Im Anfang die Depression, dann die Erschöpfung, dann DU und ...

Bild zum Thema Abgrund

von  alter79

Man Reloaded

(Aspergers- Tage- Buch- Auszüge 2012)

Ihr fielen seine schmalen Hände auf, als er zu ihr kam um sich über die Musik zu beschweren. Seine feingliedrigen Finger. Die ramponierte Nase. Sein großer Mund mit den vollen Lippen, als er über ’I’ve got the blues’ lästerte. Dabei sah er selber aus wie Blues. Später sagte sie über ihn, er wäre einer, der Freiräume brauchte und viel Luft zum Atmen. Genau das meinten auch jene, die ihn sonst noch so kannten. Die aus der Bar nahe des Friedhofs unter der Hochbahn, auf dem er später liegen wird.

Um die 1,90 war er, schlank, trug vorwiegend Jeans. T-Shirts aus Baumwolle. Schiebermütze. Fuhr Harley. Hatte dicke Arme, um den PS-Protz zu halten. Und sonst noch was, - wie zum Beispiel seinen Stolz. Er war aber auch ein Mensch, der sich mit Literatur und Wissenschaft beschäftigte. Berliner Mundart sprach ... Arrogant sei er gewesen, tuschelten die ewigen Arschkriecher. Ein Schläger, sagten andere. Ein Säufer, der ...

Ein Frauenliebling war er, sagte sie, die er über all die Jahre siezte.

Stimmt, - ein Rock’n Roller ist nun mal kein Engel. Und er schon überhaupt nicht.

Im Testament ist sie als seine Alleinerbin eingesetzt. Doch nun war sie tot! Und Familie hatten beide nicht. Dabei konnte er Klavier spielen. Mit diesen Hände. Nur innen mit Schwielen. Die ihm halfen, Zentnerlasten zu stemmen. Doch nicht sie. Nicht sich. Oder Liebe, - oder so. Obwohl sie sagte, sie hätten sich... Klar. Hatten sie auch! Im Stehen, auf dem Dachboden vom Haus. Und dort, am Fenster, mit dem weiten Blick über die Stadt war auch ihre Seele dem Körper entflohen. In einer Art Gefängnis, auch wenn sie das vermutlich nicht so empfunden hat. Denn als er sie dort hoch trug, war sie nur noch Augenblicke bei Bewusstsein. Als es dann soweit war, schloss er seine Arme um sie, hielt sie, während sie aus der Dachluke über die Stadt sah und mit einem hörbaren Seufzer von ihm ging.

Er blieb weiterhin am Prenzlauer Berg wohnen, während seine Beziehung zu sich selber zu kriseln begann. Es war wie im Krieg. Bei der Legion. Friss, oder stirb. Doch er war satt. Voll satt. Als hätte er ein ganzes Schwein gefressen und vergessen zu kotzen. So blieb ihm nur das Sterben.

Nun mal langsam’, hörte er sie, ’es gibt noch zu tun.’

Gut’, antwortete er, ’ich werde es für Sie tun.’

Ab jetzt solltest du mich duzen. Ich tue es dann auch.’

Okay, dann küss mich’, forderte er, ’damit ich weiß, dass du da bist - und es ehrlich mit mir meinst.’

Darauf trank er zwei Flaschen Sekt, dann endlos Rum - und blieb mit ihr zwei Tage im Bett.

Die Körperverletzung an den an ihrem Tod schuldigen Ärzten, sein Verhalten auf dem Polizeirevier, er schlug bei seiner Festnahme drei Beamte zusammen, brachte genug Druckmittel der Staatsanwaltschaft gegen ihn. Fazit: Er sollte seine Kumpane der Motorradgang ’Under- Cover’ ausspionieren. „Aber nur wenn ihr gegen die Mörderärzte ermittelt -, ich will die Schweine bestraft sehen!“

Sie haben mein Wort“, sagte der von der Kripo (’Im Auftrag der Staatsanwaltschaft! Schob der nach’). „Wenn nicht“, sagte er dem, „bist du tot, und der Staatsanwalt gleich mit!“

Haben Sie nicht ein so großes Maul“, tobte der, „sonst sperren wir Sie gleich in den Knast!“

Ein scheiß Anfang’, sagte er ihr.

Ein Anfang ist auch eine Chance, - also mach schon!’ sagte sie.



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