele in die Welt, lädt man sie mit dem alten speicherstand hoch, während des Bewusstsein „neu“ ausgerichtet ist. 
Wäre es denn so, dann bedarf es im Hintergrund eine Menge an Speicherbedarf an Informationen, die bei jedem Zutritt der Seele ins Leben von eine uns „unbekannten“ Ort geladen werden müssten. 
Unsere Seele müsste also nebst gesammelten Informationen abgespeichert werden. 

Vergleicht man diesen Vorgang mit einem schwarzen Loch, so findet eine sehr hohe Entropie des vorherigen Zustandes der Materie im Innern des schwarzen Lochs statt, die Informationen wird wieder chaotisch ausgestrahlt. 

Wir wissen nicht, ob der Tod eine Art Mixer darstellt und den alten Zustand verändert oder einen Zustand abspeichert und diesen erneut abruft oder diesen völlig löscht, damit was „neues“ entstehen kann. 

Wenn von der sogenannten „lethe“ im Tod getrunken wird, damit man das vorherigen Leben komplett vergisst, so ist es fragwürdig warum denn jemand sich noch an sein altes Leben erinnern kann. 

Von unserem unbewussten wissen wir noch relativ wenig. Es hat aber die gleiche Berechtigung wie das Bewusstsein. Wer vernünftig ist, der hat alles was ihm als unvernünftig erscheint, ins Unterbewusstsein „verdrängt“ und „abgelegt“.
Würde man einen solchen Menschen hypnotisieren könnte er sich als höchst religiös plötzlich darstellen. Missverständlicherweise wird davon dann ausgegangen, er sei im vorherigen Leben ein Pfarrer oder Priester gewesen.

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:12:
Beim wiederholten Übergang vom Tod ins Leben zurück, müsste es eine Zustand geben, wo die Erlebnisse und Erfahrungen abgespeichert sind und nicht verloren gehen.

Genau. Wo ist da der USB-Stick, der die Informationen vom einen Träger auf den anderen überträgt?

Bei den Fällen von Reinkarnation, die ich kenne (es mag andere geben), war immer ein Reinkarnationstherapeut im Spiel. Und der der hat ein Interesse daran, seinen Kunden allerlei zu suggerieren.

Im Prinzip gut ist der Test, dem in Tibet ein Kind unterworfen wurde, bevor es als Inkarnation eines Lama anerkannt wurde. Ob auch die konkrete Umsetzung frei von Suggestion war, kann ich nicht beurteilen.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 09:43:
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 Augustus meinte dazu am 04.07.22 um 10:18:
Woran bisher nicht nicht gedacht wurde ist, wie genau die Erinnerungen der vorherigen Leben auszulegen sind.
Es wird allgemein die These vertreten, dass es sich dabei um ein-und dieselbe Seele handelt, die wiedergeboren wird.

Schaut man mathematisch sich die Wiedergeburt an, und stellt man sich die Zahl bsp. 100 vor, so kommen in der natürlichen Zahl 100 mehrere natürliche Zahlen zusammen. 

Bspw. 20+30+50 = 100

da jede natürliche Zahl keiner anderen Zahl gleicht, so ist sie einmalig. 

Aber in der Einmaligkeit der Zahl können sich mehrheitlich „selbst einmalige“ natürliche Zahlen befinden. 

Die 100 trägt also nicht das vorherige Leben der 100, sondern erst die vorherigen eigenständigen, einmaligen natürlichen Zahlen (20,30,50) bilden die 100.

Die 100 erinnert sich also an die Zahl 50, an die Zahl 30 und an die Zahl 20, aber sie alle sind genau genommen nicht die 100. die 100 benötigt die Zahlen für die eigene Existenz. 

Oberflächlich betrachtet schaut es so aus: 1:1. 

Es könnte aber auch so sein: 100 = 50+30+20 = 1=1 

Dies würde aufzeigen, dass es zwar Wiedergeburten gibt, aber nicht auf die Art und Weise, wie wir uns das die letzten Jahrtausende vorstellen.

Denn jede Wiedergeburt einer Seele knüpft an eine neue Seele an, die ungleich sind; die neue Seele trägt alte Seelen in sich, jedoch sind alte Seelen nicht exakt die neue Seele, da sie wiederum das Merkmal der Einmaligkeit trennt.

 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 13:00:
Das ist ein interessanter Deutungsvorschlag, der viel für sich hat! Denn es leuchtet ein, daß ich aus Elementen bestehe, die vor mir existiert haben.
Das Wort "Wiedergeburt" erhält dadurch freilich einen anderen Sinn.

 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 18:27:
An Taina:

Interessanter Gedanke zur Informationsübertragung. Möglich, soweit ich das sehe. Dann wäre allerdings 1. jede einzelne Information in 'Lichtform' irgendwie gespeichert und 2. zu überlegen, wie sie sie einem neu entstehenden Leib/Gehirn dekodiert werden kann.

Zu Tibet: Dazu weiß ich zu wenig über den Ablauf dieses Verfahrens; falls man tatsächlich so lange Kinder testet, bis es einmal klappt, benötigt man in der Tat keine Suggestion. In den (mythisch aufgeblasenen) Berichten, die ich davon kenne, klappt das aber 'besser', d.h. die Vorab-Indizien (Geburtszeitpunkt etc.) führen zu einer Vorauswahl, und der Rest ist dann easy. Warum die Lamas aber immer in Tibet wiedergeboren werden statt in Liechtenstein oder auf einem Planeten von Alpha Centauri, weiß ich nicht.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 20:00:
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 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 23:48:
Mein Kenntnisstand (er beruht übrigens auf der Inkarnation des amtierenden Dalai Lama) ist der: Sie suchen ein Kind, das kurz nach dem Tode des letzten Lama geboren worden ist. Übrigens mit scheinbarer Selbstverständlichkeit ein männliches Kind. Diesem Kind, das dazu schon ein gewisses Alter erreicht haben muß, werden dann verschiedene Gegenstände vorgelegt, darunter auch solche, die zu den Beständen des verblichenen Lama gehören. Wendet es diesen eine spezielle Aufmerksamkeit zu, dann ist der Fall für sie klar.

Ob es vorkommt, daß dies nicht der Fall ist, und was sie dann tun, das weiß ich nicht.

In einem anderen mir bekannten Fall aus Indien war es so, daß ein Mädchen auffallende Kentnisse über einen anderen Ort besaß, den es nicht kennen konnte. Dann hat sich allerdings herausgestellt, daß ein Nachbar des Mädchens aus diesem Ort stammte.

Das Ausschließen anderer möglicher Ursachen bleibt eine wichtige Aufgabe.

 Terminator (03.07.22, 23:08)
Du glaubst an Wiedergeburt. Was müßte passieren, damit Du Deine Ansicht änderst?
Eine plausible Erklärung, warum die Wiedergeburt nach dem Tod in der Nussschale Nr. 643542 wieder in der Nussschale Nr. 643542 stattgefunden hat. Das physische, und erst recht das metaphysische Multiversum ist so groß, warum finden die Wiedergeburten bloß jedesmal auf der Erde statt?

 Graeculus meinte dazu am 03.07.22 um 23:22:
Obgleich ich gerne das Uni- und Multiversum im Sinn habe, habe ich an diesen Aspekt noch nicht gedacht.
Auch dieser Aspekt der Religion (wenn wir den Reinkarnationsglauben dazu rechnen wollen) ist hoffnungslos geozentrisch.

Bei Einbeziehung von Tieren (wenn wir also nicht auch noch anthropozentrisch sein wollen), weiß ich nicht einmal, was es bedeuten soll, daß ich früher ein Schäferhund war. Ein Hund ist ganz und gar nicht ich.

Strenggenommen weiß ich auch nicht, was es meinen soll, daß ich einst eine Hofdame in Versailles zur Zeit Ludwigs XV. gewesen sein soll.
Alles, was ich unter "ich" verstehe, schließt aus, ein Hund oder ein Hoffräulein (gewesen) zu sein.
Taina (39) meinte dazu am 04.07.22 um 09:30:
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 LotharAtzert meinte dazu am 04.07.22 um 11:38:
warum finden die Wiedergeburten bloß jedesmal auf der Erde statt?
Wer behauptet das denn? Bloß weil RTL nicht mit der Kamera dabei ist, heißt das nicht, daß nicht immer wieder Geburten in Devachen oder Shambala oder an anderen speziellen Orten stattfinden. Ein zukünftiger Bodhisattva verpflichtet sich allerdings freiwillig, solange auf unsern Planeten zurückzukehren, bis alle Wesen ihre Buddhanatur verwirklicht haben. Und nach Shambala geht ... aber nein, das führte zu weit.
Ich selbst komme ja vom Neptunmond Nereid, der dort natürlich anders heißt :O

 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 12:58:
Die buddhistische Religion ist auch - anders als die monotheistischen - weder geo- noch anthropozentrisch; das ist ein großer Vorteil.

Es bleibt mein Problem, daß ich mir nicht vorstellen kann, was das heißen soll, ich (!) sei ein Tier oder ein Alien gewesen. Und das Problem des USB-Sticks habe ich dann außerdem noch: wie wird die Information vom einen Träger zum anderen übermittelt.

 Regina meinte dazu am 04.07.22 um 18:42:
"Ich", das ist die Identifikation mit dem eigenen Körper, die mit Namen und Adresse bezeichnet ist. Eine vorherige oder spätere Inkarnation, das ist ein anderes "Ich", aber sie wohnt gewissermaßen im gleichen Mikrokosmos und findet die Bedingungen vor, die der Vorgänger eingerichtet hat. Schicksal macht mit dieser Vorstellung zunächst einmal schon mehr Sinn als an den Zufall zu glauben. Warum kommt der eine blind zur Welt, der andere mit einem steifen Arm und der dritte erfreut sich bester Gesundheit und wird ein berühmter Sportler? Karma befriedigt hier als Erklärung mehr als andere Theorien. Die kommunistische Vorstellung von der Gleichheit blockiert alles, was nicht heißen soll, Egoismus ist gut.

 Graeculus meinte dazu am 04.07.22 um 23:40:
"Ich", das ist die Identifikation mit dem eigenen Körper, die mit Namen und Adresse bezeichnet ist. Eine vorherige oder spätere Inkarnation, das ist ein anderes "Ich", ...

So weit, so klar. Zwischen den beiden Ichs gibt es aber, so schreibst du, eine kausale Verbindung. Da denke ich zunächst an die Eltern, wenn z.B. eine Mutter durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft eine Mißbildung ihres Kindes verursacht. Das meinst du aber nicht.

Daß die Lehre von der Wiedergeburt ein tiefes Bedürfnis nach einer Gerechtigkeit befriedigt, die von der 'irdischen Gerechtigkeit' (den Gerichten) oft im Stich gelassen wird, gebe ich zu. Allerdings bezweifle ich, daß eine solche höhere Gerechtigkeit mehr ist als ein Wunschtraum.
In meinem Beispiel kann das Kind nichts dafür, daß es behindert ist, und ich kann nicht nachvollziehen, was das Kind für eine eventuelle Schuld seines 'Vorgängers' kann.

