10.2012 – 12.2012

Absurdes Theaterstück zum Thema Jahreszeiten

von  Terminator

Leere. Leere und Laub. Es war ein warmer, ein goldener Oktober. Zarte, zierliche Sehnsucht. Und Onegin im Ballett, gut angetrunken. Kurz vor der Aufführung wurden alle wegen eines angeblichen Terroralarms nach draußen gebeten, eine Stunde später fand die Aufführung statt. Ein leider geiles, wie man damals sagte, Ballettstück von John Cranko.


Es war so absurd. Alles, und überhaupt. Leben, Luft, Liebe, Licht, Linkwood. Obwohl: die große Zeit des 16-Jährigen Linkwood (Flora & Fauna), das war im Oktober 2011. Es ist manchmal gut, zu vergessen. Sich nicht an alles zu erinnern. Die Zeit Zeit sein lassen.


Kants Kritik der praktischen Vernunft: Eine Philosophie der Freiheit: ein damals gelesenes Buch von Otfried Höffe. Nein, Kant war nicht nur der Größte, Kant war alles. Es gab nichts vor Kant und nach Kant nur Fussnoten zu Kant. Kantianischeres las ich nie wieder.



Ältere Professoren umgeben sich gern mit jungen Frauen, als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, versteht sich. Ich kenne einen, der mit Anfang 70 seine wissenschaftliche Mitarbeiterin, Ende 20, erfolgreich geschwängert hat. Sie haben einen Sohn und leben, so weit ich weiß, glücklich zusammen.


Als Student hat man das Nachsehen. Aus der Perspektive einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin hatte ich einen Flirtversuch unternommen, als ich nach ihrem ausgezeichneten Referat (sie hatte den verhinderten älteren Professor vertreten) mit ihr weiter bei einer Tasse Kaffee über Kants Nihilismusproblem reden wollte. Aus meiner Perspektive war ich glücklich, mit jemandem über dieses für mich damals lebenswichtige Problem der Philosophie reden zu können. Doch dem Korb für eine Nichtanmache gesellte sich der unfreiwillige Offenbarungseid zu, das Thema sich nach dem Prinzip des Bulimielernens angeeignet zu haben, um einen papageiartigen, aber scheinbar gut vorbereiteten Vortrag zu halten. Das Nihilismusproblem von Kant interessierte sie Null. Noch weniger interessierte sie mich als Frau: ich war zu dieser Zeit nämlich heftig verknallt, und wenn das bei mir der Fall ist, verliere ich jedes Interesse für andere Frauen. Der Redpiller hätte bei mir also oneitis diagnostizieren können.


Letztlich ging es schon für Kant, nicht erst für Kierkegaard und die Existentialisten des 20. Jahrhunderts, um eine einsame Entscheidung angesichts totaler Opazität und Kontingenz der conditio humana. Nach Kierkegaard müssen wir springen (aus der Ungewissheit ins Vertrauen zu einem willkürlich ausgedachten Gott der Christen), nach den neuen Franzosen geht die Existenz des Menschen seiner Essenz voraus. Nach Kant werden die Postulate der Moral-Religion, des entkoffeinierten Protestantismus (Gott, Willensfreiheit und Unsterblichkeit der Seele) für immer ungewiss bleiben, und wir können entweder daran glauben oder uns für den heroischen Nihilismus entscheiden: eine moralische Welt als Endziel anstreben, selbst wenn uns das Leben vollkommen sinnlos erscheint.



Vor 22,5 Monaten wurde ich mit einem positiven Covid-Test in Quarantäne geschickt. Ich hatte mittelleichte Erkältungssymptome. Ich hätte mich nicht von mir aus krank gemeldet, sondern Tee mit Honig getrunken und weitergearbeitet. Wenn wir das dennoch als ein Krank zählen wollen, dann war ich seitdem keinen einzigen Tag krank. Ich bin der trockene Traum aller Krankenkassen. Überhaupt hat Krankheit nie meiner Leistungsfähigkeit geschadet. Die Kritik der Urteilskraft ackerte ich bei mittelschweren Grippe-Symptomen durch. Das war die legendäre Januargrippe von 2008.


