am Anfang war

Gedicht zum Thema Elemente

von  Tula

das Feuer das bestimmende Element
unserer Sprache, ein Knistern und Knacken
in jeder Silbe, jede zweite züngelte bereits
als Schwur in die schwüle Nacht und flackerte
verlangend in den Augen wider

in stetiger Verwandlung, aus Glut zu Atem,
schürend und kühlend zugleich, aus dem brodelnden
Elixier in unseren Adern zum Strom, der durch die
Jahre mäandert, aus fruchtbarer Erde hin zum
Sediment der Routinen, offenbart sie uns heute

die Platon/ische Leere

an stetig dürrere Landschaft gewöhnt, behauptet nun
ein jeder seine Erhebungen und verdrängt die Gefahren
semantischer Verwerfungen

aber

warum graben wir nicht hin und wieder nach Wasser,
beschwören den Sturm oder gar Vulcanus? und
wenn sie schon nicht auferstehen will in
lodernden Flammen, dann vielleicht
noch als boreales Leuchten
um uns flirrend
um uns
endlich wieder zu verzehren
Wort für Wort


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Kommentare zu diesem Text


 AchterZwerg (12.02.23, 06:33)
Auch ich frage mich das oft.
Vielleicht hat aufgrund der zunehmenden Verrohung und gleichzeitigen Simplifizierung der Sprache eine Art Überdruss eingesetzt? - Schweigen wird Gold.

Steht aber am Anfang aller Dinge ein Anglizismus, wundert mich gar nichts mehr! ;)

Liebe Grüße
der8.

 Tula meinte dazu am 12.02.23 um 10:51:
Moin lieber 8er
Ich freue mich, dass das Gedicht eine weitergreifende Interpretation zulässt, denn die Sprache an sich mag in ihrem durchaus normalen Wandlungsprozess an ihrer Schönheit verlieren. Vielleicht schaffen wir ja irgendwann Genitiv und Dativ ab, dann werden die Schulen sofort wieder 'erfolgreicher'.

Natürlich geht es hier auch um die Sprache der Liebe und ihre Abnutzung im Laufe der Jahre. Vulcanus-Beschwörungen liegen leider nicht jedem ....  8-) 

Liebe Sonntagsgrüße
Tula
Teolein (70)
(12.02.23, 09:44)
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 Tula antwortete darauf am 12.02.23 um 10:56:
Moin Teolein
Keine Sorge mein Lieber, solange wir hier alle weitermachen, ist der Mensch und seine Sprache nicht verloren. Lass es fackern, bis die Reime am Himmel 'schnuppen'.

Auch dir einen schönen Sonntag, LG
Tula

 harzgebirgler (12.02.23, 14:28)
hallo tula,

die sprache macht mit uns weit mehr
als wir mit ihr von altersher
weil unser wesen sich verdankt
dem was sich ums wort 'logos' rankt:
"So lernt ich traurig den verzicht:
Kein ding sei wo das wort gebricht."
[stefan george]

lg
harzgebirgler

 Tula schrieb daraufhin am 12.02.23 um 21:45:
Hallo harzgebirgler

Weise Worte sprach der Dichter:
Liebe Nicht:innen und Nichter!
Wollt ihr endlich Sprache pflegen,
als an ihrem Stamm zu sägen?
Keine Antwort kam zurück.
Sprache's Los und Dichters Glück ...

LG
Tula

 GastIltis (12.02.23, 14:52)
am Anfang war

doch nur die Leere an sich
und das Nichts und das Nirgends
und ein Niemand vor Ort
vielleicht wir wissen es nicht
auch die Schwarze Materie

sie nahm oder gab uns viel
später das Licht und die Teilchen
und auch die Geschwindigkeit
und ein Weilchen danach
auch die Zeit ach die Zeit

und irgedwann auch noch die
Erdenschawere

Prometheus du ließest sie weg
hast du denn jetzt die Unendlichkeit

Semantik Phonetik Atlantik Poetik
verfallen verhallen im Rauschen
des Flugs und der Flucht

das Lodern der Flammen
von Sehnsucht und Liebe
entstammen zusammen
dem Uraltgetriebe
das ewig uns atmend
die Zukunft
versucht


LG von Gil.