Wenn etwas sehr meinen Wünschen (z.B. nach Gerechtigkeit) entspricht, werde ich immer sehr mißtrauisch gegenüber mir selbst: Ist das auch wirklich so?
Selbst du wirst, so vermute ich, nicht so weit gehen zu sagen, daß das, was wir uns wünschen, eo ipso auch Wirklichkeit ist.

 Regina meinte dazu am 05.07.22 um 07:29:
Unterschätze die Wünsche nicht. Und: das Leben strebt immer nach Ausgleich. D.h. einer, der gestohlen hat, wird bestohlen werden o.ä.. Dann denke an Mann-Frau-Beziehungen, die sich umkehren können. Karma wartet im übrigen nicht immer auf ein nächstes Leben. Wenn einer z.B. mit 20 in eine Firma eintritt, hat er sich mit dem Schicksal dieser verbunden. Wenn die dann 30 Jahre später pleite geht, wird er mit 50 arbeitslos und es wird schwierig. Das ist das Firmenkarma, mit dem er sich verbunden hat und wirkt sich noch in diesem Leben aus. Dasselbe gilt für Beruf, Ehe, Kinder usw. Karma wirkt aber nur auf der Ebene, wo es verursacht wurde.
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 07:38:
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.07.22 um 09:45:
Bevor ich eure letzten Kommentare bis zu meinem las, schrieb ich unabhängig davon folgendes:

Dem Himmel sei Dank
Hätte die Geisteswissenschaft Zutritt zur spirituellen Dimension (Causa finalis), sähe es dort aus, wie hier auf der Erde. Dh. der Himmel stünde vor dem Kollaps.

Was will ich damit sagen? Sich über Reinkarnation Gedanken zu mache, oder sogar nach ihr zu forschen wollen, ist - dem Himmel sei Dank! - entweder belustigend, oder so sinnlos, wie ein Kropf. Wer diesbezüglich Gewissheit sucht, dem bleibt nichts anderes übrig, als denen zu folgen, die darin langjährige Erfahrung besitzen. Und die sagen übereinstimmend: ohne innere Einkehr, ohne den Geist zu klären durch Meditation, ist es nicht möglich.

Natürlich, das sei nicht verschwiegen, gibt es ein paar Möglichkeiten - und damit zum bestohlenen Dieb - Drogen, Hungern, Ausnahmesituationen, all das kann dazu führen, plötzliche Einsichten zu gewinnen, aber diese sind in aller Regel nicht von Dauer.

tashi delek

Antwort geändert am 05.07.2022 um 09:49 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 09:55:
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.07.22 um 10:06:
@ Taina

das ist völlig ok. <3

Bedenklich wird es erst, wo es vom Spielerischen in den Ernst des Beweiseforderns übergeht. Der Himmel entzieht sich dem - und das ist auch gut so.

 Regina meinte dazu am 05.07.22 um 15:12:
Ganz richtig, Lothar. Ein Mensch, der ernsthaft nach spirituellem Fortschritt sucht, wird meistens mit einem Meister verbunden, das ist eine Seele, die den Weg schon vorausgegangen ist. Dieser wird dem Neophyten zunächst andere Aufgaben stellen als das Argumentierenkönnen für Reinkarnation. Der Neue muss sein Unterbewusstsein ausloten, die Folgen seiner Willenswirksamkeiten ausloten und seine Intuition so schulen, dass sie funktioniert, den Fingern eines Geigers vergleichbar, der üben muss, den richtigen Ton zu treffen. Dann muss er Vorstellungen entwickeln, die nicht mit der linken Gehirnhälfte wahrgenommen werden, er muss das ichzentrale Denken (=was anderes als Egoismus) abbauen. Das fällt dem Westmenschen schwer, denn mit der Muttermilch wurde ihm die Selbstbehauptung und die Rechthaberei eingeimpft. Es ist ein langer Weg der Erkenntnisse hin zu immer umfassenderem Bewusstsein, Täuschungen nicht ausgeschlossen. Intellektuelle Experimente bringen eigentlich nichts, weil der ganze Mensch verändert werden muss.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 15:33:
An Taina:

Man kann ein Gedankenexperiment als Spiel der Phantasie ansehen.
 
Man kann es auch anders ansehen - in diesem Falle so, daß es der Klärung der Frage dient, ob Wiedergeburt möglich (denkbar) ist und welche Kriterien dafür angewendet werden können.
 
Sicherlich sagt es nichts darüber, ob es Wiedergeburt tatsächlich gibt. Dafür müßte dann ein solcher junger Mann o.ä. auftauchen, ohne daß es irgendeine "natürliche" Erklärung für sein Wissen gibt.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 15:41:
An LotharAtzert:

Wenn sich jemand auf einen speziellen Zugang zu einer spirituellen Dimension und damit auf eine Art höherer Einsicht beruft - gut, kann er machen.
Wenn er diese Einsicht veröffentlicht und dafür wirbt, sieht die Sache anders aus. Dann tritt er in einen Diskurs ein, in dem er sich bewähren muß (muß, sofern er erfolgreich sein will) und es mit Konkurrenten (anderen Einsichten) zu tun hat.

Zwar kann er auch jetzt noch auf die Spielregel des sokratischen "Rechenschaft geben" verzichten, aber das schadet dann seinen Erfolgsaussichten bei denen, die sich gerne an diese Spielregel halten.

Er sollte dann (meines Erachtens) im Falle seines Scheiterns, als daß andere sich seinen Erkenntnissen nicht anschließen wollen, wenigstens nicht lamentieren und die Ignoranz der anderen beschimpfen.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 15:44:
An Regina:

Du wendest dich an LotharAtzert, weshalb ich nur ganz kurz darauf eingehen möchte:  Berücksichtigst du den Umstand, daß es - auch im Westen - buchstäblich Hunderte spiritueller Schulen, religiöser Sekten u.ä. im Angebot gibt, unter denen man erstmal auswählen muß? Wie, bitte?

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 15:49:
Nochmal an Regina, weiter oben:


das Leben strebt immer nach Ausgleich.

Tut es das? Im Großen und Ganzen (biologisch: auf der Ebene der Arten) erscheint es mir so - aber nicht auf der Ebene der Individuen. Sonst bräuchte man ja nicht den Glauben, ein Schurke werde wenigstens im nächsten Leben bestraft.

Das mit dem Firmenkarma kann man so sehen.
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 15:59:
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 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 16:40:
Mir fällt gerade - passend, wie ich meine - ein:

Viele beklagen sich, daß die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben, und nur dieses allein haben wir. Wenn der Weise sagt: „Gehe hinüber“, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, wenn das Ergebnis des Weges wert wäre, sondern er meint irgendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann. Alle diese Gleichnisse wollen eigentlich nur sagen, daß das Unfaßbare unfaßbar ist, und das haben wir gewußt. Aber das, womit wir uns jeden Tag abmühen, sind andere Dinge.

(Franz Kafka: Von den Gleichnissen)

 LotharAtzert meinte dazu am 05.07.22 um 17:00:
Wenn er diese Einsicht veröffentlicht und dafür wirbt, sieht die Sache anders aus
Um Himmels willen (ja da ist mir was eingefallen)!

Ich werbe doch nicht dafür. Als ehemaliger Grafikstudent weiß ich, was Werbung ist 8-)  Hier stelle ich bloß etwas vor, zur weiteren Verfügung, als Angebot, was auch immer und bin schon zufrieden, wenn einer nicht meint, sich drauf entleeren zu müssen.

Werbung für Spiritualität, das fehlte noch! Kaufen Sie das Mahayana, probieren Sie die Sutras zum inneren Frieden, heute noch zum Schnäppchenpreis für 99 Euro, morgen aber, Sie wissen ja, die Inflation, der Krieg ...
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 17:01:
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 LotharAtzert meinte dazu am 05.07.22 um 17:38:
Als Beweis für Wiedergeburt wäre mir das Auftauchen einer Person, die Wiedergeburt behauptet ohne natürliche Erklärung für deren Wissen, nicht ausreichend.
Das interessiert einen nicht, der sich seiner Vergangenheit erinnert, nicht im geringsten. Wozu auch. Ich weiß es und aus.

Im Falle der tibetischen Überprüfung zum Tulku (anerkannte Reinkarnation) ist der Hintergrund der, daß - Beispiel - der alte Abt eines Klosters wieder der neue werden soll und es melden sich plötzlich drei Anwärter, die alle behaupten, der alte Abt gewesen zu sein. Nun werden ihnen eine Reihe von Gegenständen vorgelegt, mit denen der Vorgänger zu tun hatte, aber noch mehr, mit denen er nie was zu tun hatte. Das ist jetzt ein Prüfungskriterium - das unmißverständliche Erkennen. Es folgen weitere, die mir aber nicht bekannt sind.

Das hab ich früher schon mal erzählt: inmitte der Überprüfung begab es sich, daß ein Hund des verstorbenen Abtes in die Versammlung sprang und die wirkliche Wiedergeburt mit überschwänglicher Freude begrüßte, wie dieser auch jenen.
Das ist natürlich ein Glücksfall. Für gewöhnlich liegen lange Zeiträume dazwischen und alle Bekannten sind bereits verstorben. verstorben.

Ist das jetzt auch wieder Werbung?
Taina (39) meinte dazu am 05.07.22 um 17:48:
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 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 23:35:
Naja, LotharAtzert, den Werbe- oder Missions-Charakter erkennt man daran, daß du beleidigt bist, wenn man sich auf deine Texte nicht einläßt. "Leckt's mi am Oarsch" und so.
Aber wenn's dich in Wahrheit gar nicht stört, ist es ja gut. Nimm die Rückmeldung zur Kenntnis, daß du häufig beleidigt wirkst und diejenigen beschimpfst, die dich ignorieren - oder laß es bleiben.
Du weißt es und aus mit der Wiedergeburt, ich weiß es nicht. Kann ich mit leben.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 23:37:
An Taina: Die Frage der Wiedergeburt stellt anscheinend kein Problem für dich dar. Das ist dann in Ordnung.
Ich habe das einmal mit der Frage verbunden, ob es eine Gerechtigkeit in der Weltordnung gibt, und dafür bieten sich Fragen wie die nach der Wiedergeburt und dem Jüngsten Gericht halt an. Aber es handelt sich da wohl eher um das Jüngste Gerücht.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 23:46:
Noch an Taina:

Daß Kafkas Texte selbst einen starken Gleichnisch-Charakter haben, fällt natürlich ins Auge. Der hier zitierte Text geht noch weiter, was die Sache noch schwerer verständlich macht. Bei Bedarf/Interesse kann ich das mal einstellen.
Taina (39) meinte dazu am 06.07.22 um 05:50:
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 LotharAtzert meinte dazu am 06.07.22 um 09:52:
"Leckt's mi am Oarsch" und so.

Aber wenn's dich in Wahrheit gar nicht stört, ist es ja gut. Nimm die Rückmeldung zur Kenntnis, daß du häufig beleidigt wirkst und diejenigen beschimpfst, die dich ignorieren - oder laß es bleiben.
Ist zur Kenntnis genommen. So und jetzt ... leckts mi am Oarsch.

