Taking Oneself Off #1

Essay zum Thema Tod

von  Graeculus

Wer sein Leben durch eigene Hand beendet, wird danach oft von besserwissenden Zeitgenossen mit den Steinen des verleumderischen Vorwurfs beworfen, er sei feige. Ambrose Bierce hat dem in einem Zeitungsartikel mit dem Titel „Taking Oneself Off“ entgegengehalten, daß ein Suizident zwar alles mögliche sein mag, aber ganz gewiß nicht feige. Er überwinde nämlich den stärksten aller uns mitgegebenen Triebe, den Selbsterhaltungstrieb, und auf der Grundlage seiner Kriegserfahrungen berichtet Bierce, er habe starke Männer gesehen, die sich im Angesicht ihres Todes vor Angst in die Hose gemacht hätten.


Ich möchte einige Beispiele vorstellen, in denen – jedenfalls nach meiner Ansicht – der Suizid eine sinnvolle, konsequente und nachvollziehbare Entscheidung war. Jeder dieser Menschen hatte in den Kämpfen seines Lebens zuvor bewiesen, daß er nicht feige war. Jeder von ihnen soll mit seinen letzten Worten gehört werden.

1. Die Ausweglosigkeit

Der karthagische Feldherr Hannibal hatte sein Leben dem Kampf gegen den Erzfeind Rom gewidmet und dabei erstaunliche Erfolge errungen (die Erfindung der Kesselschlacht bei Cannae gilt noch heute als taktische Meisterleistung), letztlich jedoch eine Niederlage hinnehmen müssen. Er war darauf nach Kleinasien geflohen und hatte sich dortigen Herrschern als militärischer Berater angedient, also versucht, weiter in dem Metier tätig zu sein, das er am besten beherrschte. Die Römer allerdings verfolgten ihn unnachsichtig und umstellten schließlich in Bithynien das Haus, in dem Hannibal sich aufhielt. Daraufhin nahm er Gift, nachdem er – dem Zeugnis des römischen Historikers Livius zufolge – gesagt hatte: „Liberemus“ inquit „diuturna cura populum Romanum, quando mortem senis exspectare longum censent.“ - „Wir wollen“, sagte er, „das römische Volk von einer langen Sorge befreien, da sie glauben, es dauere zu lange, auf den Tod eines alten Mannes zu warten.“


Gab es eine andere Perspektive für ihn? Er hätte sich festnehmen lassen können, um dann im Triumphzug durch Rom geführt und anschließend, wie es der Brauch war, im Mamertinischen Kerker erdrosselt zu werden.

2. Das endgültige Scheitern des Lebenszieles

Der jüngere Cato mit dem Beinamen Uticensis (also nicht der mit dem monotonen „Ceterum censeo ...“) hat in den Bürgerkriegen Roms für die Bewahrung der Republik gegen die Machtansprüche erfolgreicher Feldherren gekämpft. Die Republik, das hieß nicht: die Demokratie, sondern die traditionelle Herrschaft des Senats. Dafür muß unser Herz nicht höher schlagen, aber es war das Lebensziel des Cato. Damit war er gescheitert, als der künftige Dictator Caesar seine letzte Schlacht, die gegen Cato bei der nordafrikanischen Stadt Utica, gewonnen hatte. Der römische Autor Lucanus schreibt über ihn den traurig-stolzen Vers: „Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni.“ – „Die siegreiche Sache hat den Göttern gefallen, die besiegte dem Cato.“


Cato ließ sich in der Stadt, die noch nicht von Caesar Truppen besetzt war, sein Schwert bringen, und sagte zu seinen Freunden (die Worte sind griechisch und lateinisch überliefert): „Νῦν ἐμός ἐιμι.“ – „Nunc mei iuris sum.“ – „Jetzt gehöre ich mir selbst.“ Dann nahm er das Schwert und ein Buch, Platons „Phaidon“ über die Unsterblichkeit, um sich in ein separates Zimmer zurückzuziehen. Nachdem er dieses Buch gelesen hatte, stieß er sich das Schwert in den Bauch.


Seine letzten Worte waren die bei Sklaven nach ihrer förmlichen Freilassung üblichen. Es war sinnlos geworden, seinem Ideal weiter zu dienen; Cato war wie ein freier Mensch nur noch sich selbst verantwortlich. Die Republik war am Ende, es begann die Kaiserzeit.


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Kommentare zu diesem Text


 AlmaMarieSchneider (06.03.23, 17:26)
Sein Leben selbst zu beenden dazu gehört unendlich viel Mut und nicht enden wollende Aussichtslosigkeit auf ein Leben überhaupt. 

Hannibal und seine Truppen haben sich jahrelang in Italien herumgetrieben, gemordet und geplündert. Der wusste was ihm blüht und ist dem ausgewichen. In mir rührt sich der Verdacht und Gedanke an Feigheit.

Bei Cato war es eher wie bei den Samurai, es war die Schmach der Niederlage, sein Versagen aber auch die Aussichtslosigkeit seine Republik zu erhalten.

Heute ziehen viele Menschen den Tod vor andauerndem Leid vor. Leid nimmt Lebensqualität bis hin zum "Koma". Schwer kranke Menschen, denen Heilung versagt bleibt, werden sicher darüber nachdenken und sich entscheiden müssen. Patientenverfügungen helfen nur in bestimmten Situationen. In Deutschland sehe ich für solche Menschen keine Regelung, nur den schlechten Nachruf der Nichtwisser und Besserwisser.

Anmerkung: Warum ist der Titel in englischer Sprache?
Ein Ausweichen vor dem Aussprechen? Der Tod ist nichts Unaussprechliches, er sitzt täglich neben uns. Ist es die Form, wie er zustande kommt?

Kommentar geändert am 06.03.2023 um 17:28 Uhr

Kommentar geändert am 06.03.2023 um 17:34 Uhr

 Tula meinte dazu am 06.03.23 um 21:33:
Hallo Graeculus
Schwieriges Thema. Ich denke, der hauptsächliche Trieb zu dieser meistens sehr irrational erscheinenden Tat ist schlichtweg tiefe Depression. 
Nicht selten sicher auch die Erkenntnis, dass alles was 'jetzt' noch kommen könnte, nur unerträgliches Leid ist, siehe schwere Krankheit usw. Nur in diesen bzw. ähnlichen Fällen würde ich den Freitod als rational ansehen. Was ich jetzt mit den sich selbst aufschlitzenden Samurei mache? Hm ... vielleicht 'rationale Blindheit'.

LG
Tula

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 06.03.23 um 21:59:
Der "aufgeschlitzte Samurei" ist eine Sache der Ehre, denke ich mal. Christen waren das ja keine.
Es gibt ja bei diesen Selbstmorden auch noch das Motiv der Erpressung, hoffend auf Rettung. Manchmal geht' s schief.

 Graeculus schrieb daraufhin am 07.03.23 um 14:50:
Zu Alma:

Hannibal hatte Krieg geführt. Was immer er dabei getan hatte, es galt damals - noch vor der Genfer Konvention - als normaler Bestandteil des Krieges. Über Vergewaltigungen schweigen die Quellen. Es galt ihnen wohl nicht als der Rede wert und überstieg daher sicher nicht das übliche Maß.
Auch was die Römer mit einem gefangengenommenen Hannibal gemacht hätten, entspricht nicht dem heutigen Kriegsrecht, war aber damals ihre Sitte. Welchen Sinn hätte es für Hannibal gehabt, sich dem auszusetzen? Da er immer an seinen Schlachten teilgenommen hatte (anders als z.B. Putin heute), war die Feigheit sicher keine bestimmende Eigenschaft bei ihm. Bei Cannae hätte auch er fallen können, statt der römische Oberbefehlshaber.

Cato hat äußerlich etwas getan, was den Samurai vergleichbar ist; doch das Motiv war nicht die verlorene Ehre, sondern die verlorene Sache. "Jetzt gehöre ich mir selbst", hätte ein Samurai nicht gesagt.

Über den englischen Titel hat auch ein anderer Kommentator gestaunt. Ich habe nicht nur ein Argument, sondern auch den Titel von Ambrose Bierce übernommen (ein Autor, der mir persönlich viel bedeutet). Ins Deutsche übersetzt worden ist dieser Artikel von ihm m.W. nie. Und ich zweifle auch, ob man ihn angemessen übersetzen kann. "Sich davonmachen, sich vom Acker machen" hat einen anderen als den  hier gemeinten Sinn und klingt eher nach Flucht und Feigheit - was Bierce ja gerade nicht meint.

 Graeculus äußerte darauf am 07.03.23 um 14:57:
An Tula:

"Hauptsächlich", "nicht selten" - das mag so sein. Mir geht es um die Entlastung von Schuldvorwürfen, speziell dem der Feigheit. Deshalb habe ich Fälle ausgesucht (und diese sind lediglich die beiden ersten!), in denen es sich offenbar oder jedenfalls nach meiner Einschätzung nicht um Feigheit handelt.
Nicht einmal bei David Foster Wallace, der an einer tiefen Depression litt, möchte ich von Schuld, Flucht, Feigheit sprechen. Ich möchte solche Menschen überhaupt vor Verurteilung in Schutz nehmen.

Es liegt sicher nahe - und ich hätte es mir denken können -, daß viele Reaktionen auf meinen Text sich allgemein auf den Suizid beziehen, obwohl ich mich dem Thema nur unter einem speziellen Aspekt nähern wollte.
Vielleicht wartest Du mit Deinem Urteil noch auf Teil 2.

 Quoth ergänzte dazu am 07.03.23 um 16:51:
Den Spruch "nunc mei iuris sum" oder noch besser "an meinem Tod bin nur ich allein schuld" sollte jeder Selbstmörder, jede Selbstmörderin auf einen Zettel schreiben, den er/sie im Portemonnaie bei sich führt; denn die schlimmsten Schuldvorwürfe sind nicht die an den Selbstmörder, sondern die, die Angehörige, Freunde und Verantwortliche sich selbst und einander gegenseitig machen.
Eine interessante Seite dazu  diese hier.
Die großen antiken Selbstmörder (zu denen ich auch Sokrates und Seneca zählen würde) sind von unserer Alltagsrealität mit ihren vielen Depressionsselbstmorden weit entfernt. Gruß Quoth

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 07.03.23 um 16:54:
@Graeculus

Über Vergewaltigungen schweigen die Quellen.
Wobei die Quellen Polybios und Titus Livius auch nur vom "Hören und Sagen" leben. Dabei war keiner.


Hannibal Barkas siegte zwar, wusste aber den Sieg nicht zu nutzen. Warum holte er sich nicht Rom? War er nur imstande eine Kriegerhorde zu führen aber nicht Rom zu regieren? Für mich war er ein genialer Stratege, aber für das Nachfolgende nicht imstande. Ein nutzloser Feldzug.
Zu seinen Taten konnte er auch nicht stehen.

Im Übrigem: Ich dachte schon darüber nach was ich, wenn Heilung nicht möglich wäre, mache. Eines weiß ich, kommt der Krebs zurück, werde ich nicht mehr die Kraft haben zu kämpfen. Feigheit? Nein, nur Kenntnis.

Antwort geändert am 07.03.2023 um 17:05 Uhr

Antwort geändert am 07.03.2023 um 18:44 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 17:50:
Bitte, ich komme später auf Euch zurück. Eure Beiträge haben einen konzentrierteren, frischeren Graeculus verdient als der, der ich derzeit bin.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:23:
An Quoth:

Es ist schwierig, aus heutiger Sich etwas zu Depressionen in der Antike zu sagen. Das Pendant der damaligen Medizin war sicher die Melancholie, orientiert an der Säftelehre seit dem Corpus Hippocraticum. Ob in diesem Zusammenhang auch Suizide erwähnt werden, kann ich momentan nicht sagen.

Sokrates, den auch ich als eine Art Suizident ansehe, und Seneca d.J. sind sicherlich keine Beispiele für Melancholie. Mögliche Kandidaten sind der kürzlich erwähnte Tiberius sowie Marc Aurel, von dem wir wissen, daß er sich von seinem Arzt Galen mit Opium hat behandeln lassen. Beide haben sich nicht umgebracht.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:28:
An Alma:

Es gab sicher auch im Hannibalischen Krieg Vergewaltigungen; aber für das, was die Römer mit ihm vorhatten, hat es keine Rolle gespielt. Und also auch nicht für seinen Suizid, den er begangen hat, weil er wußte, was die Römer mit ihm vorhatten.
Ein Standardvorwurf der romfreundlichen Historiker war übrigens die 'punische Hinterlist', ein Klischee geradezu. Listig war Hannibal ja in seiner Kriegführung.

