Ferngespräch

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von  TropicalDejaVu

Ferngespräch



Heute Abend haben wir telefoniert und du hast mich gefragt, wie das denn wäre mit dem Mond. Ich habe lange nachgedacht, so als verfärbe sich der Himmel. Du hast mir erzählt, dass die Heringsschwärme ihre silbrigen Rücken auf eine Wolke reflektieren wenn sie dicht unter der Wasseroberfläche schwimmen: blinzelst du, ist es vorbei.

Dann sagen wir solche Dinge:

Wir führen Ferngespräche und müssten uns nah sein.

Geschehen Wolken oder Wind, oder werden geträumt, und Regen – Regen auch?

Und wie kam Sweeny auf die Bäume?

Wir sagen: in den Toiletten des Philosophenturms funktioniert seit einem halben Jahr das Licht nicht mehr. Möglicherweise ist der Hausmeister auch Philosoph.

Du hättest gerne ein Foto von Clint Eastwood.

Wochen sind beharrlich wie Kiesel. Und am Ende malt der Morgen warme Kurven.

Wir waren uns nah und mussten Ferngespräche führen.

Du fragst: geht es dir gut?

Ja, danke, es geht mir gut. Ich komme jeden Tag und leere die Post. Ich denke an die Katze und auch an die Blumen und ich spreche nicht, denn es ist niemand dort, mit dem ich sprechen könnte.

Wir führen Ferngespräche und müssten uns nah sein.

Am Ende sind die Kornfelder immer wieder Kornfelder, nach dieser Feststellung lächeln wir, schließlich gehen wir lange im Kreis bevor wir geradeaus gehen, da schmunzelt, schmatzt die Leitung, nicht mehr die Stadt, von außen kalt, den Traum im Bauch, Elektrokabel, Frittenfett, Litfaßsäule: Mannequin und Käfer, Kleckse, Sterne; da knackt die Leitung, du sagst Hallo, verschwindest kurz, wie damals aus meinem Leben, und ich höre meine Stimme auf einem Kornfeld erschallen oder auf dem Meeresgrund.

Ich höre mich sagen, dass ich nun wüßte wie das wäre mit dem Mond, dass der, der über dir ist, derselbe ist wie der jetzt über mir, und ich denke: merkwürdig ist das schon, doch angenehm, es lohnt sich, gestatten Mond sagt da der Mond und lächelt Sicheln mit jubelndem Juchhe den Sternen entgegen und weit entfernt von allem schon.

Die Leitung antwortet mit einem Sinuston. Flatline.

Elektrokabel, Frittenfett.

Der Mond ist also weiterhin Mond.

Das Kornfeld sagt: was ist denn schon passiert und ist weiter Kornfeld.

Wir sind uns nah und führen Ferngespräche.

Ich denke an deine Knopfaugen. Und was das Leben sonst so ist: ein wenig Laub, ein Vogel, der in nassen Zweigen singt. Kirchturmglocken von weitem.

Wir waren uns nah und führten Ferngespräche.

Der Mond ist jetzt gegenüber. Die Sterne sind nicht ausgereift. Hängen vom Himmel herab wie leise Tropfen.

Und unten am Fluß, unter den Linden dort am Geländer, tauchst du manchmal aus den Schatten hervor und tauchst mit ihnen wenn sie gehen.



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Kommentare zu diesem Text


 uwesch (31.12.22, 14:59)
Ein sehr kreativer Text, den ich gern gelesen habe.
Willkommen hier bei KV und dann ein neues Schreibjahr mit interessanten Texten.  LG Uwe

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 07.01.23 um 15:16:
Wenn kreativ bedeutet, dass man einen Haufen Metaphern und wolkige Formulierungen in einen Topf wirft, diesen kräftig umrührt und dann ungeordnet auf's Papier kippt, ja, dann ist das ein kreativer Text.

 Wortröster (14.02.23, 14:53)
Bringt interessante Gedanken hervor. Dankeschön.

 TropicalDejaVu antwortete darauf am 15.02.23 um 11:54:
Lieber Wortröster

Vielen Dank für die netten Worte!
Einen schönen Tag wünsche ich...

Viele Grüße

TropicalDejaVu
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