Zockerei

Short Story zum Thema Betrug

von  uwesch

Dieser Text ist Teil der Serie  SHORT STORYS

Im Rahmen seines Jobs als Banker bei einer deutschen Bank hatte er Sally kennen gelernt und mit ihr ein intimes Verhältnis aufgebaut. Sie kannte Mitarbeiter von JP Morgan, einer großen amerikanischen Bank, die seit 2002 in der Derivateentwicklung beteiligt waren. Sally stammte aus einer sehr wohlhabenden deutschen Bankiersfamilie, die während der Naziherrschaft rechtzeitig in die Vereinigten Staaten emigrierte. Ihre inzwischen verstorbene Mutter war Jüdin. Mit Sally redete er deutsch, denn sie wollte die Sprache ihrer Eltern nicht verlernen. Beide schätzten sich sehr und trafen sich gelegentlich auch mal privat zum Essen in einem feinen Restaurant oder auf einen Drink in einer Bar.

Durch ihre Vermittlung bekam er viele gute Kontakte zu wichtigen Männern und einigen wenigen Frauen großer US-Firmen wie IBM, Google, McKinsey und Goldman Sachs. So erfuhr er häufig geheime Firmeninterna aus großen Aktiengesellschaften. Dieses ermöglichte ihm einen sehr lukrativen Insiderhandel, den er nebenbei für sich privat betrieb. Er wusste natürlich, dass es heikel werden konnte, doch viele Trader taten es und betrachteten ihr Tun als Kavaliersdelikt. Manchmal tätigte er auch illegale Geschäfte mit Aktien, die er gar nicht besaß und deshalb seine Kunden nicht damit bedienen konnte, obwohl diese sie ganz legal geordert hatten.

Nun sitzt er in New York im Gefängnis und denkt über sein Leben nach. Es gab unangenehme Situationen, die er nicht vergessen konnte, ganz gleich wieviel Zeit vergangen war. Vieles musste er im meist hektischen Alltag, vor allem im Beruf, bedenken. Und es gab Dinge, die er nicht vergessen konnte, ganz gleich wieviel Zeit vergangen war und was auch immer geschah. Im Gefängnisalltag musste er oft an die feste Hand seiner ersten Freundin denken, die ihm sein ganzes weiteres Leben gefehlt hatte. Das Gefühl ihrer Finger, die seine Hand umschlungen hielten, hatte ihm so eine Art von Sicherheit vermittelt, die er bei seinen Eltern immer vermisst hatte. Manchmal gab ihm das auch viel später noch ein Gefühl von Zuversicht, dass alles letztendlich machbar ist.

Nackt vor dem Spiegel über dem Waschbecken  begegnet er seinen Augen, die ihm traurig entgegen schauen. Ihm geht durch den Kopf, dass er oft einen großen Teil seines Lebens auf der Jagd nach Geld und Frauen war, die ihn interessierten. Vor allem nach denjenigen die ihn faszinierten. Bei vielen spürte er eine ihn verunsichernde Tiefe, manchmal eine wohlige Zartheit, häufig auch eine ihm Angst einflößende Zerbrechlichkeit, sodass er diese Beziehungen nicht lange aufrecht hielt. 

Es drohen ihm eine längere Gefängnisstrafe und hohe Strafzahlungen. Der Prozess soll morgen beginnen. 

 

 



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Kommentare zu diesem Text


 Hobbes (05.02.23, 04:26)
Genial.

Gruß

Peter

 uwesch meinte dazu am 05.02.23 um 13:55:
Was ist genial? Das Handeln des Zockers oder dieser Text? Wenn du den Zocker meinst, Vorsicht!
Auf jeden Fall Dank für Deine Empfehlung.
LG Uwe

 EkkehartMittelberg (05.02.23, 12:41)
Hallo Uwe,

auch sympathische Täter müssen gerecht bestraft werden.

LG
Ekki

 uwesch antwortete darauf am 05.02.23 um 13:57:
Na ja in unserem Rechtsstaat ist das so. Fragt sich nur, wie man die Zockerei prophylaktisch staatlicherseits in legalen Bahnen halten kann.
Dank für Deine Empfehlung und LG Uwe

Antwort geändert am 05.02.2023 um 15:37 Uhr

 Hobbes schrieb daraufhin am 05.02.23 um 16:32:
Gut geschrieben einfach!

 uwesch äußerte darauf am 05.02.23 um 17:17:
Das freut mich sehr. Danke und LG Uwe
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