Der Waldbodenkuss und andere Kontakte

Text zum Thema Begegnung

von  Saira

Es war ein Tag im Oktober dieses Jahres. Nach Tagen des Regens war der Waldboden an einigen Stellen sehr matschig. Ich laufe mit Wilma auch Wege, die eigentlich keine sind. Die Hahnheide bietet dafür ungeahnte Möglichkeiten.  Wir lieben unsere kleinen Abstecher durch das Unterholz, die für Wilma, aber auch für mich, stets aufregend sind. Ab und zu begegnen wir auch auf diesen Abwegen Hunden mit Herrchen oder Frauchen, Jogger und Pilzsammler.   

 

Ich bin stets sehr aufmerksam, achte auf Geräusche und teste die Windrichtung, um bei Gefahr mein Pfefferspray nicht gegen mich einzusetzen. Handy und Taschenmesser geben mir zusätzliche Sicherheit. Im letzten Jahr habe ich das erste Mal erlebt, was es heißt, Wildschweinen zu begegnen. Ich hörte von weitem bereits ein Schnaufen. Dann sah ich sie. Etwa fünfzig Meter entfernt lief eine Bache mit ihren Frischlingen durch den Wald. Wilma hatte sie glücklicherweise nicht entdeckt. Ich hielt den Atem an. Was tun, wenn Wildschweine, womöglich ein Keiler, auf dich zuläuft? Man sagt, man soll sich ruhig verhalten, weitergehen. Das wäre mit Wilma nicht möglich. Sobald sie ein Wildtier im Wald entdeckt, will sie hinterher. Ich würde die Kleine auf den Arm nehmen und mich hinter einem dicken Baum verstecken.

 

An dem Tag im Oktober liefen wir über Stock und Stein und waren guter Dinge, bis ich hinter uns ein Rascheln vernahm, aber nichts erkennen konnte. Ich war hochkonzentriert. Wie aus dem Nichts erschien ein dunkelgekleideter Mann. Er blickte düster drein. Ich blieb stehen und holte für Wilma ein paar Leckerlis aus der Tasche. Der Mann kam näher, ich fasste nach meinem Pfefferspray. Ich brachte ein heiseres „Moin“ hervor. Er blickte kurz auf und sein Blick erhellte sich. „Ähm, ja hallo“, antwortete er und schritt weiter.

 

Erleichtert und beschwingt lief ich mit Wilma weiter, vielleicht etwas zu beschwingt? Hinterher mutmaßte ich, dass ich mit meinem rechten Fuß auf einen Ast getreten und mit dem linken am selbigen hintergehakt war, denn als ich flog, flog ich im Lauf gebremst, seitlich und der Länge nach in eine matschige Pfütze. Mein rechter Arm war ausgestreckt und meine Hand mit der Leine und Wilma verbunden.

 

Ich schmeckte Dreck auf meinen Lippen, während ich meinen Kopf vorsichtig hob und direkt in die erschreckten Augen von Wilma blickte. Sie war unbeschadet. Gott sei Dank! Für zwei oder drei Sekunden fühlte ich mich ziemlich benommen. Ganz vorsichtig erhob ich mich, was mir nicht leichtfiel. Von der Bodenlandung spürte ich meinen Körper auf eine unangenehme Weise. Ich unterdrückte ein Stöhnen. Gebrochen schien nichts. Ich war erleichtert. Meine Jeans war bis zum Hosenboden nicht nur dreckig, sondern auch nass. Meine Haare waren matschgetränkt und lagen mir in Strähnen auf der Schulter. Keine Menschenseele zu sehen. In diesem Fall, ein Glück! Wäre ich nicht hochgekommen "Pech".

 

Wilma leckte meine Hand und blickte mich treusorgend an. Ich beruhigte sie und langsam machten wir uns auf den Weg aus dem Wald.

 

Zuhause duschte ich, wusch meine Wäsche und im Grunde ging es mir, trotz kleinerer Blessuren, verhältnismäßig gut. Wozu etwas meinem Mann erzählen? Er würde sich nur unnötig Sorgen machen. Als er am Nachmittag nach Hause kam, konnte ich dieses Vorhaben allerdings vergessen. Inzwischen konnte ich mich nur noch humpelnd fortbewegen. Rechtseitig hatten Hüfte, Knie und Ferse mehr gelitten, als ich angenommen hatte. Zum Arzt wollte ich auf keinen Fall!  Es sei mal wieder typisch für mich, meinte mein Mann, dass ich, wenn es um mich ginge, alles herunterspielen würde. Okay, ich war artig und ließ mich wenigstens von ihm verarzten! Salbe, Kühlung, Bandagen: alles gut! Die nächsten zwei Tage war mein Mann mit Wilma unterwegs, was er auch gerne tat, nur nicht unbedingt bei Regenwetter und Kälte. Beides war vorhanden. Da musste er durch. Am dritten Tag konnte ich meine geliebten Spaziergänge mit Wilma wieder fortführen, wenn auch langsam und humpelnd, aber es ging.

 

 

 

©Sigrun Al-Badri/ November 2022


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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (25.11.22, 10:24)
Liebe Sigi,
deine Waldspaziergänge sind immer spannend. Vielleicht riskierst du etwas zu viel.
Herzliche Grüße
Ekki

 Saira meinte dazu am 25.11.22 um 16:19:
Lieber Ekki,
 
ich freue mich, dass du meine Waldspaziergänge als spannend empfindest.

