Koprospastie

Essay zum Thema Achtung/Missachtung

von  RainerMScholz

Es gibt Leute, die küssen ihren Hund oder ihr Pferd in der Öffentlichkeit, warum sollte ich nicht meine Frau oder meinen Mann küssen dürfen. Meine Mutter küsste mich einst in der ehrwürdigen, hochüberwölbten Halle des Frankfurter Hauptbahnhofs zum Abschied auf den Mund, eine graugekleidete Dame mit Einkaufstasche starrte uns im Vorübergehen an, schüttelte missbilligend den Kopf und eilte in die Menge der An- und Abreisenden um unter den Massen zu verschwinden.

Ich weiß nicht, ob der Araber das Adjektiv 'schwul' als Schimpfwort gebraucht; nach den letzten Äußerungen in Kameras aber wohl als Bezeichnung für eine Krankheit oder Verirrung des Geistes. Wir benutzen 'schwul' oft als Schimpfwort: Schwule Sau, warmer Bruder, sogar in Schwulitäten kann man sich bringen. Wobei doch im Grunde wir uns darauf geeinigt zu haben glauben, die Sexualität Anderer gehe niemanden etwas an und so genau wolle und solle man auch nicht wissen, was zwischen den Menschen mit Penis und ohne passiere. Oder mit Penis und mit Penis. Oder einmal mit ohne mit. Was im Schlafzimmer passiert, bleibt im Schlafzimmer, darauf pochen seltsamerweise auch die meisten Heteros.

Vielleicht hängt dieser Ausgrenzungsmechanismus auch mit dem durchaus gebräuchlichen Schimpfwort 'Arschloch' zusammen, das Anwendung nicht nur auf lauthalsigen Schulhöfen, dröhnenden Autobahnen oder in Fußballstadien findet. Aber ohne diesen immanent wichtigen Ausscheidungsmuskel wären wir quasi am Arsch, noch mehr voller Scheiße als sowieso schon. Wer einmal unter Verstopfung litt und dann erlösungschreiende Befreiung in der Keramikabteilung fand, kann ein Lied auf dem letzten Loch davon pfeifen. C. G. Jung sagt, glaube ich, irgendwo etwas über die Verbindung zwischen dem Zurückhalten der eigenen Kacke im Körper und Allmachtsphantasien von, sagen wir, den Hitlers, Mussolinis, Stalins dieser fortzusetzenden Weltrangliste.

Der Verlust der Fähigkeit des Schließmuskels zu schließen wiederum beweist uns ebenfalls auf fatale Weise, aus welchem Holz wir wirklich geschnitzt sind.

Niemand sollte im Grunde ein Wort darüber verlieren dürfen, was Menschen einvernehmlich mit anderen Menschen veranstalten, der nicht dazu berufen ist. Aber das gilt banalerweise für alle anderen Themen, die anzusprechen jeder Hinz und Kunz sich berufen fühlt, natürlich auch. Und 'Arschloch' sollte eine Auszeichnung sein. Wie kam ich auf diese rhetorischen Verbindungen? Reden wir nicht darüber.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 mannemvorne (28.11.22, 20:48)
.

buon testo
(steronic)

kara zieh je
e saluti
mv



 ____________________ Rutschigersch Wanz

.

 RainerMScholz meinte dazu am 28.11.22 um 21:26:
Hinne wie vornerum.
Irgendwo hab´ ich auch noch `ne CD von der expressionistischen Verrückten.
Grüße + Dank,
R.
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