“Wahr“nehmungen

Erörterung zum Thema Achtung/Missachtung

von  uwesch

Dieser Text gehört zu folgenden Textserien:  LEBENSUNWÄGBARKEITEN (Prosa),  Aus dem Leben gegriffen

Manche Menschen sehen andere ihrer Spezies quasi als Gegenstände an, z.B. als Auto, Haus, Straße oder Möbelstück. Damit verbinden sie die Erwartung, ihnen auf eine bestimmte Weise begegnen zu können oder sogar zu müssen. Sie möchten den Gesprächspartner möglichst zu einem Stück ihres Inneren machen, eigene Wünsche und Hoffnungen aufrechterhalten, Ängste und Vorurteile bestätigen. Damit blockieren sie allerdings eine offene Sichtweise. Der Blick auf den Anderen kann so eingeschränkt sein, dass sogar das Äußere eines Menschen nur getrübt wahrgenommen wird. Die zurechtmodellierten Gedanken, die über jemanden gemacht werden, bleiben unsicher und ungefestigt und sagen oft mehr aus über den Wahrnehmenden selbst als über den Gesprächspartner.

 

Ein Beispiel: Besonders banal geht es manchmal beim Tennisspielen - vor allem einem Doppel - um die Frage, ob ein Ball DRIN war oder DRAUSSEN, er die Linie noch berührt hat oder nicht und wer darüber entscheidet. Einen Schiedsrichter gibt es nicht. Manchmal beugen sich alle vier Spieler*innen über die Abdrücke auf dem Tennisplatz und palavern ausgiebig, teils sehr ungeduldig oder gar aggressiv darüber. Es geht immerhin um das Gewinnen oder Verlieren eines Spiels. Dummerweise gibt es nach einiger Zeit sehr viele Abdrücke im Sand. Die Diskussion, welcher es nun war, ist vielfältig und interessengeleitet – man will schließlich als Sieger vom Platz gehen. Auf Hartplätzen wird es dann noch viel komplizierter, weil es keinen Abdruck gibt. Die Wahrnehmungen sind häufig sehr unterschiedlich.

Ich werde bei der nächsten Club-Versammlung mal die Gründung einer Wahrnehmungs-Findungskommission vorschlagen, damit dieses grundlegende Problem sachgerechter angegangen werden kann (grins).

Unschwer ist an diesem Beispiel zu erkennen, dass das Problem mit “Wahr“nehmungen vielfältig sein kann. Wie sieht es bei komplexeren Zusammenhängen aus, wenn z.B. Liebe oder Hass aus langjährigen Beziehungen mit hineinspielen? Da fallen jedem sicher Beispiele zu ein. Einfach mal die eigenen „Wahr“nehmungen überprüfen und drüber nachdenken!



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Kommentare zu diesem Text


 lugarex (02.03.23, 07:30)

Meine Tochter (Psychiater von Beruf) nervt mich dazu noch mit dem Fachterminus "sensitives Wahrnehmen"!

Ich kann mich nicht mehr brüsten mit dem soeben erlebten ungewöhnlichen Phänomen der Art z.B.: "Heute hab' ich sechs Bentleys innerhalb einer Stunde gesehen", oder noch besser, "Heute ist ein Tag unglaublicher Arsche, was ich heute zu sehen bekam, kann ich kaum glauben!", ohne dass sie das nicht abwerten würde mit dem Wort "sensitives Wahrnehme"... Zufall oder so ähnlich gibt es wohl nicht


Kommentar geändert am 02.03.2023 um 07:31 Uhr

 uwesch meinte dazu am 02.03.23 um 09:12:
Sensitives Wahrnehmen ist halt oft sehr subjektiv und findet natürlich mehr oder weniger je nach Persönlichkeit statt. Das vermischt sich dann oft mit konkret sachlichen Wahrnehmungen.
bis hin zu gegensätzlichen Feststellungen und Empfindungen. Insofern ist der Begriff "Wahr" in dem Zusammenhang eigentlich nicht sinnvoll.
Dank Dir für Deine Empfehlung und LG Uwe
Agnete (66) antwortete darauf am 02.03.23 um 11:47:
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 uwesch schrieb daraufhin am 02.03.23 um 12:58:
Bei den Bewertungen, die sich bewußt oder unbewußt mit einschleichen oder bewußt gemacht werden würde ich dir zustimmen.
Wenn z.B. aber eine Ampel auf ROT steht, dann ist das definitiv so, es sei denn jemand ist farbenblind und behauptet, dass sie auf Grün steht.
Dank auch für Deine  Empfehlung
LG Uwe

Antwort geändert am 02.03.2023 um 13:04 Uhr

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 02.03.23 um 17:25:
Der größte Teil unserer Meinungen beruhen auf subjektiven Wahrnehmungen, nicht auf unbezweifelbaren Tatsachen. Wenn wir uns das klarmachten, gäbe es mehr Toleranz.

LG
Ekki

 uwesch ergänzte dazu am 02.03.23 um 18:08:
Mag sein, doch man sollte bedenken, dass es heutzutage eine große Menge von verschiedenen Informationsquellen gibt, die durchaus  einigermaßen objektive Fakten z.B. über Politik und Gesellschaft ermöglichen, wenn man sich entsprechend informiert.
Individuell wird man allerdings primär durch Eltern, FreundInnen, Schule, Studium und das sonstige persönliche Umfeld geprägt.
Soziologie und Psychologie kommen sicher manchmal zu verschiedenen Ergebnissen.
Besser wäre es wohl, wenn man das Wort "wahrnehmen" differenzierter betrachtet und z.B. von "erkennen" redet. Damit rückt der psychologische Aspekt mehr in den Vordergrund.
Dank Dir für Kommi und Empfehlung.
LG Uwe

 Verlo (04.03.23, 22:35)
Gründung einer Wahrnehmungs-Findungskommission vorschlagen

Wahrnehmung findet man nicht, sondern Wahrnehmung findet. 

Lustig finde ich immer wieder: wenn man Sportler gewinnen läßt, vergeht ihnen der Spaß am Siegen.
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