Emil Cioran: Lehre vom Zerfall

Liebesbrief zum Thema Verzweiflung

von  Terminator

Das Hauptwerk des nihilistischen Aphoristikers, des größten Philosophen des 20. Jahrhunderts. Cioran warf Heideggers "Sein und Zeit" seinerzeit enttäuscht in die Ecke, und als ein Nobody der Philosophie (aber Nobelpreisträger der Literatur) Albert Camus meinte, nun könne Cioran mit echter Literatur loslegen, oder so ähnlich, so hatte der in Frankreich lebende Rumäne nur ein verächtliches Schulterzucken für den französischen Existentialisten übrig. Cioran wollte nie berühmt sein oder der Welt etwas mitteilen. Er war mit der Welt bereits mit Anfang 20 fertig, und lebte nur deshalb so lange (1911-1995), weil er, wie schon Schopenhauer, keinen Sinn darin sah, die Bühne vorzeitig zu verlassen, freilich aus einem anderen Grund.


Während der buddhistisch angehauchte bürgerliche Privatier über Reinkarnation spekulierte, war dem Mann aus Transsilvanien (Sibiu/Hermannstadt) klar, dass auch das nur eine tröstliche Illusion sein kann. Das Leben war für ihn aber nicht bloß absurd, wie für den romantischen Nihilisten Camus oder den unromantischen Nihilisten Beckett. Es war durch und durch sinnlos, und es war auch sinnlos, darüber zu schreiben. Deshalb hat Cioran kaum mehr als Aphorismensammlungen hinterlassen.


Erst fällst du in die Zeit aus der bewusstseinslosen Harmonie der Ewigkeit, und dann fällst du aus der Zeit heraus, sobald du über das Leben reflektierst. Und weiter nichts: es hat keinen Sinn, zu leben, und es hat auch keinen Sinn, zu sterben. Religionen vermehren nur das Leid, philosophische Systeme nähren Hoffnungen, die nur enttäuscht werden. Durch Frankreich Fahrrad fahren, sich nachts am Straßenrand mit Huren unterhalten, die eine oder andere Tasse Tee trinken, mehr gibt das Leben einfach nicht her.


Cioran erweist sich damit als der Mensch des 20. Jahrhunderts: er kann die Ursache des Zerfalls nicht begreifen, aber er sieht den Zerfall klar und deutlich, anders als der Westeuropäer. Er lebt in einer Welt der Zombies und seelenlosen Maschinen, und begreift sie aus der abendländischen Tradition als die christliche Hölle. Hätte er bloß Dugins Noomachie gelesen, doch dafür hätte er noch zwanzig Jahre älter werden müssen. Er war aber nah dran: die großen Impulsgeber des Thomas Aquinas der Ethnosoziologie, Julius Evola und Gilbert Durand, waren seine Zeitgenossen.


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