Modernes Theater - siebte Szene - Ein Gottesdienst

Theaterstück

von  BerndtB

Modernes Theater - Siebte Szene – Ein Gottesdienst

 

 

Pfarrer, Moslem, Buddhist, Hindu, Jude, Pantheistin

 

 

Pfarrer 

„Großer Gott, wir haben uns hier getroffen, um zusammen zu feiern. Wir wollen uns begegnen und unsere Gemeinsamkeiten im Gottesglauben betonen. Fast alle Menschen auf der Welt glaubten und glauben ja an Gott, den Schöpfer, zumindest etwas Göttliches oder auch mehrere Götter. Mehr oder weniger jedenfalls. Und feststeht, die Existenz Gottes lässt sich weder beweisen noch widerlegen, auch nicht mit den Wissenschaften.“

 

Jude 

„Aber einen Atheisten oder Agnostiker sehe ich nicht unter uns. Deren gab und gibt es ja eine Menge, höre ich sagen. Und wie es heißt, werden es offenbar immer mehr…“

 

Pfarrer 

„Ich habe bei einigen Menschen dieser Art auch angefragt, aber sie hielten dieses Treffen für überflüssig. Einer sagte mir: ‚Warum sollen wir uns treffen und etwas feiern, das es offensichtlich nicht gibt? Warum sollten wir über ein Nichts diskutieren? Ich sehe keinen Sinn darin.‘ Ich sagte ihm, vielleicht könne er ja die anderen, die an Gott glauben, überzeugen. Aber da lachte er nur und meinte, je höher der Bildungsstand, desto weniger Glaube sei auf der Welt zu finden. Und da die Bildung immer mehr abnehme, werde es wohl auch immer weniger Atheisten geben. Vielleicht noch einige Agnostiker unter den Wissenschaftlern.“

 

 

Buddhist 

„Ehrwürdiger, deine Worte habe ich gehört. Die von dir verwendeten Begriffe sind mir aber nicht so geläufig. Was ist der Unterschied zwischen einem Atheisten und einem Agnostiker?“

 

Pfarrer 

„Entschuldige, dass ich einfach so daherrede. Mit ganz einfachen Worten: Der Atheist ist der festen Meinung, dass Gott nur eine völlig überflüssige Erfindung der Menschen ist. Der Agnostiker bezweifelt, dass die Menschen etwas verstehen können. Es mag einen Gott geben oder nicht, wir können nichts darüber aussagen. Wir können also daran glauben oder auch nicht. Ein wirklicher Gegner jedes Glaubens an Gott ist nur der Atheist.“

 

Moslem 

„Aber selbst der Atheist kommt nicht ohne Gott aus, sagt immer unser Imam. Das Wort kommt ja aus dem Griechischen und bedeutet ‚ohne Gott‘. Also selbst die Gottlosen brauchen Gott, um ihn ablehnen zu können.“

 

Pfarrer 

„Na, ja, das klingt schon sophistisch. Aber, wer jeden Gott verneint, dem ist halt nicht zu helfen.“

 

Hindu 

„Ich möchte auch mal etwas sagen. Wir Hindus glauben ja auch an Gott, haben sogar viele Götter. Wir glauben an das Karma, die Wiedergeburt und die Weltseele. Über eine Milliarde Menschen denken so in vielerlei Form. Was mich aber sehr stört, ist Eure christliche missionarische Denkweise. Was denkt Ihr denn, wer Ihr seid? Die Christen haben alles kolonialisiert, die Völker versklavt und entmündigt. Ihr seid verantwortlich für viel Übel in der heutigen Welt.“

 

 

Pfarrer 

„Im Neuen Testament, genauer gesagt, in Matthäus 28,19 steht nun mal: ‚Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.‘ So soll es unser Herr Jesus gesagt haben.“

 

Hindu 

„Ich bezweifle, dass Euer Jesus einen solchen Schwachsinn gesagt hat. Dazu war er wohl viel zu klug. Das wurde ihm später in den Mund gelegt von Menschen, die unter Berufung auf das Christentum die Welt unterjochen wollten.“

 

Moslem 

„Jesus war gewiss ein kluger Mann und ein großer Prophet. Fast so bedeutend wie der große Prophet Mohammed. Ganz bestimmt hat Jesus so etwas nicht gesagt. Aber aus diesen Sprüchen entstand viel Blutvergießen.“

 

Hindu 

„Ihr Moslems braucht ganz gewiss nicht die Heiligen zu spielen. Die moslemischen Eroberungen waren ja an Blutrünstigkeit kaum zu überbieten.“

 

Pfarrer 

„Aber, aber, meine Damen und Herren, wir sind doch nicht zusammengekommen, um uns die Fehler unserer jeweiligen Religionen vorzuhalten. Wir wollen doch das Gemeinsame betonen und damit zum Frieden auf Erden beitragen. Wir alle haben viele Fehler gemacht und machen sie wohl auch heute, weil offenbar viele denken, ihr Glauben sei der einzig richtige. Aber der Mensch ist doch nicht so wichtig, es geht um Gott und die Schöpfung.“

 

 

 

Pantheistin

„Endlich ein kluges Wort. Es geht um die Natur, den Kosmos, die Welt. Alles ist Gott. Jedes Tier, jeder Stein, jeder Baum, jeder Stern und alles woraus die Dinge zusammengesetzt sind. Alles ist gleich viel wert, gleich wichtig. Und wir Menschen sind nur ein kleiner Teil davon, sollten uns daher nicht so wichtig nehmen. Die Zeiten des Anthropozentrismus sind hoffentlich bald vorbei!“

 

Pfarrer 

„Sehr gut. Vielen Dank. Wir alle sind Gott. Wollen wir alles dafür tun, dass die Welt besser wird…“ 

 

Pantheistin

„Nein, bitte nicht schon wieder! Nicht WIR sind Gott. ALLES ist Gott. Und wir müssen nicht mehr ALLES tun, im Gegenteil: Wir müssen WENIGER tun. Wir müssen nicht mehr versuchen, uns die Welt untertan zu machen. Auch wenn das ein alttestamentarischer Gott so gesagt haben sollte. Wir haben viel zu viel getan, ganz viele Tiere und Pflanzen ausgerottet, und gerade sind wir dabei, uns selbst auszurotten. Bitte nicht. Bitte haltet ein!

 

Pfarrer, Moslem, Hindu, Jude, Buddhist 

Nicken gemeinsam: „Hm, hm, gut gesprochen. Da ist etwas dran. Wie sagen wir das denen, die an unsere Götter glauben?“

 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (21.05.23, 06:57)
Gläubige Sozialisten, Kommunisten?

elgé Luga

 BerndtB meinte dazu am 21.05.23 um 12:03:
In dem Stück konnten nur einige zur Rede kommen. Ansonsten wäre es zu lang geworden.

Danke für die Empfehlung.

Frage: Was bedeutet elgé ?

Gruß

Berndt
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