So anstrengend kann Reichtum sein

Anekdote zum Thema Reichtum

von  EkkehartMittelberg

In der letzten Nacht hatte ich einen seltsamen Traum.

Ich besaß ein großes Appartement, das viele Besucher aufnehmen konnte. Es war sparsam möbliert und immer ordentlich aufgeräumt.

Das änderte sich schlagartig, als ein reicher Erbonkel eine Fülle kostbarer Geschenke testamentarisch für mich verfügt hatte. So wurde mein Appartement geradezu überschwemmt mit Lieferungen seltenster Kunstwerke, erlesenster Weine, lukullischer Kostbarkeiten, von Schmuck aller Art, elegantester Mode, kurz von all dem, was ein Ästhet sich erträumt.

Es sprach sich wie ein Lauffeuer herum, dass sich ein Füllhorn über mich ergossen hatte und in kürzester Zeit drängten sich Reporter, Freunde und flüchtig bekannte sensationslüsterne Menschen in meine Wohnung. Zu meinem Unglück hatten all die Gaben die Eigenschaft, dass sie in durchsichtiger Verpackung ankamen, sodass der Schmuck verführerisch blitzte, die Aquarelle leuchteten und die  Weine funkelten.

Ich konnte die Menschenmenge nicht mehr davon abhalten, die Verpackungen aufzureißen, die Gaben gierig zu befingern und durcheinanderzuwerfen, so dass meine ordentliche Wohnung bald einen chaotischen Anblick bot. Die Unordnung störte mich weit mehr als die Befürchtung, dass jemand etwas entwenden würde. So lief ich hektisch hin und her und versuchte die schönen Dinge wieder in ihre Behältnisse zurückzupacken. Aber die Lust meiner Besucher alles zu betasten war größer als meine vergebliche Ordnungsliebe. Als ich schließlich sah, wie jemand einen kostbaren Ring einsteckte, riss mir der Geduldsfaden.

Ich rief die Polizei an, schilderte das Chaos und bat darum, mir einen Detektiv zu schicken. Meine Schilderung muss so mitleiderregend gewesen sein, dass bald darauf der Detektiv in Begleitung von zwei uniformierten Polizeibeamten erschien. Das war auch höchste Zeit, denn ich war am Ende meiner Kräfte.

Das unerwartete Auftreten der Ordnungshüter schockierte meine ungebetenen Besucher. Sie verließen missmutig murmelnd mein Appartement. Ein paar enge Freunde und ich standen vor dem perfekten Durcheinander der unterschiedlichsten Dinge und ich beschloss völlig erschöpft erst einmal zu schlafen, bevor ich Ordnung schaffen wollte.

Mit diesem Entschluss wachte ich paradoxerweise auf.



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (28.07.22, 12:16)
Ein gut geschilderter Albtraum. Es hat schon seinen Grund, daß bei Lottogewinnern grundsätzlich nicht der Name genannt wird. Eine Erbschaft ist ja etwas Vergleichbares.
Parasiten (griech. für Mittesser) sind das.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.22 um 12:20:
Vielen Dank, Graeculus, solche Parasiten sind sehr anstrengend.
Taina (39)
(28.07.22, 12:52)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 28.07.22 um 13:26:
Da hast du schon recht, Taina, aber im Traum wirken Triebe, die du nicht kontrollieren kannst.

 AZU20 (28.07.22, 14:46)
Ein anstrengender Traum, immerhin mit gutem Ende. LG

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 28.07.22 um 16:21:
Merci, Armin, der Traum war wirklich sehr anstrengend. Als ich aufwachte, fühlte ich mich erschöpft.

LG
Ekki

 TrekanBelluvitsh (28.07.22, 15:03)
Interessanter Text. Meiner Ansicht nach geht es jedoch nicht um Reichtum allein, sondern auch um Berühmt- bzw. Bekanntheit. In diesem Sinne zeigt dein Traum auf, dass man diese NICHT steuern kann. Oder anders ausgedrückt: Gott kann sich seine Anhänger nicht aussuchen.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 28.07.22 um 16:26:
Hallo Trekan,

auf deine Möglichkeit der Deutung wäre ich nicht gekommen. Aber sie stimmt. Andernfalls hätten sich nicht so viele Neugierige eingestellt.

