Alles habe ich erlebt (Romanauszug)

Cut-Up zum Thema Abgrund

von  alter79

Alles was ich schreibe, habe ich erlebt.
Jimmi meint: Das Gedächtnis ist ein Kästchen aus Sperrholz. Alle Teilchen eines gelösten Stoffes sind in ständiger Bewegung.
Max Frisch trifft es göttlich: Deformation durch Schriftstellerei als Beruf, Popanz der Öffentlichkeit; als lebe man, um etwas zu sagen. Wem?

Pipa. Keine drei Tage hier, liegt sie tot im Park. Zum Glück hatte ich schon ihre Akte vor; Munk lässt die Unterlagen der Neuzugänge immer offen auf dem Schreibtisch liegen. Und für mich ist das Schloss zu seinem Büro ein Problem für drei Sekunden. Und er weiß das!

Pipa liegt unterm Holunderstrauch. Einem von Ratten oder Kaninchen abgefressenen Teil; ich nenne aber keine Namen. Außer Franz. Denn der hat sie gefunden.
„Musste schiffen, weißt.“ Sagt er. „Schiffe immer untern Holunder. Erinnert mich an zu Hause!“
„Musst dich nicht entschuldigen!“ Singt der Engel Chor.
„Wie sah sie denn aus?“ frage ich.
„Jut! Untenrum nackich. Zwischen die Beene zerrupft wie der Holunder. Ich hab noch ihren Schlüpper.“
„Wo lag der denn?“
„N Meter weiter.“
„Behalte den!“
„Echt? - Und wenn die Polizei frägt?“
„Sagste nix!“
„Willste auch ma dran riechen?“
„Später. Ich hab jetzt zu tun!“

Pipa erinnert mich an Frau Brunner. Eine ehemalige Wohnungsnachbarin. Die mich verwöhnte. Es begann, als ich neun war.
- Pipa dagegen war Lehrerin. Grundschule. Hat sich an ihren Schülern bedient.

Frau Brunner war Ärztin. Und das auch in Mauthausen. Saß nach dem Krieg Jahre bei den Russen in Haft - und hatte nach ihrer Entlassung niemanden mehr. Irgendwann kam ich. Und so hatte ich sie. In allen Belangen.

Pipa hat ihren Schülern Geld geschenkt, um sie gefügig zu halten, erzählte sie. Allerdings liest sich das in der Anklageschrift anders. Brutaler. Über Rituale mit Linealen. Schaufeln. Besenstielen. Papierscheren. Rasierklingen. Und hat nichts von dem leicht perversen ’Liebreiz’ mit dem fortschrittliche Politiker Pädophilie gesellschaftsfähig machen wollen.

Frau Brunner zahlte mir nichts. Sie gab. Zärtlichkeit. Ich durfte sie Uschi nennen. Und sie formte mich. Zum Mann. Allerdings ... zu einem mit Fehlern. Doch Gott hätte das auch nicht anders hinbekommen. Sieht man ja bei einem Rundumblick...

In Uschis Muschi jedenfalls war ich ein Tropfen in einem Gefäß ohne Boden. Grundlos. Wie extrem. Aber beständig schön. Und immer heiß. Glühend heiß. In den merkwürdigsten Strömen von Rasereien gefangen. In denen ich von Tag zu Tag wuchs. Ihr den Mund ausfüllte. Die Vagina. Ihr Anal. Ihre unerschöpfliche Lust. Die einem steilen Berg glich. Tausende Meter hoch. Und ich ihr Alpinist. Überall. Der immer höher tiefer in sie drang. Mich mühte. Mit wunder Zunge. Geschwollenen Lippen. Betonhartem Schwanz. Gestauchten Ovula. Immer in die feuchte Sie hinein. Die lachsfarben. In Erwartung. Ständig bereit. Auf den Punkt erregt. Als wüsste sie um ihren baldigen Tod. Den ich ihr ohne zu Wissen versüßte. Oft fünf Mal am Tag. Und darüber körperlich verfiel. Weswegen meine Mutter mich mahnte, mehr zu essen. „Und geh mal öfter an die frische Luft, Junge!“. Doch es ging nicht. Und in der Wohnung mussten die Fenster geschlossen bleiben. Unsere endlosen Höhepunkte waren so schon nicht eben leise.

