Apropos Zeitgeist

Text zum Thema Aggression

von  Mondscheinsonate

Es ist wohl jetzt modern geworden, unangenehme Sachverhalte mit Aggression aus der Welt schaffen zu wollen. Natürlich ist es die nackte Angst, die hinter der Aggression steckt, aber, es ist leichter aggressiv zu sein statt zugeben, dass man Angst hat. Aggressive Meinungen, Kommentare werden durch das Netz geschickt, man erhofft Zustimmung, denn dann sieht man, dass man mit seiner Angst nicht alleine dasteht. Natürlich sind diese Aggressiven komplett unzugänglich für Gegenargumente oder Beschwichtigungen, weil sie sich bereits in ihren Wahn hineingeredet haben, außerdem, wer dagegen redet, der akzeptiert nicht die Angst des Schreibers, negiert sie, man nimmt es sofort persönlich, das erzeugt dann weitere Aggression gegen den Diskutanten und in Wahrheit wollen diese gar keine Diskussion, nur eine Zustimmung, sonst gar nichts. 

Der Ausgangspunkt der Aggression, eigentlich Angst, ändert sich dadurch überhaupt nicht, wird in Wahrheit zur Nebensache, wichtig ist dann nur noch die narzisstische Kränkung, die die Gegenredner, die die eigene Angst negieren, verursacht haben, nein, es geht nie um eine Problemlösung, nur um Bestätigung der eigenen Meinung, Aggression, eigentlich Angst. 

Es können also gar keine Diskussionen mehr geführt werden, finden sich nämlich mehr Aggressionsschürer, rotten die sich zusammen und beschimpfen die Dagegenredner mit neuerfundenen Wortkreationen und versuchen sie in ein lächerliches Eck zu schieben, politisieren alles, jedes Thema und meinen: "Bist du nicht für UNS, bist du gegen UNS!", aber wirklich? Gegen UNS? Geht es um sie oder um ein Thema? 

Interessanterweise hat die Geschichte gezeigt, dass die Mehrheit selten Recht hatte, dass Minderheiten sich durch Häme und Spott mühevollst durchsetzen mussten. Es wurde auch längst bewiesen, dass die Masse ihr Denken verliert, unzählige Publikationen beweisen das, eindrucksvoll schon bei LeBon gefunden, und immer und immer wieder passiert dasselbe: Die Masse der Aggressiven rottet sich zusammen und hört die Neutralen nicht mehr. Die sollen sich überhaupt trollen, auch so ein Wort, denn längst haben sich die Gegenredner auch schon schon zur Masse zusammengerottet, weil sie gegen die Aggressiven nur mit derselben Aggression auftreten können und wollen, schließlich machen die ständigen Beschimpfungen auch aggressiv. Und so geht die Welle der Aggression durch den Äther. 

Die große Frage kommt zum Schluss: Um was geht es eigentlich nochmals?

Das hat man zumeist bereits vergessen. Aggressiv sein, die eigenen Unzulänglichkeiten herauslassen, befreit so richtig, das Thema ist nebensächlich geworden in der Aggression.


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Kommentare zu diesem Text


 Regina (04.03.23, 10:48)
Du beschreibst aggressives Kommunizieren, das sich zum Meinungsterror entwickeln kann. Wichtig wäre in dieser Zeit auch noch, die Schwelle zur Gewalttätigkeit aufzuzeigen, wann wird diese überschritten? Das Thema ist aktuell und wichtig. Eine Therapiemethode setzt ja auf kompromisslose Eigenanalyse. Danke für diesen Text.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 10:55:
Die Gewalt ist die logische Konsequenz der Aggression. Gerne.

 Graeculus (04.03.23, 11:16)
Besonders stark ist der Eindruck, jedenfalls auf mich, wenn ausgesprochen aggressiv über den Weg zum Frieden gestritten wird, wie man es oft erleben kann bei Gesprächen über den gegenwärtigen Krieg. Ja, denke ich mir, wie sollen Menschen friedlich miteinander umgehen, wenn sie schon über den Frieden streiten?

Worum geht es da eigentlich? Um Angst und Ego, vermutest Du. Angst wovor? Vor einer abweichenden Meinung?

 Mondscheinsonate antwortete darauf am 04.03.23 um 11:19:
Alles unterstreiche ich. Es geht nur um die eigene Angst und Meinung. Sonst gar nichts mehr. John Lennon würde nicht mehr durchdringen.

 eiskimo schrieb daraufhin am 04.03.23 um 16:56:
@ Graeculus

Das empfinde ich auch so. Der Krieg färbt hier auch auf die Sprache ab, schafft sofort Abgrenzung oder Misstrauen, wenn einer nicht derselben Meinung ist...

