Friede allen Wesen

Kurzprosa zum Thema Bewusstsein

von  Regina

Der Ton der Erde und der Blick auf die Myriaden von Wesen, alles Reinkarnationen des einen, alles umfassenden Geistes, hatte es dem Wahrheitssucher angetan. Die hinduistische Kultur gilt als die spirituellste und vollkommenste unter allen. Auf der alten Seidenstraße zog die Sehnsucht ins goldene Land, wo die Gurus mit Erleuchtung lockten. Sie rühren die Stirn an und beleben das dritte Auge, obwohl eine Gesellschaft, die ihre Bürger in ein Kastensystem einteilt, jedem westlichen Betrachter aufgrund seiner vom Sozialismus beeinflussten Demokratievorstellung Schauer des Entsetzens den Rücken hinablaufen lässt. Der Spiritualitätsaffine bildet da keine Ausnahme. Er nimmt nicht wahr, dass das verschmähte Kastensystem der indischen Gesellschaft die Jahrtausendstabilität zur Verfügung gestellt hatte, auf der sich die Weisheit und die innere Schau der Brahmanen durch generationenübergreifende Spezialisierung erst entwickeln konnte. Aber die hinduistische Kultur hat seit mehreren tausend Jahren ihren Zenith überschritten und vom Westmenschen, der nicht im Geiste der Hingabe erzogen wurde, kann sie oft nicht in sinnvoller Art und Weise genutzt werden, weil die Planeten in ihrer magnetischen Anordnung heute anders stehen und weil das Ego die neugewonnene Spiritualität doch wieder in der gewohnten selbstbehauptenden und rechthaberischen Weise auszuführen beginnt. Geradezu lächerlich wirken die euroamerikanischen Drogenanwender, die sich womöglich spirituellen Fortschritt einbilden, auf den ernsthaft strebenden Asketen indischer Prägung. 




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Kommentare zu diesem Text


 Terminator (06.07.22, 05:28)
Nach der islamischen Eroberung durch die Ghuriden (etwa zeitgleich mit dem 3-4. Kreuzzug und der faktischen Vernichtung des Oströmischen Reichs), dem Delhi-Sultanat, dem Mogulreich und der britischen Herrschaft ist das Kastensystem nur noch ein formales Überbleibsel der alten indischen Kultur, das heute der willkürlichen Diskriminierung dient und die indische Gesellschaft in ihrer Entwicklung sabotiert. An sich ist die trifuktionale Gesellschaftsordnung der Indoeuropäer nach Georges Dumézil, die Grundlage des Kastensystems, natürlich eine höhere Weisheit als liberale, sozialistische oder faschistische Ordnungen.

 Regina meinte dazu am 06.07.22 um 06:07:
Nach deinem Einwurf habe ich jetzt "indische Kultur" durch "hinduistische" ersetzt, denn den muslimischen Part Indiens meine ich nicht, auch nicht die Sikhs. In der Tat hat die mittelalterliche Ständeordnung Ähnlichkeit mit dem Kastensystem, war aber m.E. durchlässiger.

 LotharAtzert antwortete darauf am 06.07.22 um 09:23:
Durchlässiger in der Tat. Beispielsweise kamen die Sitar-Meister nahezu alle aus dem Islam. Bis Ravi Shankar hatten sie alle islamische Lehrer. Das Instrument selbst, so sagen die Hindus, stamme von Shiva, der es ihnen schenkte, damit sie sich in die freudige Ekstase versetzen können, die der Gott empfand, sobald Er seiner geliebten Parvati ansichtig wurde.

tashi delek

 Regina schrieb daraufhin am 06.07.22 um 09:58:
Die Sitar ist auf den Ton der Erde gestimmt.

 LotharAtzert äußerte darauf am 06.07.22 um 10:14:
Und Parvati ist der Tanz von Kraft um die leere Mitte.
Taina (39)
(06.07.22, 06:08)
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 Regina ergänzte dazu am 06.07.22 um 06:22:
Nun, in Europa musste man schon mindestens Hexe sein oder abergläubisch, um auf dem Scheiterhaufen zu landen.
Taina (39) meinte dazu am 06.07.22 um 07:20:
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 Regina meinte dazu am 06.07.22 um 09:57:
weder ist die europäische Kultur durchgehend "bääh" noch die indische durchgehend ideal, deshalb steht im Text auch "gilt als....".
Agnete (66)
(06.07.22, 21:04)
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