Liebes,
Was gäbe ich dafür, wenn ich nur einen Gegenstand von dir in den Händen halten könnte, ja, ich habe Bücher, die du mir geschenkt hast, aber, ich meine, irgendetwas, das du immer bei dir hattest, dann könnte ich dich nocheinmal greifbarer machen. Natürlich nicht.
Es traf mich mit voller Wucht, so war ich doch immer, das weißt du, in irgendjemanden "verliebt", komplett von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, das war meine Welt und sonst gar nichts, ja, einmal nanntest du mich sogar Marlene, aber die tiefe Liebe zu einer nahestehenden Person, die nahm man immer als gegeben, nicht ernst, das war "halt so", nicht aufregend.
Deshalb verstand ich deine Behauptung, ich sei "eifersüchtig" auf deine Frauen, nicht, überhaupt nicht, es war kein Begehren von meiner Seite da, nur Liebe. Nun, bis du mich geküsst hast, zärtlich, nie hat jemand mein Gesicht so in seinen Händen gehalten wie du es gemacht hast und dann bist du weggegangen und hast dich auf die Couch gesetzt als ob nichts gewesen wäre und ich saß da und spielte weiter "Tetris", unkonzentriert, spürte das erste mal so etwas wie ein Gefühl, tausend mal betont, das mich irritierte.
Oscar Wilde schrieb: "Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung", ich schon und dann ärgere ich mich danach. (Gut, seine Versuchungen landeten vor Gericht, das ist ein anderes Thema!)
Jetzt? Würde ich aufstehen und zu dir gehen, dir sagen, dass ich dich liebe und du das, bitte, nie wieder tun sollst und ja, ich weiß, ich schrieb schon etwas anderes, aber, mein Verstand kam dazwischen. Ich würde sagen, dass das nicht gut gehen kann (schon, weil ich doch ahnte!). Aber, vielleicht wäre das auch der Moment für ein Aufstehen und ... einfach gehen ... gewesen? Junge Dinger handeln oft falsch. Meine Güte, tausend Fehler passierten mir (bis heute).
Aber (!), der Kuss, ohne Erwiderung, war der schönste Kuss meines ganzen Lebens, weil er so unerwartet (und doch erträumt) war, aber auch der Traurigste, weil er etwas harmloses, unschuldig Anmutendes beendete, endgültig, zumindest aus meiner naiven Sicht eines jungen Mädchens.
Ab da war ich unbewusst auf der Hut, verkrampfte mich, wenn du neben mir gesessen bist, ich erinnere mich noch, rückte weg. Mir wurde bewusst, dass ich eine Frau werde und du ein Mann bist und nicht nur der R. oder ein Vaterersatz, das verschwand gänzlichst und dennoch zog es mich immer wieder zu dir. Ich wurde richtig nervös, wenn du auf einem Bundeskongress warst oder eine Frau bei dir war, nicht aus Eifersucht, das kannte ich nicht, sondern aus Habgier, du warst ab sofort meines, das war so, aber bitte mit Abstand. Genauso, wie ich jetzt in eine Vase voller Plastikblumen, die schönsten echten Rosen stecke und schönere Kerzen kaufe, du bist meins und Aus! - Das demonstriere ich. Und, das Unlustige, ich war auch deines. Das Spiel spielten wir bis zum bitteren Ende, ja, das war bitter. Du, der keine Frau von Kopf bis Fuß lieben konnte, war verfallen, das war eindeutig, aber ich auch.
Du und ich im Bett miteinander und dennoch konntest du mich nicht haben, das muss eine Qual gewesen sein, ich hatte andere Sorgen. Ich hatte immer andere Sorgen, die ich dir anvertraute, du warst mein Kummerkasten und hörtest geduldig zu, das war die Zeit, in der du zu saufen angefangen hast.
"Was hast du mit dem?" fragte Leo.
"Gar nichts."
Das war gelogen. Leo kniff ein Auge zu, sagte: "Wenn das mal gut geht!"
Es ging nicht gut.
Leo wusste es. Ich nicht.
Zurück in die Gegenwart, ich sage dir, niemanden liebte ich so wie dich, niemanden. Aber, jetzt muss ich zur "causa data causa data non secuta" zurück, den Wegfall der vorerst rechtlichen Leistung, die dann rechtgrundlos wird. Das ist mein Leben jetzt. Das klingt lieblos. Ist es auch.
Ich brauche keine Liebe mehr, seit dir war alles Scheiße, Griffe ins Klo.
Ich hätte dir sagen sollen, dass ich dich liebe, ich sagte nur: "Ich hab dich lieb!", das war zu wenig.
Jetzt bringe ich dir rote Rosen und zünde dir eine Kerze an, die der Sturm gleich wieder ausbläst. So ist das Leben.
Kuss und Gruß!
P.s.: Jetzt darf ich dich wirklich lieben, du kannst nicht mehr dazwischenpfuschen.