Zweite Anekdote aus der rheinischen Provinz

Anekdote

von  Bergmann

Es wird kühler draußen. Wenn die Füße nicht frieren, ist das meiste schon gewonnen, denke ich. Und ich beschließe, mir warme Socken zu kaufen, im Kaufhof. Ich fahre die Rolltreppen hinauf zum 3. Stock. Die Sockenabteilung liegt vor mir. Die Marke Burlington sticht mir in die Augen, da gibt es Wollsocken, die mir gefallen. Aber etwas zu dick für die Halbschuhe. Ich suche weiter - Falk. Wollsocken auch hier. Auf dem linken Socken steht ein L, auf dem rechten ein R. Das ist mir sympathisch. Nicht weil ich mich schwertue mit links und rechts. Sondern einfach so, vielleicht wegen der geordneten Wärme, ich weiß es nicht. Ein Paar kostet 15 Euro. Ich entdecke ein Schild, dass zwei Paar Socken 15% weniger kosten. Ich nehme also zwei Paar Socken vom Sockenständer und gehe zur Kasse. Die Kassiererin, eine schöne und ausnehmend freundliche junge Frau lächelt mir schon von weitem zu. "Sie müssen den QR-Code scannen, den sehen Sie auf jedem Sockenständer." Ich gehe zurück zu den Socken, scanne den Code, gehe zurück zur Kasse und halte ihr mein Smartphone hin. "Sie haben nicht gescannt", sagt sie, "Sie haben den QR-Code fotografiert ..." - Ich sage: "Ich geh noch mal hin -", aber sie unterbricht mich: "Lassen Sie, ich mach das ohne Code ..." - Ich will protestieren, aber sie hebt abwehrend die Hand und sagt: "Alles gut." Ich zahle. Sie gibt mir den Rabatt auch so. Ich verlasse die Kassentheke und gehe noch einmal zurück zum Sockenständer, scanne den QR-Code, diesmal richtig, gehe zurück zur Kasse - sie hat mich beobachtet und lächelt wie beim ersten Mal. Ich halte das Smartphone hoch. Sie lacht und ruft mir zu: "Ich bin stolz auf Sie!" Was für ein Charme! Was für eine grandiose und schlagfertige junge Generation! Ich steuere zu auf die Rolltreppe abwärts und fühle, wie dieser Sockenkauf mein Leben verändert hat. Wenigstens heute.  


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Kommentare zu diesem Text


 Regina (08.10.22, 23:03)
Die Rolltreppe abstellen und den ganzen Smartphonezirkus zurückfahren, dann kann man zu Hause mit der eingesparten Energie doch wieder ein bisschen heizen. Aber der Text ist flott geschrieben.

 Bergmann meinte dazu am 09.10.22 um 13:12:
Rolltreppe - das wird eher machbar sein als das Zurückfahren der der Zirkusanteile in der Smartphonekommunikation.

 AZU20 (09.10.22, 10:40)
Was für ein Erlebnis. Was könnte man denn als nächstes kaufen? Schönen Sonntag. LG

 Bergmann antwortete darauf am 09.10.22 um 13:08:
Gute Frage! 
Antwort: Wahrscheinlich Schuhe, demnächst auch Jeans (Brax). LG

 AlmaMarieSchneider (09.10.22, 15:57)
Die Socken mit R  und L  kenne ich auch. 
Eine nette Anekdote. 

Liebe Grüße
Alma Marie

 Bergmann schrieb daraufhin am 09.10.22 um 21:31:
Übrigens, es gab keine richtig roten Socken ... aber die hätte ich nicht verschmäht

 eiskimo (09.10.22, 16:10)
Jetzt hast du nicht nur warme Füße....
Schöne Geschichte!
LG
Eiskimo

 Bergmann äußerte darauf am 09.10.22 um 21:35:
Ah, Eiski, du meinst sicher meine platonische Erwärmung durch die junge Frau an der Kasse. Ja, das ist wahr. Und wie gut, dass es das (auch) gibt. 
LG

 Didi.Costaire (09.10.22, 18:06)
Tja, das alte Motto "Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht" feiert ausgerechnet in der modernen, digitalen neuen Welt fröhliche Urständ. Kein Wunder, dass Handy-Nutzungszeiten von zehn Stunden täglich heutzutage keine Seltenheit sind. Selten sind allerdings jüngere Kunden im Kaufhof und die tollen QR-Codes am Sockenständer werden sie wohl auch nicht in Scharen anlocken...

Eine unterhaltsame Anekdote, Uli!

Schöne Grüße,
Dirk

 Bergmann ergänzte dazu am 09.10.22 um 21:38:
Lieber Dirk, ich bin innerlich gespalten: Ich bin froh, dass ich nicht mehr so jung sein muss - aber ich wäre froh, wenigstens wieder halb so jung zu sein ... Ist das schon Tragik? Nein, denke ich, das ist höchstens tragikomisch. 
Herzlichst: Uli

 loslosch meinte dazu am 17.10.22 um 21:18:
da bin ich ganz bei dir, Uli. und singe mit Willy Schneider:

"Man müsste nochmal zwanzig (Jahre jünger) sein
Und so verliebt wie damals.
Und irgendwo am Wiesenrain
Vergessen die Zeit."  lo

 Bergmann meinte dazu am 17.10.22 um 21:57:
Lieber Lothar, 
vierzig ... wär auch schon gut ...
Herzlichst: Uli
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