Daß in einem menschlichen Leben ein Punkt erreicht werden kann, an dem man keinen Sinn mehr in einem Kampf gegen eine Krankheit sieht, wohl auch nicht mehr die Kraft dazu hat, darin sind wir uns einig.

 Dieter Wal meinte dazu am 08.03.23 um 10:00:
Der "aufgeschlitzte Samurei" ist eine Sache der Ehre, denke ich mal.
@AlmaMarieSchneider:

Bedingt.

Der japanische Schriftsteller Mishima Yukio beging 1970 nach einem vergeblichen Putschversuch Seppuku. Doch bevor sein Liebhaber ihm den Kopf abschlagen durfte, nachdem er sich mit einem Schwert die Eingeweide durchtrennt hatte, schrieb Mishima eine Novelle, die den Suizid durch Seppuku des Protanonisten beschrieb und spielte die männliche Hauptrolle der Verfilmung selbst.

Sein Suizid dürfte nur sehr bedingt eine Frage der Ehre gewesen sein, sondern dürfte eher einer Verbindung aus vergeblicher nationalistischer Agitation in der Tradition der Samurai und einem verqueren militaristischen Männlichkeitsideal entsprungen sein, das seiner mehr oder weniger verdeckt gehaltenen Homosexualitat geschuldet sein könnte.

Wie schwer er ihm gefallen sein muss, erkennt man an der schriftstellerischen Vorwegnahme und schauspielerischen Verkörperung der Hauptrolle des Autors. Sicher kein erfreulicher, sondern schrecklicher Tod. Auch für einen Möchtegern-Samurai.


Antwort geändert am 08.03.2023 um 10:02 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 11:53:
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Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 12:07:
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 12:17:
@Dieter Wal

Samurai sammelten geradezu "Ehrenpunkte". Verlor er seine Ehre, war er wie Taina sagt erst mal "Herrenlos".
Ehre und Treue, waren ihre Werte.
Da gibt es doch die Geschichte von den 47 Samurai. Ich habe sie nicht mehr im Kopf, müsste nachlesen. 
Der "Gesichtsverlust" ist heute noch in Verhandlungen mit Japanern ein Punkt, der alles zunichte machen kann.
Im Grunde geht es hier auch um Ehre und damit verbunden um Ansehen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 16:46:
An Taina:

Kleopatra, gut, daß Du sie erwähnst. Ein Beispiel für einen Suizid bei völliger Ausweglosigkeit. Auch sie wollte nicht in Ketten hinter dem Wagen des Triumphators herlaufen, um danach erwürgt zu werden.
Manchmal ist der Suizid der leichtere Tod.

Das Manko der Kleopatra im Rahmen meiner Intention hier besteht darin, daß kein letztes Wort von ihr überliefert ist. Und ich wollte die Leute zu Wort kommen lassen.

Aber eine Frau wird noch folgen!

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 16:48:
An Alma:

Meinst Du den Kurosawa-Film "Die sieben Samurai"?
Der ist unbedingt sehenswert, aber ein Suizid kommt darin meiner Erinnerung nach nicht vor.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 19:29:
@Graeculus
Nein. Es geht bei mir meistens um Geschichte.
Die Geschichte hat sich 1647-1701 zugetragen.
Kern: 47 Ronin rächten ihren Herrn Asano Nagonori, den man zum Seppuku (Selbsttötung) getrieben hat und sie mussten darauf hin alle 47 selbst Seppuku begehen.
Ihre Gräber findet man in einem Zen- Buddhistischen Tempel Sengaka-ji in Takanawa, Minat in Tokio.
Die ganze Geschichte ist sehr spannend, da sie im Prinzip die japanische Denkweise spiegelt. Die Japaner sind sowieso ein "irre spannendes" Volk.
Fast 20 Jahre habe ich mit ihnen gearbeitet, deshalb mein Interesse.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 20:00 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 22:50:
Verstehe. Von dieser Geschichte hatte ich noch nie gehört. Die japanische Kultur ist sehr interessant, aber für Außenstehende schwer zugänglich. Für Dich nach 20jähriger Erfahrung vielleicht nicht, für mich aber doch, obwohl es in meiner Heimatstadt Düsseldorf eine große japanische "Kolonie" (so nennt man das dort) gibt.

 EkkehartMittelberg (06.03.23, 17:35)
Hallo Graeculus,
weißt du, ob es vor allem Christen warfen, die den nach ihrem Glauben verwerflichen Selbstmord als Feigheit denunzierten?

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:09:
Eine schwierige Frage, lieber Ekkehart. Die Einstellung zum Suizid vor der Ausbreitung der monotheistischen Religionen war sicherlich entspannter, vorurteilsloser.
Es fällt auf, daß in den heiligen Schriften der drei monotheistischen Religionen (Tanach, Neues Testament, Koran) keine Veurteilung des Suizids zu finden ist, keine einzige. Daß vor allem Christentum und Islam dennoch den Suizid verurteilen, ist daher ein Ergebnis theologischer, also sekundärer Überlegungen, vor allem die Annahme, daß allein Gott der Herr über Leben und Tod sei, das Leben ein von ihm erlangtes Geschenk, das nicht zurückgewiesen werden dürfe etc.
Da diese theologischen Annahme der Sündhaftigkeit des Suizids sich mit dem Glauben an eine Strafe im Jenseits verbindet, liegt die Einschätzung als feige eigentlich nicht nahe, denn dem Suizidenten stehen ja schwere Höllenstrafen bevor. Wenn Du eine Tat begehst, von der Du weißt, daß sie Dir ewige Pein eintragen wird, wird man Dich nicht als feige ansehen, oder?

Ich vermute den Ursprung dieses Etiketts eher in der Unterstellung, daß jemand sich seinen Problemen, z.B. der 'irdischen Gerechtigkeit', entziehe. Wobei das in der Antike noch nicht nahelag, denn weder Hannibal noch Cato noch Seneca haben sich der Gerechtigkeit entzogen. Sie hatten ihr Spiel verloren, das war alles. "Victrix causa deis placuit, sed victa Catoni."

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.23 um 22:44:
Ich teile deine Sicht auf das Attribut "feige", dass dessen Benutzer jemanden kritisieren wollen, der sich mit einem feigen Suizid der irdischen Gerechtigkeit entziehe.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:32:
Manchmal sind es ja gar keine Verbrecher (in welchem Sinne auch immer); doch auch da "flieht man vor seinen Problemen".

Einige Kommentatoren hier behaupten ja, daß Suizidkandidaten heute dieser Vorwurf nicht mehr gemacht werde. Ja, von Ärzten wohl nicht. Ansonsten aber weiß ich nicht, in welcher Welt die leben.
Beliebt ist auch die Vorhaltung: "Du mußt das einfach wollen!" Wodurch dann, weil der Betreffende es nicht kann, gleich wieder ein Gefühl des Versagens suggeriert wird.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 12:11:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 16:56:
Das wäre eine soziologische Erklärung, falls Augustinus so dachte. Auf das frühe Christentum und die späte Antike könnte sie zutreffen. Aber auf den Islam?
Natürlich sind die offen vorgetragenen Argumente ganz andere.

Bei dieser Gelegenheit: Du liest ja gerne. Da empfehle ich David Humes "On Suicide/Über Selbstmord", das er damals - so waren die Zeiten - anonym veröffentlichen mußte. Es ist die erste rationale, nicht mehr durch christliche Theologie bestimmte Auseinandersetzung mit dem Suizid in der europäischen Neuzeit. Humes Argumente sind klassisch geworden im Rahmen der Philosophie. Ansonsten wird diese Schrift auch heute noch gerne beschwiegen.
Der erste Satz lautet:

Ein wichtiger Gewinn, welcher aus der Philosophie kommt, besteht darin, dass sie das wirksamste Gegengift gegen Aberglauben und falsche Religion liefert.

In Stein zu meißeln.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 17:56:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:34:
Da empfehle ich nix Schlechtes, sondern eines der 'selbstdenkerischsten' Bücher der Weltliteratur.
Taina (39)
(06.03.23, 20:47)
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 Mondscheinsonate meinte dazu am 06.03.23 um 21:32:
Ist es nicht auch Besserwisserei, wenn man dem Gegenüber Besserwisserei vorwirft? Was ist Wahrheit? Wer bestimmt das eigentlich? Zählt nur die eigene Meinung? 
Ich sah übrigens ein Kuvert über den Tisch wandern. Seitdem bin ich kritischer, was Sterbehilfe angeht. Es ging um etwas anderes, aber könnte durchaus auch bei diesem Thema passieren. Ich würde vorsichtiger sein, bei dem Thema. Wo Menschen sind, gibt es auch Grausamkeiten. Anders, wenn sich der Mensch X in den Zug setzt und eine lange Fahrt in die Schweiz macht und aussteigt, bewusst in die Klinik fährt. Das ist der freie Wille. 
Ich sah einen Aufgehängten als Kind, der war schwer auf Koks. Glaubst du da an "Freitod" oder war es Zwang? Der Großvater meines Ex-Freundes baumelte am Dachboden, der Sohn fand ihn. Affektive schizophrene Psychose. Auch ein "Freitod"? Es gibt so viele Formen, aber eines kannst du mir glauben, niemand mehr meint: "Der war feig!" Das ist längst überholt. Jetzt heißt es: "Der war arm!" Willkommen 2023. Du siehst, das Thema darf auf gar keinen Fall einseitig mit "Ich habe diese Meinung!", "Ich bin ein Freigeist" abgehandelt werden, dazu ist es zu komplex. In Österreich ist die Sterbehilfe nun erlaubt, die Wahrheit ist, dass die Morphiumdosen und Essenszufuhr bei Sterbenskranken vorher schon erhöht und das Essen gedrosselt wurde. Verstehst du? Suizid ist ein anderer Begriff, der entsteht durch Verzweiflung, Leidensdruck. Die Begriffe sind auseinanderzuhalten. Sterbehilfe/Freitod= Jurist, Arzt, Angehörige. Der Arzt gibt dem Patienten die Tablette in die Hand, er muss sie selbst nehmen. Vorallem noch in der Lage sein können. Suizid= Du findest deinen Lieben tot auf, zumeist war der alleine, das war ein Leidensdruck. Ein schwieriges Thema, das mir sehr Nahe geht. Und, ich bin sicher, dass der oder die LeserIn, die auch schon einmal jemanden hängen sahen, das genauso sehen.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:24:
An Taina:

Schon der Begriff "Selbstmörder" ist mir tief suspekt, er ist geradezu polemisch. Du weißt ja, wie Mord juristisch definiert ist. Schon wenn der Getötete mit seiner Tötung einverstanden war, sie sogar gewünscht hat, spricht man nicht mehr von Mord. Und dann gar der Selbstmörder! Wenn ich auf irgendetwas in meinem Leben ein Recht habe, dann ist es mein eigener Körper! Falls Dir das nicht schon logisch einleuchtet, dann nimm die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Spätestens seit nicht mehr christliche Theologie unsere Rechtauffassung dominiert, ist der Suizidversuch nicht mehr strafbar, der versuchte Mord hingegen schon.

Was das Motiv für meinen Text angeht - ich werde Näheres dazu noch bei Mondscheinsonate schreiben -, so ist meine Absicht, vier typische Fälle vorzustellen (mit Selbstzeugnissen!) und die Betreffenden von Schuldvorwürfen zu entlasten.
1. Objektive Ausweglosigkeit, 2. Scheitern des Lebenszieles. Auf die beiden weiteren mußt Du noch warten.
Die von Dir angesprochenen Kurzschlußreaktionen ("Ein guter Abschiedsbrief", sagte einmal ein Psychiater, ist vierzehn Tage alt.") und erst recht die als Erpressung gemeinten Suizidversuche, die dann manchmal unabsichtlich zu echten Suiziden werden, liegen mir nicht so nahe.
Mit einer Gesamtanalyse des Phänomens ist hier nicht zu rechnen; damit wären wir überfordert.
Taina (39) meinte dazu am 07.03.23 um 15:37:
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 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:47:
An Mondscheinsonate:

Wann immer jemand jemandem widerspricht, beansprucht er, es besser zu wissen (Du übrigens auch). Ein Wahrheitsanspruch hängt davon ab, ob man eine Sache durchdacht, erwogen und sich aufgrund von Argumenten entschieden hat. Wer reflexartig einen Suizid als Feigheit (gerne auch: Flucht vor Problemen) verurteilt, hat das nicht getan.
Ich weiß nicht, ob Du solche Vorwürfe wirklich nicht kennst. Daß sie außer Gebrauch gekommen wären, diese Annahme wird hier schon durch einige Kommentare widerlegt. "Flucht vor Verantwortung", wie oft habe ich das gehört, und Flucht gilt als Feigheit! Allerdings stamme ich auch aus einem katholischen Milieu, in dem ohnehin immer und immer wieder von Sünde, Schuld, Versagen u.ä. die Rede war. Heute nicht mehr? Hier tummeln sich die sog. Pietcong (Pietisten), und da bin ich tief skeptisch.