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 14:09:
An Taina:

Hier ist der komplette Text:

Viele beklagen sich, daß die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse seien, aber unverwendbar im täglichen Leben, und nur dieses allein haben wir. Wenn der Weise sagt: „Gehe hinüber“, so meint er nicht, daß man auf die andere Seite hinübergehen solle, was man immerhin noch leisten könnte, wenn das Ergebnis des Weges wert wäre, sondern er meint irgendein sagenhaftes Drüben, etwas, das wir nicht kennen, das auch von ihm nicht näher zu bezeichnen ist und das uns also hier gar nichts helfen kann. Alle diese Gleichnisse wollen eigentlich nur sagen, daß das Unfaßbare unfaßbar ist, und das haben wir gewußt. Aber das, womit wir uns jeden Tag abmühen, sind andere Dinge.
Darauf sagte einer: „Warum wehrt ihr euch? Würdet ihr den Gleichnissen folgen, dann wäret ihr selbst Gleichnisse geworden und damit schon der täglichen Mühe frei.“
Ein anderer sagte: „Ich wette, daß auch das ein Gleichnis ist.“
Der erste sagte: „Du hast gewonnen.“
Der zweite sagte: „Aber leider nur im Gleichnis.“
Der erste sagte: „Nein, in Wirklichkeit; im Gleichnis hast du verloren.“

(Franz Kafka, Von den Gleichnissen; in: Beschreibung eines Kampfes. Novellen, Skizzen, Aphorismen aus dem Nachlaß. Frankfurt/Main 21980, S. 72)

Jetzt interessiert mich, wie Du das verstehst. Ich habe große Probleme und habe damit begonnen, daß ich die beteiligten Personen Standpunkten pro/contra Gleichnisse zugeordnet habe. "Der erste" ist demnach der Kritiker der Gleichnisse, der auch die Ausgangsthese formuliert hat; da er auch der letzte ist, der spricht, müßte er eigentlich Kafkas Standpunkt vertreten, oder?

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 14:09:
An LotharAtzert:

O.k., dann bis zum nächsten Auseinandertreffen.
Taina (39) meinte dazu am 06.07.22 um 14:56:
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 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 22:58:
Ich bin durchaus unsicher, welche Meinung Kafka hier vertritt. Mehrfacher Selbstbezug, bewußte Paradoxie.

Falls Du zu einer Interpretation gelangst (es muß ja nicht die enzig mögliche sein), bin ich daran interessiert, sie zu erfahren. Ich möchte den Text für ein eigenes Projekt verwenden.

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 23:09:
Die Frage ist meinerseits ganz ernst gemeint.
Taina (39) meinte dazu am 07.07.22 um 05:21:
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Taina (39) meinte dazu am 07.07.22 um 10:46:
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 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 12:02:
Das ist eine spannende Interpretation! Die Unterschiede zu meiner fangen schon bei der Deutung des Anfangsabschnitts an.
Damit muß ich mich näher befassen und komme dann darauf zurück.
Taina (39) meinte dazu am 07.07.22 um 17:56:
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 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 23:14:
Ich habe die Ausgangsthese mit der Meinung "des ersten" gleichgesetzt, was falsch sein kann.
Dann bin ich in der Tat von Gleichnissen ausgegangen, die sich auf die Transzendenz beziehen, also beispielsweise Gott, Himmel usw. (an sich uns völlig unbekannt) durch Gleichnisse anschaulich machen: "Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn" etc.

(Buddhas Gleichnisse haben oft nicht diesen Charakter, sondern sind ganz immanent; aber die meint Kafka sicherlich nicht.)

Aber wieso wird man dadurch selbst zum Gleichnis?
Als idealer Mensch, so wie Gott und Himmel Ideale, nicht Realitäten sind? Oder als Gläubiger?
So recht klar ist mir das nicht, auch nicht in Deiner Interpretation.

Das Weitere leuchtet mir bei Dir ein - wobei ich bei Dir dann doch eine kritische Stellung Kafkas zu Gleichnissen herauslese (und dem zustimme).

Meint er damit nun auch seine eigenen gleichnishaften Texte? "In der Strafkolonie" ist ja gewiß ein Gleichnis.

 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 23:15:
Zu Deinem Text: Ist das nicht gut, wie inspirierend der Kafka ist? Mehr kann Literatur ja kaum leisten.
Taina (39) meinte dazu am 08.07.22 um 07:46:
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 Graeculus meinte dazu am 08.07.22 um 23:31:
Den Tod kann man als Hinübergehen bezeichnen, das geschieht ja häufig. Aber wieso wird man dadurch zum Gleichnis? Die Struktur des Gleichnisses ist doch diese: Es verhält sich so wie ...
Der Tote ist nicht mehr vorhanden, aber es ist so, als ob er vorhanden wäre? Im Grab, im Gedenken?
Meinst Du das?

Durch die Inspiration bin ich wie wiedergeboren?


Seine Gleichnisse wollen die Welt nicht erklären. Er zeichnet ein Bild und wenn wir vermeinen es zu sehen, zeigt er uns eine weitere Facette welche dem Bild eine neue Farbe verleiht, dann eine weitere usw.

Er bringt uns der "ich weiss dass ich nichts weiss"  Fraktion näher.

Ja, das stimmt. Das macht seine Texte unausschöpflich.
Taina (39) meinte dazu am 09.07.22 um 05:46:
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 Graeculus meinte dazu am 09.07.22 um 22:52:
Ach so, das erste verstehe ich jetzt: eigentlich eine Wiedergeburt in anderen, indem man für sie zur Inspiration wird. Das kann man so sehen.

Das zweite wäre dann ein ähnlicher Vorgang, nur daß die Initiative dann von den anderen ausgeht, die z.B. jemanden zur Kultfigur machen. In diesem Sinne wäre z.B. Florence Nightingale ein Gleichnis, Caesar ein anderes.

Dann kann jemand beides sein, Wiedergeburt und Gleichnis, richtig?
Taina (39) meinte dazu am 10.07.22 um 07:49:
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 Graeculus meinte dazu am 10.07.22 um 23:09:
Gleichnis im Sinne von Vorbild. Dem möchte ich spontan zustimmen. Leider nennst Du selbst gleich wieder einen Einwand bzw. ein Problem bei dieser Annahme.

Verloren in dem Sinne, daß man selber tot ist?

Falls ich nochmal einen derart spannenden Text finde, teile ich ihn Dir mit!
Taina (39) meinte dazu am 11.07.22 um 06:05:
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 Graeculus meinte dazu am 11.07.22 um 23:41:
Im Angesicht des Lebens, der Liebe und vielleicht auch des Krieges sind wir alle Blindfische.
Daß Paradoxien unser Leben bestimmen, soll Thema meines Buches sein. Falls ich denn einen Verlag dafür finde. (Die Situation auf dem Buchmarkt ist derzeit mau.)
Alle Paradoxien "aufzulösen", erscheint mir völlig aussichtslos.
Taina (39) meinte dazu am 12.07.22 um 05:41:
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 Graeculus meinte dazu am 12.07.22 um 23:19:
Da er seine Werke durch Brod vernichten lassen wollte, glaube ich nicht, dass Kafka uns bewusst Rätsel aufgab. Eher waren ihm die Sachen die er schrieb selber Rätsel.

Ja, er hatte große Zweifel an sich selbst bzw. dem Wert deines Geschaffenen.
(Woody Allen sagte mal über jemanden, sein Selbstbewußtsein liege noch unter dem von Kafka.)
Daß er sich selbst ein Rätsel war, liegt m.E. nahe.
Das sollte man bei Interpretationen berücksichtigen!

***

Ja, ein Buch kann man immer drucken lassen. Aber ein regulärer Verlag ist schon schön. Und das Verlagsgeschäft liegt derzeit danieder. Wegen Inflation und Energiekrise sparen die Leute ihr Geld für Wichtigeres.
Kann man auch verstehen, Bücher müssen nicht sein, Nahrung und Heizung schon.

 Dieter Wal (05.07.22, 18:13)
Eines Tages kommt ein junger Mann, etwa 20 Jahre alt, auf Dich zu und sagt: „Du, es klingt jetzt vielleicht blöd, aber ich bin deine Großmutter.“
Diese unverschämte und sinnlose Aussage läßt Ärger in Dir aufsteigen: „Wissen Sie, verarschen kann ich mich selber! Wie reden Sie über meine Oma? Was soll der Quatsch?“
„Doch, doch“, entgegnet der junge Mann. „Ich bin die Wiedergeburt deiner Großmutter. Schau, erinnerst du dich nicht daran, wie du damals beinahe unter ein Auto gekommen bist, weil ich nicht aufgepaßt habe? Und daß wir einander versprochen haben, niemals jemandem etwas davon zu erzählen? Nur du weißt davon und ich, deine Großmutter. Erkennst du mich nun?“

1. Die Person könnte hypnotisiert worden sein und unter Hypnose von seiner Großmutter erzählt haben.

2. Die Großmutter erzählte möglicherweise anderen Personen von ihrem Missgeschick.

3. Vielleicht wäre der junge Mann ein Mitglied der bescheuerten TV-Serie "Verstehen Sie Spaß"?

4. Möglichst freundlicher Umgang mit eventuell psychisch Kranken hat sich bewährt. Woher auch immer der junge Mann etwas erfuhr oder nicht, wäre es sinnvoll, sich höflich bei ihm für sein Angebot als männliche Großmutter zu bedanken und sich baldigst zu verabschieden.


Ein durch nichts zu erschütternder Glaube (oder Unglaube) ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Erstarrung.

Guter Punkt. Weltanschauliche Verengung in welche Richtung auch immer spricht wenig für geistige Offenheit und Interesse an allem, das lebt.

 Graeculus meinte dazu am 05.07.22 um 23:43:
Über den letzten Punkt sind wir uns einig, Dieter.
Daß es für das gedachte Verhalten des jungen Mannes auch etliche andere mögliche Erklärungen gibt, ist mir inzwischen klar. Bei Deiner Nr. 3 bliebe die Frage, woher das Filmteam die Kenntnis hat. Nr. 4 ist kein schlechter Ratschlag. Aber damit verabschiede ich mich von der Idee, daß es irgendeine Gerechtigkeit gibt, die über die zufällige und mangelhafte der weltlichen Gerichte hinausgeht.
Ist das nicht auch für Dich ein Einwand gegen die Weltordnung? Kannst Du Dich damit abfinden?
Für mich war/ist das ein Motiv für meinen Pessimismus.

 Dieter Wal meinte dazu am 05.07.22 um 23:53:
Logos bedeutet für mich keineswegs zwingend, dass es nicht Chaos gibt, ja dass die Welt so planlos wie sinnlos sein könnte. Logos ist für mich jedoch eine geniale Idee, dass es mit unserem Fassungsvermögen nicht allzuweit her sein könnte. Und wenn man das Bedürfnis verspürt, Sinn im Leben und Ordnung in der Welt zu finden, ist eine Vorstellung von Weltordnung hilfreich. Cusanus und Meister Eckehart sind dabei eventuell nützlich. Gerechtigkeit könnte man ebenso im Tao finden. Es ist nach meinem Dafürhalten  Logoslehren vergleichbar.



Antwort geändert am 06.07.2022 um 00:00 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 00:13:
Was sich im 20. Jahrhundert so alles ereignet hat und sich - wie wir nun feststellen müssen - nunmehr fortsetzt, also 230 Jahre nach der Verkündung der allgemeinen Menschenrechte, läßt sich nicht mehr mit Hegels Vernunft in der Geschichte erklären: Falls da ein Logos am Werke ist, ist es einer, den wir nicht begreifen können.