Es gab die Kleine (9-10.2000) und die Große Halsentzündung (26.1.2003-28.3.2003), die Toilettengrippe Mitte März 2005 (ich erkrankte, nachdem ich als Hausmeister-Zivi im Altenheim zwei Tage lang verstopfte Abflüsse in den Bädern gereinigt hatte). Die Sommer-Erkältung im Mai 2007 kam durch viele Liter eiskalter Erfrischungsgetränke, und dann kam die schon erwähnte Januargrippe, bei der ich die Wahl zwischen der Play Station und der Kritik der Urteilskraft hatte. Ich entschied mich, die Qualen nicht abzumildern, sondern zu verdoppeln.


Das harte Schickesal strafte mich mit der Großen Bronchitis, die ich mir fing, als ich trotz Grippe weiter zum Praktikum gefahren war (Dezember 2008) und der Kleinen Bronchitis (Ende Februar bis Ende März 2011). Gleiche Dauer, milderer Verlauf. Aber die Große Bronchitis verursachte die Lange Leichte Chronische Bronchitis, die langsam, sehr langsam, manchmal mithilfe diverser Lutschtabletten, sich erst in den letzten Jahren endlich löste. Und nun die Dezembergrippe von 2012, ein schweres Ding. Die fing ich mir am 1. Dezember ein, bei Akira Kurosawas Ran und Single Malt Whisky, bei jemandem, der Grippe gehabt hatte und noch ansteckend war. Und das wars dann auch. Die Märzgrippe von 2020 dauerte nur eine Woche und war mild. Jede Erklältung war in der Zwischenzeit ärgerlich, weil sie mich am Sporttreiben hinderte.


Ein Freund von mir stellte die These auf, dass der Wert eines Menschen von seiner Vitalität abhängt. Ich war noch nie so gesund wie in den letzten zwei Jahren. Und ich hatte nie vorher so vollzeit gearbeitet. Das sagt wohl, dass wer zu faul ist, öfter krank wird. Der Parasit, der eh nicht arbeitet, liegt den Beitragszahlern dann auf der Tasche. Ich kenne Erik Erikson, und weiß, dass mit 40 die Zeit der Generativität kommt. Ich überweise 600 Euro im Jahr SOS Kinderdorf, 500 Euro Plan, 18 im Monat jährlich einem tibetischen Mönch, bin ASB-Mitglied, spende Blut, spende Geld (wie oft schon verzweifelten Obdach- oder Sonstwaslosen Scheine statt Münzen gegeben; wenn jemandem abends spät noch das Geld für die Übernachtung fehlt, dann frage ich gleich, wieviel er insgesamt braucht, damit er sich auf die Nacht freuen kann und nicht weiter betteln muss).


Ich generiere durch körperliche und geistige Leistung Vitalität und stelle deren Früchte anderen Menschen zur Verfügung. Nicht aus Nächstenliebe oder Sentimentalität. I do not fucking want to feel good about myself, ich bin ein NT, kein NF. Mir ist das Leistungsprinzip zur zweiten Natur geworden. Ich bin der trockene Traum von Vox Day, ein Sigma, der freiwillig die Rolle des konstuktivstmöglichen Delta in der Gesellschaft annimmt. Ich erwarte weder Dank noch ein Danke noch Sympathie noch Freundschaft noch Liebe. Und nein, ich schulde keinem einzigen Menschen irgendwas, mein Rating ist seit Jahren nicht etwa A+++, sondern 0, eine Schuld- und Schuldenfreiheit so rein wie das Universum vor dem Urknall. Mein Imperativ ist einfach: "Handle so, wie du in einer Welt handeln würdest, in der P. K. existieren könnte". Ich trage alle Lasten mit Heiterkeit, bin glücklich und freue mich auf das Leben nach dem Tod in einer Welt, in der mein Geistermädchen nicht nur in Träumen zu mir spricht, sondern auch real verkörpert ist.



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