Guten Tag, guten Tag

Text

von  theatralisch

Seit heute Morgen, vielleicht 3 Uhr (jetzt 17 Uhr), liege ich hier in meinem Bett und frage mich, was getan werden könnte: In der nächsten Minute, Stunde, vielleicht dann doch morgen, nächste Woche oder gar nie.

Es fühlt sich an, als hätte ich hier noch nie einen Post erstellt. Die Oberfläche ist mir völlig fremd. Meine Finger springen unbeholfen auf dem Smartphone über die Tastatur und ich wundere mich über die Worte, die dabei entstehen.

Noch vor einigen Stunden hätte ich auf die Frage, was mir denn am wichtigsten sei im Leben, geantwortet wie folgt: Die Fantasie. Dazu brauche ich nur mich selbst, mein Gehirn und vielleicht ab und zu einen Spiegel, in dem ich mir in die Augen sehen kann.

Doch so ganz stimmt das nicht. Natürlich gibt es weitere oder damit in gleicher Weise wichtige Dinge, durch deren Entzug ich mich fühle, als hätte ich diese eine schlimme Grippe. Und die kriecht wirklich überall hinein.

Diesen Beitrag können ca 560 Leute (alle) sehen. Das letzte Mal habe ich mir vor vielleicht einem Jahr über den Leserkreis Gedanken gemacht und ihn immer mal eingeschränkt. Doch irgendwann habe ich nur noch zuweilen meine Posts zu "Bret Easton Ellis und Marilyn Manson" allen Facebook-Freunden zum Lesen zugänglich gemacht und es dabei belassen.

Denn was ist der Unterschied zwischen uns, die wir ja irgendwie alle miteinander zusammen hängen. Es gibt keinen.

Ich wünschte, ich wäre und es wäre und ihr wärt anders. Deshalb schreibe ich. Deshalb liege ich gerade wie eine Brezel im Bett und ertrage die Sonnenstrahlen, den Rasenmäher - erstes Geräusch, das ich heute wahrnehme.

Manchmal ist es komisch. Alles. Und vor allem für Menschen mit diesem Weitblick, die nicht nur irgendwo auftauchen, wieder gehen, vielleicht kurz Revue passieren lassen, wie das jetzt alles war: Ist mir Umwelt wichtig? Menschen, die nach mir leben? Meine Kinder?

Und: Wann ist die Grenze für mich erreicht? Wer bin ich heute, morgen? Was habe ich gelernt?

Den Weg weitergehen, weil er ist das Ziel: Irgendwann zwei Titel, ein Haus oder Torte zum Geburtstag - von jemand anderem dann.

Aber keine Eltern mehr. Nein, der Tod bringt uns nicht auseinander. Es ist das Leben. Deshalb ist irgendwann: Vielleicht nichts mehr. Obwohl um dich rum alles blüht. Es ist Frühling. Und du womöglich auch - du blühst, in dir wächst was Schönes (kein Baby in dem Fall, nein). Einfach etwas, das du gerne preisgeben wolltest. Doch dann stellst du fest: Niemand kann es sehen. Weil du nicht Mainstreamen kannst, kein Tattoo wenigstens hast oder in der Mittagspause zu Edeka gehst / dir Glutamat reinziehst.

Nein. Doch. Nein. Lebensabschnitte. Wo beginnt was und wo endet es? Pass auf, was du sagst, tust. Denn ja: Es gibt Regeln. Und es gibt Menschen, die sich "kümmern". Aber nicht um dich.

Aber nur nicht um dich. Empörung ist der gemeinsame Nenner. Empörung ist Rebellion und dergleichen. Und schon immer war ich diese Rebellin. Oft unbeliebt, meiner Zeit zurück, entrückt, unkonzentriert, allein.

Allein unter vielen Menschen. Weil nie was bleiben durfte. Und deshalb wurde zuweilen projiziert - die Bilder erschienen ganz groß auf ihrer Projektionsfläche, fügten sich zu Filmen.