Inwiefern sind Nikolaus von Kues und Meister Eckehart dabei (eventuell) nützlich? Kannst Du das kurz erläutern?

Man mag sagen, daß meine Vorstellung von Gerechtigkeit eine beschränkte ist - aber es ist nun einmal die einzige, die ich habe.

Der Taoismus beschreibt eine Naturordnung, in der z.B. die Anwendung von Gewalt negative Folgen hat. Ja, tröstet das denn diejenigen, die durch diese Gewalt um ihr Leben gekommen sind?
Oft sind die negativen Folgen nicht einmal negativ für diejenigen, die sie zu verantworten haben.

Irgendwo habe ich einmal gelesen (ich glaube, es war bei Dostojewskij): Ich möchte, daß jedes einzelne ermordete Kind getröstet wird, sonst kann ich mich mit dieser Weltordnung nicht abfinden.
(Vielleicht kennst Du diese Stelle sogar; dann frische bitte meine Erinnerung auf und sage mir, wo das steht.)

Gut erinnern kann ich mich noch an einen Dokumentarfilm über die Hinrichtung eines Farbigen in den USA, wobei wir die ganze Zeit den Eindruck haben: 1. Dieser Farbige ist ein sehr sympathischer Mensch. 2. Die Beweise gegen ihn sind jämmerlich. 3. Hier wird ein Unschuldiger hingerichtet!
Am Schluß tritt sein Verteidiger vor die Kameras der Journalisten und sagt: "This is a sick world!"
Verstehst Du, was ich meine?

 Dieter Wal meinte dazu am 06.07.22 um 08:37:
Bei Hegel kann ich nicht mitreden, weil ich bisher fast nichts von ihm las. Sollte Deine Zusammenfassung zutreffen und er tatsächlich davon ausgegangen sein, Vernunft lenke die Geschichte, müssen ihm Kriege, Hungersnöte und Seuchen völlig entgangen sein. Eventuell ist die Mühle in Krabat zutreffender, welche Preußler darstellte, ein System aus Selbsterhaltung durch Opferung anderer, Manipulation, Machtmissbrauch, Verblendung (Zauberei), Abhängigkeit, Drohungen und Zwängen. Liebe ist dort nicht vorgesehen. Sie vernichtet letztendlich die Mühle und ihren Meister. Die Frage stellt sich mir, wie man mit einem derart nihilistischen Weltbild, dem Abbild der Shoa, leben könnte und wollte. Vielleicht wäre es konstruktiv, sich in Sachen Weltbild eher bei Platon, Epikur, Lukrez, Meister Eckhart und Cusanus umzusehen. Es geht dabei in meinen Augen nicht darum, an etwas in christlichem Sinn zu glauben und es unumstößlich für wahr zu halten, sondern es gedanklich im Sinn von "XY" anzugehen und nicht nach Methode Krabat.

Ich kenne kein unumstößliches Weltbild, sondern versuche zu überleben, ohne dabei von Depressionen übermannt und Verzweiflung zerdrückt zu werden.

Die einzige Freiheit, die mir begegnete, liegt in freiem Denken.

Meister Eckhart lebte als theologischer Universitäts-Dozent innerhalb verschiedener Systematiken, welche ihm biblische Bücher vorgaben, philosophierte jedoch für seine Kirche, wie sich später zeigte, viel zu frei, über seinen Zugang zu Gott und der Welt. Cusanus systematische Bedürfnisse richteten sich dem Weltall als Schöpfung Gottes entgegen und er philosophierte sozusagen astronomisch-theologisch.

Existenzielle Patentrezepte sind mir leider unbekannt. Doch dass Humanität bessere Menschen als Bestialität hervorbringt, davon bin ich überzeugt. Nach Deinen Worten sprichst Du unmissverständlich für Humanität.

Dein mögliches Dostojewski-Zitat kenne ich leider nicht, doch kam mir ein ähnliches von Albert Einstein in den Sinn. 


"Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt."

Einsteins und Leonardos Schriften wirken auf mich ermutigend und weise.



Antwort geändert am 06.07.2022 um 10:29 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 14:21:
Einstein kommt dem, was ich zitierte, sehr nahe - nur denkt er vorwärts, während Gerechtigkeit ja auch eine rückwärtsgewandte Dimension hat.
Vielleicht steht es bei Dostojewskij sogar im "Großinquisitor"; ich kann ja auch selber einmal nachschauen.

So dumm, Kriege, Hungersnöte und Seuchen zu ignorieren, war Hegel nicht (dann wäre er irrelevant); er sieht das Negative als notwendigen Bestandteil in der Selbstentfaltung des Absoluten, welche die Geschichte ist. Auf das Glück resp. Unglück der Individuen kommt es Hegel dabei nicht an (das Individuelle ist per definitionem das Vergängliche), sofern dadurch in der Gesamtendenz das Ziel der Vernunft erreicht wird.
Diese Herabsetzung des Wertes des Individuellen hat dann schon Kierkegaard kritisiert.
Auch ich kann mich damit nicht abfinden. Gewiß sind wir Individuen vergänglich, aber wie Philip K. Dick einmal sagte: "Ich bin nicht viel, aber ich bin alles, was ich habe."
Wenn das Allgemeine (die Vernunft) mitleidlos die Individuen opfert, um zu seinem Ziel zu gelangen, und diese nur als austauschbare Elemente ansieht - von den "Geschäftsführern des Weltgeistes" à la Hegel abgesehen! -, dann hat das etwas Empörendes. Es macht sie zu bloßen Mitteln zum höheren Zweck. Das erscheint mir inhuman.

Im Grunde berühren wir hier das Theodizee-Problem. Kennst Du Leibniz' These, daß wir in der besten aller möglichen Welten leben?
Ja, wohl - kam zumindest in meinem Buch vor.

 Dieter Wal meinte dazu am 06.07.22 um 16:16:
Kennst Du Leibniz' These, daß wir in der besten aller möglichen Welten leben?

Ja. Die Prämisse, dass Gott weise, gütig und allmächtig handelt, ist mir zu einfach. Besser gefällt mir die gnostische Vorstellung von Gott als einem spielenden Kind, die ohne die beste aller möglichen Welten auskommt, jedoch die Gottesidee verkleinert. Für Meister Eckhart waren Theodizeefragen kein Thema, weil er von der Theologia Negativa kam und damit einerseits theologische Dogmen überging, andererseits sich an dem biblischen Jesus  orientierte, der nach den Evangelien noch in der glücklichen Lage gewesen zu sein scheint, ein ungebrochenes Urvertrauen in Gott gehabt zu haben. Eckharts Gedanken wirken auf mich federleicht und erheben sich in Höhen, so dass eine Lektüre seiner Predigten den Eindruck einer gothischen Kathedrale im Leser hervorrufen kann. Ich mag das scholastische Feeling seiner Worte in ihrer Zeit. Lektüre als Zeitreisenersatz. Hegelsche Monströsität war ihm fremd. Eine Religionsphilosophie, mit der sich  leben lässt. Emotional offene Weite und Tiefe. Mir missfällt bei den allermeisten Theologen, dass sie Fragen über Gott thematisieren, als hätten sie in seinem Schatten gesessen, obwohl sie nur Schriftbeweise zitieren und wenig Erfahrung mit ihrem Thema zu haben scheinen. Meister Eckehart ist in meinen Augen darin eine Ausnahme. Irrtümer nahm er billigend in Kauf, doch leuchten seine Worte aus einem Kern der Gottesergriffenheit, dem man sich kaum entziehen kann.



Antwort geändert am 06.07.2022 um 16:42 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 23:06:
Da ist Dir ein schöner Satz gelungen:

Mir missfällt bei den allermeisten Theologen, dass sie Fragen über Gott thematisieren, als hätten sie in seinem Schatten gesessen, obwohl sie nur Schriftbeweise zitieren und wenig Erfahrung mit ihrem Thema zu haben scheinen.
Wohl dem unter denen, die über Gott sprechen, der dabei auf einer Erfahrung fußen kann! Allerdings nimmt unser gemeinsamer Freund hier bei kV genau das ja für sich in Anspruch.

Du weißt, daß nichts Derartiges mir je gegeben worden ist.

Interessant ist Deine Bemerkung über das ungebrochene Urvertrauen Jesu in Gott (auf das Meister Eckehart sich bezieht). Das stimmt, diesen Eindruck hat man bei Lektüre der Evangelien. Wie zu einem guten Vater.
Kaum vermag ich zu sagen, wie befremdlich das für mich ist. Wo ist eigentlich im Laufe meines Lebens mein Urvertrauen geblieben?
Schreckliche eigene Erfahrungen vermag ich gar nicht anzugeben, aber was ich lese, ist für mich oft wie selbst erlebt. Und wenn man dann z.B. Solchenizyns "Archipel GULag" liest ...

 Graeculus meinte dazu am 06.07.22 um 23:08:
Kannst Du ein Urvertrauen in Gott für Deine Person bejahen?

 Dieter Wal meinte dazu am 07.07.22 um 08:16:
Kannst Du ein Urvertrauen in Gott für Deine Person bejahen?

Nur sehr bedingt. "Ich nah mich wieder, schwankende Gestalt", dem Religiosum, da Religiöses und Irrationales hinterfragt bleiben. Glaube, wie er naiv bei Jesus dargestellt wird und durch Meister Eckehart eindrucksvoll dokumentiert, gehört eher nicht zu meiner Grundausstattung. Dennoch empfänglich für Spiritualität innerhalb wie außerhalb von Religion. Dass jüdisches Leben eher Kultgemeinschaft und eher keine Glaubensgemeinschaft genannt wird, entspricht mir. Das wäre mein Ding mehr oder weniger innerhalb der EKD. Momentan warte ich ab, ob mein Unglaube, dass Jesus Gott sei, nicht letztendlich den Ausschlag gibt, aus der Kirche auszutreten. Dabei ist dieser Gedanke für mich keineswegs neu, sondern besteht seit drei Jahrzehnten. Es wäre unsportlich für einen ehemaligen Theologie-Studenten. Für mich hat Religion viel mit Kultur und wenig mit Glaube zu tun. Vielleicht bin ich mit dieser Ansicht falsch in der EKD?


Was müßte passieren, damit Du Deine Ansicht änderst?

Denkt um! - Metanoeite, sprach Johannes. Sinneswandel, Innovation könnte ein Markenzeichen des Christentums und der Freimaurer sein, bei denen Jesu Cousin eine Rolle spielt. Ich lasse mir Zeit mit der Entscheidung. Sie ist ein "Luxusproblem". Im schlimmsten Fall würde ich kirchlich bestattet. Hoffentlich besser für Hinterbliebene. Gibt es idealerweise kein Leben nach dem Tod, müsste ich mir auch dann keine kirchliche Predigt anhören.


Antwort geändert am 07.07.2022 um 19:10 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 12:00:
Daß speziell das Judentum eher eine Kult- als eine Glaubensgemeinschaft ist, entspricht meinem - etwas unsicheren - Eindruck, allerdings mehr aus aus Begegnungen mit Juden. Liest man die Thora, kommt man nicht leicht darauf.