Der Suizid berührt, er berührt emotional. Das liegt zum einen daran, daß wohl jeder oder fast jeder Mensch andere, nahestehende Menschen kennt, die Suizid begangen oder versucht haben. Zum anderen aber bin ich gespannt, ob hier jemand sich dazu bekennt, selber schon an Suizid gedacht zu haben, in irgendeiner Phase seines Lebens. Oder ist das ein Tabu? Dann will ich es brechen: Ja, ich hatte einmal den Wunsch, mich umzubringen, und habe einen Freund mit Beziehungen zur Unterwelt gebeten, mir einen Revolver zu besorgen. Hätte er das getan, dann würden wir uns hier und heute nicht unterhalten.

Mit Spannung habe ich gelesen, daß auch Thomas Bernhard in "Alte Meister" den Suizid mit Feigheit in Verbindung bringt, wenn auch genau umgekehrt:

Glauben Sie mir, ich denke beinahe immer, ob es nicht besser gewesen wäre, ich hätte mit dem Tod meiner Frau selbst Schluß gemacht. Diese Feigheit verzeihe ich mir nicht.

(S. 180 in der Ausgabe der Suhrkamp-Bibliothek)

Ist es manchmal feige, nicht Suizid zu begehen?

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:48:
Ja, Thomas Bernhard denkt gegen den Strich.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.03.23 um 16:10:
Ich, ja. Habe es einmal versucht. Tabletten. Man pumpte mir den Magen aus. Größte Scheiße, die ich jemals mir selbst angetan habe. Daher weiß ich, wovon ich schreibe. Suizid geht mehr als nahe.
War das ein Kompliment an Berni? :D

Antwort geändert am 07.03.2023 um 16:10 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 16:32:
An Taina:

Unnatürlicher, gewaltsamer Tod ist nicht der Sinn von "Mord" und war es nie. Von den vielen Elementen, die daran im Falle des Suizids fehlen, ist der entscheidende: Die Tötung geschieht nicht gegen den Willen des Getöteten! Falls Du eine Parallele zum Strafrecht unbedingt haben willst, dann ist es die Tötung auf Verlangen.

Ich habe verstanden, daß das in Deinem Falle keine Verurteilung einschließt, aber das Wort Mord legt das für Leser fast unvermeidbar nahe.
Leider kennt unsere Sprache für den Freitod keine Bezeichnung des Täters.
Taina (39) meinte dazu am 07.03.23 um 16:37:
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 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 16:48:
An Mondscheinsonate:

1. Ja. Und ich bin davon überzeugt, daß sehr viele Menschen in dieser oder ähnlicher Weise davon betroffen sind. Das zeigen die emotionalen Reaktionen.

2. Ja, in dieser Hinsicht. Es stehen anregende Sätze darin, manchmal auch ganze Passagen wie etwa die über Aborte in Wien, bei denen ich mir denke: Das darf doch nicht wahr sein! Aber wir sollten dieses Thema separat behandeln; nur dieses eine Zitat paßte hierher. Manchmal ist es feige, sich nicht zu töten. Darüber kann man nachdenken.
Bernhard mach sich insgesamt erstaunlich frei von gängigen Ansichten.

Antwort geändert am 07.03.2023 um 17:58 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 16:50:
An Taina:

Ist inhaltlich richtig, aber zu umständlich, das wird sich nicht durchsetzen. Eine einfache Übersetzung von Suizident ist Selbsttöter.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.03.23 um 17:53:
Off topic: Ich grinse. (STRIKE!)

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 18:06:
Zwei Grinser hinzu:

Jeder hat seinen eigenen, seinen ureigenen Redezwang [...]

Und:



Tatsächlich sind die Wiener die schmutzigsten Leute in Europa und es ist wissenschaftlich festgestellt, daß der Wiener nur einmal in der Woche ein Stück Seife verwendet, wie es ebenso wissenschaftlich festgestellt ist, daß er seine Unterhosen nur einmal wöchentlich wechselt, wie er seine Hemden auch höchstens zweimal in der Woche wechselt und die meisten Wiener wechseln ihre Bettwäsche nur monatlich einmal, so Reger.

Sie müssen interessant riechen, diese Wiener.

Ordnungsruf: Wir reden hier über Suizid! Und man kann sich zwar erstechen, aber nicht erstinken.



Antwort geändert am 07.03.2023 um 18:13 Uhr

Antwort geändert am 07.03.2023 um 18:13 Uhr

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.03.23 um 20:06:
Alles wahr, auch das mit den Toiletten. 😂😂😂

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:37:
Sag mal, ist das dein Ernst? Ich habe keine stinkenden Wiener gerochen und keine ekelhaften Toiletten kennengelernt. Als schlimm, was die Toiletten angeht, habe ich eher Italien in Erinnerung.
Aber Wien hatte traditionell eine sehr hohe Suizidrate, wobei dann, meine ich, der Platz 1 in der Liste - warum auch immer - nach Ungarn gegangen ist.
Zwei Orte, die ihre große Zeit hinter sich hatten, habe ich mir gedacht, und an denen daher eine melancholische Grundstimmung herrschte.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.03.23 um 11:03:
Das hat sich nach Tirol verlagert. Man sagt, der ständige Fön tut nicht gut.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:03:
In Hallstatt war ich mehrmals, und zwar im Sommer. Hübsch, aber man sagte uns, den kompletten Winter über käme die Sonne nicht über die Berge. Also, das wäre kritisch für mich - sozusagen "Hallstatt sehen und sterben".
Inzwischen wäre das vermutlich auch im Sommer der Fall, so überlaufen wie der Ort von Touristen ist, nachdem er in China durch den Nachbau in einem Vergnügungspark populär geworden ist.

 AngelWings meinte dazu am 17.03.23 um 01:52:
Mondschein! Das Worte Feig beruhte auf was anderes! Das meisten solch der ausgiere, oder auf lust jemand zu Tod bringt. Und zu diesem sage du warst Feig, dich umbringen, dann Versuch nochmal.

 Graeculus meinte dazu am 19.03.23 um 22:33:
Das verstehe ich nicht, AngelWings.

 FrankReich (06.03.23, 22:14)
Hitler bspw. hatte seinen Tod geplant und selbst ausgeführt, obwohl er während des 1. Weltkrieges und auch im weiteren Verlauf seines Lebens nie als besonders mutig beschrieben wurde. 
Ich denke ebenfalls, dass der Freitod/Suizid eine Ausnahmesituation darstellt, in der von Außenstehenden höchstens beurteilt werden kann, ob es sich dabei um ein Kurzschlussreaktion, oder wie im Falle Hitlers eben nicht, gehandelt hat, und wenn z. B. ein ansonsten harter Kerl durch einen anderen zu Tode kommen soll und er darüber jammert, bleibt immer noch ungewiss, wie die Reaktion ausfallen würde, wenn die Exekution selbst herbeigeführt werden müsste. 
Gerade die japanische Kultur sollte uns lehren, dass der bewusst vorbereitete und begangene Suizid eigentlich keine Frage von Angst oder Mut, sondern eine von Erziehung und Selbstdisziplin darstellt, das Zauberwort lautet aber in jedem Fall immer auch Differenzierung.

Ciao, Frank

 Regina meinte dazu am 07.03.23 um 03:57:
Hermann Göring nahm das Todesurteil voraus, das er bekommen hätte, weil er nicht wollte, dass der Feind über einen deutschen Marschall triumphiert. Was hat also triumphiert? Die Macht des Willens.

 FrankReich meinte dazu am 07.03.23 um 04:10:
Lässt sich das aber nicht auch als Angst vor Demütigung interpretieren?

 FrankReich meinte dazu am 07.03.23 um 10:36:
Es wird allerdings auch heutzutage noch darüber diskutiert, ob die Führungsspitze des NS-Regimes noch alle Ziegel auf dem Dach hatten, denn mal ehrlich, ein Vater, der seine fünf Kinder vergiften lässt, nur weil die Scheiße, die er sich aus dem Arsch gedrückt hat, an ihm kleben blieb, kann doch wirklich nicht mehr alle Nadeln an der Tanne gehabt haben. Nee, die Selbstmorde von Hitler, Goebbels und Göring hatten mit Mut oder Angst, geschweige denn Willensstärke, nichts mehr zu tun, das war meiner Einschätzung nach einfach nur noch Psycho.

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 16:00:
Hitler war nicht mutig? Ein Verbrecher war er, aber nicht mutig? Im WK I war er Meldegänger, d.h. er mußte aus den relativ sicheren Schützengräben raus, um Meldungen zu überbringen. Dafür hat er Tapferkeitsauszeichnungen bekommen.
Ähnlich war Göring ein hochdekorierter Fliegeroffizier im WK I.
Die haben wirklich an der Front gekämpft. Nein, Feigheit ist nicht das, was mir zu ihrem Suizid einfällt. Beide sind m.E. eher Fälle für das, was ich (objektive) Ausweglosigkeit nenne.
Goebbels dachte ideologisch, d.h. er war ein gläubiger Nazi, also ein Fall von gescheitertem Lebensziel. Daß er dabei seine Kinder mit in den Tod genommen hat, paßt für mich dazu - die Welt nach dem III. Reich schien ihm nicht wert, gelebt zu werden.

Verbrecher waren es allesamt. Man kann ihnen genügend vorwerfen und muß m.E. nicht auch noch die Feigheit oder Geisteskrankheit daraufhäufen.

Selbstverständlich ist ein Suizident nicht per se ein ehrenhafter Mensch.

Goebbels war übrigens schwerbehindert ("Lieber Gott, mach mich blind / Daß ich Goebbels arisch find!"), Himmler im WK I als kriegsuntauglich eingestuft.

Habe ich jetzt etwas überlesen an Deinem Beitrag? Ich werde später nochmal nachschauen.

 FrankReich meinte dazu am 07.03.23 um 19:03:
Dass durch die NS-Propaganda ihre Führung zu einem Haufen harter Hunde hochstlisiert wurde, lässt Du bei Deinen Ausführungen allerdings außer Acht, meinst denn Du, dass ein Regime, welches Bücherverbrennungen arrangiert, nicht auch über Mittel und Wege verfügte, um sich für 'sein Volk' und die Nachwelt zu glorifizieren?
Zu Hitlers Einsatz als Frontschwein und Meldegänger empfehle ich Dir den Artikel aus der SZ "Erster Weltkrieg - Hitlers Regiment" vom 08.10.2014 von Hans Kratzer, außerdem ist Hitlers Prtsönlichkeitsstruktur immer noch umstritten, die These über eine mögliche Psychopathie hält sich trotz angeblicher Widerlegung hartnäckig, das, was sich jedoch über sein Privatleben ermitteln lässt, weist ihn allerdings nicht als psychisch gesunde Person aus.
Über die Goebbels-Biographie von Peter Longerich lässt sich der leitende Redakteur der 'Welt', Sven Felix Kellerhoff mit dem Titel "Der hasserfüllte Narzisst" vom 15.11.2010 aus und zu Hermann Göring ist der Artikel "Monster sind nicht charmant, oder?", ebenfalls aus der SZ vom 20.02.2017 von Lars Reichardt ziemlich aufschlussreich. Darin wird die Großnichte Göring interviewt, sie zumindest bezeichnet ihn als Psychopathen.
Nein, Angst hatte wahrscheinlich keiner von den dreien, als mutig würde ich solch verpeilte Arschlöcher allerdings auch nicht bezeichnen, was sie allerdings alle drei in den Fokus der Psychopathie rücken würde.

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:46:
Selbstverständlich wurden die Nazi-Größen in der Propaganda zu Helden stilisiert. Doch Hitler und Görings Kriegsauszeichnungen entstammen nicht dieser Propaganda.

