1.2012 – 8.2012

Kurzprosa zum Thema Magie

von  Terminator

2011 war so nihilistisch, ich habe sogar eine "Kritik des Nichts" geschrieben. Am 18.10.2011 beschloss ich aber, dass 2012 dóch* stattfinden sollte, und so begann es am 28.1.2012. Zwei Wochen Vorlauf, dann die Explosion der nihilistischen Supernova. Ich war im Zeitalter des Guten angekommen.


Das Wahre zeigte sich als der Kollaps des materialistisch-naturwissenschaftlichen Weltbildes (2004: Ken Wilber) und radikale existentielle Skepsis (2005: Emil Cioran), fürderhin als die Selbstreflexion des denkenden Subjekts mit Kant (2006/2007) und die Reflexion dieser Reflexion mit Hegel (2008), dessen absoluter Idealismus in die nihilistische absolute Immanenz umschlug (2009).


Das Wahre erschöpfte sich im Meinen (300 Filme allein 2007 gesehen), Glauben (Buddhismus 2004/05, all die Rechristianisierungen nach dem Renegatentum ab 2001 erwiesen sich letztlich als Spielarten des Deutschen Idealismus: 2008-2011) und Wissen (Reintegration der Naturwissenschaft in ein meta-physisches Weltbild: 2010/2011). Die Zeit des Guten war gekommen.


Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (Kant) machte den Anfang. Ich schrieb eine Hausarbeit darüber. Gegen Ende der Semesterferien hatte ich Bock, wieder mal zu chillen, vermisste mein nihilistisches 2011, und fand Ende März Breaking Bad. Zwei Wochen später Spartacus: Blood and Sand. Abgesehen von La Piovra bis heute meine Lieblingsserien.



Spandau, Florida-Eiscafé. Und Tegel. Die EM nicht so geil wie 2008, aber wieder gut geendet. Das Schicksal war im Fussball jedoch selten weise. Das Sommerloch nach dem EM-Finale füllte sich mit den wandelnden Toten. Staffel 1 & 2 exzellent. Frank Darabont hätte die große Erzählung unserer Zeit erzählen können, musste aber gehen, und die große Erzählung musste dem Bullshit weichen. Dass es immer wieder bis in die 7. Staffel hinein geniale Momente gab, macht das Schade nur noch größer.


Hildesheim Ende Juli 2012, langer Spaziergang durch den Süden der Stadt. Dann die Krone auf den abgebrochenen Zahn; ich spucke Blut und fühle mich ein wenig Postapo. Apropos Blut: da war doch etwas? Richtig: Dexter! 2006/07 eine Rezension der ersten Staffel gelesen, aber nie gesehen. Dabei war es doch die Zeit der Gewalt- und Horrorfilme, manchmal 3-4 Filme täglich. Und nun: Dexter tagein, tagaus, es gibt viel aufzuholen. Bis zu 10-12 Folgen am Tag. In den kurzen Pausen kurz auf KV: Sommerloch... Sommerloch.... Sommerloch... Und auf einmal frischer Wind. So zart und mysteriös, so fremd und vertraut.



Chronobiologisch bin ich eine extreme Eule. Da es im Master-Studium keine Anwesenheitspflicht gab, entwickelte sich das Spätaufstehen zu einem gleitenden Rhythmuswechsel: ich stand jeden Tag etwas später auf, manchmal bis zu zwei Stunden; meine Tage dauerten im Durchschnitt 25,5 Stunden, unabhängig von der natürlichen und sozialen Uhrzeit. Und so gab es auch drei bis fünf Tage hintereinander, an denen ich sehr früh morgens aufstand. An diesen Tagen war ich besonders produktiv. Es war ein schöner August mit vielen Fahrradfahrten. Magie war in der Luft.


Am 23.8. las ich ein Gedicht, das an sich schon ziemlich gut war, und meine Phantasie gab den Rest: ich war restlos begeistert. Die Sache ist die: ich existiere. Warum kann also nicht noch jemand wie ich existieren? Warum kann es keine Miezen von vergleichbarer Sensibilität, Intelligenz und Phantasie geben? Arglos und unschuldig ging ich davon aus, dass es sie selbstverständlich geben kann. Ohne woke sein zu wollen, muss ich sagen, dass es frauenfeindlich wäre, dies nicht anzunehmen. Die Begeisterung hatte einen zarten Grund. Die Vorgeschichte war ja so, dass mir im Gymnasium und Bachelor-Studiengang nur Eselinnen und Kühe, nur material girls begegnet sind, nur primitive, grobe Weiblichkeit (von meinen hohen Warte aus gesehen). Und nun: Ein Geist, der mich begreift?


Doch auch dunkle Vorahnungen ließen nicht auf sich warten. Bei dem neu entdeckten Glendronach 21 Parliament kam mir der Gedanke, dass in den lieblich lockenden Tagen des Spätsommers ein Abgrund auf mich wartete. Doch es stand Denken gegen Denken, Intuition gegen Intuition: die Nichtexistenz des meinem Ich passendstens, perfektestens komplementären Du konnte nach anfänglichen Zweifeln ausgeschlossen werden. Also freute ich mich auf Heidelberg. Warum mir die Intuition die Umgebung von Heidelberg als Lebensraum meiner Persephone der Nacht nahelegte, wird ihr Geheimnis bleiben.


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