Als Kultgemeinschaft erscheint mir allerdings das Christentum als wenig attraktiv. Und wenn man direkt sagt, daß man nicht an Gott glaubt, kommt das dort nicht gut an.

Die Offenheit für einen Sinneswandel ist eine vorzügliche Eigenschaft, meine ich; aber sie schließt wohl ein unbedingtes Vertrauen in Gott aus.

"Offene Weite, kein Spur von heilig" (Bodhidharma) gefällt mir gut.

Witzig, einer der Vorzüge des Nicht-Glaubens an ein Leben nach dem Tod ist der, daß man sich dann nicht 'von oben' eine kirchliche Predigt anhören muß.

 Dieter Wal meinte dazu am 07.07.22 um 12:00:
Logos bestimmt Cusanus und Meister Eckhart in besonderer Weise. Beide so systematische Denker wie Universalisten.

 Dieter Wal meinte dazu am 07.07.22 um 12:44:
Als Kultgemeinschaft erscheint mir allerdings das Christentum als wenig attraktiv.
Andere Weltreligionen bieten wesentlich mehr. Mir bedeutet das Abendmahl als Kulthandlung etwas, gerade weil sie evangelischerseits dogmatisch relativ schwach ausgestaltet wurde und dadurch umso größere Interpretationspielräume bietet. Auch das tiefe Schweigen in einer ansonsten unbesuchten Kirche spricht mich an, speziell, wenn es draußen sonnig ist. Es erscheint mir  beredt, als wäre die Gottheit, welche auch immer, dort besonders präsent. Dass dies leicht erklärbar ist und eventuell überhaupt nichts mit "Gott" zu tun hat, stört mich daran 0 %. Sakralarchitektur interessiert mich, seit ich Freimaurer wurde. So war der Besuch  der Krypta, 11. Jahrhundert, von St. Gumbertus in Ansbach in mehrerer Hinsicht ein besonderes Erlebnis. Romanische Bauweise. Gern hätte ich Meister Eckhart predigen gehört. Doch ich hörte in Berlin mehrfach einen faszinierenden Prediger, der immer ungewöhnlich lang über weite Zeiträume predigte, und bei dem jede Predigt mit mehreren mir neuen Einsichten gespickt war. Pfarrer Edgar Dusdal der evangelischen Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde in Berlin-Lichtenberg. Trotzdem gerade Berlin nicht an guten Theologen arm ist, war dieser Geistliche als Prediger in meinen Ohren eine seltene Ausnahme. Auch christliche Taufen, Hochzeiten und Beisetzungen sind als christliche Übergangsrituale wichtig und hilfreich. Trotz relativer Ähnlichkeit mit der röm.-kath. Kirche unterscheiden sie sich erheblich von ihr. Möglichst menschenleere Kirchen als Orte, um Ruhe und Kraft zu tanken, sollte man gerade auch ohne Kirchenmitgliedschaft nicht unterschätzen. Christentum definiert sich schwerpunktmäßig als Glaubensgemeinschaft. Wäre man jüdisch, würde es eine geringfügige Rolle spielen, ob man nicht zusätzlich Atheist ist. Außer in der Ultraorthodoxie. Früher vermisste ich in der EKD Missionseifer, ich fand, man hätte mehr Ungläubige in Predigten ansprechen müssen. Heute gefällt mir diese Offenheit und geringfügiger bis überhaupt nicht vorhandener missionarischer Eifer. Weshalb es durchaus möglich ist, dass ich als religiös interessierter Agnostiker dort niemanden nerve und toleriert bin.  Thomasmessen sind in meinen Augen eine sehr gute zukunftsträchtige liturgische Form aus Finnland, die mittlerweile innerhalb der EKD fast schon wieder Oldtimer sind. Auch "Citykirchen" und "Autobahnkirchen" sind tragfähige Projekte, um dem anhaltenden Trend der Kirchenaustritte in beiden "Volkskirchen" sinnvoll zu begegnen.

Antwort geändert am 07.07.2022 um 18:35 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 07.07.22 um 12:55:
Witzig, einer der Vorzüge des Nicht-Glaubens an ein Leben nach dem Tod ist der, daß man sich dann nicht 'von oben' eine kirchliche Predigt anhören muß.

Nicht der Nicht-Glaube, sondern die hoffentliche Inexistenz eines Lebens nach dem Tode.

Tod und finito. Ich fände es perfekt. Eventuell richtet sich das Leben jedoch nicht nach meinen persönlichen Bedürfnissen.

 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 22:56:
Zum letzten: Da hast Du recht ... ich hätte mich genauer ausdrücken müssen.

 Graeculus meinte dazu am 07.07.22 um 23:06:
Zum vorigen:

Gestatte, daß ich dies mit einem eigenen Eindruck zum Christentum als Kultgemeinschaft beantworte, der meinen Standpunkt in Teilen in Frage stellt.

Bei mir: katholischer Hintergrund.
Vor ca. 12 Jahren war ich mit Freunden für eine Woche in Rom. Am letzten Tag mußten wir vormittags aus dem Hotel raus, das Flugzeug startete aber erst nachmittags. Was tun mit der Zwischenzeit?
In der Nachbarschaft des Hotels befand sich eine der großen Kirchen Roms: Santa Maria Maggiore, Patronatskirche eines Kardinals. Dort begann ein Hochamt (besonders feierliche Messe), und das haben wir uns dann halt angeschaut.
Die Liturgie war tridentinisch, also auf Latein, samt Chorgesang. Weihrauch und Kostüme inklusive. So wie ich es aus meiner Kindheit noch kannte. Der Zelebrant war der Kardinal.
Ich konnte mir nicht helfen: mir standen die Tränen in den Augen.
Das ist ja nun rein kultisch und hat mit theologischem Inhalt nichts zu tun - aber es muß ganz tief sitzen!

Übrigens ist es der Freundin mit katholischer Vergangeheit genau so ergangen, während die anderen gar nicht wußten, was wir hatten.

Die Kindheitsprägung scheint ungeheuer wichtig, und das ist ja nun eine kultische.

 Dieter Wal meinte dazu am 07.07.22 um 23:49:
Das ist ja nun rein kultisch und hat mit theologischem Inhalt nichts zu tun - aber es muß ganz tief sitzen!
Die lateinische Form erlebte ich leider nie. Sie muss nach allem, was ich darüber hörte und las, ungeheuer eindrucksvoll sein. Speziell für Lateiner. Dass sie nichts mit theologischen Inhalten zu tun hätte, halte ich für einen Witz. Sie transportiert theologische Inhalte. Du dürftest jedes Wort darin auswendig gekannt haben. Daher kann ich sehr gut nachvollziehen, dass selbst ein Atheist zu Tränen gerührt war. Rubrizistik ist ein speziell katholisches Teilgebiet der Liturgiewissenschaft. Ich finde deren Schriften beeindruckend. Es gibt nichts Vergleichbares innerhalb der EKD. Selbst die deutsche röm.-kath. Messe ist zutiefst kultisch. Dabei ist die röm.-kath. Kirche sowohl Kult- wie Glaubensgemeinschaft.  Die anthroposophische "Christengemeinschaft", ein synkretistischer Mix aus Reinkarnation mit Christentum, entwickelte die "Menschenweihehandung" als Liturgie, welche sich an der röm.-kath. Messe orientiert und aus expressionistischem deutschem Sprachmaterial besteht. Ich wohnte 1991-94 gegenüber der Nürnberger Kirche dieser Religion hinter der Nürnberger Burg und besuchte sie häufig, da die Gelegenheit günstig war und ich mich eh damals mit allen möglichen Sekten und Kleinstreligionen auseinandersetzte, bevor ich Theol. studierte. Viele Mitglieder dieser Religion wissen nicht einmal, dass nicht alle Christen an Reinkarnation mit Christentum glauben. Deren Predigten waren sehr speziell. Sie wie auch die Menschenweihehandlungen waren 100% humorfrei und wirkten monolithisch und statisch.

 Graeculus meinte dazu am 08.07.22 um 00:13:
Gewiß steckt in den lateinischen Gebeten, den gregorianischen Chorälen viel theologisches Gedankengut, wenn man auf den Inhalt achtet. Aber darum geht es m.E. nicht und ging es mir jedenfalls nicht in dieser Situation. (Die meisten Gläubigen verstehen ja eh kein Latein.)
Es war die Theaterinszenierung, die mich so berührt hat! Deswegen meine ich, daß es da um Riten geht; und deswegen irre ich mich vermutlich, wenn ich sage, daß das katholische Christentum da schwach auf der Brust ist.

Evangelische Gottesdienste hingegen kenne ich gar nicht. Sie würden, so vermute ich, nicht auf mich wirken.
(Du tust Dich da breitflächiger um.)

Rubrizistik kenne ich nicht. Kannst Du das kurz erklären?

 Dieter Wal meinte dazu am 08.07.22 um 10:19:
Rubrizistik beschreibt im Detail die in liturgischen Büchern des katholischen Ritus (meistens) mit roten Buchstaben eingefügten Anweisungen für den Vollzug der gottesdienstlichen Zeremonien.

Priester, die wirklich wissen, was sie zelebrieren, und weshalb s o und nicht anders, agieren entsprechend vergeistigt.


Es war die Theaterinszenierung, die mich so berührt hat!

Verstehe. Schwer zu erklären. Einen Versuch ist es wert. Ich experimentierte früher mit kabbalistischen Amuletten. Sie sind, wenn rund, meist außen von Torah-Versen umgeben. Eines zeigte zentral eine Linke mit ausgestrecktem Zeigefinger, welcher in hebräischer Schrift auf den Vers der Antwort Gottes aus dem brennenden Dornbusch wies. Die Hand ragte aus einer weiten Kutte. Was am äußeren Rand geschrieben war, beachtete ich nicht. Trug das Amulett manchmal offen. Von mehreren Personen, die kein Hebräisch kannten, wurde mir berichtet, es löste bei ihnen Angst aus. Das konnte ich bestätigen. Als ich den Randvers übersetzte, begann ich zu begreifen, weshalb. Dort stand sinngemäß: Erhebe dich, Elohim, und erschrecke die Ungläubigen, jedoch nicht mich. Später las ich, es war ursprünglich dazu gedacht, Feinde abzuwehren. Dass ein in Massenproduktion in Stahl geprägtes ungeweihtes mittelalterliches Amulett solche Wirkungen entfalten kann, irritierte mich. Doch es war, was seine Worte betraf, unverkennbar sakraler Natur.

Die lateinische Messe wirkt auch auf Menschen, die nicht den Sinn ihrer Worte verstehen. Das Sakrale spricht unsere Gefühle trotz Sprachbarriere direkt an. Bei Dir kam die Kenntnis jener Messform aus Deiner Kindheit hinzu, und dass Du sie früher mutmaßlich gläubig erlebtest, also eine oder mehrere angenehme Erinnerungen an Deine Kindheit besonders weihevoller Natur. Dann sind Dir das Altgriechische, die Mutter des Lateinischen, wie auch Lateinisch, besonders ans Herz gewachsen. Du wandtest Dich wie zahlreiche Menschen im Lauf des Erwachsenwerdens von Deiner Mutterkirche ab. Eine völlig normale und notwendige Abwendung, um erwachsen werden zu können. Wir wurden aus Eden vertrieben. Anmut, Lieblichkeit und Wonne, das bedeutet Eden, erleben wir höchstens in seltenen Momenten. Dies war ein solcher.




