Das hat nichts mit dir zu tun: Geburtstag, Frühling, Rilke, Rodin...

Lyrischer Prosatext

von  theatralisch

Heute Morgen im Bad ist mir ein Text oder etwas in der Art eingefallen. Er trägt den Titel: Das hat nichts mit dir zu tun.

Alles hat nichts mit mir zu tun. Der Kuchen im Ofen an meinem 15. Geburtstag nicht. Oder... In Gedanken habe ich diesen Text noch weiter geschrieben, doch jetzt merke ich, dass ich zu müde bin. Insgesamt sehr müde.

Aber eine Antwort gibt es immerhin. Also fragen wir Mutter: Warum hat ein Kuchen im Ofen an meinem 15. Geburtstag nichts mit mir zu tun?
Mutter: Ich wollte nur mal wieder backen.

OK. Das ist ohnehin surreal, kurios...wenig greifbar. Das ist wie mit den Wolken, die einer auch nicht zu fassen bekommt.

Habe ich einen Wunsch frei? An meinem nächsten Geburtstag (er ist bald)? Ich wünsche mir, dass ich mir etwas wünschen kann. Dass es jemanden gibt, von dem ich mir etwas wünschen kann. Einfach so. Bedingungslos. Und auch nicht wegen bedenklicher Abwehrmechanismen in Richtung Selbstbeweihräucherung dieses Menschen.

Wenn jetzt dann im Frühling die Vögel wieder zu singen beginnen, habe ich oft schon Geburtstag gehabt. Vielleicht schneit es dann noch mal und ich male eine Blume in den Schnee. Meistens eine Rose.

Und wenn diese Zeit vorbei ist: Geburtstag, Schnee, Frühblüher wie gelbe Narzissen, erstes Mal Rasen mähen..Kommt der weitaus stärkere Sommer heran: Heller (Sommerdreieck, Haare), wärmer (Neigungsgradzahlen), lauter (Musik, Donner), aber auch partiell dunkler (Haut), kälter (Getränke) und leiser (Schuhe).

Und so weiter. Das ist die Welt. Wenn wir wollen, können wir uns darüber immer freuen: Über jede Jahreszeit, über jeden einzelnen Tag. Auch wenn alles einmal aufhört und dann wieder von vorne beginnt. Doch gerade der Frühling steckt voller.. : In Gedichten ist oft vom Wunder die Rede -
"Alte Wunder wieder scheinen
Mit dem Mondesglanz herein." (Joseph von Eichendorff)
"Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut." (Rainer Maria Rilke)

Ja, gerade Rilke finde ich wundersam. Im positiven Sinne. Er ist einer meiner Lieblingsdichter, weil er gleichzeitig schlicht (der Inhalt weicht vor der Form zurück) und imposant schreibt. Wenn einer sich etwas mit den Gedichten beschäftigt, sind sie (selbstredend) nur noch imposant. Etwa das wohl bekannteste (Dinggedicht) "Der Panther": Der Bezug zu Rodin. Rilke schrieb über Rodin, bewunderte ihn - "dass seine Werke nicht herausschauen, nicht von irgendeinem Punkte her persönlich sich an einen wenden wie zu einem Gespräch, sondern immer Kunst bleiben." Der Panther sei wohl das erste Ergebnis der Überwindung lyrischer Oberflächlichkeit, bei der ihm Rodin geholfen hätte. Stefan Zweig schrieb in einer Rezension:" Mit diesem beispiellos intensiven Betrachten umreißt er nicht mehr die Gegenstände, sondern er dringt in sie ein, durchmeißelt sie, und nicht mehr der Malerei ist nun seine Kunst genähert, sondern der Plastik."

Aus "Der Panther":

"Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe,
und hinter tausend Stäben keine Welt."



Anmerkung von theatralisch:

Was sagt ihr dazu?

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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (25.01.23, 12:39)
Das Wetter ist tatsächlich gräulich, kaum Sonne. Winde ziehen umher, wie eiskalte Gespenster, um Wärme aus den Menschen zu saugen. Die Winterwinde ernähren sich von uns, sie kühlen und ab und entnehmen uns die Wärme und tragen sie - wer weiß wohin. 

Die Erkenntnis der vier Jahreszeiten ist ja fundamental, man könnte meinen, dass wir in einem Programm leben, das sich ewig wiederholt. Frühling, Sommer, Herbst, Winter. 

Wobei es auch Ecken auf der Welt gibt in denen nur Sommer oder Winter herrscht; bsp. Alaska oder Hawaii. 

Schaut man sich die deutsche Poesie aus dem 19 Jahrhundert an, so finden wir hauptsächlich Naturpoesie oder die liebespoesie. Erst mit der Industrialisierung kam die Schwermütigkeit der Seele, kam der Bruch in der Anschauung des Dichters auf die Welt. 

Maschine, technischer Fortschritt waren für viele ein Fremdkörper in ihrem Leben. Rilke flüchtete sich nach Italien.  Er war zu sensibel für eine Welt, die im Umbruch lag. Goethe schied von der Welt, als die Industrialisierung begann, wie als ob er keine Lust auf Maschinen hatte, wobei er gern seinen zweirädigen Ferrari“ fuhr. 

Zudem war die Industrialisierung vielen auch unheimlich. Daraus gingen arbeitende Kinder und Menschen mit russschwarzen Gesichtern heraus wie Dämonen aus einer Hölle. 

Nach Italien flüchtete Rilke, dorthin wo die Zitronen blühen. Dort ernährte er sich weniger von gegenwärtigem Italien, sondern von einem Italien, das weitaus früher in der Vergangenheit liegt. 

Aufrufe an Orpheus, an den Panther sind Rufe nach dem Ursprung der Menschheit. Zum weiteren Male wird die Knechtschaft in die Dichtung eingearbeitet, zum weiteren Male die Epoche der Romantik heraufbeschworen. 

Salve

 theatralisch meinte dazu am 25.01.23 um 12:55:
Genau. Ich verstehe das alles zu gut. Ich kann nur mit Ursprünglichem was anfangen. Aber meine Nicht-Depression ist halt jetzt eh schon manifestiert. Dieses Gefühl und Bewusstsein. Älterwerden ist da quasi unmöglich.

Ich will also nicht mal mehr flüchten. Vor nichts und niemandem. Vor ca. 10 Jahren vielleicht oder früher war das noch das komplette Gegenteil. Ich bin ständig weggelaufen, weil ich noch Gefühle hatte. Heute summ ich nur noch vor mich hin, wenn ich jemandem begegne, vor dem ich früher weggelaufen wäre. Ich saß bis gerade eben zum Beispiel beim Essen jemandem fast gegenüber, bei dem sich das so darstellt. Und anstatt zu gehen oder schnell zu essen, sortierte ich erst die Pommes, um sie dann in der Mitte durchzuschneiden. 30 Minuten später war ich fertig mit Essen.
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