Goebbels und Himmler hatten, aus den genannten Gründen, keine.

Nein, Helden waren das nicht, und vielleicht psychisch gestört resp. krank. Ich meine nur, daß Feigheit nicht das Erste ist, was mir im Zusammenhang mit ihren Suiziden einfällt. Goebbels hat am Ende zu seinen Mitarbeitern zynisch gesagt: "Dann werden euch die Bolschewiken euer Hälschen umdrehen." Sie wußten, was ihnen blühte. Göring war weltfremd genug (oder vom Morphium benebelt), um zunächst anzunehmen, man werde mit ihm, dem Reichsmarschall, verhandeln. Als er sich umgebracht hat, wußte er es besser. Immerhin hatte er bis dahin noch seine große Show in Nürnberg gehabt.

Waren sie Psychopathen? Kennst Du das interessante Buch von G. M. Gilbert: "Nürnberger Tagebuch. Gespräche der Angeklagten mit dem Gerichtspsychologen"? Darauf müßte man sich wohl heute stützen, denn Gilbert hat sie mit den psychologischen Methoden seiner Zeit untersucht.

 FrankReich meinte dazu am 08.03.23 um 11:34:
Stimmt, aber gerade aus der Quelle, die ich Dir zu Adolf Hitler an die Hand gegeben habe, geht hervor, dass sich Auszeichnungen durch Beziehungen oder Bestechung auch nachträglich noch ergattern lassen.
In erster Linie geht es mir aber darum, dass die Gründe für Suizid sich nicht verallgemeinern lassen, egal wie offensichtlich sie manches Mal auch scheinen.

Ciao, Frank

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:07:
Jetzt gerate ich in die mir unangenehme Rolle, Adolf Hitler zu verteidigen. Das möchte ich nun nicht. Aber diese Meldegänger hatten wirklich die Arschkarte gezogen. Mein Großvater war einer, ebenfalls mit EK II und EK I.

Vielleicht können wir uns darauf verständigen, daß Hitler sich durch seinen Suizid in einer ausweglosen Situation der 'irdischen Gerechtigkeit' entzogen hat.

 Regina meinte dazu am 20.03.23 um 17:57:
Göring: weder mutig noch feige. Was gehört dazu, eine Zyankalitablette zu schlucken, um der Blamage zu entgehen, dass man eh sterben muss.
Goebbels: Hätte er sich gestellt, hätte er die Kinder retten können.
Hitler: Was ist mit Eva Braun? Musste die auch mit in den Tod?

 Regina meinte dazu am 20.03.23 um 17:59:
Und hat diesen ganzen Militaristen niemand mal gesagt, dass ihre Ziele falsch gesetzt waren?

 Graeculus meinte dazu am 21.03.23 um 00:15:
Göring war ein Fall für meinen Typus 1: eine objektiv aussichtslose Situation, in der die einzig mögliche Wahl darin besteht, es selber zu tun oder dem Feind seinen Triumph zu geben.

Zu Goebbels habe ich schon etwas geschrieben (ich weiß, es ist extrem unübersichtlich hier): Er war ein gläubiger Nazi, der eine Welt nach dem Nationalsozialismus weder für sich noch für seine Kinder als lebenswert erachtete.

Ob auf Eva Braun Druck ausgeübt worden ist oder ob sie sich aus eigenem Antrieb umgebracht hat oder aus einer Mischung von beidem, weiß man nicht so genau.

 Regina meinte dazu am 21.03.23 um 07:50:
Keiner von ihnen hatte eine Folterung zu befürchten, der Tod durch den Strang geht auch schnell. Das Zyankali, vor allem bei Göring, war ein Mittel zum Zweck, nochmal die Herrenmenschenattitüde auszuspielen.

 Graeculus meinte dazu am 22.03.23 um 00:30:
Herrenmenschenattitüde halte ich für etwas übertrieben; er wollte den Siegern ihren letzten Triumph nicht gönnen, das reicht mir als Erklärng. Das paßt wohl auch auf Hannibal.

 Verlo (06.03.23, 23:23)
Stefan Zweig.

 Dieter Wal meinte dazu am 07.03.23 um 12:59:
 Stefan Zweigs handschriftlicher Abschiedsbrief.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, rufen Sie bitte die  Telefonseelsorge an.

Antwort geändert am 07.03.2023 um 13:01 Uhr
kipper (34) meinte dazu am 07.03.23 um 14:21:
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 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:31:
An kipper:

Du übergehst völlig - und ich unterstelle deiner Intelligenz, daß du das absichtlich tust -, daß 1. ich meine Beispielfälle für typische Motive einsetze (bisher: Ausweglosigkeit, Scheitern des Lebenszieles) und 2. ich damit noch nicht am Ende bin, während du schon ein Gesamturteil über mein Projekt ablieferst.
In diesem unredlichen Stil möchte ich mich nicht auseinandersetzen.

P.S.: Du kennst ein letztes Wort Heinrich Himmlers?

 Terminator meinte dazu am 07.03.23 um 20:54:
Es geschieht nie freiwillig, sondern immer und jedenfalls umständehalber. Die Umstände sind, abgesehen von physischen oder psychischen Krankheiten, immer die gleichen: Depression, Verzweiflung, Ausweglosigkeit, Verlust, Scham und Angst.
Wer selbst eine Opfermentalität hat, der unterstellt sie auch anderen. Die einzige Hürde für den Suizid als freiwilligen Vernunftentschluss ist die Furcht vor dem Tod/dem Sterben bzw. der Selbsterhaltungsinstinkt. Ein starker Wille ist durchaus in der Lage, diese Hürde zu meistern. Und hier sehen wir den Suizid aus Ehre (Harakiri), zum Erhalt der Würde (ein Todkranker, bevor er zur lebenden Leiche wird), aus Stolz (kann man sich denken).


Die der Opfermentalität naheligenden Ursachen sind dagegen keineswegs zureichend:

Depression: unzählige Depressive leben als medikamentensüchtige Wracks weiter, wenige stellen sich wie Robert Enke vor einen Zug, um ihrem Elend ein Ende zu setzen.

Verzweiflung: endet oft im Alkoholismus und selten im Freitod.

Angst: die meisten haben eher Angst, es zu tun, als in Scham, Angst und Verzweiflung weiterzuleben.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 23:53:
Die Angst, "es zu tun", selbst wenn vernunftmäßig vieles dafür spricht, dürfte wohl das verbreitetere Gefühl sein.

Es gibt auch die Angst vor einer ungeeigneten oder schmerzhaften Methode. Heute kann man sich da im Internet orientieren, aber ich erinnere mich, daß vor ca. vierzig Jahren eine "Gebrauchsanleitung zum Selbstmord" als Buch erschienen ist, das ernst gemeint war und - immerhin - unter der Ladentheke verkauft werden durfte, also ohne Werbung. Es war dennoch ein Bestseller, und ich habe mal einen Buchhändler gefragt, wer es denn kaufe. "Alte Leute", erwiderte er.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 15:33:
Auf das angebliche letzte Wort Heinrich Himmlers warte ich noch. M.W. gibt es nur von Hitler letzte Aussagen, nämlich ein Testament, unmittelbar vor seinem Tode diktiert.

 Augustus (07.03.23, 14:41)
Das Gefühl unendlicher Wertlosigkeit treibt jemanden zum Suizid. Dies Gefühl ist es auch, das unterschwellig Depressionen verursacht. 

Wertlosigkeit ist nicht gleichzusetzen mit Ausweglosigkeit. Denn auswegslos ist der Tod für jeden Menschen, doch nicht jeder Mensch begeht Selbstmord. Ausweglosigkeit, nach einer vernichtenden Niederlage wie bei Cato bestärkt und verschärft seine Wertlosigkeit in der Welt. Es führt kein Ausweg um Cäsar vorbei. Cäsar ist der absolute Wert in dem Moment, Cato die absolute Wertlosigkeit. 

Ich finde es interessant, dass selbst noch 90 jährige mit gleichaltrigen um eine 70 jährige, streiten können, wenn beide aus der Nachbarschaft um die Dame buhlen. 

Es wird ein transzendentaler Wert erzeugt, an dem alle 3 Parteien hängen. 

Nur der Geist vermag diesen Wert zu schaffen. Die Depression und Suizidgedanken  sind allmähliche Vorgänge von einer dahinsiechenden Willenlosigkeit und der absoluten Anschauung der Wertlosigkeit, sowohl nach Innen und nach Außen. 

So lässt sich auch der „Werther“ erklären. Nicht die unerreichte Liebe treibt ihn in den Suizid, sondern die innere und äußere Wertlosigkeit; als gescheiterter Künstler, als gescheiterter Liebender. 

Das Empfinden der absoluten Wertlosigkeit ist ein entschiedenes Element des Freitodes.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 16:07:
Ich muß und werde überlegen, ob das Gefühl bzw. Bewußtsein der eigenen Wertlosigkeit der gemeinsame Nenner für alle vier Typen, die ich im Sinn habe (eine Fortsetzung folgt ja noch), darstellt. Das hat etwas für sich!

Gibt es einen Suizid aus Stolz oder Aufopferung? Was ist mit Arnold Winkelried, dem Schweizer, der in einer Schlacht gegen die Österreicher deren Spieße zusammenraffte und sich in die Brust stieß, damit seine Schweizer in die feindlichen Reihen vorstoßen konnten?
Taina (39) meinte dazu am 07.03.23 um 16:41:
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 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 17:47:
Ja, der Suizid als Aufopferung für Menschen, die man liebt, fürs Vaterland oder auch nur zur Rettung unschuldiger Menschen ist so selten gar nicht. Dafür gibt es dann immerhin Orden und Anerkennung.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:12:
Auch nach einigem Nachdenken gefällt mir das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit - wodurch auch immer verursacht - als gemeinsamer Nenner gut, mit Ausnahme der Fälle, in denen der Suizid (der freiwillige Tod) ein Opfer zum Wohle anderer bedeutet. P. Maximilian Kolbe ist dafür ja sogar von der in dieser Sache ganz strengen katholischen Kirche heiliggesprochen worden.
Und ist nicht sogar Jesus ein Beispiel dafür? Pilatus hat ihm eine goldene Brücke gebaut, aber nein, er mußte sagen: "Ja, ich bin ein König!"
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 20:27:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 22:29:
Nun, sie trafen eine Entscheidung, von der sie wußten, das sie ihren Tod herbeiführen würde. Weiter oben, irgendwo in diesem Wust, wurde auch Sokrates - nicht ganz unberechtigt - unter die Suizidenten gerechnet.
Das Motiv ist dabei m.E. nicht entscheidend, denn auch Arnold Winkelried wollte bei seinem Suizid andere retten. Den Suizid als Opfer gibt es halt auch.

Zumindest die Umgangssprache hält sogar die Todesabsicht für sekundär, wenn sie vom "Selbstmord mit Messer und Gabel" spricht.
Jemand tut wissentlich etwas, von dem er weiß, daß es seinen Tod herbeiführen wird.

Entschuldige bitte, wenn ich jetzt Jesus in einem Atemzug mit einem Freßsüchtigen genannt habe. Aber Du wirst schon verstehen, was ich damit meine.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 22:52 Uhr

Antwort geändert am 10.03.2023 um 17:20 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 23:23:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:30:
Das ist ja einer der Gründe, weshalb Sigmund Freud seine so arg umstrittene These vom Todestrieb (Thanatos) entwickelt hat. Leider erklären seine Kritiker uns nicht, warum es in jeder Kultur Drogen gibt.
Taina (39) meinte dazu am 09.03.23 um 06:29:
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 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 15:40:
Daß auch einige Tiere bzw. Tierarten Drogen konsumieren, weiß man seit neuerer Zeit. Aber daß es sie in allen menschlichen Kulturen gibt, ist ja schon lange bekannt - und mir fehlt bei den Vertretern einer Gesundheitsideologie die Reflexion darauf.

