Mein Liebster!
Nachdem ich die traurigen toten Rosen der letzten zwei Wochen und die Grabkerze von letzter Woche, die brannte noch in ihren letzten Zügen, da kam ich gerade rechtzeitig, entsorģte, ich finde getrocknete, also verstorbene Rosen unglaublich furchtbar in deiner Vase, ging ich wieder zurück, steckte frische Rosen in die Vase und sah mir mit einem aufrechten, den Hals ausgestreckten Blick dein Nachbarumfeld an, die Gräber hinter dir.
"Wozu? Das fragte ich mich schon."
Wirst du gleich erfahren.
"Ich wusste, du führst etwas im Schilde! Ich kenne dich Laus!"
Nun, ich blickte rundherum und sah, dass viele Grabsteine umgeschmissen wurden.
"Traurig, ich habe es mitbekommen. Die waren nicht leise."
"Fad wird dir nicht, Besuch hattest du auch am Wochenende. Ein Weihnachtskranz ziert nun deinen Stein."
"Lieb, gell?"
"Entzückend!"
"Das war sicher deine Schwägerin. Aber, egal, auf jeden Fall, warum in die Ferne blicken, wenn das Gute so nah liegt!"
"Du hast doch nicht!"
"Doch. Gleich nach deinem Besuch."
"Nr.22, da liegst du und Nr.24, das ist nun meins!"
"Was kostet der Spaß heute?"
"1200, ohne Steinmetzarbeiten."
"Du hast doch kein Geld!"
"Für dich schon. Außerdem muss ich nur Reservierungsgebühr derweil zahlen."
Nun, es war so, dass ich mich eben umsah und plötzlich bemerkte ich den freien Platz in deiner Reihe. Ich strahlte. Und da beschloss ich, auf Döbling zu pfeifen, was nützt mir das schöne Platzerl, wenn ich hier besser aufgehoben bin, bei dir.
"Bei mir pfeift immer der Wind!"
"Freu dich doch!"
"Du hast es selbst bemerkt, dass es hier extrem kalt ist, kälter als sonstwo."
"Als ob du irgendwas spüren würdest."
"Du bist verrückt."
"Nein, liebend."
"Das sind Familiengräber."
"Die Bea hat sicher nichts dagegen."
"Hast du es ihr gesagt? Nein."
"Nein, die ist noch arbeiten."
"Bea, ich habe ein wunderbares Weihnachtsgeschenk für dich: Ein Familiengrab. Wir haben zwar schon eines in Gloggnitz, das ist hundsteuer, aber egal."
"Geh!"
"Cori!"
"Wer besucht mich dort? Niemand!"
"Wer besucht einen schon länger?"
"Ich besuche dich!"
"Jetzt!"
"Immer!"
"Jetzt!"
"Ich diskutiere mit dir nicht!"
Hey, R., das ist ein Brief, keine Diskussion.
"Schau, 60% lassen sich bereits verbrennen, sie lassen reihenweise Gräber auf und ich lasse mich eben von den Würmern fressen."
"Wolltest du nicht ein Bäumchen und verbrannt werden?"
"Ja. Ist eben jetzt anders."
"Warum denkst du über das Sterben nach? Muss ich mir Sorgen machen?"
"Nein. Aber, ich werde nicht alt, dazu bin ich nicht glücklich genug."
Jetzt muss ich sparen, dachte ich, während ich unterschrieb, ich möchte auch eine Steinplatte, aber eine schöne.
"Ich muss deinem Bruder schreiben."
"Wozu?"
"Er ist 80. Ich werde euer Grab übernehmen, wenn die 10 Jahre Bezahlung vorbei sind."
"Wir haben genug Geld. Mein Bruder macht das schon."
"Ich werde es trotzdem übernehmen. Ihr habt alle keine Kinder. Ich war deines, zumindest, bis dir die Hormone zu Kopf stiegen."
"Cori..."
"Ich frage ihn, wie er das regelt. Ich will ihn doch sehen. Er hat dich bis zum Schluss gepflegt. Ich will ihm Danke sagen."
"Cori...mein Bruder ist anders als ich. Das habe ich dir x-fach gesagt."
"Nein. Wenn es darauf ankommt, ist er da, so wie du für mich da bist."
"Hallo, Frau Nachbarin. Ich hoffe erst in 40 Jahren, frühestens!"
"Schau ma mal."
"Außerdem, denk nicht an mich, es gibt ja noch die Mutter!"
"Um Gottes Willen, habe ich keinen Frieden?"
Ha ha ha, sorry!
"Wenigstens kann sie mich nicht mehr um Geld anschnoren."
Nein, Süßer, ihr seid dann beide mittellos.
"Kommst du am Samstag?"
"Nein. Ich habe dir eine 7-Tage-Kerze angezündet."
"Schade."
"Ich hab ein Kind, weißt du, da muss ich Vorbereitungen machen."
"Liebst du sie sehr?"
"Mehr als mein Leben."
"Du bist eine liebe Tante."
"Ich versuche es zu sein."
"Ich sehe dich noch mit Daniel im Hof herumschreien. Ihr habt immer gestritten, ihr Zwei!"
"Aber, wir haben uns gern gehabt. Er konnte nie verlieren, daher die Streitigkeiten."
"Tja, dann kam R. um die Ecke und du hast begonnen eine junge Dame zu sein."
Seufz.
"Die Zeit vergeht, Kleines."
"Ad Daniel, das war der Beweis, kein Mann erträgt dich auf Dauer."
"Ich ertrage mich ja selbst kaum."
"Wieso hast du soviel in diesen Langweiler investiert?"
"Wen meinst du?"
"Den B., oder wie der heißt."
"Oh, ich war verliebt."
"Deppert warst du."
"Was dasselbe bei dir ist."
Der Herr kann es schon wieder.
Am Friedhof blies der Wind kalt. Geschäftiges Treiben der Gärtner. Ich ging in das Verwaltungsgebäude. Man legte mir den Plan auf den Tisch. Ich sagte: "Das."
Das bekam ich. Eigentlich meine Mutter zuerst. Ich bin ihr nichts schuldig. Sie ist mir nichts schuldig. Es war eine Geste für mich. Für mich ganz alleine.
"Wirst du es ertragen können, uns beide nebeneinander zu sehen?"
"Meinst du tot?"
"Ja."
"Nein."
"Du liebst sie noch immer, trotz allem?"
"Jede Sekunde meines Lebens, aber das weiß niemand."
"Frohe Weihnachten, kleine Beutelratte."
"Frohe Weihnachten, mein Lieber."
Ich ging langsam weg. Drehte mich nocheinmal zu 35F um und sagte laut: "Frohe Weihnachten euch allen. Und passt mir ja auf meinen R. auf, der neigt zu Blödheiten anstellen."
Ich lächelte.
Beim Ausgang drehte ich mich nochmals um und sah auf die vielen Gräber, die unzählige Weihnachtsbäumchen stehen hatten. Ich dachte an viele Feste ohne ihre Liebsten, wünschte den Lebenden nochmals Alles Liebe.