Für jede Blüte gab und gibt es mehr als nur eine Bedeutung, die in vielen verschiedenen Schriften und Büchern zur Blumensprache zusammengefasst wurden. Beispiele.
Akelei: Du bist ein Schwächling
Anemone: Ich möchte bei dir sein
Aster: Du bist nicht treu
Blaustern: Vergib mir
Brennnessel: Ich habe dich durchschaut
Dahlie: Ich bin vergeben
Distel: Die Sache ist mir gefährlich
Edelweiß: Du bist schön
Eibe: Ich liebe dich
Enzian: Deine Schönheit ist
Gerbera: Durch dich wird es noch schöner
Gladiole: Sei nicht stolz
Hortensie: Du bildest dir zu viel ein
Iris: Ich werde kämpfen
Jasmin: Du bist bezaubernd
Kapuzinerkresse: Du verbirgst etwas
Klette: Du bist anhänglich
Kornblume: Gebe die Hoffnung nicht auf
Krokus: Muss mir das noch überlegen
Malve: Ich schätze dich
Narzisse: Du bist eitel
Nelke gelb: Ich verachte Dich
Nelke weiß: Bin noch zu haben
Petersilie: Ich möchte dir Liebe tun
Pfefferminze: Verzeih
Blaue Rosen: Es ist unmöglich
Rote Rose: Ich liebe dich
Rosenknospen weiß: unfähig zu lieben
Salbei: Ich denk an dich
Schilf: Entscheide dich
Rote Tulpen: ewige Liebe
Vergissmeinnicht: Vergiss den Scheiß

Füchse sehe ich laufen. Sie kommen aus dem Nichts. Laufen ins Nichts.  Immerhin sind die Kaninchen seit dem weniger geworden. Ihre Blutspur zieht sich als roter Faden durch die Zeit. Und damit geht es zum heutigen Deal  des Tages... gültig bis 12:00 Uhr. Es handelt sich dabei um eine JUPP CAVALLIERE BRILLE - UVP: 126,50 €. Heutiger Preis: 34,90 €. Sie sparen also 72 %. Und können dafür zig mal ins Bordell. Aber nur bis 12! Der Rest ist für Perversitäten aus dem Schlachthof bestimmt. Einen Kanister gutem Öls, um den Körper zu entschlacken. Entwöhnen. Schuld zu ignorieren. Was dagegen bisher nicht so recht bekannt wurde - das sich der BBC-Moderator Jimmy Savile laut einer Untersuchung an bis zu tausend Kindern vergangen haben soll und die Führungskräfte des Senders das wussten. Irgendwann in 2013 ist er gestorben. Zu schade. Denn somit kaputt auch all die Träume und Spuren. Das Idol. An sich. Man hätte die Sau sonst im Beisein von Jesus auf dem Marktplatz der Scham öffentlich schlachten können. Egal wie lebend der Herzschläge Schmerz noch ist. Der Schock. All die Folter an Leibern und Seelen. Manch einer will sich kaum erinnern. Von wegen Gott als Missionar alle von vorne und seine perversen Diener ihn von hinten. Ob die nun grün sind oder nicht; im Theater Maximus ist für Arschlöcher immer ein Platz frei. Mal ehrlich, Jimmy Savile, - deine Mutter hätte dich besser schlucken sollen! So streichen meine Finger durch Mohnblumen. Sinke ich in Hanf. Rausch. Ins DU. In keine Zeit der Welt, - du. Denn ich habe nichts weiter als dich um in den Rausch Vergessens zu gelangen. Die ganze Palette von Pillen um ... mich nicht zu hassen. Nein, ich will Glück sein. Freude. Wie du. Um im überfließenden Himmel meine Schritte zu setzen. An Tropfen heiligem Blut mich orientieren, um das allgegenwärtige Leid aufzuspüren. Du! Du wirst es wissen. Ja. So will ich DU sein. Nur das. Einfach so. Vergessen. Meine Seele befrieden. Bilder von meinen Augen löschen. Im Herzen. Um fröhlich singen zu können. Doch nichts. Meine Unruhe sehe ich laufen. Sie kommt aus der Leere. Läuft in die Leere. Findet meine Unterarme. Schneidet Spuren. Pfade. Wege. Alleen. Rot. Quillt auf. Tropft ab. Bildet Bäche. Flüsse. Seen.  Belebt das tote Meer. Alles Leben. Um mir doch zu entgleiten. Immer mehr. Wie Du. Bin Ich. Im Abschied. Zeige mir deinen Stern. Mach schon!



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