Daddy Issues

Essay zum Thema Selbsthass/verletzung/mord

von  SebastianAumann

Mal Abseits des Abgrunds,

erschoss sich Hunter S. Thompson an einem Sonntagnachmittag. Kurt D. Cobain an einem Dienstag über seiner Garage in Seattle.

Dieser Dienstag war der 31. Geburtstag meines Vaters, der fünf Jahre und ein paar zerquetschte Monate später – wenn mich meine Quellen nicht trügen, an einem Donnerstag – , im Krankenhaus verendete, nachdem er selbst den Weg aller Trottel, die's im Fleisch nicht aushalten, gegangen war.

Thompson hat beide überlebt, Cobain und meinen Vater. Selbst zusammen wären die beiden immer noch 4 Jahre jünger gewesen als Hunter. Ironischerweise war der Sonntag an dem sich Thompson erschoss der 20. Feburar, Cobains Geburtstag. Allerdings 11 Jahre nachdem Cobain seinen letzten Geburtstag erlebt hat. 6 Jahre nach dem letzten Geburtstag den mein Erzeuger erlebte. Aber rechnen, wird der verehrte Leser ja noch selbst können.

Und jetzt? Ich nenne einen wie den anderen ein dummes Arschloch und finde ich hab jedes Recht dazu. Ich lese die Abschiedsbriefe, auch jetzt x-Jahre später noch. Zumindest die derer, die genug Anstand hatten einen zu verfassen.

Der von Thompson gefällt mir besser, als der von Cobain. Weniger Worte, weniger Pathos, weniger Gejammer.

Football season is over:

No More Games. No More Bombs. No More Walking. No More Fun. No More Swimming. 67. That is 17 years past 50. 17 more than I needed or wanted. Boring. I am always bitchy. No Fun — for anybody. 67. You are getting Greedy. Act your old age. Relax — This won’t hurt.

Wirklich beeindruckend und auf den Punkt. Nennt mich Captian Hindsight, aber ich bilde mir ein aus diesen letzten Worten das, auch mir, altbekannte Gefühl herausquellen zu spüren, das mit derartigen Vorhaben und Überlegungen einhergeht. Er brachte die Sache hinter sich wie ein verurteilter Revolutionär zum Schafott schreitet. Sicheren Schritts, ohne große Umschweife und Aufhebens, aus dem Wissen heraus, dass dies der nächste notwendige, konsequente Schritt ist. Zumindest stelle ich mir das so vor.

Cobain hielt sich nicht so kurz, als dass ich seine abschließenden Worte hier in Gänze wiedergeben könnte, endete aber auch stark mit seinem Neil Young Zitat: „It´s better to burn out, than to fade away.“

Der einzige, der es nicht geschissen bekam ein paar Zeilen zu hinterlassen, war der meinige Volldepp. Aber da mir das selbst erst 16 Jahre auffiel und ich davon ausgehen muss, dass es bei ihm nur eine fehlgegangene Aufmerksamkeitsaktion war, muss ich ihm das wohl nachsehen. Würde schlussendlich auch nichts helfen, ihm das übel zu nehmen.

Um das an dieser Stelle nochmal klarzustellen: Ich glaube an ein Recht auf Suizid. Sterbehilfe, wegen mir. Es ist das eigene Leben und wie man damit umgeht, kann einem keiner vorschreiben. Ich glaube aber auch, dass jeder der von einem Suizid betroffen ist – und die Betroffenen sind immer die Hinterbliebenen, nicht der Überdrüssige –, das Recht hat den Verschiedenen ein Arschloch zu nennen.

Für die Bezeichnung „Dummes Arschloch!“ sind für mich alle drei qualifiziert, da sie alle Kinder hatten. Cobain und mein Alter zudem noch junge Kinder. Und auch Thompson kommt mir nicht davon. Selbst wenn sein Sohn schon 40 war, war er im selben Haus, als Hunter den Hahn spannte. Nicht nur das Hunters Sohn im Haus war, als es passierte. Sogar sein Enkel war vor Ort und das scheint mir nicht Okay.

Selbst wenn ich mich in dieser fatalen Hoffnungs- und Sinnlosigkeit wiederfinde und es scheint, als würde kein Sonnenuntergang der Welt, keine Liebe, kein Erfolg und keine Aussicht auf bessere Tage, auch nur im mindesten, irgendetwas retten könnte. Ich kam noch nie auf die Idee mich in der Nähe meiner Liebsten umzubringen. Shame on you, Mister Thompson. Kudos, Mister Cobain. Was wiederum die Wahl des Zeitpunkts angeht, möchte ich das Statement umdrehen.

Trotzdem hab ich mit beiden wenig gemein. Ich hab nicht das Talent, ich habe nicht den Willen. Ich habe lediglich mit ihren Kindern was gemein.

Vielleicht macht mir der Gedanke daran selbst Kinder zu haben auch deshalb Angst. Zum einen weiß ich nicht wie man sich als Vater aufzuführen hat, zum anderen weiß ich, dass mit der Geburt meines ersten Kinds auch mein Notausgang versperrt wäre.

Mit Nietzsche: „Der Gedanke an den Selbstmord ist ein starkes Trostmittel: mit ihm kommt man gut über manche böse Nacht hinweg.“. Wobei ich auch meine das mal so oder so ähnlich bei Bukowski gelesen zu haben, kann ich das Zitat nicht mehr finden. Was ja auch gar nichts zur Sache tut, nur wieder mal das Mysterium meiner Geschmacksempfindung ins Sterbenslangweilige degradiert. Wenigstens die Beiden hatten die Höflichkeit, keine Kinder zu zeugen, bzw. das Leben ihre Drecksarbeit machen zu lassen.

Was willste da noch sagen?

Das Leben zwingt einen jeden von uns auf Kurz oder Lang in die Knie, was aber noch lange kein Grund ist sich hinzulegen und es ihm noch einfacher zu machen.

Selbst der hirnverbrannte und von Syphilis verfressene Nietzsche sah noch zu geistestüchtigen Zeiten ein: „Es ist ein Gradmesser von Willenskraft, wie weit man des Sinnes in den Dingen entbehren kann, wie weit man in einer sinnlosen Welt zu leben aushält: weil man ein kleines Stück von ihr selbst organisiert.

Dieser verfluchte, wunderbare Diamant von einem Trottel!

Was willste da machen? Machste Nix.

Sagt euch euer persönliches suizidales Arschloch, der Sohn eines dummen Arschlochs.







Anmerkung von SebastianAumann:

Entnommen aus der monatlichen Kolumne "Mal Abseits des Abgrunds..."  bei der Reinschmeisser.com - (https://derreinschmeisser.com/kolumnen-2/name-der-kolumnne-folgt/)

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