Rauchen // Denken

Innerer Monolog zum Thema Erinnerung

von  mrakkkk

Hast Du schon mal im Regen gedreht?

Ich rede von Drehtabak. Ich kann nur den Schwarzen rauchen. Von hellem bekomme ich Kopfschmerzen. Ich rauche, seitdem ich 13 bin, angefangen hat alles aber viel früher. In der Grundschulzeit, als man mit Zeitungspapier irgendwelche getrockneten Blätter eingewickelt und angezündet hat. An die Kopfschmerzen und die Übelkeit kann ich mich bis heute erinnern. Man hat eben die Erwachsenen nachgemacht. Und die haben damals gefühlt alle geraucht. Sogar mein Grundschullehrer hatte damals einen Aschenbecher neben dem Eingang der Schule stehen. Und manchmal stand er rauchend da, während wir Kinder an der Schule ankamen. Man will dazugehören, man will sogar mehr, man lernt früh, dass man sich an den Größeren orientiert. Dann wird das schon richtig sein. Und so trockneten wir eben Blätter, wickelten sie in Zeitungspapier und inhalierten. Einer hatte ein Feuerzeug, ein anderer Papier und sicherlich wusste dann auch bald einer, welches getrocknete Kraut am besten schmeckte. Das war natürlich nur so lange interessant, bis irgendeiner dann tatsächlich echte Zigaretten bei den Eltern geklaut hat und wir die rauchten. Irgendwann hörte das dann wieder auf. Vielleicht waren die kleinen Lungen noch zu empfindlich, vielleicht wandten wir uns auch einfach nur anderen Dingen zu, haben Staudämme gebaut, Krieg gespielt, solche Dinge. Das ging auch ganz gut ohne Zigaretten.

Irgendwann kam das dann aber wieder. Eine andere Phase, an einer Realschule, irgendwo in einem kleinen deutschen Kaff. Morgens an der Bushaltestelle, 7:15 Uhr, nur wenige hundert Meter von meinem Elternhaus entfernt. Die coolen älteren Jungs – waren da auch Mädels dabei? - saßen auf der einen, die normalen braven und die jüngeren Jungs und Mädels saßen auf der anderen Seite. Auf der einen Seite wurde geraucht, auf der anderen nicht. Sicherlich wurde da auch gekifft und sicherlich hatte irgendein Trottel – so sehe ich es heute – auch statt Pausenbroten eine Bong mit im Eastpak-Rucksack. Tut nichts zur Sache, genauso wenig wie die lächerlichen Vorgänger der Handys - hießen die Pager? Ich verstehe bis heute nicht ganz, was die Dinger eigentlich konnten, aber ich meine mich zu erinnern, dass Tupac in einem Video ein solches Gerät zeigte. Der war zwar zu dem Zeitpunkt bereits tot, aber was wusste ich denn schon. Er trug weite Hosen, die man möglichst tief in die Hüfte herunterzog. Und die waren dann auch angesagt und ich erinnere mich noch heute an eine zerfetzte, an den unteren Hosenbeinen völlig zertretene Baggypants, die ich auch manchmal pitschnass von der Wäscheleine weg anzog. Die Hose war Status.

Eine Menge Erinnerungen. Im Nieselregen ist es erträglich. Das Blättchen wird nass, aber man ist noch schnell genug. Den Filter schon zwischen den Lippen, eine definierte Menge Tabak mit geübten Bewegungen der Finger aus dem Knäuel herausgelöst. Ins schon angefeuchtete Blättchen gelegt, alles rund drehen. Diese hier ist eine zum Nachdenken, keine schnelle für zwischendurch. Also vorne breit, zum Filter hin sich verjüngend. Der kommt dann mit der Routine von abertausenden gedrehten Zigaretten in die linke Seite des Blättchens, alles noch einmal miteinander in eine Form bringen, ein abrupter, merklicher Übergang zwischen Blättchen und Filter stört das empfindliche Bedürfnis nach Symmetrie. Ebenso kleine Tabakreste, die sich zwischen Filter und Blättchen drücken. Ein sauberer Übergang ist hier wichtig. Eine formschöne Zigarette ist einfach besser für das Gemüt. Vielleicht, weil es sich dann weniger wie eine stumpfe Sucht anfühlt. Beim Rauchen schweifen die Gedanken. Nicht bei jeder Zigarette, längst nicht bei jeder, aber bei der ein oder anderen. Wahrscheinlich liegt es gar nicht wirklich an der Zigarette. Auch Nichtraucher lassen vermutlich zu manchen Gelegenheiten ihre Gedanken schweifen. Man ist vordergründig beschäftigt – man raucht – und hat einige Kapazitäten frei, um anderes zu tun.