Über den Todestrieb habe ich oft nachgedacht. Er fällt mir sehr häufig auf, vor allem wenn man berücksichtigt, daß er laut Freud wegen des Widerspruchs zu seinem Gegenpart in uns (Eros) gerne nach außen projiziert wird und dann als Aggression gegen andere auftritt. Und die gibt es ja nun wahrlich häufig genug.
Da denke ich an die Nationalsozialisten mit ihrer vielfachen Präsenz von Todessymbolen und zugleich ihrer exorbitanten, zügellosen Aggressivität. Ob da nicht ein Todestrieb am Werke war, eine heimliche Sehnsucht zu sterben?
Hitler und Wagner.
Taina (39) meinte dazu am 09.03.23 um 16:03:
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 Augustus meinte dazu am 09.03.23 um 19:39:
Auch der Opfertod geht von der Wertlosigkeit aus m.E, um dann in einen Wert umgemünzt zu werden. Märtyrer*innen sind oftmals namenlose, die durch Aufopferung zu religiösem oder heldenhaftem Symbol für andere aufsteigen. 

Im Freitod ist jenes magische Element vorhanden, das Wertlosigkeit zu Wert machen kann, wie ein Stein der Weisen aus Kupfer Gold verwandeln kann.

Die frühchristlichen Märtyrer*innen waren Unbekannte, Gesichtlose, Nichtse, ehe sie für die Religion ihr Leben aufopferten.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 21:55:
An Taina:

Freud glaubte ja, diesen Todestrieb in allem Organischen finden zu können, nicht nur bei Menschen. Wie das mit Darwins Evolutionstheorie in Einklang zu bringen sein könnte, darüber habe auch ich schon nachgedacht. Freud selber schreibt nichts dazu. Das Einzige, was mir eingefallen ist: Der Todestrieb sorgt dafür, daß Individuen rechtzeitig abtreten und Platz für die nächste Generation schaffen. Aber das ist selbstverständlich spekulativ.
Gerne würde ich mich mit Freud einmal darüber unterhalten.

Zum möglichen Todestrieb bei den Nazis: Gewiß finden sich Todessymbole auch anderswo (was in Freuds Sinne wäre), und Deine Deutung hat etwas für sich. Sie erklärt mir freilich nicht, wieso die Nazis einen Krieg mit einer Weltmacht (Großbritannien) provozieren [1939], dann, bevor diese auch nur annähernd besieht ist, eine zweite (UdSSR) angreifen [Juni 1941] und zu allem Überfluß noch einer dritten (USA) den Krieg erklären [Dezember 1941]. Das erkläre mir einmal rational! Für mich ist das wie ein Schrei: Besiegt uns! Bringt uns um!

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 21:59:
An Augustus:

Darin stimme ich Dir zu. Der Suizid der Märtyrer, die sich zum Teil in den Christenverfolgungen ihren Verfolgern aufgedrängt haben, verleiht ihnen einen Wert. Sie wurden aus "Nichtsen" zu Heiligen.
Manche Suizide tun das tatsächlich, etwa bei dem schon erwähnten Arnold Winkelried.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 05:46:
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 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 12:51:
An Taina:


den Todestrieb könnte es geben, wenn es ihn gibt ist er verborgen

Deswegen nehme ich an, daß es bei dein Nazis, wenn es denn ein Todeswunsch war, ein unbewußter war.

Dieses auffällige Sog-Phänomen an steilen Abgründen kenne ich auch am Bahnsteig, wenn ein Zug einrollt. Nun, ich tue es letztlich nicht, aber wenn ich es recht bedenke, läßt das die Leute, die sich vor einen Zug werfen, in einem neuen Licht erscheinen.

 Augustus meinte dazu am 10.03.23 um 13:25:
Jemand, der sich vom Zug überrollen lässt, wählt halb bewusst, halb unbewusst die Methode seines Todes. Symbolisch steht der Zug, der Tonnen wiegt, für ungeheuere Schwere, die auf auf dem Suizidenten lastet. Er kann das tonnenschwere Gefühl, das auf ihm lastet nicht mehr tragen. 

Der Suizident, der vom Hochhaus springt, wählt halb bewusst, halb unbewusst eine andere Methode seines Todes. Symbolisch möchte er zurück zu einem anderen Zeitpunkt oder ihm fehlt das Fundament unter dem Boden; er kann auch keine Treppe hinuntersteigen. Es existiert nur die Höhe, während Treppen nicht existieren. Das treppenlose Hochhaus steht also symbolisch für einen schwindelerregenden falschen Himmel, für ein falsches Versprechen. Der tiefe Fall ist die absolute Ernüchterung über die Realität, über die eigene Nichtigkeit. Aber es kann auch das Hochhaus für ein Gefängnis stehen, welches zwar nah am Himmel gebaut, dem aber nicht entkommen werden kann. 
Natürlich lässt sich das treppenlose Hochhaus anders symbolisch auslegen, ich nehme jedoch an, dass die Wahl der Methode teils unbewusst von der Psyche gelenkt wird, die dem Suizidenten gar nicht bewusst ist.

Jemand, der ätzende Säure trinkt und sich so selbst tötet, lebte möglicherweise ständig mit vergifteten, abnormalen Empfindungen. 

Die Wahl mit Handvoll Tabletten sich zu töten, könnte symbolisch für die Unterdrückung eigener Empfindungen stehen. Tabletten heilen ja nicht, sie unterdrücken in der Regel einen misslichen Zustand. Als Methode für den selbst erwählten Tod, könnten sie für die absolute Unterdrückung von Leben selbst bedeuten. Der Einwurf von unzähligen Pillen steht somit eigentlich sich aus dem misslichen Zustand zu erretten, der das Leben bedroht. 

Im Gegensatz zu anderen Suizidenten, (wenn nicht sogar alle betroffenen) bejahen diese Gruppe der Suizidenten, die Tabletten als Todesfall bevorzugt, das Leben.

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:23:
Noch zu den Nazis: Falls sie den Krieg gewinnen wollten, haben sie sich aber merkwürdig verhalten. Gegen drei Weltreiche zugleich gekämpft! Wie hätten sie auch nur von der Idee her die USA besiegen sollen, da es ihnen nicht einmal gelungen war, die Britische Insel zu erobern?

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:24:
Entweder ist das Wahnsinn oder politischer Suizid.

 Augustus meinte dazu am 10.03.23 um 21:46:
Zu den Nazis: naheliegend wärs gewesen wenn die Nazis Russland schnell erobert hätten, während die Japaner die Amerikaner zwischenzeitlich beschäftigen, um dann vom Osten her eine neue Armee aufzustellen, und das durch Allierte besetzte Deutschland zu befreien. Deshalb der Vorstoß gen Russland.

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:41:
Das ist aber ein phantastischer Plan. Ich könnte den deutschen Angriff auf die UdSSR besser verstehen, wenn man sich mit Japan auf einen gleichzeitigen Angriff von Osten her verständigt hätte. Das hat man aber nicht, im Gegenteil: Die Japaner haben einen Nichtangriffspakt mit der UdSSR geschlossen, um die Hände für ihren eigenen Plan gegen die USA ungebunden zu haben.
Und dann, wie gesagt, noch die deutsche Kriegserklärung an die USA. Selbst in Deinem Plan wüßte ich nicht, wie in aller Welt Deutschland die USA hätte erobern können. Wie bereits erwähnt, sie sind nicht einmal mit der Eroberung des doch so nahegelegenen Großbritannien zu Potte gekommen.

 Verlo (07.03.23, 15:22)
David Foster Wallace.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 22:54:
Über ihn wird ja weiter unten noch gesprochen. Wallace hat meinen großen Respekt als Autor, und ich habe keinerlei Neigung, ihn zu verurteilen. Ich weiß nicht, was ich in seiner Lage getan hätte.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 22:55 Uhr

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 23:04:
Graeculus, du mußt auch nicht wissen, was du an Davids Stelle getan hättest.

Ich gehe nicht davon aus, daß er sich einfach mal so aufgehängt hat.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:32:
Nein, gewiß nicht. Und wir stehen nicht in seinen Schuhen.

 Verlo (07.03.23, 15:23)
Susanne Preusker.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 15:32:
Walter Benjamin.

Aber was soll das?

 Mondscheinsonate meinte dazu am 07.03.23 um 16:51:
Frag ich mich auch.
Wir haben ja schon ausführlichst mit Taina über den Selbstmord Claudias diskutiert. Liegt kein Abschiedsbrief vor, lässt dieser immer ratlos zurück. Selbstmord ist nur ein Begriff - man bringt sich selbst um, nicht jemand anderer. Umbringen= Mord. Daher.

 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 17:44:
Ich weiß nicht, was Verlo mit diesem Namedropping im Sinn hat.
Der Rest, Mondscheinsonate, gehört wohl eher nach oben, zu Taina. Man kann sagen, der Begriff Selbstmord ist umgangssprachlich zu verstehen. Aber abgesehen davon, daß das juristisch falsch ist - wem sage ich das? -, hat er eben auch eine polemische Tendenz. Schon der Kirchenvater Augustinus entblödet sich nicht bei seiner Suche, in der Heiligen Schrift irgendeine Stelle zu finden, welche die Selbsttötung verurteilt (es gibt keine solche Stelle), zu schreiben: Der Selbstmord falle eben unter das 5. Gebot. Da eine saubere Begriffsunterscheidung vorzunehmen, ist schon wichtig, wenn man bedenkt, welche Kübel von Unrat im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende über diese Menschen ausgegossen worden sind. Es ist noch nicht so lange her, daß ihnen selbst das Begräbnis auf christlichen Friedhöfen verwehrt war.
kipper (34) meinte dazu am 07.03.23 um 18:08:
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 Graeculus meinte dazu am 07.03.23 um 18:49:
1. Man begeht Suizid in einer (objektiv) aussichtslosen Lage. Beispiel ... wie gesagt. Antike Geschichtsschreibung funktioniert so, daß sie solche typischen Situationen hervorhebt; ob sich das tatsächlich so ereignet hat, ist von untergeordneter Bedeutung.

2. Man begeht Suizid beim Scheitern der eigenen Lebenspläne. Beispiel ... Nachbemerkung: s.o.

Meine These: Beides hat nichts mit Feigheit, Flucht vor etwas usw. zu tun.

Wer sich dazu äußert, ist mir lieb, geht auf das ein, was ich meine. Wer sich über etwas anderes, Grundsätzlicheres oder Umfassenderes äußern möchte, was bei mir - vielleicht - noch kommt, den verweise ich darauf, daß er da eine intellektuelle ejaculatio praecox hat. So wie du schreibst, was du möchtest, so schreibe und antworte ich, was mir richtig erscheint.

 Verlo meinte dazu am 07.03.23 um 19:52:
Graeculus:

Ich weiß nicht, was Verlo mit diesem Namedropping im Sinn hat.
Das Wörterbuch sagt: 
... geschicktes Einflechten von Namen berühmter oder hochgestellter Persönlichkeiten, mit denen man angeblich selbst bekannt ist (in der Absicht, Eindruck zu machen)
Jetzt weißt du es, Graeculus.
kipper (34) meinte dazu am 07.03.23 um 21:54:
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 Terminator meinte dazu am 07.03.23 um 23:57:
Mir jedenfalls sind - außer z. B. Hitler, Göring, Himmler oder Goebbels - keine Fälle bekannt, wo man Selbstmörder öffentlich als Feiglinge gebrandmarkt hätte.
Vielleicht begehe ich einen arithmetischen Fehler, wenn ich sage, dass 2001-2006 näher an 2023 als an 1945 ist, aber zu jener Zeit sprach ich oft on- und offline mit verschiedenen Leuten über den Suizid. Der Suizid sei "feige", war ein weit verbreitetes "Argument".

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23:
Mir jedenfalls sind - außer z. B. Hitler, Göring, Himmler oder Goebbels - keine Fälle bekannt, wo man Selbstmörder öffentlich als Feiglinge gebrandmarkt hätte.

Mir schon. Und zwar auch noch heute. Natürlich nicht von Seiten der Ärzte. Aber im sozialen Umfeld doch, wobei die Formulierung meist lautet: "Er ist vor seinen Problemen davongelaufen" - was dann allerdings ein sprachliches Äquivalent für "Feigheit" ist.
Besonders häufig finden solche Gespräche statt auf Bahnhöfen, wenn sich jemand vor den Zug geworfen hat, was vielen Menschen eine große und ärgerliche Verspätung, etwa am Feierabend, einträgt. Ich schaue dem Volk aufs Maul.
Deine Patienten, so Du denn ein Tierarzt bist, begehen ja keinen Suizid, auch wenn es für manche von ihnen vernünftig wäre, statt ihr schweres Leben bis zur Schlachtung in der Massentierhaltung zu ertragen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 00:05:
An Terminator:

Danke. Der kipper steht zu selten auf Bahnhöfen, wenn der Zug sich verspätet, weil sich jemand auf die Gleise geworfen hat.
Hier noch eine Weisheit aus dem Volksmund: "Frauen machen das nicht [sich vor einen Zug zu werfen], weil man danach nicht mehr schön aussieht."

