Das Chthonische I: Wahnsinn

Essay zum Thema Trauma

von  Terminator

Die Seele stirbt nach dem Tod nicht, davon geht Schopenhauer, obgleich Atheist, mit Selbstverständlichkeit aus. Aber wir verlieren nach dem Tod den individuellen Verstand, und ohne diesen haben wir Angst im Dunkeln.


Das Selbst ist unergründlich tief, der ungeschaffene Teil der Seele, das Göttliche im Menschen. Das Ego ist die Summe der Kränkungen, Ressentiments und psychischen Störungen, die sich im Laufe eines Menschenlebens aufsummieren. Das Ich ist der rationale Verstand, das Bewusstsein, von dem die Philosophie des Geistes spricht. Das Selbst ist pures Subjekt, überbewusst, und somit nicht selbst Bewusstsein. Das Ego ist pures Objekt, das, "was das Leben mit uns macht", unterbewusst, und somit auch unbewusst. Erst im Ich werden auch diese Teile der Persönlichkeit ihrer Selbst bewusst, denn das Ich ist Bewusstsein. Und das Bewusstsein des Bewusstseins ist das Selbstbewusstsein (Hegel).


Das absolute Wissen der Phänomenologie des Geistes ist der Flow-Zustand des individuellen Bewusstseins, seine weltimmanente Transzendenz in den Geist der Kultur, dem es angehört. Mit dem Tod verlässt auch der größte Philosoph die Sphäre des Geistes, und geht, ob im kurzen Sterbeprozess oder in langer Demenz, zurück zur wertenden und urteilenden Vernunft, dann zum egozentrischen Selbstbewusstsein, dann zum wahrnehmenden Bewusstsein, verliert Kraft und Verstand, findet sich bei der widersprüchlichen Wahrnehmung und nuckelt wenige Sekunden oder eine ganze Weile an der Titte der sinnlichen Gewissheit.


Im Film "Die Mächte des Wahnsinns" (1994) zeigt John Carpenter, dass Verstand nicht selbstverständlich ist. Auch mitten im Leben kann er einen Menschen verlassen. Vertraust du dann deinen Sinnen? Deiner Logik? Was ist Vernunft ohne Verstand? Worauf beziehen sich Kategorien, wenn die Empirie sich an keine Gesetze mehr hält? Je mehr man darüber nachdenkt, umso mehr Angst bekommt man: nicht vor den im Diesseits möglichen Qualen und den Höllenstrafen im Jenseits, sondern vor dem kosmischen Horror, der noch eine Ebene tiefer liegt, vor dem, was eigentlich gar nicht sein soll.


Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram