weihwasser

Lyrischer Prosatext

von  Redux

kurz vor der bescherung am heiligen abend

ging ich, der älteste, mit meinem vater

alle räume des hauses ab; wir segneten diese

mit weihwasser, in seiner hand ein zweig buchsbaum,

den er in die schüssel tunkte, die ich in meinen händen hielt,

selbst das wohnzimmer, das kerzenlichtduchflutete,

mit geschenken gefüllte, betraten wir, in dem zuvor

das christkind leise und unerkannt zu besuch war,

draußen war alles so still, selbst der hund bellte nicht,

nur die sterne waren am himmel, so wie sie immer waren,

aber ihr glanz war anders, alles war eine große erwartung,

das herz war berauscht von einem nicht zu fassenden glück,

einem glück, so glücklich, dass einem angst und bange wurde,

danach war alles laut, voller geschenkpapier und lametta,

michel aus lönneberga, david copperfield, ebenezer scrooge,

festessen am ersten und zweiten tag, onkel und tanten,

rauchend und saufend, bellende hunde, einer mama

im fulltimejob als multiweihnachtsarbeitskraft, die ich dann

einmal am ende der festtage heulend auf der toilette überrraschte,

die mich schnell tröstete und lachend sagte, alles sei gut,

um dann wieder schnell zu vergessen, alles wurde

ja immer wieder gut, auf dem küchenschrank

die flasche mit dem weihwasser, still und streng

blickte sie, von oben herab, wie ein gläserner wächter

durch das aufziehende jahr



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Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(20.12.22, 09:27)
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 Redux meinte dazu am 20.12.22 um 18:02:
Es scheint so, als spielten sich gewisse weihnachtsspezifische Dinge überall so oder ähnlich ab....vielen dank, Taina

 minze (20.12.22, 11:06)
Neben der Sprache (klaro) gefällt mir hier außergewöhnlich die Dramaturgie, die Dynamik der inhaltlichen Gestaltung, durch die dann ein Gefühl, eine Irritation im Gesamten durch scheint.

 Redux antwortete darauf am 20.12.22 um 18:03:
Vielen Dank, liebe Minze, ja irritierend, wie so oft im Leben....smile

 Graeculus (20.12.22, 14:51)
Der Anfang ist dermaßen idyllisch, das kann ja nicht gutgehen. Habe ich mir gedacht. Zu schön um wahr zu sein.

 Redux schrieb daraufhin am 20.12.22 um 18:04:
So ähnlich ist es denn ja auch formuliert....seufz

 diestelzie (20.12.22, 18:07)
Sehr realistisch beschrieben. Dabei sollte es doch das perfekte Fest werden!

Liebe Grüße
Kerstin

 Redux äußerte darauf am 21.12.22 um 07:39:
Ja, das soll es immer werden. Vielleicht ist das gerade das Problem und dass es gerade aus diesen Gründen oftmals nicht wird. LG Redux
Jarina (33)
(20.12.22, 19:49)
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 Redux ergänzte dazu am 21.12.22 um 07:40:
Danke, Jarina....wir haben den kleinen Lord vergessen...smile
wa Bash (47)
(20.12.22, 22:08)
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 Redux meinte dazu am 21.12.22 um 07:41:
Vielen Dank, wa bash, ja, den könnte ich auch verschieben....
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