Was hat es mit diesem Bild auf sich, das ich wieder und wieder entdecke? Vielleicht ist es weniger ein Bild als vielmehr ein Gefühl. Ein beleuchteter Ort inmitten einer dunklen Umgebung. Eine vereinzelte Lichtquelle in einer sonst dunklen Straße etwa. Schwach. Eine schwache Beschreibung. Es ist ein Stück Geborgenheit in einer sonst nicht einmal feindlichen, aber doch undurchschaubaren Umwelt. Es ist Sicherheit inmitten der Ungewissheit. Es ist das Gegenteil von Geschwindigkeit. Es ist ein Ort, an dem das Leben vorbeiziehen kann. Menschenmassen drängen sich daran vorbei. Ein kleines Geschäft, in dem ein alter Mann einem längst vergessenen Handwerk nachgeht. Ruhig, vertieft in seine Verrichtungen. Von Zeit zu Zeit sich setzend, dann stehend im Eingang, die Menge betrachtend, rauchend. Eine hagere Gestalt, der Kopf bedeckt, eine abgetragene, vielleicht jahrzehntealte Kappe, tief in die Stirn gezogen.

Anzünden, inhalieren. Das leicht feuchte Blättchen verändert die Brenneigenschaften. Ich werde wohl niemals das Rauchen aufgeben.




Anmerkung von mrakkkk:

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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (13.02.23, 08:33)

Ich dachte ähnlich!
Ich werde wohl niemals das Rauchen aufgeben.
Argumentierte: "Ich habe noch keine rauchende Leiche gesehen!", bis ich selbst eine geworden bin!

Nach der Reanimation habe ich verwundert geschaut, als man mir Rauchwaren zeigte. Ich wusste nicht, wozu das diente. Total vergessen die 90 bis hundert Zigis pro Tag, die Pfeifen am Abend, den Alkohol dazu…

Jemand im Jenseits, von wo ich zurückgekehrt bin, hat mir im Gehirn die Zentren für diese Genüsse total vernichtet, ausradiert. 

Das Leben ist langweilig geworden, aber ich lebe erneut und gern...

Ich will nicht moralisch werden! 

 lugarex meinte dazu am 13.02.23 um 08:38:
PS Du weisst was "mrak" bedeutet, oder?
Also alle Wolken verschwinden sollen...

Gruss Luga

 mrakkkk antwortete darauf am 13.02.23 um 11:16:
Moin Luga

anders als moralisch gehts wohl nicht mit den Rauchern. Es bringt aber auch nichts. Man muss selbst schlau werden. Dann hoffe ich mal, dass Dir die Geschichte gefallen hat!

Dass "mrak" Wolke bedeutet, habe ich nicht gewusst, aber es passt ganz hervorragend. Danke für den Hinweis!

 lugarex schrieb daraufhin am 14.02.23 um 08:03:

Ahoi Mrak, Deine Geschichte hat mit gefallen und unter uns ehrlich gesagt, heimlich beneide ich alle, die noch rauchen.
Beim Tippen ist mir das "u" ausgefallen, was mich an den blöden Gedanken bricht: "Hoffentlich wird sich das Rauchen nicht RÄCHEN." 

Ich habe herrliche kostbare Sammlung von diversen (Marken-)Pfeifen, die ist jetzt Staub Bedeckt und die teuren Dunhills oder Charatan's, Parkers und weissgottwelche noch warten vergeblich auf Gnade...

Es tut mir Leid und bringt Trauer, Melancholie...

