Ironisches Lächeln (06.06.2022)

Essay zum Thema Allzu Menschliches

von  Hamlet

Der Narr, der Schalk und der Weise lächeln oftmals ironisch. Sie verletzten den Strebenden, da er sich nicht ernst genommen fühlt. Das ironische Lächeln zeugt von Weisheit, das jedoch ohne Mitgefühl ist, weil es den anderen zerstört. Dagegen zeigt sich im Humor eine Weisheit, die an Mitgefühl gebunden ist, insofern nicht über andere, sondern über sich selber gelächelt wird. Mit Weisheit meine ich hier nur eine negative Weisheit, welche sich in dem sokratischen Satz zeigt: Ich weiß, dass ich nichts weiß, wodurch mehr gewusst wird, als jene zu wissen meinen, die ihre Perspektive stets verabsolutieren. Wer aber dadurch, dass er zu viel sieht, nichts mehr so einfach verabsolutieren kann, wird in seinem Leben gehemmt. Weisheit kann also unser Leben hemmen. Ähnlich hemmt auch der Humorist und noch mehr der Ironiker unsere Gradlinigkeit, weil unser Lebensentwurf als wahnwitzig belächelt wird.  

 

Ja, um gut zu leben, braucht es einen gewissen Wahn. Eine ursprüngliche Bedeutung des Wortes Wahn zeigt sich in Wähnen, was so viel heißt wie irrtümlich annehmen oder falsches Hoffen. Für unseren Zusammenhang ist es interessant, dass das Wort Hoffen etymologisch über Wähnen auf Wahn zurückgeführt werden kann. Und dieser Wahn im Sinne vom falschen Hoffen macht seriös; denn man nimmt sich ernst. Um sich ernst nehmen zu können, darf man nicht zu viele Perspektiven bedenken, man muss etwas naiv sein, darf nicht zu intelligent sein oder muss sich mit Gewalt beschränken, um ungestört seinen Weg zu gehen. Nietzsche hat etwa in “Fröhliche Wissenschaft” gezeigt, wie ein gewisser Wahn stets lebensförderlich gewesen ist, während ein aufrichtiges Wahrheitsstreben das Leben hemmt, eben weil zu viel Reflexion die Perspektiven erweitert und zu viel Perspektive die Tat hemmt. 

 

 Weil auch im Humor der Wahn durchschaut wird, kann sich der Humorist nicht mehr allzu ernst nehmen. Dadurch wird zwar Sympathie geweckt, doch Eros eingebüßt, da die Seriosität fehlt, welche Sicherheit suggeriert. Wenn sich beispielsweise jemand einem Homoristen anvertrauen will, findet er keine festen Mauern, die doch gerade in Paarbeziehungen gesucht werden. Während man nun im Humor eine gewisse Ernsthaftigkeit auf sich selbst bezogen preisgibt, nimmt man in der Ironie weder sich selber noch andere ernst, wodurch noch mehr Eros eingebüßt wird als im Humor. (Sich selber nimmt man nicht ernst, insofern kein fester Standpunkt eingenommen wird, wodurch sich ja auch unangreifbar zu machen versucht wird. Nur negativ nimmt sich der Ironische ernst: als jemand, der beständig darin ist, nichts ernst zu nehmen.) Daher hassen Frauen auch Männer, die ironisch lächeln. Goethes Faust ist ernst, solange er wahrheitsstrebend und gewissermaßen wahnhaft ist. Und Gretchen liebt ihn. Doch er verschreckt sie, wenn sein Mephisto durch ihn lächelt, Mephisto, der ironische, der Nihilist, mit dem man nichts bauen, sondern nur zerstören kann. 

 



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