Antwort geändert am 08.07.2022 um 13:29 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 08.07.22 um 11:42:
Schreckliche eigene Erfahrungen vermag ich gar nicht anzugeben, aber was ich lese, ist für mich oft wie selbst erlebt. Und wenn man dann z.B. Solchenizyns "Archipel GULag" liest ...
Kriegstraumata übertragen sich gerade auch dann unbewusst auf die Nachfolgegenerationen, wenn die Traumatisierten nie davon sprachen. Sowohl bei Opfern, als  auch Tätern. Der Krieg wird in den Familien fortgeführt mit anderen Mitteln ...

 Graeculus meinte dazu am 08.07.22 um 23:44:
An Dieter Wal 1:

Ha, danke. Mir wird bewußt, daß ich noch nie in ein liturgisches Buch hineingeschaut habe, speziell nicht ins Missale.

Auch mit Amuletten habe ich keinerlei Erfahrung. Was Du schreibst, klingt geradezu beunruhigend. Wie kann ein Spruch eine solche Wirkung haben? Anscheinend kann er es. Muß man dazu besonders suggestibel sein? Bin ich dafür "unmusikalisch"?

Eigentlich habe ich selbst meine Kindheit nicht als gläubiger Mensch erlebt. Damals, als Kind, hätte ich das nicht so sagen können; aber heute ist es mir klar, daß es keinen Gottesbezug gab und daß ich als natürlicher Heide in eine religiöse Umgebung gerutscht war.
Was mir bis Rom nicht bewußt war: in welchem Maße die andere Seite der Religion, das Rituelle in meinem Unbewußten verankert war.
Das funktioniert bei heutigen Gottesdiensten überhaupt nicht mehr. Aber daß mir das bei einem lateinischen Hochamt erneut passieren könnte, halte ich für möglich.

Ein interessantes Experiment wäre die Teilnahme an einem Gospel-Gottesdienst - wegen seines stark rauschhaften Charakters. Hast Du damit Erfahrungen gemacht?
Ist es nun Jesus oder Dionysos, dem dort gedient wird?
(Die Beziehung Jesus : Dionysos ist schon spannend.)

 Graeculus meinte dazu am 08.07.22 um 23:48:
An Dieter Wal 2:

Das ist etwas anderes! Ich meinte speziell das Lesen. Das berührt mich oft mehr als das mündlich Erzählte. Vielleicht deshalb, weil es in einem guten Buch gekonnt geschildert wird. Konsequenterweise ist das auch bei einem guten Film möglich.

Bei anderen Menschen funktioniert das ganz anders, das weiß ich.

 Dieter Wal meinte dazu am 10.07.22 um 09:21:
Wie kann ein Spruch eine solche Wirkung haben?
Im Zentrum weist der Zeigefinger auf den Gottesnamen. Am Rand befindet sich eine  Evokation ("Erhebe dich, Elohim, und erschrecke die Ungläubigen, jedoch nicht mich."). Der Text ist selbst für ein kabbalistisches Amulett ungewöhnlich. Es hat Gründe, weshalb das vierte Gebot schreibt: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“ Das Amulett enthält zwei besonders heilige Varianten: 1. Die älteste aus abrahamitischer Zeit, altassyrisch (Rund-Inschrift). 2. mosaisch (zentral). Um das Warum der Wirkung näher gedanklich nachvollziehen zu können, müsste man sprachgeschichtlich forschen und Funktion wie Wirkungsweise von verschiedenen Schriftsystemen erkunden. Uns Menschen mit Tastaturen und Computern liegt die Verbindung von Schreiben, Sprechen, Singen und die sakrale Verwendung heiliger Texte und Sprachen fern. Das kommt "Hochtechnisierten" wie Zauberei vor. Eine Rabbinerausbildung wäre hilfreich. Oder ein Theologiestudium. Und sehr spezielle sonstige Interessen.


Ein interessantes Experiment wäre die Teilnahme an einem Gospel-Gottesdienst

Auch Gospel-Konzerte. Gospel-Gottesdienste kenne ich leider bisher nur aus amerikaniscchen Spielfilmen. Wesentlich freudigere Inhalte als europäisch-christliche.

Sakralmusik und kultische Handlungen bewirken Katharsis. Die Teilnehmer "laden dabei ihre Batterien auf". Verstehst Du, was damit gemeint ist? Leider nicht jeder Mensch ist dafür empfänglich. Bei der lateinischen Messe warst Du es.


 Graeculus meinte dazu am 10.07.22 um 23:06:
Sakralmusik und kultische Handlungen bewirken Katharsis. Die Teilnehmer "laden dabei ihre Batterien auf".

Das ist eine sehr gute Aussage. Es beschreibt die Wirkung von Gospel auf mich und wird auf viele Menschen, die Gottesdienste besuchen, zutreffen. (Ist wie in der Aristoteles-Deutung der Tragödie.)

Bei Amuletten - Dank für die Abbildung! - vermute ich zunächst, daß der Glaube daran die Wirkung verursacht. Aber ich bin weit entfernt davon, etwas dazu zu wissen.

Interessantes Gespräch!

 Dieter Wal meinte dazu am 10.07.22 um 23:36:
Bei Amuletten - Dank für die Abbildung! - vermute ich zunächst, daß der Glaube daran die Wirkung verursacht.

Bei Amuletten generell vermute ich dasselbe.

Hier jedoch waren zu viele Personen unabhängig voneinander derselben Meinung. Dass sich meine Haltung übertragen hätte, ist auszuschließen, da ich selbst nicht im Entferntesten wusste, was das Amulett  bezwecken sollte. Dieses und ähnliche kabbalistische Amulette sind innerhalb der Gattung Amulett außergewöhnlich, was ihre Durchdachtheit, Zielgerichtetheit und Reinheit der Intention betrifft. Bei diesem ließ ich, um nicht zu verwirren, weitere Details, welche die Intention verstärken, unerwähnt. Auch machte ich bei der Beschreibung geringfügige Fehler, da ich das Amulett nicht vor Augen hatte, als ich es beschrieb. Es gibt ähnliche mit verschiedenen Inschriften.

Hier schien der bei Amuletten wie Glücksklee u. Ä. übliche Placeboeffekt sich auszuschließen. 

Ich tauchte einmal relativ tief in die Materie der Warum-Frage der (für mich) offensichtlichen Wirkung sogen. Buchstaben- (bzw. Zahlen-)Palindrom-Quadrate, auch Magische Quadrate genannt, ein, als ich mich fragte, worauf die Wirkung basieren könnte. Ihre Stuktur ist kristallin und basiert auf Logik und Ratio. Dabei sprach ich mit Parapsychologen, Menschen, die über Harmonik forschten, Musikwissenschaftlern und Sprachwissenschaftlern. Wenn man welche schreibt, wirkt sich ihre in sich geschlossene vierfach gespiegelte Botschaft wohltuend auf ihren Schöpfer aus. Auch war es wundervoll, in verschiedenen Sprachen und mit diversesten Schriftsystemen damit zu experimentieren. Beim Wechsel einer Sprache oder Schrift nimmt das Ergebnis wie bei völlig verschiedenen Instrumentalgattungen eine vollkommen verschiedene "Färbung" an, obwohl die Anzahl der Buchstaben gleich sein mag. Es ist ein  Glasperlenspiel.

 Graeculus meinte dazu am 11.07.22 um 23:49:
Was ist das Besondere an kabbalistischen Amuletten? Du nennst Durchdachtheit, Zielgerichtetheit und Reinheit der Intention. Das heißt, sie werden nicht zu den üblichen magischen Zwecken eingesetzt, also Schadensabwehr und Glückszauber? Sind eher ein religiöses Bekenntnis, eine Art, mit Gott zu sprechen?

Palindrome, da kenne ich ein paar; die Quadrate hielt ich für eine Art Sudoku mit Wörtern. Eine intellektuelle Spielerei also. Auch hier denkst Du anders, nämlich an eine Botschaft, die sich auf den Schöpfer (also nicht auf den bloßen Konsumenten?) auswirkt.
Denkst Du bei den verschiedenen Sprachen an Übersetzungen?

ROMA : AMOR hat in der Antike eine Bedeutung durch den Verweis auf Venus als die Schutzpatronin Roms gehabt.

 Dieter Wal meinte dazu am 12.07.22 um 14:55:
Was ist das Besondere an kabbalistischen Amuletten?

Sie enthalten meist Tora-Zitate, sie sind sakral.





Sind eher ein religiöses Bekenntnis, eine Art, mit Gott zu sprechen?



Ja. Es handelt sich überwiegend um metallene Segensformeln.



Palindrom-Buchstabenquadrate sind in der Tat antike Kreuzworträtsel, sind allem Anschein nach jedoch etwas mehr als das. Siehe das Jupiter-Zahlen-Quadrat in Dürers Melencolia,1514.







Es scheint hier die Funktion eines Gegengewichtes der melancholischen Bildinhalte zu erfüllen.



Es wirkt, wenn überhaupt, symbolisch oder "magisch". Magie oder Sakrales sind bei solchen Quadraten und kabbalistischen Amuletten austauschbare Begriffe und meinen dasselbe.





Denkst Du bei den verschiedenen Sprachen an Übersetzungen?

Nein. Schreibst Du solche Quadrate, die prinzipiell wie das  Sator-Quadrat konstruiert sind, müssen die Begriffe Primzahlen enthalten. Solche Quadrate sind unübersetzbar, wenn man sie als Quadrate übersetzen will. In jeder Sprache ergeben sich eigene Möglichkeiten. Man kann jedoch solche Quadrate transliterieren, was in der Tat beim Sator-Quadrat ins Hebräische geschah, das dann mit einem hebräischen Vers umgeben wurde, der dieselben Zahlen wie das Quadrat enthält.



Kannst Du mit Dürers Melencolia etwas anfangen? Seit mir das Detail des Jupiter-Quadrates bewusst wurde, gefällt es mir umso besser. Es enthält so eine codierte Grundierung, die aufhellend wirkt, ohne dass es für den Betrachter direkt erkennbar ist.





Auch hier denkst Du anders, nämlich an eine Botschaft, die sich auf den Schöpfer (also nicht auf den bloßen Konsumenten?) auswirkt.

Das ist nicht ungewöhnlich. Schreibst Du ein Buch oder eine Satire, wirkt sie sich ja auch auf Deine Person aus und beschäftigt Dich innerlich. Das muss nicht Magie genannt werden, sondern hat etwas mit Sprache und diversen Botschaften zu tun, es handelt sich um kommunikative Prozesse, die natürlich auch auf uns selbst wirken.


Antwort geändert am 13.07.2022 um 20:03 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 12.07.22 um 23:26:
Mit Dürers Bild habe ich mich einmal befaßt; das ist freilich schon eine ganze Weile her und mir nicht mehr gut in Erinnerung.
Immerhin: Das Quadrat ist mir als ein Symbol erschienen, welches nicht der melancholischen Stimmung zuwider ist.
Damals habe ich mir, glaube ich, gedacht, es sei etwas Zwanghaftes, etwas Ordentliches, an das man sich klammern kann.
Jetzt bin ich mir aber nicht mehr so sicher, ob das - weil es eine Ordnung beinhaltet - Deiner Interpretation widerspricht.
Ich schaue es mir noch einmal an und meditiere darüber.

