Der Herr Leopold, ihn gibt es nicht mehr, hielt sich immer mit dem linken Zeigefinger das linke Augenlied und verstanden haben wir es nicht. Daniel sagte: "Sonst springt ihm das Auge heraus!" Ich glaubte das und fand die Antwort plausibel. Später, viel später im Spital, da sah ich in der Osteo-Schicht, die grausamsten Dinge, wusste gar nicht, dass es sowas gibt, wie zum Beispiel eine Frau ohne Unterkiefer, die Zunge war so lang, sie sah aus wie eine Echse. Sie bekam eine Rekonstruktion des Unterkiefers. Aber, ich sah auch Menschen ohne Augen, die Höhlen wurden zugenäht, ich erinnerte mich an Herrn Leopold. Man kann und will sich gar nicht vorstellen, wie es ist, auf zugenähte Augenlöcher zu sehen, ein Horrorfilm ist harmlos dagegen.
Auch Menschen ohne Nase sah ich, aber zurück, das ist zu grausam.
Die Elli kämpfte hingegen immer mit ihrem Gewicht und trat den Weight Watcher's bei. Sie blieb dick. Und, der Xandi, der hatte immer nur Modellflugzeuge in der Hand, die aber wirklich groß und toll waren.
Daniels Vater, der auch nicht mehr unter uns weilt, der saß im Eck und bastelte Modellschiffe, die waren toll. Einmal war er nicht da und Daniel und ich wollten auch etwas basteln, er holte den Kleber vom Schreibtisch und klebte sich die Finger zusammen, das war nämlich ein Sekundenkleber, dann musste er in die Notaufnahme und danach wurde er verprügelt, weil er etwas nahm, das ihm nicht gehörte. Die Hände saßen überall locker. Bei uns auch und als der Papa nicht mehr da war, machte sich die Mama nicht die Hände schmutzig und nahm die Hundeleine.
Da stand dann irgendwann der Herr Leopold vor der Tür, der war mal Polizist, sagte zu Mama, dass sie damit aufhören soll, sonst holt er die Ex-Kollegen, das "Kollegen" sagte er lauter.
Daniel fragte: "Und? Hielt er sich das Auge?" Ich nickte, das vergaß er nicht, als er sprach. Daniel sagte: "Schade, sonst hätte er ein Auge auf deine Mama geworfen, die ist ja fesch!"
Aber, die Mama nickte, schloß die Türe und am nächsten Tag fand sie wieder einen Grund, den fand sie immer, dann schrie ich noch lauter, absichtlich, damit die Ex-Kollegen kämen, aber die kamen nie. Schlussendlich biss sie unser Setter, dem reichte das Spektakel, dann erst hörte sie endgültig damit auf.
Der Daniel wurde aber weiter geschlagen, der war nämlich "zu blöd für Alles!"
Zu mir war sein Papa immer lieb, er sagte: "Prinzessin" und nahm mich sogar in den Keller des Burgtheaters mit, das war ein Heizraum und zeigte mir das ganze Theater, seinen Arbeitsplatz, dem Sohn nie. Er war auch lieb zu seiner Tochter. Als er starb, da sagte seine Frau: "Der war ein guter Mann!"
Ich sagte: "Der hat dich permanent geprügelt!" Sie sagte: "Das hat er nicht böse gemeint."
Später, viel später, im Spital, da sah ich viele Frauen, auch hochschwangere, deren Männer hinterher gingen, die hatten auch blau-lila Veilchen am Auge. Die haben das alle nicht böse gemeint, niemand.
Der Herr Leopold hat es zumindest versucht, lieb zu sein. Die Anderen waren einfach nur da.