N. N.: Das Neue Testament

Kritik zum Thema Religion

von  Terminator

Als wäre jemand gestorben: warum heißen die Dinger eigentlich "Testament"? Im Neuen ist immerhin Jesus für die Erlösung der Welt gestorben, aber im Alten? Ist womöglich "Gott ist tot" der wahre Untertitel des alten Testaments?


Das NT ist ein Sammelsurium willkürlich zusammengewählter Texte, mehrfach editiert, insbesondere im 4. Jahrhundert, der großen Zeit der frühkirchlichen Konzilien. Aus einer vielfältigen Palette der Evangelien, dem Kernstück des ganzen Werks, wurden machtpolitisch gleichgeschaltete stark gegenderte vier. Die Kirchenväter, im politischen, nicht im theologischen Sinn, bastelten lange an einem für die weltliche Macht bequemen Jesusbild.


Die Hassreden des Paulus, deklariert als Briefe an frühchristliche Gemeinden, sind zum Kopfschütteln. Einzig die Offenbarung des Johannes lässt sich als surrealer Drogentrip durchaus ohne Vorsicht genießen.


Dennoch war das Neue Testament anscheinend genau das richtige Buch für das Magische Jahrtausend, das im Mittelmeerraum (Christenheit und Islamische Zivilisation) vom 3. bis zum 13. nachchristlichen Jahrhundert dauerte. Danach inspirierte es nur noch marginale Sekten (im theologischen Sinne, nicht nach der Anzahl der Mitglieder gerechnet), und wurde seit dem 14. Jahrhundert de facto obsolet.


Das postchristliche, atheistische, faustische Europa nutzte das Neue Testament weiterhin als einen Schleier gemeinsamer Identität, weil es keine großen faustischen Theologen gab (die Religion unseres Zeitalters gab sich den Namen Wissenschaft). Und so dient das Machwerk auch heute als ausgehöhltes, aber identitätsstiftendes Floskularium, in dem nihilismusmüde Atheisten und phantasielose Sinnsuchende zuweilen immer noch das Machtwort Gottes sehen.


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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (13.09.22, 23:56)
Scharf, aber für mich nachvollziehbar.

 Terminator meinte dazu am 14.09.22 um 00:03:
Guenon sah den Weg aus der kybelisch-titanischen Hölle der Moderne im Islam, Dugin sieht ihn im (orthodoxen) Christentum. Ich bin für die Konservative Revolution, aber die Leiche des Christentums dafür auszugraben, ist der falsche Weg. Auch der sterbende Islam hat keine Zukunft.

 RainerMScholz antwortete darauf am 27.09.22 um 21:34:
Aber worauf gründet sich dann der Konservativismus? Römisch-katholisches Familienmodell und Pizza nur für Italiener? Ist eine konservative Revolution nicht ein Antagonismus? Stirbt der Islam gerade in Doha oder lebt er erst auf (schon wieder), wenn Deutschland abermals nicht Weltmeister wird?
Grüße,
R.
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