Antwort geändert am 08.03.2023 um 00:29 Uhr

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 00:36:
Genau! Deshalb bin ich ja beim plastischen Chirurgen gewesen. Frauen wollen schön sterben.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 00:42:
Dir hätte ich das auch gar nicht zugetraut, Dich vor den Zug zu werfen, dazu bist Du zu sozial. Denn - Mut hin oder Feigheit her - es ist asozial, auf diese Weise Suizid zu begehen: gegenüber den anderen Menschen, vor allem dem, der in der Lokmotive sitzt.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 00:45:
Zudem zu klein. Ich rutsche zwischen durch und habe wieder nur blaue Augen.
kipper (34) meinte dazu am 08.03.23 um 01:07:
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Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 10:57:
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 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 11:06:
Taina, was du als "davonlaufen" bezeichnest, kann auch ein "ich schaffe es nicht" sein.

Und dann wählt man die beste Option. Das kann der Selbstmord sein.

Im Sport ist es akzeptiert: nicht jeder kann eine bestimmt Zeit laufen oder eine bestimmte Höhe springen usw.

Im Umgang mit der eigenen Seele gibt es solche Grenzen auch: bei dem einen ist bei x einfach Schluß, während der andere locker x+n schafft.

Die drei von mir genannten Menschen sind alle deutlich überdurchschnittlich intelligent gewesen, trotzdem haben sie sich das Leben genommen. Intelligenz ist also kein Hauptfaktor, um Lebenskrisen zu lösen.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 11:20:
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 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 11:38:
Tut mir leid, Taina, aber bei deinen Aussagen kann ich mir nicht vorstellen, daß du dich mit den Situationen von Zweig, Wallace oder Preusker mehr als über Wikipedia beschäftigt hast.

Bei Susanne Preusker kannst du in ihrem Buch "Sieben Stunden im April" nachlesen, wie der Angriff ablaufen ist. Welche Verletzung sie auch hatte, durch den Angriff sind sie nicht entstanden.

David Foster Wallace war schwer suchtkrank. Zu sagen, Depressionen waren sein Hauptproblem, ist eine Vermutung.

Stefan Zweig war nicht total erschöpft, sondern hatte den Hoffnung in die Menschheit verloren. Taina, lies mal, was damals Thomas Mann über Zweigs Freitod geschrieben hat.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:28:
An kipper:

Das [Dass] es keinen Sinn macht, mir persönlich zu kommen, hab ich Dir schon einmal gesagt.

Auf das argumentum ad hominem auszuweichen, liegt mir nicht nahe. Aber deine hartnäckige Behauptung, Terminator und ich beriefen uns auf eine dubiose und veraltete Quelle, hat mir die Frage nach der Sphäre, in der du dich bewegst, gestellt, und da habe ich auf deine Profilseite, also eine von dir selbst gestellte und öffentliche Informationsquelle, geschaut. Vielleicht, so dachte ich, ist er ja Psychiater? Aber nein, Tierarzt. Über eine berufsbedingte Qualifikation für dieses Thema verfügst du also ebensowenig wie ich (mit Ausnahme der Antike: da bin ich Fachmann).
Falls du obendrein noch Autofahrer bist, geht dir eine wichtige Informationsquelle ab: die Suizide im Bahnverkehr und die Reaktionen darauf.

Im übrigen haben wir eine Informationsquelle gemeinsam: diesen Thread. Und nun schaue da einmal nach. Selbst du schreibst im Zusammenhang mit dem Suizid von einer "Flucht". Flucht und Feigheit?

Daß du persönlich dazu neigst, diesen Menschen zu helfen, zugestanden. Aber manche wollen sich gar nicht helfen lassen! Ich neige dazu, ihnen erstmal zuzuhören, was sie wollen. Die Hilfe kann dann noch kommen, falls sie sie wollen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:35:
An Taina:

Wieso läuft ein Suizident davon? Manchmal mag das so sein, aber in anderen Fällen? Manche wollen ihre Integrität bewahren und würden vielleicht sagen, daß diejenigen, die es vorziehen, unter unwürdigen Umständen am Leben zu bleiben, zu feige für den Suizid sind. Da denke ich etwa an Menschen, die sich lieber umbringen, als vergewaltigt zu werden.

Nein, wir wissen nicht, was in einem Menschen vorgeht, der unter den verschiedenen Möglichkeiten für einen Suizid diejenige wählt, welche darin besteht, sich vor einen Zug zu werfen und dadurch anderen Menschen - dem Lokführer vor allem! - Probleme zu bereiten. Ich weiß gar nicht, ob ich das wissen möchte, was in denen vorgeht. Warum nicht eine Dosis Paracetamol?

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:39:
An Verlo & Taina:

Ja, unter bestimmten Umständen ist der Suizid die beste Option. Man stelle sich vor: darüber bestand in der Antike noch Einigkeit.

David Foster Wallace litt nicht nur an Depressionen, er hat auch ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Medikamente nicht mehr genommen. Warum? Danach hat er sich aufgehängt.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 18:45:
Graeculus, falls ich mich recht erinnere, weil er nicht richtig arbeiten konnte. Als er sie abgesetzt hatte, konnte er zwar arbeiten, hatte aber wieder verstärkt Depression. Dann hat er sie wieder genommen, aber sie haben nicht mehr gewirkt.

Allerdings hätte der Ansatz sein sollen: weg von Drogen, Alkohol und Nikotin, zumindest auf ein normales Maß reduzieren. 

Und (die wichtigste Frage): warum hatte er Depressionen. Das er nie herausgefunden.

Ebenso tragisch bei Susanne Preusker, obwohl Psychologin war.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 20:36:
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 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 22:57:
An Taina:

Ich unterstelle Dir keinerlei 'feindselige' Tendenz. Nur hat "Davonlaufen" eben, wie auch "Selbstmord", eine negative Konnotation. Ich möchte da auch sprachlich ganz vorsichtig sein.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:02:
An Verlo:

Was immer Wallace an Problemen gehabt haben mag, er war ein großartiger Schriftsteller, und wer "Infinite Jest/Unendlicher Spaß" gelesen hat, weiß, daß sein Werk nicht unabhängig von seiner Depression und seinen Drogen entstehen konnte. Als gesunder Mensch wäre vermutlich auch er nur ein flacher Autor geworden. Kunst ist eine Sumpfblüte, sagt man.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:05:
Das ist auch ein Einwand gegen kipper: Er denkt medizinisch und therapeutisch, berücksichtigt aber nicht, unter welchen Bedingungen Kunst entsteht. Auch Kunst ist ja ein Mittel, sich mit seinen eigenen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen, sie - wie man heute gerne sagt - zu verarbeiten. Ein seelisch gesunder Kafka wäre niemals unser Kafka geworden.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 23:16:
Graeculus, nach meiner Meinung bist du der Lösung des Problems sehr nahe.

Aber David hat sich anders entschieden.


Als gesunder Mensch wäre vermutlich auch er [David Foster Wallace] nur ein flacher Autor geworden. 

So ist die gängige Ansicht.

Ich sehe das aber nicht so.

Selbstverständlich hätte er anderes geschrieben. Aber jeder Autor schreibt mit den Jahren anders.

Was sehr interessant geworden wäre, von ihm zu erfahren, weshalb er so krank war und wie er gesund geworden und trotzdem Autor geblieben ist.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:26:
Was ich annehme, ist, daß er gar nichts mehr geschrieben hätte (weil das Motiv zum Schreiben fehlte), sondern vielleicht, wie Rimbaud, Waffenhändler geworden wäre.

Warum schreibt ein Kafka, ein Wallace oder ein Beckett? Beckett zumindest hat eine Antwort gegeben: "Weil ich es sonst nicht ausgehalten hätte."

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 00:29:
Graeculus:

Als gesunder Mensch wäre vermutlich auch er [DFW] nur ein flacher Autor geworden.

Kann ich nicht einschätzen.

Aber ich weiß von mir: je gesünder ich werde, desto besser werde ich.

Meine Seele kann sich umso besser entfalten, je weniger krank sie ist. 

Ich jedenfalls will nicht in meine Suchtzeit zurück.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 07:21:
Graeculus:

Was ich annehme, ist, daß er gar nichts mehr geschrieben hätte (weil das Motiv zum Schreiben fehlte) ...

Wer Bücher wie DFWs "Unendlicher Spaß" schreibt, um Erlösung zu finden, unter welcher Qual muß er leiden?

Allein das Korrekturlesen ist dermaßen viel Arbeit, daß ich mir das nicht als "Erlösung" vorstellen kann.

Wäre es nicht einfacher, zu beten oder zu beichten?

Oder sich nach Bedarf "auszuheulen" und sein Umfeld zu nerven?

Als Motiv kann ich mir Rache vorstellen, denn wer "Unendlicher Spaß" lesen muß (und dann auch noch konzentriert), der leidet.

Rache? Am Vater vielleicht?


Graeculus:


Warum schreibt ein Kafka, ein Wallace oder ein Beckett? Beckett zumindest hat eine Antwort gegeben: "Weil ich es sonst nicht ausgehalten hätte."
Das muß man nicht beim Schreiben festmachen.

Der Betroffene kann auch in anderen Berufen ein Getriebener sein.

Die wichtige Frage ist auch hier: warum? 

Zweitrangig ist, wie es sich äußert. Der eine schreibt wie besessen, der andere verdient Geld wie besessen.

Schaut man näher hin, ist es nie Gott gewesen, der beauftragt hat, sondern der Antrieb erfolgt auf dem nahen Umfeld, von da, wo die ersten Qualen ausgingen.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 07:40:
Graeculus:

es ist asozial, auf diese Weise Suizid zu begehen: gegenüber den anderen Menschen, vor allem dem, der in der Lokmotive sitzt
Taina:

es ist unrealistisch, von einem Menschen, der so verzweifelt ist, auf diese Weise sein Leben zu beenden, zu erwarten, dass er an andere denkt. Der ist in einer absoluten Ausnahmesituation, sieht keine andere Alternative. Wir haben keine Vorstellung davon, was in ihm vorgeht.
Wenn der Selbstmörder wüßte, daß er sich nicht töten kann, indem er sich vor einen Zug wirft, würde er sich nicht vor einen Zug werfen. 

Eine derartige Ausnahmesituation kommt nicht auf einmal, sondern hat eine Vorgeschichte.

Niemand steht morgens auf und denkt zum ersten Mal "jetzt werfe ich mich vor einem Zug" und setzt es um.

ZB kann man sich nicht an jeder Stelle vor einen Zug werfen, wenn man getötet werden will, sondern man braucht eine, wo der Zugführer den Zug nicht mehr rechtzeitig zum Stoppen bringen kann, was auch immer er tut.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 15:50:
An Verlo:

Schwer zu sagen, was ein Schriftsteller oder, allgemeiner, ein Künstler getan hätte, wenn er nicht mit massiven psychischen Problemen zu tun gehabt hätte. 1. Ich habe dir ein Beispiel genannt für zumindest einen Schriftsteller, der komplett aufgehört hat zu schreiben (und Waffenhändler geworden ist): Arthur Rimbaud. 2. Die allermeisten Menschen werden tätig unter Druck. Wenn dieser psychische Druck fehlt, woher dann die Inspiration, die Motivation? 3. Eines unserer psychischen Probleme, die Liebe, in der Literatur: Falls du Liebeslyrik kennst, die sich mit einer harmonisch geführten, glücklichen Ehe befaßt, laß es mich wissen; ich kenne kaum eine Handvoll von Gedichten, dafür aber Berge von Gedichten über unglückliche Liebe.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 15:53:
An Verlo & Taina:

Ein Suizident hat vielleicht keine Alternative; aber eine Alternative bei den Arten, in denen er sich umbringt, hat er schon. Es wäre seltsam, wenn jemand sich ausgerechnet vor den Zug werfen müßte.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 15:57:
Betr. David Foster Wallace: Sein "Infinite Jest" kündet sicher von enormen psychischen Problemen - so groß, daß ich mich frage, welcher Psychiater da hätte helfen können. Es ist ohnehin schwierig, wenn der Patient intelligenter ist als der Therapeut. Aber was Foster daraus gemacht hat, ist sprachlich einzigartig, ist ungeheuer. Und es gäbe dieses Buch nicht ohne "die Krankheit zum Tode" (Kierkegaard), das verzweifelte Selbst.
Taina (39) meinte dazu am 09.03.23 um 16:25:
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 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 19:06:
Taina, glaubst du, daß sich jemand deswegen vor einem Zug wirft, damit sein Körper zerstückelt wird?

