A. G. Dugin: Die Evolution der paradigmalen Grundlagen der Wissenschaft

Text zum Thema Tradition

von  Terminator

Von Nicolás Gómez Dávila wissen wir, dass Aktualität der Gipfel der Bedeutungslosigkeit ist. Damit ist auch erklärt, warum Philosophen, die aktuell sein wollen, bedeutungslos sind. Dugin ist einen anderen Weg gegangen: schon in seinen 30-ern las er die Klassiker der philosophischen Kritik der Moderne, und schrieb mit knapp 40 dieses genuin philosophische Werk.


Die paradigmalen Grundlagen der allgemein ontologischen Weltanschauung sind die Sphäre, der Pfeil und die Strecke. Da die Wissenschaft nicht im noologischen Vakuum existieren kann, ist sie zu jeder Zeit an das vorherrschende allgemeine Paradigma gebunden. Die traditionelle Weltanschauung ist holistisch, die soteriologische ist ein Pfeil von der voluntaristisch gedachten creatio ex nihilo bis zur Erlösung und die moderne eine Strecke, insofern dass in der Tradition alles im Weltganzen aufgehoben ist, in der Heilsgeschichte der Dualismus von Sein und Nichts vorherrscht, und jedes Leben oder Dasein in der Moderne als eine diskrete Strecke erscheint, die nicht in einem größeren Ganzen oder höheren Sinn aufgeht, sondern sich in der Kontingenz erschöpft.


So missverstehen wir den wahren Sinn der Lehren antiker Philosophen, wenn wir sie, ohne es zu wissen, aus dem holistischen Paradigma in unsere materialistisch-mechanische Weltanschauung übersetzen. Interessant ist auch, dass es nicht einfach die Dichotomie Tradition vs Moderne gibt, sondern das Paradigma des heilsgeschichtlichen Dualismus weder der Tradition angehört noch modern ist. Wer die Welt als eine harmonische Sphäre betrachtet, findet andere Anfangsgründe der Wissenschaft als jemand, für den diese Welt nur ein Ort der Bewährung auf dem Weg ins jenseitige Paradies oder in die Hölle ist. Vom Individuum als Subjekt ausgehend, und Wissenschaft mit instrumenteller Messbarkeit und manipulativer Machbarkeit gleichsetzend, hat eine Kultur entsprechend einen anderen Begriff von Wahrheit, Beweis, Begründung usw.


Vom Holismus bis zum Reduktionismus findet, nach moderner Vorstellung, eine Evolution der Wissenschaft statt: nach Comte ist das traditionelle (religiöse) Paradigma naiv, und wird vom philosophischen, und später vom "wissenschaftlichen" abgelöst. Die dadurch bewirkte Entzauberung bzw. Dekonstruktion der Welt wird als wissenschaftlicher Fortschritt gefeiert. Und da das Ziel der modernen Wissenschaft in ihre technologische Anwendbarkeit gesetzt wird, beurteilt der moderne Mensch das mittelalterliche oder antike Wissen nach dem, zu welchem technischen Entwicklungsstand es jeweils geführt hatte. Christlich oder allgemein soteriologisch gesehen, ist es kein Unterschied, auf einem Düsenjet oder auf einem Pferd den Ort des Seelenheils zu erreichen. Holistisch betrachtet, ist die moderne Welterkenntnis in letzter Konsequenz eine Weltvernichtung.


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