Ein Tag mit Kinder- Mördern ...

Tagebuch zum Thema Aggression

von  alter79

Ich bin spät im Jahr aber früh am Tag, als ich das Haus verlasse. Und die Hand tut mir weh. Jeder Knöchel, wenn ich die Hand zur Faust balle. Gaber und Maron wird es nicht wesentlich besser ergehen. Doch mein Mitleid hält sich in Grenzen; auch das für mich. Carpe diem; wer du auch bist. Mein heutiges Ziel ist das internationale Volksfest im Zoo. Da tanzt die menschliche Meute lustig und ungezwungen zwischen Bär, Tiger und Co. Auch deswegen habe ich mir genau diese Party ausgesucht junge Leute beobachten, um die für den heimischen PC abzufilmen, damit ich was warmes für den langen Winter im Hause habe. Also laufe ich ein wenig zwischen den tierischen Darstellern von Menschen, als der Affengott Hanuman sieben seiner Kinder von drei Braunbären in Stücke reißen lässt, als die über seine Glatze lachen. - Nein, nicht nur wegen Gaber und Maron habe ich mir von einem unabhängigen wie diskreten Sicherheitsdienst, der mir drei versteckte Volltitanschlösser und doppelt verstärktes, unsichtbar legiertes Iridiumriegelwerk hinter die Wohnungstür baute, jeweils eine hochleistungsfähige, selbst schwenkbare Kamera hinter die der Straße zugewendeten Fenster installieren lassen die direkt mit meinem PC verbunden sind und jedwede Bewegung aufzeichnen, um die zum Speichern auf meinen PC zu überspielen. Selbstverständlich habe ich das System, bezogen auf den widerlichen Maron, auch schon ausprobiert. Und die auf dessen Badezimmer gerichtete Kamera lieferte so gestochen scharfe Bilder, dass ich Farbe und Menge seiner Schamhaare hätte zählen können, wenn ich gewollt hätte. Doch ich will nicht! Jedenfalls nicht zurzeit. Schön auch, dass die Kameraposition vom Wohnzimmer aus komplett die Schule erfasst. In jedes noch so dunkle Loch hinein kann ich beobachten; und was mir dann da an sexueller Perversität von Leiden und Demütigungen gezeigt werden wird, erregt meine Fantasie am meisten. Die Gutachter sprachen über mich als der Ich-Synton. Doch das stört mich wenig, was wissen die schon wirklich von mir.


Die Schulferien sind vorüber. Der Pausenhof füllt sich in regelmäßigen Abständen mit Hunderten von Kids jeden Alters und fast jeder Nationalität, wie ich nicht nur am Surren meiner Kamera höre. Allein abends erscheinen nun noch die Handvoll Raster-Boys, um ein paar Körbe zu werfen, chillend einen Joint zu rauchen, nach Bob Marleys Hits Raggea zu tanzen. Eigentlich schade, ihre nackten Oberkörper haben was vor allem, wenn die nach ein paar Spielminuten schweißig glänzen und Diamantentropfen von ihren Haarzöpfen in die Gegend spritzen, die ich später einsammle, in mein mit Silber und Samt ausgeschlagenes Elfenbeinkästchen lege und nach Hause trage. Ja ich kann mich nur wiederholen: Qualität hat ihren Preis und es lohnt sich allemal, nicht nur in sich selber zu investieren. Denn auch auf dem Kinderspielplatz ist nun wieder Betrieb. Doch da der nicht in meinem Kamerabereich liegt, nehme ich das Glas für meine Beobachtungen und erkenne schon im ersten Ansatz Murphy der im Halbschatten einer Kastanie steht und sich durch die Hosentasche bespielt. Sehe, wie der los sprintet, als eine der Frauen ihren Kinderwagen unbeobachtet lässt, sich den Karren schnappt und damit wieselflink wie unbemerkt auf und davon ist. Ehe dann die ältlich wirkende Frau, die mit gebauschtem Blumenmusterrock hinter einem Busch hockt, den Verlust realisierend in den Stand kommt, ist Murphy längst einen halben Kilometer die Straße runter, reißt das Bündel aus dem Kinderwagen, der weiter die Straße abwärts rollt und verschwindet in einem Hauseingang. Und auch hier: Einzig (diesem) meinem Zeiss-Qualitätsglas ist es zu verdanken, dass ich die Situation im Fokus behalte und Murphy bis in seine Wohnung verfolgen kann die im Übrigen eine wahrlich schäbige Bude ist und auf sein verlottertes Aussehen zugeschnitten scheint. Ich jedenfalls weiß, was ich weiß und betrachte Murphys Therapie als ebenfalls gescheitert! Bevor ich jedoch die Polizei darüber (anonym, versteht sich) informieren werde, will ich für meine Sammlung (ohne dass sich die Wege zwischen Murphy und Molloy direkt kreuzen) einige Bilddokumente von ihm mit Baby im Kreidekreis erstellen.