Oder meinst du das "zerstört" anders?

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 19:37:
Graeculus:

David Foster Wallace: Sein "Infinite Jest" kündet sicher von enormen psychischen Problemen ...
Wie machst du das fest, Graeculus: am Schreibstil, an den biographischen Informationen?

Graeculus:

... - so groß, daß ich mich frage, welcher Psychiater da hätte helfen können.

Es ist ohnehin schwierig, wenn der Patient intelligenter ist als der Therapeut. 
Ein Psychiater muß nicht die Probleme des Klienten erkennen, sondern ihn zum Erkennen führen.

Außerdem: hat man bisher mit "blöden" Psychiatern zu tun gehabt, ist ein "netter" Psychiater bereits eine Heilung nur durch seine Gegenwart.

Die Probleme zu erkennen, wird um zu schwieriger, je intelligenter der Klient ist. Meist kann er seinen Code, mit der er die Wahrheit vor sich und anderen versteckt, ohnehin nur selbst entschlüsseln.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 19:51:
Graeculus:

Schwer zu sagen, was ein Schriftsteller oder, allgemeiner, ein Künstler getan hätte, wenn er nicht mit massiven psychischen Problemen zu tun gehabt hätte. 1. Ich habe dir ein Beispiel genannt für zumindest einen Schriftsteller, der komplett aufgehört hat zu schreiben (und Waffenhändler geworden ist): Arthur Rimbaud. 
Das hat nichts mit Künstlern zu tun und ist an sich auch eine Krankheit: von einem Extrem ins andere.

Man erwartete von einer Tätigkeit etwas, was sich nicht erfüllte, und "betraft" sie, indem man sie nie wieder ausführt.

Dabei kann die Tätigkeit nichts dafür, sondern der Tätige.


Graeculus:

2. Die allermeisten Menschen werden tätig unter Druck. Wenn dieser psychische Druck fehlt, woher dann die Inspiration, die Motivation? 
Man könnte ja weiterhin schreiben, um Geld zu verdienen. (Die meisten Autoren sollen Lohnschreiber sein.)

Oder sein Wissen weiterzugeben.


Graeculus:

3. Eines unserer psychischen Probleme, die Liebe, in der Literatur: Falls du Liebeslyrik kennst, die sich mit einer harmonisch geführten, glücklichen Ehe befaßt, laß es mich wissen; ich kenne kaum eine Handvoll von Gedichten, dafür aber Berge von Gedichten über unglückliche Liebe.
Aber deswegen muß man kein Gedicht verfassen, daß vom Umfang und der Komposition DFWs "Unendlicher Spaß" entspricht.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:02:
An Taina:

Da wäre dann noch der Selbstmordattentäter zu erwähnen. Bei dem paßt dann auch das Wort "Selbstmord". Ich meine natürlich die, die sich mit ihren Opfern in die Luft sprengen.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:12:
An Verlo:

Woran ich das festmache? Am Inhalt dieses stark autobiographischen Romans. Hast du ihn gelesen? Wohl nicht, sonst würdest du eine solche Frage nicht stellen.

Zum Verhältnis von Patient und Psychiater: Es gibt Patienten mit einem solchen Abgrund von Schwierigkeiten, daß ein dem nicht adäquater Psychiater die weiße Fahne hissen muß, weil alles, was er sagen könnte, vom Patienten selbst schon längst gedacht worden ist, u.U. sogar tiefer. Da denke ich z.B. an Samuel Beckett (dessen Aussage, er habe geschrieben, weil er es sonst nicht ausgehalten hätte, ich bereits zitiert habe). Beckett hatte verstanden, daß jede Kommunikation sinnlos ist, daß wir einander nicht verstehen und daher nichts Sinnvolles sagen können. (Das hat einen Hintergrund, den zu erläutern du mir jetzt bitte ersparst.) Was in aller Welt hätte ein Psychiater ihm kommunizieren können? (Übrigens war Beckett tatsächlich einmal kurz und vergeblich in einer Psychotherapie.)
Beckett jedenfalls zog die einzig mögliche Konsequenz, für die er keinen Psychiater brauchte: das Scheitern von Kommunikation selbst darzustellen ... bis hin zum Verstummen. In "Quadrat I + II" wird überhaupt nicht mehr gesprochen.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 22:25:
Graeculus, ich habe "Unendlicher Spaß" nicht komplett gelesen. War mir zu langweilig.

Nach meiner Auffassung ist DFW nicht auf den Punkt gekommen. Das ist letztendlich auch im Leben sein Verhängnis gewesen.

Ich weiß, Graeculus, wie sich das anhört. Trotzdem lasse ich es so stehen.

#

Was ich über Psychiater und Klienten sagte, war nicht theoretisch. Insofern kann man es akzeptieren oder nicht.

In meinen Augen ist der Fall DFW kein unlösbarer gewesen, sondern DFW wollte nicht, daß er gelöst wird.

Das ist das eigentlich Tragische. Und: daß er damit nicht allein ist.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:35:
Wie verschieden die Menschen sind! Ich kenne Leute, die diesen Roman zwei- und sogar dreimal gelesen haben. Ich selbst aber nur einmal.

So, du meinst, daß Wallace sich nicht helfen lassen wollte. Das ist ja seltsam. Freud hätte wieder einen Fall für seinen Todestrieb.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 22:46:
Wie gesagt, Graeculus, ich habe nicht theoretisiert.

Was Freud gesagt hat oder sagen würde, spielt für mich keine Rolle.

Ich weiß, Graeculus, daß du mich nicht wirklich ernst nimmst. Ich nehme das nicht persönlich. Du weißt einfach nicht, was ich weiß. Außerdem bist du mehr Theoretiker und ich mehr Praktiker.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 00:44:
Graeculus:

So, du meinst, daß Wallace sich nicht helfen lassen wollte.

Ja, denn er war zu intelligent, um das eigentliche Problem nicht zu erkennen.

Er wird sich vor den Konsequenzen gefürchtet haben.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 06:15:
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 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 06:36:
Graeculus:

Ich kenne Leute, die diesen Roman [DFW "Unendlicher Spaß"] zwei- und sogar dreimal gelesen haben. Ich selbst aber nur einmal.

Dann wirst du dich, Graeculus, an die Szene im Krankenhaus erinnern, als eine Patientin einem jungen Arzt erzählt, wie sich Depressionen für sie anfühlen.

Geht über mehrere Seiten.

DFW hätte auch doppelt so viele Seiten schreiben können.

Aber er ist nicht auf den Punkt gekommen.

Oder die endlosen Beschreibungen, wann man welche Drogen oder Medikamente nimmt, wie sie wirken, welche Wechselwirkung sie haben usw.

Auch hier ist er nicht auf den Punkt gekommen.

Könnte ein Autor, weil er mehr weiß als seine Figuren. Falls er denn mehr weiß.

Bereit ist, mehr zu wissen. Und in der Lage, diesen Wissen auch zu verkraften.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 06:51:
Taina:

Er [DFW] ist nicht der einzige, der beim Absetzen der Medikamente sich das Leben nahm. 

Falls ich mich recht erinnere, hat der von heute auf morgen mit den Tabletten aufgehört.

Aber solche Tabletten muß man langsam absetzen.

Da hat er bestimmt gewußt. Hat aber vermutlich gedacht: schaffe ich.

Die Tabletten einfach wieder zu nehmen, wenn man merkt, daß das man zu schnell abgesetzt hat, funktioniert nicht, weil es den Körper noch mehr durcheinanderbringt.

Außerdem wollte er die Tabletten nicht mehr nehmen, insofern ist eine Wiedereinnehme ein Scheitern, was Depressionen selbstverständlich verstärkt.

Und, vor allen Dingen, hatte er noch keinen Ansatz, wie er mit seinen Depressionen umgeht ohne Tabletten.

Irgendwann entsteht eine so starke Eigendynamik, daß man sich umbringen muß, weil es wirklich keine andere Lösung mehr gibt.

Man hätte vorher abbiegen müssen. Ist man über den Abgrund getreten, geht es nur noch abwärts.

Außer man kann fliegen.

Zusammenfassend: letztendlich ist die Sache für alle Beteiligten gut ausgegangen. So verstehe ich die Äußerungen des Vaters. Und der Frau DFWs.

Antwort geändert am 10.03.2023 um 06:54 Uhr

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 09:07:
Taina:

Wenn jmd. von nahestehenden sehr verletzt wurde, die Bestrafung per Schuldgefühl.

Aber, wenn jeder das Recht hat, mit Freitod aus dem Leben zu gehen, kann niemand Schuld haben.

Es müßte also deutlich kommuniziert werden, daß es kein Freitod war, sondern daß man gezwungen wurde.

Dann müßte der, der sich schuldig fühlen soll, die Umständen auch noch so sehen wie der, der sich das Leben genommen hat.

Na ja, wer sich das Leben nimmt, um einen anderen zu "ärgern", kommt sicherlich in die Hölle.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 09:58:
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 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 10:11:
Taina, mir ging es nicht um juristische Regeln. Ich hätte auch schreiben können: jedem steht es frei, sich umzubringen.


Taina:


... emotionale Schuld. Dieses Gefühl entsteht automaisch, wenn man Verursacher von Leid bei einer emotional nahestehenden Person ist. Oft sogar, wenn man nicht vermochte Leid abzuwenden.

Taina, das hat aber nicht mit dem Selbstmörder zu tun und kann behandelt werden.

Automatisch entstehen keine Gefühle. 

Für Gefühle muß immer etwas passieren.

#

Ich wüßte niemand, der mit mit einem Selbstmord Schuldgefühle machen könnte.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 10:17:
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 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 10:28:
Taina, aber das hat doch nichts mit mir zu tun. 

Du weißt sicherlich, wie viele Menschen sich jeden Tag in Deutschland oder deinem Bundesland oder in deiner Stadt selbst töten.

All diese Menschen dürfen sich umbringen.

Jeden Tag passiert etwas Gravierendes, ohne daß das Einfluß auf mein Gefühl hat.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 10:39:
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 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 10:51:
Taina, worauf beziehen sich deine Kommentare?

Und warum sollte ich mich schlechte, schuldig fühlen, wenn sich wer auch immer selbst und freiwillig tötet?

Für mich gibt es da keinen Automatismus.

Um konkret zu werden: würde mich Bruder sich das Leben nehmen und seine Frau mir sagen: mein Mann hat sich wegen dir, seinem Scheißbruder, umgebracht, würde ich mich weder schlecht noch schuldig fühlen, sondern denken: schade, dann wird er nie erleben, was ich erlebe. Ende vom Thema.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 11:12:
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 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 11:21:
Das ändert nichts.

zB: ich verlasse das Haus, es ist kälter als erwartet, ich friere.

Diesem "Automatismus" kann ich gegensteuern: ich ziehe mich wärmer an, geht das nicht, renne ich oder nehme ein Taxi oder ...

Vermutlich wolltest du sagen (falls nicht, entschuldige bitte, daß ich es dir unterstelle), daß du dich schlecht, vielleicht schuldig fühlen würdest, wenn sich eine dir nahestehende Person selbst tötet.

Das hat dann aber mit dir etwas zu tun. Und der "Automatismus" wirkt bei dir.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 11:30:
Taina, ich kann noch konkreter werden:

Ich habe eine Freundin, die sich zu Tode hungern will. Sie erwartet von mir und verlangt, daß ich das akzeptiere, ihr nicht in die Quere komme.

Wie würdest du, Taina, dich fühlen? Was würdest du tun?

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:30:
An Verlo:

Diese Wallace-Mehrfachleser (darunter eine Person 'vom Fach') und ich, wir haben niemals eine dermaßen eindringliche Schilderung einer Depression aus der Innensicht gelesen.

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:32:
Auch noch an Verlo:

Du behauptest zwar gerne und häufig, du seist ein Praktiker, kein Theoretiker, aber alle deine Aussagen sind theoretische Aussagen, keine Praxis.

Notabene: "Praxis ist besser als Theorie" ist eine Theorie!

