Das Tellurische IV: Das Ressentiment

Szene zum Thema Missgunst

von  Terminator

Die von Nietzsche kritisierte Sklavenmoral ist das tellurische Mindset: der tellurische Mensch sieht sich selbst als Objekt, als Spielball äußerer Mächte des Wetters, der Reichen und Schönen, der Politik. Der Bauer kann nichts für das Wetter, er ist ihm wehrlos ausgeliefert. Geld regiert die Welt: der Angestellte muss ja seinen bullshit job machen. Sie war zu hübsch und ihr Rock war zu kurz: da sind mit dem Vergewaltiger die Pferde durchgegangen. Wahlen ändern eh nichts, sonst wären sie verboten, seufzt der Küchenrevolutionär, der noch im Geschichtsunterricht gelernt hatte, wie oft schon das Volk ein ungerechtes Regime zum Einsturz gebracht hat.


Der Tellurist ist Bauer, Kleinbürger, Spießbürger. Er ist Null-Passionarier. In der Dekadenz kann er zum Subpassionarier degenerieren: das wäre jemand, der seine Triebe nicht beherrschen kann, und drogensüchtig, adipös oder/und alkoholabhängig wird. Dieser kann aber in der Ultradekadenz noch zum Sub-Subpassionarier weiter degenerieren: das wäre nun jemand, der seine unberrschten Triebe nicht einmal mehr befriedigen kann. Dann fordert der Fette body positivity, bzw. das Aufhören von bodyshaming, der Hässliche fabuliert von nichtbinären sexuellen Identitäten, um seine Intimsphäre in die Öffentlichkeit zu tragen und jedem unter die Nase zu halten, der Loser faselt von Polyamorie, die er okay findet, womit aber gemeint ist, dass ein anderer Mann Sex mit seiner Frau/Lebenspartnerin/Freundin hat, ohne dies geheimzuhalten.


Das chthonisch-tellurische Regime ist wie die Erde mit ihrer überirdischen Welt der Ähren und Baumkronen und dem unterirdischen Reich der Wurzeln im verwesenden Humus. Der essende und sprechende Mund, die arbeitenden Hände, die stämmigen Beine sind tellurisch, das Darmwerk und der Anus chthonisch. Dass die Gedärme tief im Körperinneren versteckt sind, ist das Werk der Natur. Dass der Anus in der Unterhose versteckt ist, ist das Werk der Kultur. Ohne die verborgene Verdauung wäre das gemeinsame Essen sinnlos. Das Tellurische kann als die Benutzeroberfläche des Chthonischen gesehen werden dann wäre das Tellurische aber nur die Illusion, die sich das Lunare vom Chthonischen macht. Die Materie wäre das Böse, das, was nicht sein soll, denn sie wäre grundsätzlich formlos, und Formen wären nur das auf die Materie projizierte Licht.


Die Materie kann aber auch als Grundlage der gesunden Natur betrachtet werden, in der die Hierarchie, die heilige Ordnung des Seins, eingehalten wird, heilig, weil sie das Unheil abwendet, das mit der Herrschaft des Chthonischen und Titanischen der Natur und der Kultur droht. Doch wie kann es eine positive, ressentimentfreie Moral der Beherrschten geben, die keine Sklavenmoral wäre? Kann die Mediokrität zum Vortrefflichen grollfrei aufschauen, ohne ungerecht zu finden, dass dieser vortrefflich ist? Kann der Spießbürger glücklich sein, ohne seine Schwäche in Güte umzuinterpretieren, und in der Güte eines Vortrefflichen seine eigene Schwäche gespiegelt zu sehen? Mit der offenen Frage ist das Tellurische verlassen, und das Tor zum Lunaren aufgestoßen, denn das tellurische Weltbild kennt keine offenen Fragen: es ist geschlossen.



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