Ich habe Murphy erst wieder im Fokus, als ich durch den Hauflur, in dem er Minuten vorher verschwunden ist, den Hinterhof betrete. In einem schnellen Rundumscan mit dem Zeiss stelle ich fest, dass der Kretin im ersten Obergeschoss mit zwei Fenstern normaler Größe zum Hof und einem kleineren, wohl das vom Lokus, zur Seitenstraße hin wohnt. Um nun mit ihm über meine Kamera face to face in Kontakt zu treten, verschaffe ich mir Zugang in das Treppenhaus seiner Wohnung gegenüber. Das es dort streng und echt unangenehm nach Kohl und Fäkal riecht, stört mich nicht unbedingt. Denn mein Jagdtrieb ist geweckt und die mich nun in Massen durchströmenden Hormone deckeln alle unangenehmen Dinge fürs Erste ab. Als ich dann (endlich und schon unangenehm schwitzend denn unter meiner Achselhöhle feuchtet salzige Nässe mein Hemd und klebt dessen Stoff an meiner Haut fest) das dritte Obergeschoss erreiche, bringe ich das Zeiss sogleich in halbzirkuläre Position auf die Fenster von Murphys Bude, atme tief durch, halte die weltliche Zeit an, wirbele Sequenzen meiner Seele kunterbunt durcheinander, erzeuge in mir (solchermaßen) eine kindliche Erwartungshaltung auf richtiges Glück bis die dann eine wirkliche Wahrheit der anderen Art geworden ist und starte am Zeiss das Signal zu meinem PC. Intim (comment cest) bleibe ich dabei, als Murphy das schreiende Tierchen Mensch auf dem Wohnzimmertisch platziert, dessen Körper von der komplett blauen Kleidung und allerlei Windeln entledigt und, als er die Possierlichkeit nackt hat ... ein Rasiermesser blitzt ... durch das er und ich zu Schöpfern göttlicher Kunst werden. Die ich dann, im Vollzug auf seine Person bezogen, solchermaßen eklatant und wahnsinnig daherkommen sehe, dass die wohl seinen Lebensumständen geschuldet sein muss (bilde ich mir in eigener Hilflosigkeit gefangen ein). Gleichwohl läuft meine Zeiss unbeirrt im Kameramodus weiter, und im Display erkenne ich die bisher vollzogene Übertragungsleistung zur stationären Festplatte. Ich muss wohl für einen Moment eingenickt sein, denn erst am Monitor zu Hause sah ich wie sich circa 15 Stück undefinierbarer Tölen (von der Rasse her) unter der Wohnung Murphys versammelten, die sich wenig später um eine Handvoll Knochen balgten, die Murphy mit nacktem Oberkörper und voll frisch rotem Bluts überall aus einer Tüte vom Fenster auf den Hof schüttete. Ich sehe, wie die Köter sich bellend und jaulend um so was wie Gebeine (und auch einzeln dampfende Fleischstücke?) balgen. Wie der Sieger sich schnappt, was er tragen kann, um seine Beute dann unter Knurren mit eingekniffenem Schwanz und heiserem Gewinsel in Windeseile wegzuschleppen. Direkt nach der Einstellung mit den Hunden zeigt mir der Film eine Sequenz mit Murphy auf, wie der im guten Anzug und Hut auf dem Kopf, dazu einen silbernen Metallkoffer in der Hand, eilig das Haus verlässt. Pressant (als könnte ich ihn in seinem Tun aufhalten) schalte ich auf Kameraeinstellung Straße um; sehe Murphy in ein wartendes Taxi steigen von dem ich mir aus einem Einfall heraus das Kennzeichen notiere und davonfahren.



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