Have a nice day, ergo HAND Luga

 EkkehartMittelberg (13.02.23, 17:40)
Hallo mrakkkk,
auch ich habe leidenschaftlich geraucht. Wenn ich auf dem Bürgersteig vor meinem Haus rauchend auf und ab gegangen bin, sind mir einige Texte für KV eingefallen. Dann gab es eine Bypass-Operation, die nur sechsmal wiederholt werden musste. Danach hatte ich nur noch selten Lust zu rauchen.
Auch ich habe mir eingebildet, dass Rauchen dem Denken zuträglich sei.

LG
Ekki

 Graeculus (13.02.23, 17:46)
Ist mir sympathisch, auch wenn es keine Zigaretten sind, die ich rauche.

Zu der Schlußaussage:

Ich werde wohl niemals das Rauchen aufgeben.
In meinem Lieblingsfilm antwortet der Protagonist auf die Frage eines Kioskbesitzers, bei dem er täglich zwei Päckchen erwirbt: "Horace, wann wirst du jemals vernünftig werden?" mit: "After my funeral."

 Dieter_Rotmund äußerte darauf am 19.02.23 um 13:33:
Könnte Smoke (1995) sein, aber es ist wohl doch eher aus einem Jim-Jarmusch-Film?

 Graeculus ergänzte dazu am 19.02.23 um 13:51:
Nein, "Queenie in Love" von Amos Kollek.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.02.23 um 10:10:
Kenne ich leider nicht, überhaupt gar nichts von Amos Kollek.

 Graeculus meinte dazu am 20.02.23 um 10:48:
Da hast Du entschieden etwas verpaßt. Ich kenne überhaupt nur gute Filme von ihm.
Er ist übrigens der Sohn des ehemaligen Jerusalemer Bürgermeisters Teddy Kollek ... und auch über seine problematische Vaterbeziehung hat er einen Film gedreht, den ich als ungewöhnlich (nicht einfach eine Abrechnung) empfinde.

 Redux (14.02.23, 20:08)
Ich fühle mich dermaßen an früher erinnert, dass man gleichzeitig weinen und lächeln muss. Mittlerweile seit Jahren Nichtraucher, aber auch schon mit 14 gestartet, und gedreht, meistens Samson oder Drum, ab und an Van Nelle...und als 14- 17 jähriger, wenn kein Geld für Tabak da war, die alten Zigarren von Opa, der mittlerweile dann schon fünf Jahre lang unter der Erde lag, zerbröselt, gemörsert und gedreht und natürlich inhaliert ( mit durchschlagender Wirkung)...

Wunderbarer Text

 mrakkkk meinte dazu am 02.03.23 um 11:19:
Das freut mich, dass der Text in Dir Erinnerung hervorgerufen hat! Danke fürs Lesen!

 Dieter_Rotmund (19.02.23, 13:34)
Blocksatz UND der knappe Zeilenabstand erschweren das Lesen dieses Textes erheblich.

 mrakkkk meinte dazu am 02.03.23 um 11:20:
Hmmm... ich beherrsche die Formatierung hier noch nicht so wirklich, da muss ich mich mal reinarbeiten!

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 02.03.23 um 19:19:
Ja, das ist recht tricky hier, z.T. keine Vorschau-Funktion!

 Mondscheinsonate (19.02.23, 13:38)
Da rauch ich mit dir eine. Gerne gelesen. Habe es eine zeitlang mit Beedis versucht, ... aber nein.

 Graeculus meinte dazu am 19.02.23 um 13:52:
Beedis?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 19.02.23 um 13:54:
https://de.wikipedia.org/wiki/Beedi

 theatralisch (24.02.23, 09:04)
Ich rauche immer noch nicht.

Krass, wie viele Empfehlungen und Kommentare du bekommst. Und ich...hihi. Tja, das bleibt wohl so. Manches ändert sich nicht. Wahrscheinlich sogar das meiste. Und ja, das macht mir zu schaffen, weil ich im Grunde gerne Autorin und Regisseurin wäre und dafür bei Erfolg auch der Wissenschaft den Rücken zudrehte - kryptisch ausgedrückt mehr oder minder. Aber auch egal, ob und wer das liest usw.
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