 Tula äußerte darauf am 12.02.23 um 21:56:
Lieber Gil
Danke für deinen inspirierenden Kommentar, d.h. Text zum Thema der Sprache. Ich kramte soeben in meiner verstaubten Truhe und siehe da, vom November 2018 noch dieses

noch ein Gedicht

vielleicht am Anfang nur der Schatten
vor dem Sprung. Der Atem der Bestie im Geäst.
Am Hang die Beeren.

Es gebar sich immer wieder neu. Das Greifbare und das Ungreifbare.
Der Baum und sein Mysterium. Unter den hundert Farben des Himmels
die Beschwörung im Steinkreis.

Allmählich gewann es an Gewicht. Insignien und Bluttausch.
Wer ihm nicht folgte, musste sterben.
Der es tat, ebenfalls.

Ziellos folgte es seiner Bestimmung. Zunächst auf der Irrfahrt eines Kriegers.
Dann lief Achilles mit der Schildkröte und ein Verrückter nackt durch Syrakus.
Nach dem Schierlingsbecher kamen die Schüler.

Es überlebte dunkelste Nächte. Das Greifende und das Unbegreifbare.
Wer es suchte, musste sterben.
Der es nicht tat, ebenfalls.

Wenn man es verbrennt, ersteigt es hundertfach aus seiner Asche.
Wenn man es begräbt, stößt es bald wieder durch. Stets üppiger als vorher.
Wenn man es ertränkt, löst es sich auf in tausend Farben.

Mitunter verliert es an Gewicht. Selbst Verträge halten es nicht.
Wer ihm folgt, wird irgendwann sterben.
Der es nicht tut, stirbt schon vorher.

Kaleidoskopisch schön

geb' ich dir meins.

Und das war noch ein Gedicht über
das WORT.



Wird nicht das letzte sein :)

Dankend lieben Gruß
Tula

 GastIltis ergänzte dazu am 13.02.23 um 12:06:
Sehr schön, du Freund der Sprache, der Schönheit und der Antike.
Ich habe leider zur Sprache auf die Schnelle nur dies hier von 2017 gefunden, das ich etwas klein gehalten habe, weil es bei KV schon enthalten ist. LG von Gil.

Die Schönheit der Sprache

Ich bin schon ein Freund der geschliffenen Sätze,
- drum halt deine Schnauze, sonst flippe ich aus,
komm, räum deinen Dreck weg, du schäbige Laus -
Hier strahlen versunkene sprachliche Schätze.

Man wirft doch des Genitivs güldene Netze,
- du Schlampe verrecke, das ist doch ein Graus,
und ist diese Bruchbude etwa ein Haus -
Nicht neben des Konjunktivs ehrbare Plätze.

Für Feinheiten wird stets das Beste gelesen
- du Pottsau, lass dich nie im Leben mehr sehn -
Man weiß, es ist immer die Sehnsucht gewesen

Und mehr noch das innige sanfte Verstehn.
- verdufte, du Scheusal von uraltem Besen -
Die Schönheit der Sprache wird niemals vergehn.

 Tula meinte dazu am 13.02.23 um 22:16:
Dem Gedicht und insbesondere dem letzten Vers kann man nur zustimmen  8-)

LG
Tula

 Beislschmidt (11.05.23, 09:59)
Hey Tula,
Das Wechselhafte der Sprache ist gut in Szene gesetzt mit Widersprüchlichem wie schüren und kühlend zugleich. Bevor ich dem Sediment der Routine anheimfalle, musste ich den für mich nicht nachzuvollziehenden Begriff boreales Leuchten googeln, da bekomme ich kein Textverständnis hin, ebenso wie bei platon/ische Leere. 
Ansonsten gut gedrechselte Wortschöpfungen, die der Wertschöpfung von Sprache durchaus gerecht werden.
Beislgrüße 
Off topic ... das gäbe eine gute Diskussion mit James Blond, der sich auch ausgeklinkt hat  :D

 Tula meinte dazu am 11.05.23 um 22:04:
Hallo Hans
Wenn die Sprache der sich angeblich noch immer Liebenden selbst platonisch wird, braucht sich der Betroffene nicht wundern, wenn auch sonst in der Nacht nichts mehr flackert. Sollte als sprachliche Anlehnung auf aurora borealis hindeuten. Natürlich sinnbildlich - schöne Sprache, schöner Himmel, vor allem nachts ... Aber gut, vielleicht wollte an dieser Stelle auch etwas zu viel 

Dankend lieben Gruß
Tula

Antwort geändert am 11.05.2023 um 22:05 Uhr
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