LG
Ekki

 Didi.Costaire (28.07.22, 17:05)
Ja Ekki,

in so einer Situation wird man mitunter auch reich an Leuten, die sich Freunde nennen...

Unterhaltsam geschildert.

Schöne Grüße,
Dirk

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 28.07.22 um 17:26:
Merci, Ddi, mein Nachtgebilde gehört wohl zu jenen Träumen, die das wirkliche Leben spiegeln.

LG
Ekki

 Regina (28.07.22, 18:38)
Da könnte man also fragen: Was ist dir wichtiger, Reichtum oder Ordnung? Wertvoller Besitz oder ein aufgeräumtes Appartment?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.22 um 19:47:
Grazie, Regina, ich würde hier vom Traum-Ich reden. dem war geordneter Reichtum wichtig. Es konnte kein Chaos ertragen.

 Dieter Wal (28.07.22, 21:41)
"Ordnungshüter" ist ein wundervoller Begriff an dieser Stelle. :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 28.07.22 um 21:46:
Ja, witzig Dieter, mein Traum-Ich verträgt Ironie.  :)

LG
Ekki

 Dieter Wal meinte dazu am 28.07.22 um 21:48:
Tiefer als durch diesen Traum lässt sich der Begriff wohl kaum ausloten.

Antwort geändert am 29.07.2022 um 06:37 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.08.22 um 18:25:
Gracias, Dieter, manchmal dringt der Traum tiefer als das Bewusstsein des Tages.

LG
Ekki

 AlmaMarieSchneider (29.07.22, 00:12)
Plötzlicher Reichtum, dabei auch noch gut sichtbar, schafft Unordnung und Unüberschaubarkeit, ja Hilflosigkeit. Dabei muss man ja aufwachen.
Gut erzählt!

Liebe Grüße
Alma Marie

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.22 um 10:58:
Vielen Dank für diese plausible Deutung, Alma Marie

Liebe Grüße
Ekki
Agnete (66)
(29.07.22, 10:49)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.22 um 11:01:
Grazie, Monika,
dein Kommentar trifft den sensiblen Nerv des Traums.

Liebe Grüße
Ekki

 harzgebirgler (29.07.22, 12:28)
des erblassers stresstest war zum glück ein traum
denn real wär' wünschenswert der eher kaum. :)

herzliche schmunzelgrüße
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 29.07.22 um 15:23:
Gracias, Henning, das stimmt. Ich könnte unter den Bedingungen des Traums leicht auf den Reichtum verzichten.

 TassoTuwas (31.07.22, 10:03)
Hallo Ekki,
deine Anekdote kommt im richtigen Augenblick. 
Vor mir liegt ein Brief eines mir bisher unbekannten Verwandten, der mir mitteilt, dass er mich zum Alleinerbe seines gesamten Vermögens machen will. Angefügt sind mehrer Seiten, ein Verzeichnis kostbarer und seltener Gegenstände.
Jetzt weiß ich, was ich antworten werde!
Dank und herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.07.22 um 17:20:
Vielen Dank, Tasso, ich hätte nicht gedacht, dass mein Traum praktische Konsequenzen haben würde.

Herzliche Grüße
Ekki

 Saira (02.08.22, 18:21)
Lieber Ekki,
 
schon während des Lesens bildeten sich Schweißperlen auf meiner Stirn!
 
So viele Gierlappen, so viel Unordnung … ich sehe sie, als wäre ich dabei gewesen!!! :(
 
Hoffentlich hast du dir die Gesichter der ungehobelten Unersättlichen merken können, damit du in deinem Bekanntenkreis aufräumen kannst! :wassat:
 
Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 02.08.22 um 18:29:
Vielen Dank, Sigi, diese Materialisten haben keinen Sinn für Ästhetik.

Herzliche Grüße
Ekki
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