Die vielen Welten der Quantentheorie

Kurzprosa zum Thema Welten

von  Terminator

Wenn die mathematische Darstellung der Realität mit Wahrscheinlichkeitswellen arbeitet, die physische Realität aber deterministisch ist, dann entspricht jedem Wahrscheinlichkeitspeak jeweils eine Welt. Solcherlei Ereignisse, die die Anzahl der Universen vermehren, passieren dann quadrilliardenfach pro Sekunde, wenn nicht noch öfter.


Konsequenz: Alles, was passieren kann, wird passieren. Alles, was passieren konnte, ist bereits passiert. Die Universen sind alle gleich real, auch das Univerum, in welchem Hilter den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat, Jelzin beim Wahlkampf von 1996 gestorben ist oder ich diesen Text nicht geschrieben habe.


Für dich heißt das, du hattest Grenzwert Unendlich Mal Sex mit Putin, bist unzähligmals vor deinem 9. Geburtstag verunglückt, es gibt dich in unzähligen Versionen als Nazi, egal wie linksgrün du in dieser Welt bist. Welches deiner Iche ist icher? Sie werden sich niemals treffen, d. h. es kann dir kackegal sein, dass viele von dir in Paralleluniversen in der Latrine ertrunken sind, und mordsegal, dass viele Varianten von dir Serienkiller sind.


Wenn die Quantenphysik bzw. z. Zt. nur die Quantenmathematik zu potenziell unendlich vielen Paralleluniversen führt, sind die konkreten Folgen für unsere Auffassung von Weltordnung, Moral und Schicksal kontraintuitiv. Sie können nicht schon deswegen unmöglich sein. Spielt das Bewusstsein bei der Frage, ob die vielen Welten real sind, eine Rolle, oder ist das Bewusstsein in jedem dieser unzähligen Paralleluniversen nur ein Epiphänomen der Quantenprozesse?




Weil es so lustig ist: Quntenincels


Nehmen wir an, du bist ein Incel und stalkst Emma Watson, seit sie 14 geworden ist. Du bist nicht bloß involuntarily celibate, sondern du wünschst dir eine sexuelle Beziehung mit einer bestimmten Person: nur Emma Watson ist dir gut genug. Laut dem aktuellen Stand der Quantenphysik ist es möglich, dass es unendlich (bzw. unvorstellbar viele mit dem Grenzwert Unendlich) viele Universen gibt, die alle gleich real sind. Es sind so viele, dass in unzähligen davon auch du existierst: nicht dein Doppelgänger, sondern du selbst, nur dass jedesmal deine Realität eine andere ist.


In vielen Paralleluniversen hattest du Sex mit Emma Watson. Also hör auf, dich einen Incel zu nennen: du hattest nicht bloß Sex, sondern sogar mit deiner Traumfrau! In vielen Welten bist du mir Emma Watson zusammen, ja du hast sogar an ihrer Seite den Harry Potter gespielt, ja Emma Watson hat sogar, um dir diese Rolle zu beschaffen, Daniel Radcliffe von einem Auftragskiller ermorden lassen als Vierzehnjährige! Du hast in vielen Welten Kinder mit Emma Watson, ihr habt euch sogar auch schonmal scheiden lassen. Es gibt sogar ein Paralleluniversum, in dem Emma Watson von der Golden Gate Bridge in San Francisco in den Tod gesprungen ist, nachdem sie dich mehrere Jahre erfolglos gestalkt hat.


Doch was bringt dir das Wissen, dass es jedesmal du warst, so real in den unzähligen Paralleluniversen wie du für dich selbst in diesem bist? Du hast unzählige Traumleben gelebt, warst mit deiner Traumfrau zusammen, ja du warst sogar angesichts der unendlichen Wiederholung der endlichen möglichen Teilchenkombinationen schon mit jeder Frau auf der Welt einmal zusammen. Bist du überhaupt noch ein Incel, wenn es ein Paralleluniversum gibt, in dem du mit 10000 Frauen Sex hattest, und zwar mit den 10000 attraktivsten Frauen der Welt?


Selbst wenn dem so ist was bringt dir das? Du wirst niemals die Rollen mit einem deiner Parallel-Ichs tauschen können. Ist das ein Grund zum Verzweifeln oder ein Anlass, das Leben mit all dem Wissen locker zu nehmen? Es existieren deine unzähligen Ichs, die nie über Paralleluniversen nachgedacht haben, und auch unzählige von dir haben darüber nachgedacht: einige sind verzweifelt, nicht an der Stelle eines der glücklicheren Ichs zu sein, andere sind heiter geworden und nehmen das Leben nicht mehr so ernst. Und du?



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (10.01.23, 23:44)
Das mit der Vielweltendeutung der Quantenmechanik hat auch mich sofort gepackt, als ich davon gehört habe. Das war dann allerdings etliche Jahre nach der Publikation von Everett und DeWitt. Man muß freilich sagen, daß das nur eine mögliche Interpretation der experimentellen Befunde unter anderen ist, u.a. neben der Kopenhagener Deutung von Niels Bohr.

Wie auch immer - der Gedanke ist erschütternd: Wir überlegen und überlegen, wie wir uns in einer Situation entscheiden sollen, dabei passiert sowieso alles! Jede Möglichkeit ist real in je einem Universum. Ja, warum überlegen wir dann so lange?

Ich weiß, Du magst die Angelsachsen nicht so in der Philosophie; aber David Lewis hat ein berühmtes Buch geschrieben, in dem er die  Vielweltentheorie mit sprachanalytischen und logischen Argumenten beweisen will: "On the Plurality of Worlds". Seine - sozusagen ontologische - These ist genau diese: Alles, was logisch möglich ist, ist auch real in irgendeinem Universum. Alles! Dabei ist seine Argumentation wirklich klug.

 Terminator meinte dazu am 10.01.23 um 23:52:
Ich habe in den letzten 20 Jahren Bücher über dieses Thema absichtlich ignoriert.
der Gedanke ist erschütternd: Wir überlegen und überlegen, wie wir uns in einer Situation entscheiden sollen, dabei passiert sowieso alles!
Genau deswegen! Wenn man das ernst nimmt, warum überhaupt noch irgendetwas tun, warum morgens aus dem Bett aufstehen?


Es gibt durchaus Bereiche der Philosophie, in denen die Angelsachsen führend sind, da nehme ich sie auch ernst. Den Australier David Chalmers z. B. Die letzten 50 Jahre der philosophischen Aufarbeitung des Quanten-Multiversums werde ich nun nachholen, z. Zt. lese ich Brian Greene "Die verborgene Wirklichkeit: Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos" (2012, hätte ich schon damals lesen können).

 Graeculus antwortete darauf am 11.01.23 um 00:01:
Brian Greene, Teufel auch, schon wieder ein Buch, das ich mir besorgen muß. Paul Davies hat über dieses und viele andere naturwissenschaftliche Themen mit philosophischer Bedeutung gute Bücher geschrieben.

 Graeculus schrieb daraufhin am 11.01.23 um 00:02:
Bisher halte ich es so, daß ich den parallelen Graeculus im Bett lasse und selber (?) aufstehe. Der Sinnfrage widme ich mich grundsätzlich erst nach der ersten Tasse Tee; er mag das anders halten.
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