***

Die Botschaft wirkt sich auf ihren Urheber aus. Nicht immer angenehm - aber das kennst Du sicher selber. Bei einem Buch ist das wie eine Schwangerschaft.
Hast Du mal ein Buch geschrieben?

 Dieter Wal meinte dazu am 13.07.22 um 00:33:
Buchkonzepte bisher und einzelne Beiträge für Bücher.

Für mich ist Lyrik ihrem Wesen nach magisch. Denk nur an das lateinische Wort Carmen. Lied, Zauberspruch. Solche sind religiösen Liedern verwandt, wandten sich häufig von etablierten Religionen ab. Auch areligiöse Lyrik kann problemlos magischen, also dichterischen Charakters sein.

Auf mich wirkte Dürers magisches Quadrat früher neben anderen für mich zunächst rätselhaften Symbolen tendenziell bedrohlich in ihren Geheimnissen. Doch die Stimmung des Bildes sprach mich stark an. Auch heute noch. Die Glocke neben dem Quadrat steht wie auch das Jupiter-Quadrat selbst u. A. für den Frühling, die Jugend, den Morgen und alles Helle, Beginnende. Das Auditive wird dadurch versinnbildlicht. In dem an den vier Elementen orientierten Weltbild des Mittelalters, deren sich Dürer offensichtlich bedient, lassen sich Symbole sinnhaft künstlerisch einsetzen.

Antwort geändert am 13.07.2022 um 00:35 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 13.07.22 um 08:47:
Immerhin: Das Quadrat ist mir als ein Symbol erschienen, welches nicht der melancholischen Stimmung zuwider ist.
Ein Zahlen-Quadrat als solches ermöglicht, bis man es entschlüsselte und interpretierte, keine Deutung. Das Symbol mag theoretisch glockenklar wirken, es wirkt 100% kryptisch und hermetisch. Erstaunlicherweise wirkt das Bild auf mich eben nicht deprimierend, obwohl es Melancholie versinnbildlicht, welche normalerweise  deprimiert. Das Kunstwerk entfaltet kathartische Wirkung. Nach meiner Interpretation zerstört das Quadrat nicht die künsterische Wirkung, sondern verstärkt sie wie die Licht- und Schatten-Gegensätze bei Rembrandt.  Dürers Melencolie, hier der Link zum Wikipediaartikel, ist, was die mittelalterliche Vier-Elemente-Lehre betrifft, beim Element Wasser, Herbst und Abend angesiedelt. Das Zahlen-Quadrat für Jupiter oder Frühling ist dazu so sehr Gegensatz wie Komplementär-Entsprechung. Eine Botschaft wie: "Nicht in Melancholie versinken. Aufwachen!" Die tiefe Emotion, (Herbst, Wasser, Abend, weiblich) wird durch die Ratio, das Quadrat mit der Glocke, (Frühling, Luft, Morgen, männlich) kontrolliert, dadurch wirkt das Bild ausgewogen.



Antwort geändert am 13.07.2022 um 20:04 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 13.07.22 um 12:05:
In Dürers Melencolia I findet man eine Mischung aus Oktaeder und Dodekaeder.

Nach der Beschreibung bei Wikipedia über Platonische Körper verbindet dieser das Element Luft mit dem 5. Element Äther. Demzufolge ergänzt der platonische Körper die Bildaussage der Glocke, des Zahlenquadrats und der Waage. Leiter und Glocke in erster Linie wären dann Symbole, um die Bewegungslosigkeit, also Depression, im Bild zu beenden und von der vita passiva zur vita activa zurückzukehren.


Der griechische Philosoph  Platon (ca. 427–347 v. Chr.), ein Zeitgenosse Theaitetos’, wurde der Namensgeber für die fünf Körper. In seinem Werk  Timaios (Kap. 20, 53c4–55c6) beschrieb er sie ausführlich. Er band die platonischen Körper in sein philosophisches System ein, indem er sie (ausgenommen Dodekaeder) den  vier Elementen zuordnete (Kap. 21, 55c7–56c7):  Feuer stand für das Tetraeder,  Luft für das Oktaeder. Das Ikosaeder wurde mit  Wasser assoziiert, das Hexaeder mit  Erde. Das Dodekaeder ließ sich nach dieser Theorie mit dem von  Aristoteles postulierten fünften Element  Äther gleichsetzen.
Ob Dürer einzig Platon als Quelle nutzte oder Agrippa von Nettesheims De occulta philosophia hinzuzog, entzieht sich meiner Kenntnis. Es sieht für mich zumindest danach aus, als verwendete er beide Quellen.


Antwort geändert am 13.07.2022 um 20:05 Uhr

 Dieter Wal meinte dazu am 13.07.22 um 12:09:
Passt Dürer zu Wiedergeburt? Logo: Rénnaisance. :D 

Peace.

 Graeculus meinte dazu am 13.07.22 um 16:07:
Ja, Dürer paßt zu Wiedergeburt.

Die Platonischen Körper kenne ich, und ich meine auch, mich an ihre Zuordnung zu den Elementen zu erinnern - egal, Du gibst sie ja an.

Die Dürer-Bildbetrachtung steht bei mir auf dem Zettel, und nun kommt auch noch Agrippa von Nettesheim dazu.
Ich bitte um ein wenig Geduld.

(In der Hauptsache bin ich immer damit beschäftigt, 'mein' Griechischforum zu bestücken.)

 Graeculus meinte dazu am 13.07.22 um 16:10:
Buchkonzepte bisher und einzelne Beiträge für Bücher.

Buchkonzepte, gut, dann brauchst Du keine von mir - ich hätte Dir sonst welche vermacht.

Kannst Du etwas zu den Buchbeiträgen sagen?

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 13:58:
Für Deinen Beitrag vom 12.7. um 14.55 Uhr habe ich mehrere Korrekturen erhalten, die nur kleinere Änderungen zu betreffen scheinen. Ich weiß nicht, wie Du technisch einen bereits beantworteten Beitrag korrigieren konntest.

Wie auch immer, ich werde mich heute oder morgen mit Dürer befassen - angeregt auch durch ein gestern gesehenes Stück über einen anderen Künstler der Dürer-Zeit: "Martyr - Jörg Ratgeb". Der hat sich in die Bauernkriege und den Konflikt um den in die Acht gesetzten württembergischen Herzog Ulrich hineinziehen lassen und ist in Pforzheim gevierteilt worden.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 14:51:
Das Bild ist enorm vielschichtig! Und ich habe mir jetzt auch die Symbole bewußt gemacht, die auf das Ausbrechen aus der Melancholie verweisen. Die Sonnenuhr über der Sanduhr hatte ich früher komplett übersehen.
Bei dem Polyeder muß ich - auch jetzt, da ich noch einmal im Timaios nachgelesen habe - passen.

Ein Freund von mir leidet an Grübelsucht. Der würde da einen schweren Rückfall erleiden.

 Dieter Wal meinte dazu am 14.07.22 um 16:08:
Ich weiß nicht, wie Du technisch einen bereits beantworteten Beitrag korrigieren konntest.
Klicke das schwarze Kästchen mit dem Stift rechts unten im Kommentarfeld an und Du kannst Deinen Kommentar nachträglich bearbeiten.

Die Sonnenuhr über der Sanduhr hatte ich früher komplett übersehen.
Ich ebenso. Danke, Entdecker.

Antwort geändert am 14.07.2022 um 16:12 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 18:42:
Ist ja auch klein, diese Sonnenuhr. Man kann gar nicht lange genug schauen auf dieses denkwürdige Bild.

So, mittels des schwarzen Stift-Kästchens kann man auch noch nachträglich einen Beitrag korrigieren. Das wußte ich nicht, früher ging das nicht. Gut zu wissen.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 18:44:
Da hat der Webmaster sich aber was ausgedacht. Jetzt muß man also damit rechnen, daß man sich auf etwas bezieht, das da gar nicht mehr steht.

 Dieter Wal meinte dazu am 14.07.22 um 20:14:
Jetzt muß man also damit rechnen, daß man sich auf etwas bezieht, das da gar nicht mehr steht.
Es scheint nur 24h möglich zu sein. Also eher für Tippfehler.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 23:42:
Inzwischen habe ich es selbst einmal genutzt. Gut, daß wir mal darüber gesprochen haben.
Mit dem Antworten sollte man dann besser etwas warten, bis der andere den endgültigen Kommentar erstellt hat.

Über Dürers "Melencolia" denke ich immer noch nach. Welch ein rätselhaftes, faszinierendes Bild!

 Dieter Wal meinte dazu am 15.07.22 um 11:49:
Mit dem Antworten sollte man dann besser etwas warten, bis der andere den endgültigen Kommentar erstellt hat.
Mich nerven Tippfehler. Die Kommentare werden bei mir selten erweitert. Eher gekürzt.


Über Dürers "Melencolia" denke ich immer noch nach. Welch ein rätselhaftes, faszinierendes Bild!

Es gilt neben "Hieronymos im Gehäus" und "Ritter, Tod und Teufel" als einer von drei Meisterstichen Dürers. Mir kommt es vor, als wäre die Interpretationsbreite so groß, dass die Bedeutung des Bildes sich für den Betrachter im Lauf seines Lebens ändert. Ich als Geisteszwerg finde es stark, dass ein Rennaisance-Riese wie Dürer sich tiefer mit Magischen Quadraten auseinandergesetzt haben könnte und eins in den Dienst seiner Kunst stellte.  Wir können mutmaßen, ob überhaupt einer darin liegt oder welchen Sinn dies für ihn gehabt haben könnte, doch wenn man in Agrippas Systematik der christlichen Kabbala (De occulta philosophia) in der Tradition Pico della Mirandolas taucht, besteht die Möglichkeit, dass Dürer etwas entdeckt haben könnte, das für die allermeisten Menschen in Vergessenheit geriet: Pythagoräisches Denken. Zahlenharmonien. Irrationale Zahlen als Arcanum. Zahlen und Zeichen. Für Zahlentheoretiker mag das Kinderkram sein. Es könnte Interesse an Mathematik wecken und an Dürers Graphiken. 

Das Original von "Ritter, Tod und Teufel" lässt sich derzeit im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg bewundern. In der Ausstellung der   Werke Hans Hoffmanns (FAZ-Rezension, 15.5.2022). Die Ausstellung ist sehenswert.

Antwort geändert am 15.07.2022 um 12:32 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 15.07.22 um 14:47:
Ach ja, den Agrippa von Nettesheim wollte ich noch nachschauen.


Pythagoräisches Denken. Zahlenharmonien. Irrationale Zahlen als Arcanum.

Das ist gut möglich, hat sogar viel für sich.

Für einen Künstler läge es dann eigentlich nahe, sich mit der Irrationalzahl φ (Mehr noch als mit π) zu befassen, also der Proportion des Goldenen Schnitts. Gibt es dafür einen Hinweis in dem Bild?

