Lichtspielhaus

Text zum Thema Biographisches/ Personen

von  Mondscheinsonate

Wie schon einmal erwähnt, wohnten wir vor der Pensionierung meines Großvaters über einem Kino, in dem ich nur einmal offiziell drinnen war, es spielte einen Louis de Funes- Film. 

Mich interessierten schon als Kind bewegte Bilder kaum bis gar nicht. Dafür faszinierten mich die Bücher immer. 

Was ich aber liebte, das war, die Filme zu hören. Mich auf den Boden zu legen und das Ohr an den Boden zu pressen, mir meinen eigenen Film im Kopf entstehen zu lassen und wurde viel geschrien, lief ein Horrorfilm, bekam ich Angst und träumte dann schlecht. Oma wunderte sich immer, woher ich Ausdrücke wie "Umbringen" und "Verfolgung", sowie "Abschlachten" kannte, bis sie mich erwischte, als ich am Boden einschlief, mein Bett war in ihrem Schlafzimmer, dann wurde ich ins andere Zimmer verfrachtet, wo der Fernseher stand, den ich mitten in der Nacht aufdrehte, ohne Ton. Aber, auch da wurde ich erwischt, denn die Türe hatte Milchglaseinsätze. Tja, dann begann das Abenteuer mit Opas Taschenlampe, die ich "fand", ich enteignete sie, und ins Bett mitnahm, so begann mein Kino mit den Büchern unter der Bettdecke. Der Schweiß rann mir die Stirn herunter, aber ich las, bis ich zu müde war. Dies, ab meinem sechsten Lebensjahr, obwohl ich schon mit vier lesen konnte. 

Ich verstand wenig, da waren Bücher über Stalingrad in meinem Zimmer oder über Bergtouren, auch kitschige Dinge wie "Und ewig sangen die Wälder", "Vom Winde verweht", aber da spielte ich Scarlett, Oma durchschaute mich sobald und kniff ein Auge zu. 

"Richard, warum hast du dem Kind lesen beigebracht, es verdirbt sich die Augen!"

"Theres', dann lass sie mit der Nachttischlampe lesen, sie schläft sowieso, wann sie will!"

Oma war unbarmherzig und wühlte in meinem Bett, bis sie die Taschenlampe fand und mir wegnahm.

"Richard, eine gescheite Frau findet keinen Mann!"

"So, so, Theres'?" Er lachte.

Oma kniff den Mund zusammen.

Ich gab mich nicht geschlagen, so war vor meinem Fenster das Vordach vom Kino und in dem Fernsehzimmer waren in der Schublade Kerzen sowie Streichhölzer für einen Stromausfall. "Zündeln!" war unter Höchstrafe verboten, ich durfte an Streichhölzer nicht einmal denken!

Ich dachte daran, nahm sie und kroch aus dem Fenster auf das Kieselsteindach des Kinos, breitete eine Jacke aus, setzte mich darauf und zündete die Kerze an, las im matten Schein. 

Ja, schön, kurz nur. Die Nachbarin über uns verpetzte mich, denn sie rauchte aus dem Fenster hinaus und sah mich.

Am nächsten Tag, gleich um sieben Uhr, Früh läutete sie Sturm beim Herrn Doktor. 

Opa sagte: "Haben Sie kein Leben?"

Da ging sie beleidigt davon.

Oma war außer sich, aber mehr, weil sie um ihren guten Ruf bedacht war und weniger, weil ich mit Kerze las.

So kam ich wieder ins Schlafzimmer und legte das Ohr auf den Boden und Oma fand mich oft schlafend auf Plastik, sagte nichts mehr. Ich hatte gewonnen. Opa schenkte mir zum Geburtstag das "Nesthäkchen", das war dick, meinte, dass "Stalingrad" nichts für mich sei, und eine Taschenlampe sowie Batterien, sagte: "Bleib fern von den Kerzen und lass dich nicht vom Drachen erwischen, kleine Prinzessin!"



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Kommentare zu diesem Text


 Graeculus (02.02.23, 23:47)
"Richard, eine gescheite Frau findet keinen Mann!"

"So, so, Theres'?" Er lachte.

Unvorsichtige Äußerung der Oma, kleine Stichelei des Opas.
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