Und selbst Kalle, der unbeliebteste Wirt vom Kiez mit seinen Wucherpreisen und dem unmissverständlich hässlichen Antlitz, durfte dazustoßen und zuprosten, sogar bleiben. Und du denkst dir, denkst dir weiterhin deine verbleibenden 10-40 Jahre: Warum? Kalle ist unbeliebtester Wirt, betreibt Wucher, ist so hässlich usw. Warum also Kalle? (Und nicht ich.)

Ich trau mich diese Frage nicht zu stellen, versteht ihr. Sie würde auch untergehen. Neben mir würde jemand zischen: "Hallo!? Die Band spielt. Nicht jetzt."

Nicht jetzt. Wann dann? Ni hao. Guten Tag, guten Tag. Ist es schlimm, wenn ich frag. Hi, Rolf. Wo kommst n du auf einmal her. Nicht auf einmal, sagt Rolf. Ich bin schon immer da. Und du singst mit mir jeden Morgen, Abend diese Lieder. Schon seit du sprechen kannst. Ich hoffe, du wirst nie damit aufhören.

Ich weiß nicht, sage ich. Ich weiß nicht, wann ich aufhöre, weil ich nicht weiß, wann ich anfange. Es muss doch was ergeben? In der Summe. Aber ich kenn den Text: Sie: Guten Tag, guten Tag, ist es schlimm, wenn ich frag
Ob du einmal für mich noch dein Lied singst...

Und ich denk: Nein. Jedes Mal denk ich: Nein.

Mein Name ist Isabella. Ich heiße Isabella. My name is Isabella. But I don't understand. I thought it was something else. Always. Forever. Und ich erinnere mich noch daran,...wie sich die Bilder ineinander fügen, die Schmetterlinge irgendwann davonfliegen. Ich rufe ihnen hinterher: Nehmt die Buchstaben mit! Die Worte, die ich mir irgendwann erdacht habe für alles, was für euch ganz anders ist. Wohin ich auch komme: Anders.

Ich möchte meine Mama anrufen. Aber lieber nicht. Ich kann das in 10-40 Jahren schon nicht mehr tun. Lieber nicht. Alles. Rolf, ich hab dich nicht vergessen. Ich schreib dir diesen Brief. Du bist der mit den Liedern für die Kinder. Der, der wahrscheinlich niemals lügt, überreagiert, etwas als ungerecht empfindet, mal weglässt oder dazustößt, wenn es unangemessen ist.

Und selbst wenn: Du bist Rolf. Deine Lieder sind wie Gesetze, die fetzen, mit denen wir immer einverstanden sind. Egal, was du machst: Es regnet. Komm unter meinen Schirm. Er ist klein. Aber für dich immer groß genug. Du störst nicht. Nie. Du hast überall jemanden, der dich auffängt. Weil du so beliebig bist, mainstreamen kannst. Nicht mal unkompliziert bist du. Letztens tat's um deinen Solar Plexus rum ungewöhnlich weh. Angst, sagte ich dir. Ich glaube, du hattest einfach Angst.

Weil die Welt aus mehreren Schichten besteht. Und irgendwann fragt man sich doch ohnehin nur noch, wann man diese Bowl endlich verspeisen darf, wie die wohl mundet.

Und ich denk ja immer noch: Die Mensa ist für alle da. Dinge geraten aus dem Ruder, weil es ein Ruder gibt. Und am Ende hören wir uns Rolfs Vogelhochzeit an und denken: Warum eigentlich? Einer weiß immer die Antwort. In dem Fall Rolf: Weil das mein Lied ist.

Und keiner wird ihm je widersprechen. Dem Rolf. Am einfachsten ist das deshalb, weil es Selbstreflexion voraussetzen würde, die aber schmerzhaft ist. Wenn wir eines wissen, dann: Lieber Rolf als Schmerzen! Egal, was, wann, wie. Lieber Rolf als Schmerzen.



Anmerkung von theatralisch:

Es gibt kein Thema.

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