Erich Fromm: Vom Haben zum Sein

Drama zum Thema Individualismus

von  Terminator

Nach der obligatorischen Überdosis Gesellschaftskritik geht es an die konkreten Ratschläge, wie das moderne Individuum vom Haben zum Sein kommt. Meditation, Psychotherapie, Selbstanalyse: Erich Fromm war halt buddhistisch angehauchter Psychologe. Ironie beiseite: was er sagt, stimmt ja, und heute noch mehr als vor 40-50 Jahren, und während ich meine antiquarisch erworbene Ausgabe zuendelas, sah ich die exakt gleiche Neuausgabe des Buchs bei Thadeciusdubel. Es wird also weiterhin verlegt und gelesen. Und?


Nun, es ändert sich wirklich viel, und zwar in die falsche Richtung. Die Habensfixierung der Gesellschaft der konformistischen Individualisten hat noch weiter zugenommen, obwohl durchaus manche meditieren, und sich sogar vegan ernähren (fürs Ego meistens, nicht fürs Tierwohl). Die Menschen sind heute noch einsamer, noch entfremdeter, und doch an Psychologie, Selbstanalyse und Nabelschau so interessiert wie nie.


Das Haben verbindet Fromm freudianisch mit der Analphase: der Geizhals pisst sich ein, weil er nicht kacken kann. Jeder (oder fast jeder) von uns ist ein König Midas: wir sammeln toten Besitz, von dem wir nicht leben können. Nach außen hat es den Anschein, als würde uns alles zu Gold, die innere Leere zeigt den meisten Menschen, dass ihr Leben scheiße ist.


Der Weg vom Haben zum Sein führt durch die Tätigkeit. Wer nur das hat, was er auf dem Weg zur Selbstverwirklichung braucht und gebraucht, ist am Sein orientiert. Toter Besitz lähmt und macht faul, tätigkeitsfördernder Besitz ist ein am Sein orientiertes Haben.


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Kommentare zu diesem Text


 Augustus (01.02.23, 10:33)
Gern gelesen. Wünschenswert wäre die Analyse des Habens auf die Konsumgesellschaft von heute auszuweiten, vllt dazu Amazon oder Apple hinzufügen, als die neuen Titanen, die den Menschen füttert und zum opferalter führt. 

Was oder wer sind die neuen Götzen einer (Ultra)dekadenten Gesellschaft? Wie tickt eine gottlose Gesellschaft usw.? Sind diese Fragen mit haben und sein zu erklären, oder muss an anderer Stelle geforscht werden? 

Salve

 Terminator meinte dazu am 01.02.23 um 21:09:
Die ultradekadente Konsumgesellschaft hat es mit der Habensfixierung so weit übertrieben, dass Menschen nicht mehr die Dinge haben, sondern von den Dingen gehabt werden. Die Dinge sind die neuen Götzen (Objektontologie).

 Graeculus (01.02.23, 20:31)
Interessant ist die Differenzierung ganz am Schluß:

Toter Besitz lähmt und macht faul, tätigkeitsfördernder Besitz ist ein am Sein orientiertes Haben.

Da bleibt noch etwas Raum für Hegels Konzept vom Eigentum als objektivierter Geist. Und ich darf meine Bücher behalten ... zumal Erich Fromm ja ein zu kaufendes Buch darüber geschrieben hat.

 Terminator antwortete darauf am 01.02.23 um 21:14:
Nichthaben ist am Haben orientiert. Ostentativ nichts haben ist nur die Kehrseite des Konsumwahns.

Das Haben ist nicht nur in der Tätigkeit, es ist auch im tätigen Genuss (nicht im Genuss des bloßen Habens) ist am Sein orientiert: letzten Herbst wunderte sich ein Whiskyhändler, dass ich die teuren Flaschen gleich aufmachen will, anstatt zu sammeln und weiterzuverkaufen. Genießbares als toten Besitz zu genießen, ist mir wesensfremd. Wollte ich eine Wertanlage, würde ich Gold kaufen.
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