 Mondscheinsonate äußerte darauf am 04.03.23 um 17:10:
Bei Aggression setzt das logische Denken aus und der klare Verstand. Das ist ein großes Problem. Oft denke ich mir: "Ich bin eh auf deiner Seite!", möchte mich an Aggression aber nicht beteiligen, mich nicht auf die Seite der Aggressiven stellen und schweige.

 Judas (04.03.23, 11:34)
Manchmal ist der Ausgang für Aggression auch einfach Aggression und nicht Angst.
Ich kann mir zB nicht vorstellen, dass jemand vor Schwulen Angst hat und denoch...

 Mondscheinsonate ergänzte dazu am 04.03.23 um 11:35:
Vielleicht Angst, dass das "Überhand" nimmt?

 Judas meinte dazu am 04.03.23 um 11:36:
Oder Angst, dass man vielleicht selbst doch gar nicht so heterosexuell ist, wie Vater es einem eingeprügelt hat?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 14:23:
Auch!

 Judas meinte dazu am 04.03.23 um 14:27:
Ich hab gelernt, an der Uni, dass - am Ende des Tages - Menschen vor dem Fremden, Feuer und vielleicht noch davor, gefressen zu werden, Angst haben und dass sich das nie wirklich ändern wird.

Antwort geändert am 04.03.2023 um 14:27 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 17:07:
Wie wahr.

 AchterZwerg (04.03.23, 15:43)
Es gibt da noch die Empörung.
Die ist mit Sicherheit ebenso aggressiv - gleichwohl notwendig. Und entspringt eher dem Mut als der Angst.
Oder wie jetzt?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 16:22:
Empörung entspringt aus Mut? Also, ich bin empört, wenn etwas nicht meinem Moralempfinden oder der anerzogenen Erziehung entspricht. Die Frage ist allerdings dann, wie man die Empörung äußert. Zumeist auch nicht "nett".

Antwort geändert am 04.03.2023 um 17:04 Uhr

 AchterZwerg meinte dazu am 05.03.23 um 07:02:
Möchtest du immer nett sein? Ich nicht!
Im Gegenteil. Alternd stelle ich fest, dass ich meine Zeit nicht mehr mit Leuten / Tätigkeiten / Speisen etc. vertrödeln möchte, die ich als ausgesprochen nichtssagend empfinde.
Die Hessen sagen dazu passend "schnäubisch."

In diesem Sinne
der8.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 07:18:
Nein, aber, da bin ich nicht empört, die stanz ich einfach aus dem Leben. Da gehen wir konform.

 Ralf_Renkking (04.03.23, 17:47)
Die Flucht nach vorne als typische Reaktion des Angstbeißers dürfte nur eine von mehreren Ursachen der Aggression sein, Ausgangsbasen wie bspw. Langeweile, Missgunst oder Frust sind auf keinen Fall zu unterschätzen, nach meiner Erfahrung sind diese und andere Gründe für aggressives Verhalten der Angst mindestens ebenbürtig. 🤔

Ciao, Frank

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 18:02:
Glaubst, dass man aus Langeweile bösartig wird?

 Ralf_Renkking meinte dazu am 04.03.23 um 18:04:
Nee, ich weiß es. 👋😂

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 18:05:
😳😳😳

 Ralf_Renkking meinte dazu am 04.03.23 um 18:25:
P. S.: Jugendvandalismus z. B. 🤔

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 18:29:
Oh ja, den hab ich vergessen, stimmt. Da gibt es eine schöne Diskussion Precht/Lanz, ein Podcast, da diskutieren sie genau das.

 Ralf_Renkking meinte dazu am 04.03.23 um 18:38:
"Für Psychologen ist die kindliche Gewalt gegen Tiere immer ein Anzeichen für eine psychische Störung, die sich, wenn sie nicht entsprechend ernst genommen und behandelt wird, bis zum Erwachsenenalter fortsetzen und sogar extrem verstärken kann.22.12.2021

https://www.aktiontier.org › artikel

 Gewalt gegen Tiere: Ein ernstzunehmendes ..."

und zumeist ebenfalls ein aggressiver Akt aus Langeweile.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 04.03.23 um 18:42:
Weißt du, was ich glaube, dass keine Werte mehr vermittelt werden, dadurch entsteht eine Empfänglichkeit für mehr, als uns allen lieb ist und dass es Schlimmer werden wird.

