Ökofromm in die Alpen

Protokoll zum Thema Enttäuschung

von  eiskimo

 

Wer wie ich das Skilanglaufen liebt, den zieht es im Winter nach Skandinavien. Endlose Loipen in idyllischer Schnee-Landschaft, Konzentration auf den Sport und – ja, das gibt es: keine alkoholselige Après-Ski-Bespaßung. Einzige Sünde bei dieser asketischen Wahl: Die Anreise per Flugzeug.

Diese Sünde wollte ich dieses Jahr nicht begehen und ich beschloss, sozusagen als Mitstreiter einer neuen Achtsamkeit mein Skilanglauf-Ziel umweltverträglich anzusteuern, per Bus und Bahn. Statt nach Skandinavien zu düsen bedeutete das: ökofromm in die Alpen!

Italien, die Schweiz, Österreich – alle bieten ja „ideale Langlauf-Bedingungen“ in ihren so schön bebilderten Internet-Katalogen. Ich entschied mich also frohgemut für ein Skilanglauf-Paradies in Tirol mit über 70 Kilometer bestens präparierter Loipen, mit  gepflegter Gastlichkeit und vor allem mit einem gut angebundenen Bahnhof.

Statt per Billig-Flieger in zwei Stunden im Norwegen zu sein, hatte ich mir ein Sparpreis-Ticket der Deutschen Bundesbahn gelöst, das mir achteinhalb Stunden EC, ICE und RE versprach – drei Mal umsteigen bei recht knappem Zeitfenster, die Skiausrüstung und einen Koffer als die Oberkörpermuskulatur kräftigende Beigabe – aber fast CO2-neutral und eine perfekte touristische Infrastruktur erwartend.

Wer die skandinavischen Verhältnisse kennt, weiß, dass dort Loipen quasi zu jeder Milchkanne führen, meist werden sie von den Nutzern im Dorf regelmäßig gespurt, manchmal sind sie für die Trainierenden auch bis spät abends beleuchtet – Skilanglauf gehört dort zum Winter und ist einfach Volkssport.

Was mich in Tirol deswegen bei meinen Vorbereitungen sehr verwunderte: Die Loipen dort sind rar und quasi streng kontrollierte Mautstrecken. Man muss dafür tatsächlich  eine Benutzerkarte kaufen; immerhin 9 Euro pro Tag, und wer sich ohne Ticket erwischen lässt, zahlt 165Euro. Auch, dass man die Nutzung nur zwischen 9 und 16.30h vorsah, erstaunte mich.

Aber egal – ich hatte mich für die umweltverträgliche Variante entschieden, und – so sagte ich mir - das gute Gewissen, das kostet halt etwas. Du wirst jedenfalls nicht für deine Lustreise in den Flieger klettern.

Nun, um es kurz zu machen: Ich stieg tatsächlich nicht in den Flieger, aber auch nicht in den Zug. Tirol erlebte nämlich mitten im Februar eine ungewöhnliche Wärmeperiode – 12 bis 14 Grad! – und die so wohl behüteten Loipen schmolzen in der Sonne förmlich dahin.  Die Beweisbilder auf den Webcams sprachen Bände. Viel Grün und Braun musste ich da entdecken und nur ein paar Reste von Schnee.
Meine Konsequenz: ich bin zu Hause geblieben. Die Klimakatastrophe war einfach schneller.



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Kommentare zu diesem Text


 Verlo (21.02.23, 23:11)
Der eine wünscht sich Schnee, aber bekommt keinen.

Der andere mag keinen Schnee, aber hat zu viel. 

Ungerechte Verteilung.

 Verlo (23.02.23, 11:36)
Wenn man den Verweis jetzt (23. Februar 2023, Donnerstag, 11 Uhr 21) anklickt:

https://www.yr.no/nb/i-nærheten/1-169191/Norge/Vestland/Stryn/Utvik

[Edit: hin und wieder wird der Link, obwohl durchs Schema eingefügt, nicht entsprechend dargestellt.]

sieht man Fotos von vier Webcams, die in meiner Nähe installiert sind und alle eine Landschaft voller Schnee zeigen:

– Utvikfjellet, 635 moh (die Straße über den Berg, wo auch eine große Skipiste ist)
– Byrkjelo, 180 moh (die Berge im Hintergrund sind höher, ist ein Teil des größten Festlandgletschers Europas)
– Vestland, 584 moh
– Falaide, 349 moh (hier Blick auf eine Skipiste)

Bei mir in Utvik auf 65 moh liegt zum Glück nur noch wenig Schnee. 

Kann sich aber schnell ändern: die nächste Tage soll es bis 8 mm regnen, und wenn die Temperatur nur etwas sinkt, gibt es wieder viel Schnee.

Übrigens: der nächste Flughafen ist Sandane.

 https://avinor.no/en/airport/sandane-airport/

Ist ein kleiner Flughafen, können nur kleine Maschinen starten und landen. Die Start- und Landebahn ist 970 Meter lang.

 https://de.wikipedia.org/wiki/Flughafen_Sandane

Auch eiskimo begeht dann eine kleinere Sünde.

Kommentar geändert am 23.02.2023 um 11:42 Uhr

 eiskimo meinte dazu am 23.02.23 um 17:16:
Es tut mir schon weh,  so etwas zu sehen. Und es wäre erreichbar ..
Früher fuhr ich am Holmenkollen oder in Lillehammer. Loipen vom Feinsten!
Danke für die Infos, und ... seufz
Eiskimo

 Verlo antwortete darauf am 23.02.23 um 18:42:
Eiskimo, nach Lillehammer zum Skifahren, ist weniger weit.

Und ich glaube, Lillekammer liegt auch höher und nicht am Fjord. Der wird also der Schnee besser sein.

Man könnte so argumentieren: bei dem sehr vielen zusätzlichen CO2, das durch den Ukraine-Krieg ausgestoßen wird, und einen dritten Weltkrieg vor Augen, wird die Sünde, nach Lillehammer zum Skiurlaub zu fliegen, so klein, daß sie sich verschmerzen läßt.
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