 Dieter Wal meinte dazu am 15.07.22 um 15:05:
Es würde mich sehr wundern, wenn nicht Dürers Lehrer, Michael Wolgemut (1434/37-1519), dem Dürer ein mich berührendes Portrait widmete, ihn nicht über den Goldenen Schnitt in Theorie und Praxis unterrichtet hätte.





Der Goldene Schnitt wird auch in vielen Werken der Renaissance-Künstler vermutet, unter anderem bei  Raffael,  Leonardo da Vinci und  Albrecht Dürer, bei Dürers Werken insbesondere in seinem Selbstbildnis von 1500 und seinem Kupferstich  Melencolia I von 1514.
 Wikipedia





 Albrecht Beutelspacher, Bernhard Petri: Der Goldene Schnitt. Spektrum, Heidelberg / Berlin / Oxford 1988,  ISBN 3-411-03155-7. S. 148-155








Antwort geändert am 15.07.2022 um 15:09 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 15.07.22 um 23:48:
Das Buch, das Du nennst, ist interessant, habe ich leider nicht.
Nennen kann ich:

Priya Hemenway

Der geheime Code
Die rätselhafte Formel, die Kunst, Natur und Wissenschaft bestimmt.

Köln 2008

Es gibt gewiß viel Literatur über den Goldenen Schnitt.

Und sieh an, auch in der "Melencolia". Wo sollen wir das dort lokalisieren? Hast Du schon etwas gefunden?

 Dieter Wal meinte dazu am 17.07.22 um 11:27:
Das Buch von  Albrecht Beutelspacher wird als Literaturangabe bei Wikipedia für die Passage erwähnt. Wenn er darin tatsächlich acht Seiten über Rennaisance-Maler und den Goldenen Schnitt schrieb, sollte ich es lesen.

Das von Priya Hemenway kenne ich. Leider nur populärwissenschaftlicher Bildband.

 Graeculus meinte dazu am 17.07.22 um 14:13:
Das stimmt, ein populärwissenschaftlicher Bildband - auf den ich einmal zufällig in einer Buchhandlung gestoßen bin.

 Judas (14.07.22, 14:04)
Wie sangen schon die Toten Hosen:
"Wer kann schon sagen, was mit uns geschieht
Vielleicht stimmt es ja doch
Dass das Leben eine Prüfung ist
In der wir uns bewähren sollen
Nur wer sie mit Eins besteht
Darf in den Himmel kommen
Für den ganzen dreckigen Rest
Bleibt die Hölle der Wiedergeburt"


Tja.

Zum Gedankenexperiment:
ob das in deinem Text beschriebene Erlebnis mich davon überzeugen, an Widergeburt zu glauben? Ich bezweifel es, ehrlich gesagt.
Ich fürchte, mein Problem ist, dass ich zwar nicht an die Reinkarnation glaube - aber ich glaube auch nicht NICHT an die Reinkarnation.
Falls das Sinn ergibt.

Ich halte es wie Douglas Adams:
Alles, was geschieht, geschieht.
Alles, was nicht geschieht, geschieht nicht.
Alles, was im Zuge seines Geschehens erneut geschieht, geschieht erneut.

(Allerdings tut es das nicht unbedingt in chronologischer Reihenfolge.)

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 18:40:
Sieh an, die Toten Hosen sehen die Wiedergeburt als Hölle. Kann ich verstehen. All das noch einmal? Nein danke.

Für mich ergibt allerdings Wiedergeburt gar keinen Sinn, denn ich kann mir nicht vorstellen, was es heißen soll, daß ich (also das, was ich unter ich verstehe) einst ein Burgfräulein in Worms oder gar ein Dalmatiner gewesen sein soll.

Deine Paradoxie ist schwer zu verstehen. Vielleicht: etwas von Dir vergeht, etwas von Dir lebt in anderen Menschen wieder auf?

 Judas meinte dazu am 14.07.22 um 19:42:
Hmm vielleicht ist das Paradoxe nicht so paradox, wie du denkst. Ich habe mich abgefunden damit, dass es einfach Dinge gibt, die ich nicht erklären kann. Und wohl auch nicht erklären können werde. zB ob's eine Existenz nach dem Tod gibt - sei das jetzt Wiedergeburt oder Geisterdasein oder, naja, eben ab in die Hölle.
Ich weiß es nicht.
Punkt.
Und irgendwie weiß es ja eigentlich keiner, auch wenn's eben zich Ansichten und Theorien usw gibt, die denken es zu wissen, aber wissen's tut's halt niemand.
Von daher:
Was geschieht, geschieht.
Was nicht geschieht, geschieht eben nicht.
Alles möglich. Alles offen.
Oder eben auch nicht.

 Graeculus meinte dazu am 14.07.22 um 23:49:
Jetzt verstehe ich Deinen Standpunkt. Agnostizismus sozusagen.

Ich meine ja, wenn man sich die experimentell gut bestätigte Abhängigkeit der Psyche vom Gehirn bewußt macht und weiterhin, daß das Gehirn im Tod zerfällt, dann spricht alles gegen eine Fortexistenz der Psyche über diesen Zerfall hinaus. Nach bestem menschelichen Wissen.
Absolut sicher ist das nicht, aber die Überraschung wäre groß.

Zum Agnostizismus in diesem Fall: Man muß sich ja im Leben entscheiden: Rackere ich mich ab für den Himmel oder eine günstige Wiedergeburt - oder nicht? Da sage ich, daß es für mein Leben keine Bedeutung hat. Agnostizismus ist also ein theoretischer Standpunkt, mit dem man eine Entscheidung in der Praxis nicht umgehen kann.
Allenfalls kann man sich eine gewisse Offenheit bewahren.

Fast nehme ich an, daß das bei Dir ähnlich ist. Oder hat das in Deinem Leben eine praktische Bedeutung?

 Judas meinte dazu am 15.07.22 um 09:42:
Nein, eigentlich nicht. Ich versuch ein guter Mensch zu sein für's Leben hier und jetzt und nicht für das, was vielleicht, eventuell, mööööglicherweise später kommt. Ich find das immer etwas... jämmerlich, fast, wenn das die Motivation eines Menschen sein soll.
Es gibt für mich halt zu viel Erlebtes (also nicht ausschließlich von mir, sondern so allgemein, von den Menschen), zu viel Unerklärtes um all das ganz ablehnen zu können.
Aber wenn ich im nächsten Leben Molch werde, find ich das auch okay.
Wer weiß, vielleicht tauch ich ja auch plötzlich in Valhalla auf! Das wäre doch mal 'ne Überraschung.

Ich denke auf jeden Fall, dass es mehr gibt, als wir sehen, als wir wissen und als wir erklären können. Leider sind eben auch Reinkarnation, Himmel, Esoterik usw usf. auch nur Erklärungsversuche und sonst nichts. (das verstehen die oft nicht, die daran glauben. Dass sie auch nur nach Erklärungen für etwas Unerklärliches suchen.)
In so fern: ja, Agnostiker trifft vielleicht zu und Fortianer eben.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.07.22 um 12:29:
Und irgendwie weiß es ja eigentlich keiner, auch wenn's eben zich Ansichten und Theorien usw gibt, die denken es zu wissen, aber wissen's tut's halt niemand.
@Judas:

Elaine Pagels stellt in "Apokalypse - Das letzte Buch der Bibel wird entschlüsselt", dt. 2013, eine eigene Deutung der 1948 wiederentdeckten gnostischen Schriften Nag Hammadis vor. Sie wurden sehr wahrscheinlich von den ersten Monastien zur allabendlichen Lesung der Mönche und Nonnen, es gab auch Frauen-Monastien im Umfeld, genutzt und dienten der Unterweisung der Nonnen und Mönche. Von den "Kirchenvätern" Irenäus und Athanasius wurden sie als häretisch erklärt und  verboten, was dazu führte, dass ein Mönch sie in einem versiegelten Krug von über einem Meter Höhe vergrub. Gnosis wird hier erstmals nicht als "Geheimreligion der Wissenden", sondern als etwas Spekulatives, nicht für "Gnostiker", sondern für christliche Nonnen und Mönche vorgestellt.

Keine "Sicherung unumstößlicher Fakten" (Rationaler Wissenserwerb), sondern lebenslanges Suchen nach Wahrheit, Spekulation mit geistiger Offenheit scheint gegeben gewesen zu sein. Dabei war im Umfeld früher Monastien noch wenig Bildung allgemein verbreitet.

 "Wir können nur raten und meinen."
Wir bleiben vielleicht mit Benn "arme Hirnhunde, schwer mit Gott geschlagen"? Immerhin wissen wir, wie wenig wir wirklich wissen.

 Graeculus meinte dazu am 15.07.22 um 14:38:
An Judas:

Genau! Es gibt, vieles, was wir nicht erklären können und vermutlich auch nie werden erklären können, weil unser Vermögen dafür zu beschränkt ist.
Und ja, Religionen der verschiedenen Arten, Esoterik inklusive, sind auch nur Theorien, nämlich Versuche, sich das Unerklärliche irgendwie erklärlich zu machen.

Wir waren uns selten so einig. Manchmal führe ich mich als Atheist auf; aber wenn man Religion als mit einem Wahrheitsanspruch auftretende Deutung des Unerklärlich ansieht, dann beharre ich auf dem Unerklärlichen, bin also Agnostiker.

 Graeculus meinte dazu am 15.07.22 um 14:41:
An Dieter Wal:


"arme Hirnhunde, schwer mit Gott geschlagen"

Kannst Du mir bitte sagen, wo das bei Benn steht?

(Ich persönlich ließe "mit Gott" lieber weg; geschlagen sind wir mit einem Leben, das wir nicht verstehen können.)

 Dieter Wal meinte dazu am 15.07.22 um 14:54:
Das kommt davon, wenn man zitiert, ohne nachzusehen.

Es lautet eigentlich:


 aus: Untergrundbahn, 1913


Sorry! Trotzdem er längere Zeit durch Nazikacke watete, halte ich sein lyrisches Gesamt-Werk für eins der bedeutendsten deutschsprachigen. Unglaublich zeitlos-modern.

 Graeculus meinte dazu am 15.07.22 um 23:44:
Gut, danke. Das werde ich jetzt nachlesen. Manches an Benn ist peinlich: seine Einstellung zum Nationalsozialismus, sein Liebesleben ... aber (auch) ich halte Benn für einen großen Lyriker und erwarte von einem Künstler nicht unbedingt ein moralisch einwandfreies Verhalten. Erfreulich wäre es, aber sozusagen als Gimmick zu seinem Werk.
Hätte er sich in seiner Dichtung als moralische und sonstige Lichtfigur dargestellt, wäre das ein Einwand - aber so steht es ja nicht.

 Dieter Wal meinte dazu am 17.07.22 um 14:26:
Moralisch und literarisch 1 A: Vielleicht W. B. Yeats?

 Graeculus meinte dazu am 17.07.22 um 16:19:
Bei Yeats weiß ich es nicht; ich kenne seine Biographie nicht. Für mich: Ambrose Bierce. Von dem habe ich noch nie etwas gehört, was mich moralisch gestört hätte - auch wenn ich selbst mich in den betreffenden Situationen nicht so verhalten hätte, wie er sich verhalten hat; das spricht dann eher gegen mich.
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