 Ralf_Renkking meinte dazu am 04.03.23 um 19:15:
"Wer sich langweilt, hat einen höheren Puls und Blutdruck als andere, und in seinem Blut findet sich das Stresshormon Cortisol. Damit sei Langeweile sogar stressiger als Traurigkeit, haben Neurowissenschaftler in Kanada herausgefunden.06.11.2013


https://www.zeit.de › karriere › beruf

 Psychologie: Langeweile ist ein Gesundheitsrisiko | ZEIT ONLINE"


Das wäre aber auch ein möglicher Bezug zu Persönlichkeitsstörungen, da Cortisol auch im Ruf steht, das Gehirn zu schädigen, bzw. Rücksichtslosigkeit zu evozieren,  ich vermute mal, dass das Problem bei Jugendlichen nicht in der fehlenden Vermittlung von Werten begründet liegt, sondern darin, dass die einfach nicht mehr durchdringen und natürlich ist Langeweile nur einer von mehreren Faktoren, die Kinder letztendlich zu Monstern erziehen.

 AchterZwerg meinte dazu am 05.03.23 um 07:04:
Bosheit aus Langeweile?
Das kann ich einigen Damen aus meinen Lebenszusammenhängen gern bestätigen! Leider. :D

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 07:18:
Wieso schließt denn Du dabei Neid sofort aus? 👋😂

Ciao, Frank

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 13:41:
https://www.sueddeutsche.de/panorama/hamburg-polizei-kleidung-gratis-1.5762981
Apropos.

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 22:08:
Das wäre dann eine Aggression, die durch Frust hervorgerufen wurde, eine durch Missgunst hervorgerufene wäre bspw. den Freund der Angebeteten zu verprügeln, es gibt aber bestimmt noch mehr Faktoren, die mir allerdings momentan auch nicht einfallen, es macht aber Spaß, darüber nachzudenken. 👋🙂

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 22:11:
Wo es Menschen gibt, da menschelt es, sagte die Oma. (Sie menschelte aus Frust).

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 22:22:
Einen der größten Aggressionsfaktoren haben wir noch gar nicht erwähnt, und zwar den Hass. 🤔

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 22:26:
Hass entsteht durch Liebe oder Eifersucht. MAn ist Hass Ausdruck von Kränkung. Wenn ich jemanden hasse, ist er mir nicht egal.

Antwort geändert am 05.03.2023 um 22:26 Uhr

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 22:29:
Ich könnte mir eine Zusammenfassung dieser Faktoren auch als Episodenroman vorstellen, mir fehlt für so ein Projekt allerdings die Ausdauer. 🙂

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 22:37:
Die sieben Todsünden? Das gab es doch schon tausendmal, nicht? Hier auch, täglich.

Antwort geändert am 05.03.2023 um 22:38 Uhr

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 22:44:
Natürlich kann Hass auch durch Angst initiiert sein, aber selbst, wenn wir ihn außer Acht lassen, sind wir immer noch bei vier Faktoren als Auslöser für Aggressionen, das reichte allemal für ein wissenschaftliches oder fiktionales Buch über Aggressionen.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 05.03.23 um 22:48:
https://www.medimops.de/klaus-wahl-aggression-und-gewalt-ein-biologischer-psychologischer-und-sozialwissenschaftlicher-ueberblick-german-edition-taschenbuch-M03827431204.html?variant=UsedGood&creative=&sitelink=&gclid=CjwKCAiAmJGgBhAZEiwA1JZolgHtX6mZD97cvaR2FNN17c1nFLi4A37uoozSKGKfco55JB_bT0k0ohoCQW8QAvD_BwE

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 22:55:
Nee, der rote Faden wäre ja die Aggression, die sieben Todsünden erscheinen mir dagegen wie zusammengewürfelt.

 Ralf_Renkking meinte dazu am 05.03.23 um 23:05:
Ja genau, das wäre der wissenschaftliche Hintergrund für einen Roman, in dem ein Protagonist durch Rückblenden bspw. oder unterschiedliche Perspektiven die Aggression als Zeitgeist erlebt. 🤔

 Oops (07.03.23, 16:29)
Unzufriedenheit , Frustration und bestimmt auch Angst kann Agression auslösen wenn sich jemand persönlich angegriffen fühlt.
Manch einer nutzt beim Auto fahren  seine Wutausbrüche als Vetil anstatt denjenigen von dem er sich verletzt fühlte anzubrüllen. 
( bestenfalls findet sich eine Konliktlösung )
Konflikte lösen in aller Interesse und Zufriedenheit scheint mir unmöglich heutzutage.

Aber auch nur meine Meinung den
Dein gedankenreicher Text auslöste.

Liebe Grüsse:)

Kommentar geändert am 07.03.2023 um 16:30 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.03.23 um 16:34:
Stimmt.
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