Zeit und Raum

Innerer Monolog zum Thema Bewusstsein

von  Regina

Während die Naturwissenschaften sich fortentwickelten und mit dem Menschen in die Dunkelheit des Materialismus hinabstiegen, blieb die klassische Musiklehre bei den traditionellen Systemen. Skalen und Rhythmen folgen noch immer den altgriechischen Regeln und die Zahlen, die sich in den musikalischen Parametern ausdrücken, behielten ihren Bezug zum Kosmos. Zwölf Tonschritte schreiten aufwärts bis zur nächsten Oktave. Die Klänge schrauben sich wie in einer Spirale hinauf zu immer schnellerer Energie, bis nur noch der Hund die Tonhöhen erfassen kann, der Mensch nicht mehr. Übung macht den Meister. Schnell und schneller huschen die Fingergriffe über das Instrument. Und der Spieler bemerkt, dass die Begrenzung der Geschwindigkeit nicht von den Händen ausgeht, sondern von der Vorstellungskraft des Geistes. Wer noch in Zeit und Raum denkt, entwickelt sich niemals zum Virtuosen. Die Tonfolgen müssen schließlich im Voraus wie ein Bild gesehen werden. Dann sausen die Finger wie von selbst im Prestissimo. Aber das Ergebnis solcher Studien gipfelt nicht nur in vorzeigbaren Konzerten, sondern, wenn es sich so ergibt, auch in Erkenntnissen. Überrascht bemerkt der Übende, dass es die Zeit eigentlich nicht gibt. Vielmehr besteht alles aus Energie. Dicht zusammengepfercht erscheint die Energie als Materie. Nur, wo sich feste Körper bewegen, entsteht die Illusion der Zeit. Aber eigentlich täuschen uns die Sinne, wenn wir meinen, dass ein Vorgang beginnt und endet. In Wirklichkeit existiert da nichts außer Energie, einmal als Materie, dann wieder als Licht, als Klang, als Bewegung. Gezwungen, an der ständigen Veränderung teilzuhaben, wirkt der Mensch an der Schöpfung mit, als sei sie seine Melodie, und er spielt, so gut er es eben kann.



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (09.07.22, 00:02)
Du schreibst zwar explizit von klassischer Musiklehre, aber ist es richtig, die ganze moderne Musik (Atonale Musik, Free Jazz, die "dirty notes" des Blues, Karlheinz Stockhausen, John Cage usw.) außen vor zu lassen?
Das klingt für mich so, als wollte man unter Physik heutzutage nur die klassische Physik verstehen. Kann man in der Quantenphysik noch von der "Dunkelheit des Materialismus" sprechen? Die dogmatischen Marxisten haben der Kopenhagener Deutung deren Idealismus vorgeworfen!

 Kot-Producer meinte dazu am 09.07.22 um 00:32:
Hört sich irgendwie nach Techno an.

 Regina antwortete darauf am 09.07.22 um 05:10:
Atonale Musik nutzt das konventionelle Tonsystem, komponiert nur nach anderen Regeln, Jazz und Blues, das waren ursprünglich afroamerikanische Improvisationen auf den Instrumenten der Europäer, die nach Pythagoras gestimmt sind, auch John Cage fällt soweit ich weiß nicht aus diesem. Die Musikrezeption, nicht nur die klassische Ausbildung, verhält sich sehr konservativ. Was zieht man sich eher rein, Bach und Mozart oder stundenlang Stockhausen? Auch die Quantenphysik hat die akustischen Gesetzmäßigkeiten nicht umgestürzt. Die Oktave bleibt die doppelte Schwingungszahl. Einzig bei den Stimmtönen finden sich auch im klassisch-romantischen Stil Modernisierungen, mit Tendenzen zum Historismus. Elektronische Musik hat in der Tat andere Möglichkeiten, aber wieviel davon findet sich im gewohnten Sonntagskonzert? Allenfalls ein Hauch von Dodekaphonie.

Antwort geändert am 09.07.2022 um 05:16 Uhr

Antwort geändert am 09.07.2022 um 05:16 Uhr

Antwort geändert am 09.07.2022 um 05:18 Uhr

 EkkehartMittelberg (09.07.22, 06:08)
ich gestehe, nicht verstanden zu haben, warum Energie die Existenz von Zeit und Raum in Frage stellt.

LG
Ekki

 Regina schrieb daraufhin am 09.07.22 um 10:46:
Unsere Wahrnehmung von Tagen z.B. basiert auf der Umdrehung der Erde um die eigene Achse, das Jahr auf ihrem Umlauf um die Sonne. Also es muss die Energie zu festen Körpern kondensiert sein, deren Umläufe bedingen die Zeiterscheinung. Es bleibt aber dieselbe Energie, egal ob sie gerade fest, flüssig, gasförmig oder brennend vorhanden ist. deswegen kann man sagen, vom energetischen Standpunkt aus existiert keine Zeit. Im Musikbeispiel erscheint die Griffabfolge als stehendes Bild, nicht als Zeitlauf, der es dann wird. Nur in der raumzeitlichen Welt gibt es diese Abläufe.

 FrankReich äußerte darauf am 09.07.22 um 11:02:
Aber Du findest doch aus diesem energetischen Zustand stets zurück in das raumzeitliche Gefüge, falls Du währenddessen nicht stirbst, würde das nicht eigentlich bedeuten, dass der energetische Zustand die Illusion hervorruft, es gäbe weder Zeit noch Raum? 🤔

Ciao, Frank

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 09.07.22 um 13:03:
Vielen Dank, Regina, ich habe jetzt verstanden, was du meinst. Zeit und Raum existieren also nur deshalb, damit der Mensch sich orientieren kann.

 Regina meinte dazu am 09.07.22 um 13:37:
Ralf, ich sterbe aber irgendwann. Dann ändern sich die energetischen Zustände radikal. Und ich werde keine Sinne mehr haben, die die Bewegungen, den Lichtwechsel usw. wahrnehmen.

 FrankReich meinte dazu am 09.07.22 um 14:03:
Da haben wir uns falsch verstanden, Regina, klar, jeder stirbt irgendwann, aber nicht unbedingt beim Musizieren, und wenn Du Dich dabei im energetischen Zustand befindest, dann kommst Du doch da zum Schluss des Musik machens auch wieder heraus, zurück ins raumzeitliche Gefüge, in dem Du vor dem Musizieren warst. Ist also dann nicht der energetische Zustand, in dem Du Dich während des Musizierens befunden hast, die eigentliche Illusion?

Ciao, Frank

 Regina meinte dazu am 09.07.22 um 14:54:
Nein, Ralf, das sehe ich anders. Unsere Alltagswahrnehmung ist m.E. die Täuschung.

 LotharAtzert (09.07.22, 10:59)
... bis nur noch der Hund die Tonhöhen erfassen kann, der Mensch nicht mehr.
dafür macht er den Mangel zum Zeichen und baut "Überschallraketen und -waffen" und träumt vom Reisen mit Lichtgeschwindigkeit.


tashi delek

 Regina meinte dazu am 09.07.22 um 13:38:
Ja, die Alte Musik gab und gibt sich mit den natürlichen Gegebenheiten zufrieden und hat damit alle Hände voll zu tun.

 LotharAtzert meinte dazu am 09.07.22 um 15:06:
Das haben wir damals, als Bob Dylan seine Klampfe für eine E-Gitarre eintauschte und dafür ausgepfiffen wurde, intensiv diskutiert.
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