In Bezug auf meine Risikobereitschaft hast du sicherlich recht. Seit meiner Bodenlandung versuche ich aber, nicht mehr ganz so beschwingt zu laufen :blush:
 
Ich danke dir für deine Spuren!
 
Herzlichst
Sigi

 AlmaMarieSchneider (25.11.22, 13:54)
Wieder eine spannende Geschichte mit Wilma und ich habe sie wieder genossen.

Liebe Grüße
Alma Marie

 Saira antwortete darauf am 25.11.22 um 16:20:
Danke für dein schönes Feedback, liebe Alma Marie!
 
Herzliche Grüße
Sigrun

 TassoTuwas (25.11.22, 14:37)
Liebe Sigrun,
so ein Naturschutzgebiet vor der Haustür ist eine feine Sache und mit der richtigen Kleidung ist man da gut unterwegs. 
Hab euch beide gern begleitet!
Herzliche Grüße
TT

 Saira schrieb daraufhin am 25.11.22 um 16:20:
Lieber Tasso,
 
über deine Begleitung haben wir uns sehr gefreut :) . Du bist zu jedem Spaziergang herzlich eingeladen!
 
Liebe Grüße
Sigrun&Wilma
Taina (39)
(25.11.22, 17:23)
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 Saira äußerte darauf am 25.11.22 um 18:50:
Freu :) <3
 
Danke für dein Feedback mit Empfehlung!
 
LG
Saira
Teolein (70)
(25.11.22, 19:21)
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 Saira ergänzte dazu am 26.11.22 um 09:09:
Moin Teo,
 
doppelt „nicht“ heißt doch? :(
 
Ja, die Wilma, das ist `ne ganz Taffe! Sie trägt seither immer ein Mini-Rumfässchen um den Hals und auf dem Rücken ein Verbandskästchen  :)
 
Ich wünsche dir ein entspanntes Wochenende!
 
Liebe Grüße
Sigrun
r

Antwort geändert am 26.11.2022 um 09:11 Uhr

 AchterZwerg (26.11.22, 06:24)
Liebe Saira,
es war schon lieb von Wilma, dass sie dir erst eine Trage zurecht gezusselt und dich dann nach Hause gezogen hat.
Solche Hunde gibt es ja heutzutage kaum noch! ;)

Herzliche Grüße
aus dem Unterholz

 Saira meinte dazu am 26.11.22 um 09:10:
Liebes Zwergilein,
 
du hast uns doch nicht etwa beobachtet? :dizzy:
 
Ja, es war großes Glück, solch einen Hund noch zu bekommen! :D
 
Herzliche Grüße
Sigrun

 Dieter_Rotmund (26.11.22, 17:07)
Ist das vor der Erfindung der Hundeleine geschrieben?

 Saira meinte dazu am 26.11.22 um 18:21:
Wann die Hundeleine erfunden wurde, kann ich dir nicht sagen, Dieter, aber ich kann dir versichern, dass ich das vor deiner tiefblickenden Frage geschrieben habe. Vielleicht hilft dir das ja weiter.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 26.11.22 um 18:46:
Ich glaube, ich verstehe den Text nicht. Beschreibst du so eine Art Hasser von Wildschweinen etc., der seinen Hunde auf Frischlinge hetzt? Anders kann man es wohl kaum nennen, so fahrlässig ohne den Hund an der Leine in den Wald zu gehen...
Taina (39) meinte dazu am 26.11.22 um 19:03:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Saira meinte dazu am 26.11.22 um 19:07:
@Dieter Rotmund

Dieter, hättest du mir gleich deine Vermutung geschrieben, hätte ich dir antworten können: Bitte lies den Text in Bezug auf eine Leine noch einmal durch.
 
Ich vermute, du meinst folgenden Abschnitt:
 
Im letzten Jahr habe ich das erste Mal erlebt, was es heißt, Wildschweinen zu begegnen. Ich hörte von weitem bereits ein Schnaufen. Dann sah ich sie. Etwa fünfzig Meter entfernt lief eine Bache mit ihren Frischlingen durch den Wald. Wilma hatte sie glücklicherweise nicht entdeckt. Ich hielt den Atem an. Was tun, wenn Wildschweine, womöglich ein Keiler, auf dich zuläuft? Man sagt, man soll sich ruhig verhalten, weitergehen. Das wäre mit Wilma nicht möglich. Sobald sie ein Wildtier im Wald entdeckt, will sie hinterher. Ich würde die Kleine auf den Arm nehmen und mich hinter einem dicken Baum verstecken.
 
Wilma ist grundsätzlich angeleint! Sie würde sich aber nicht ruhig verhalten, sollten uns Wildschweine begegnen. Sie würde an der Leine ziehen, Geräusche machen. Die Wildtiere würden auf uns aufmerksam werden. Das meinte ich.
 
Ich bin eng mit der Natur und den Tieren verbunden. Niemals würde ich meinem Hund gestatten, andere Tiere zu jagen! Meine Einstellung zur Jagd und zu Jägern habe ich in meiner Erzählung „Sissy“ dargelegt. Andere Hundehalter, die ihre Hunde freilaufen lassen, verurteile ich aus den von dir genannten Gründen.
 
Dass ich mit Wilma angeleint durch den Wald laufe, kannst du auch in folgendem 4. Abschnitt nachlesen:

 
Mein rechter Arm war ausgestreckt und meine Hand mit der Leine und Wilma verbunden.

Ich hoffe, ich konnte das Missverständnis aufklären!
 
LG
Sigrun

 Saira meinte dazu am 26.11.22 um 19:07:
@Taina

Danke Taina!

LG
Sigrun
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