Antwort geändert am 10.03.2023 um 17:33 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:57:
An Taina, zum Selbstmordattentäter:

Ja, da finden Selbstaufopferung und Bestrafung zusammen. Menschen zu besdtrafen, ist ein gar nicht mal so seltenes Motiv für einen Suizid. Davon halte ich selbstverständlich nichts.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 19:27:
Graeculus:

An Verlo:


Diese Wallace-Mehrfachleser (darunter eine Person 'vom Fach') und ich, wir haben niemals eine dermaßen eindringliche Schilderung einer Depression aus der Innensicht gelesen.

Das hat mit mir nichts zu tun.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 19:29:
Graeculus:

Auch noch an Verlo:


Du behauptest zwar gerne und häufig, du seist ein Praktiker, kein Theoretiker, aber alle deine Aussagen sind theoretische Aussagen, keine Praxis.

Notabene: "Praxis ist besser als Theorie" ist eine Theorie!

Schlüssige Argumentation.

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:36:
Das nehme ich nun einmal als Kompliment für ein Argument.

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:50:
Und zu dem davor Stehenden: Da ist er wieder, dieser "Maulwurfshügel der Praxis" (Hegel). Ich lese  nur, was unmittelbar mit mir zu tun hat.
Als Grundlage für ein Verständnis der Welt ist das eben nur ... ein Maulwurfshügel.

 Verlo (08.03.23, 01:39)
Ob Selbstmord feige ist oder nicht, ist eine Betrachtung von Außenstehenden, um zu werten, zu lenken.

Die drei Namen

Stefan Zweig
David Foster Wallace
Susanne Preusker

gehören Menschen, die sich vor nicht langer Zeit aus verschiedenen Gründen das Leben genommen haben.

Das Leben sowie die Umstände sind gut dokumentiert, man kann nachlesen (eigene Texte, Texte anderer), man kann sehen (Videos, Filme).

Und man kann sich in die Situationen besser hineinversetzen, weil die Zeit noch nicht Hunderte Jahre vergangen ist.

Feige oder nicht feige, Sünder oder nicht Sünde usw. das sind Diskussionen, die vom Thema ablenken: 

Was fühle ich, wenn ich den Strick um einen Dachbalken und meinen Hals geschlungen habe und auf einem Hocker stehe, den ich nur umzustoßen brauche? 

Was fühle ich, wenn ich die Tabletten im Schrank habe und jederzeit nehmen kann?

Was fühle ich, wenn ich an einer Felskante stehe, von der es 600 Meter senkrecht in die Tiefe geht, und ich nur einen Schritt zu machen brauche?

Gibt es jemand, der sich dazu aus eigener Erfahrung (gern auch vergleichbare Momente) äußern kann oder wird hier weiter theoretisiert?

Feige oder nicht feige? – Solche Fragen stellen nur Feiglinge.
kipper (34) meinte dazu am 08.03.23 um 10:19:
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 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.03.23 um 10:32:
Ich kenne niemanden (!), der einen Selbstmörder (nicht gegendert) verurteilt. Absolut niemanden. So rüde Menschen sind mir fremd. Zumeist wird nachher gebeten, sich doch Hilfe zu holen, wenn man sich verzweifelt fühlt, ja, es werden ganze Aufrufe gestartet. Erst 2017 begruben wir einen Bekannten und selbst der Kühlste von uns meinte: "Bitte, redet!" Ich glaube, Graeculus, die Zeiten haben sich wirklich geändert. Es missfällt mir einiges, was da draußen so abgeht, aber das ist ein Punkt, den ich gutheiße.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 10:33:
kipper:

Dass sich jeder zutiefst beschissen fühlen muss, der im Selbstmord die "letzte Lösung" wähnt, ist wirklich sonnenklar.

Das bezweifle ich. Beides.

Vor einem Zug zuwerfen, sollte man nicht als Art der Selbsttötung wählen: die Fahrzeugführer (gilt auch für Straßenbahn, Bus) ist die Karriere nicht selten beendet.

Auch sollte man an die Menschen denken, die die Reste aufsammeln.

Es gibt genug "brutale" Arten sich umzubringen, ohne dabei das Leben Unbeteiligte zu ruinieren.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 11:10:
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kipper (34) meinte dazu am 08.03.23 um 11:21:
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Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 11:35:
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 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 11:43:
kipper:

Ein "Knigge" für Selbstmörder, lieber Verlo?

Tolle Idee, aber was hat die mit mir zu tun?

Und was willst du damit sagen:


kipper:

Für mich allenfalls eine pubertäre Schnapsidee, frei von jeder Menschlichkeit.

Daß du deine Idee pubertär findest?

Na ja, du mußt sie ja nicht umsetzen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:51:
An kipper:

Dass sich jeder zutiefst beschissen fühlen muss, der im Selbstmord die "letzte Lösung" wähnt, ist wirklich sonnenklar.

Nein! Hat man dich nie vor der Gefahr von Verallgemeinerungen gewarnt? Dahin kommt man, wenn man den Suizid von vornherein negativ konnotiert.

Kennst Du die ja doch zahlreich veröffentlichten Abschiedsbriefe von Suizidenten nicht?

möge dir der Himmel einen Tod schenken, nur halb an Freude und unaussprechlicher Heiterkeit, dem meinigen gleich: das ist der herzlichste und innigste Wunsch, den ich für dich aufzubringen weiß.

Dies schrieb Heinrich von Kleist im Abschiedsbrief an seine Schwester. Es lassen sich dem etliche andere Beispiele für das Gefühl einer großen Befreiung an die Seite stellen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 17:59:
An Mondscheinsonate:

Vielleicht (!) ist es besser geworden. Vielleicht, und das glaube ich eher, lebst Du auch nur in einem günstigen Land oder einem günstigen Milieu. Ich wage mir kaum vorzustellen, wie noch heute darüber in Macho-Rußland oder im islamischen Milieu darüber gedacht wird. Also dort, wo immer noch oder schon wieder eine traditionell-monotheistisch geprägte Kultur herrschend ist. Meines Wissens gibt es die auch in Österreich, zumindest bei Migranten.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 18:45 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:05:
An Verlo, kipper und alle anderen:

Die Beihilfe zum Suizid wird ja immer mehr legalisiert. Jetzt habe ich gelesen, daß in Belgien eine wegen fünffachen Kindsmordes zu lebenslanger Haft verurteilte Frau davon Gebrauch gemacht hat. Sie hat dies mit gerichtlicher Hilfe durchgesetzt, daß sie sich töten (lassen) durfte, also sehr überlegt.
Wer möchte mit mir wetten, daß da viele sagen, sie sei feige geflohen?

Aber das Recht auf den eigenen Körper, dieses elementarste aller Rechte (das nach dem Urteil des BVerfG keine Pflicht bedeutet, den eigenen Körper zu erhalten), gilt offenbar auch für Strafgefangene.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 18:48:
Man könnte auch sagen: sie hat sich der Rache der anderen Insassen entzogen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:07:
Vielleicht. Mich hat zunächst der Fall als solcher überrascht. Häftlinge werden ja ansonsten mit allen Mitteln am Suizid gehindert. Sie sollen gefälligst büßen.

 Dieter Wal meinte dazu am 09.03.23 um 00:11:
Es gibt genug "brutale" Arten sich umzubringen, ohne dabei das Leben Unbeteiligte zu ruinieren.
Stimmt, lieber Verlo, das dachte ich mir auch und daher schrieb ich einige Limericks darüber:


ÄUSSERST SCHWERWIEGEND

Die Suizidale in Bretten
war leider gar nicht mehr zu retten.
Versank dieses Mal
in flüssigem Stahl,
wie schwer, sie zur Ruhe zu betten!

***

FINSTERGINSTER

Ein Suizidaler aus Münster
trank Blütentee Englischer Ginster.
Führt schöner als nie
den Harakiri,
dann wurd es um ihn endlich finster.

PEACE!

Antwort geändert am 09.03.2023 um 00:12 Uhr

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 01:16:
Frieden, Dieter, und angenehme Träume.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 16:00:
Ach Dieter, diese leise Ironie ist nicht die schlechteste Reaktion - sie macht manches leichter erträglich.

 Regina (08.03.23, 11:38)
Ein Aspekt ist hier in dem langen Thread noch nicht bedacht worden, nämlich, dass ja doch keiner so recht weiß, was nach dem Tod passiert und was dem Suizidenten evtl. blüht.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 11:41:
Regina, auch hier gilt: Probieren geht über Studieren.

Vielleicht sagt er sich aber auch: hätte ich eher machen sollen, wie Leid wäre mir erspart geblieben.

(So wie ich sagen: ich hätte bereite mit 35 nach Norge gehen sollten, nicht erst mit 50.)

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 12:48:
@Regina
Da kann man dann nicht mehr ausweichen.

@Verlo
Es gibt halt keine Rückkehr-Garantie. Mal ausprobieren is nich. Vielleicht kann "Andersland" auch gar nicht so viele "Flüchtlinge" brauchen?
Nein, hier helfen ist die Lösung, doch damit sind wir unterbesetzt. Verzweiflung kann nicht am Telefon in einer Warteschleife warten.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 13:19:
Alma, ich glaube ja nicht an Wiedergeburt. Ich fühle sie auch nicht.

Für mich ist klar: tue ich diesen einen Schritt, gibt es kein Zurück mehr, auch nicht auf Umwegen.

Ob Verzweiflung wirklich ein oder das Motiv für Selbstmord ist? Ich kann es mir nicht wirklich vorstellen.

Ich kenne jemand, der hat sein Auto umgebaut, so daß er nach Belieben die Abgase in den Innenraum leiten kann, ohne daß das der Umbau bei einer TÜV-Untersuchung auffallen würde.

Das ist ein großer Aufwand. Ist man verzweifelt, hat man doch gar nicht mehr die Energie, das umzusetzen.

Das ist doch nicht nur einen Schlauch vom Auspuff durch Fenster in den Innenraum zu legen.

Ich habe gestern meinem Chef angeboten, er könne mich einschläfern lassen und aus mir Nahrung oder Bioenergie gewinnen (siehe "Solent Green"). Aber erst im Sommer, jetzt ist es mir zu kalt.

Hört sich schlimmer an als es ist: denn ich verpassen wohl nur wenige Jahre, die es aber in meiner Gesundheit weiterhin bergab gehen wird.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 13:28:
Alma:

Vielleicht kann "Andersland" auch gar nicht so viele "Flüchtlinge" brauchen?

Seelen sind nicht-materiell, sind Informationen, die brauchen kennen Platz.

Ich stelle mir das wie beim Computer vor: wie viele Software das auch installiert ist, der Computer wird nicht schwerer oder größer.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 13:48:
@Verlo
Soylent Green: Dieser Film hat mich geschockt, weil er angesichts der Situation auf der Erde (Leer gefischte Meere, verseuchter, ausgelaugter Boden, Überbevölkerung, Trinkwasser, abgeholzte Wälder usw.) wirklich Zukunft hat. In diesem Film hat der Selbstmord einen makabren Sinn. Er ernährt die Menschheit.

Seele: Ich war damals sehr leicht. Gestalt: keine Ahnung.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 14:07:
Ja, Alma, vermutlich zeigt der Film die Zukunft in den Mega-Städten.

So weit entfernt ist man wohl nicht mehr: einerseits kosten Wohnungen mehrere Millionen, anderes "wohnt" man auf der Straße oder im Gulli.

Nahrungsverknappung ist geplant, auch in Europa. Selbstverständlich dient es nur der Rettung des Klimas.

Ich finde die Vorstellung angenehm: an einem schönen Ort zu sterben, bevor die Zeit gekommen ist, deren letzte Abschnitte für die meisten schmerz- und qualvoll sind.

Ich bräuchte hier nur hinterm Haus einige Meter zu gehen, und schon liege ich auf einer leichten Schräge in der Abendsonne und sehe über den Fjord, über die Berge dreißig Kilometer und weiter.

Die Sonne wärmt den Körper von oben, das über den Tag gewärmte Gras von unten.

Aber wache ich irgendwann in meinem Bett nicht mehr auf, bin ich auch zufrieden, denn ich denke vorher an die Fjorde, die Berge, die Sonne, wie morgens in Schlafzimmer scheint oder abends in Arbeitszimmer, oder meine Wanderungen, stundenlang ohne Menschen in der Natur und auch wieder dieser weite, weite Blick, die klare Luft, die vom Gletscher hinab zum Fjord strömt.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:09:
An Regina:

Selbstverständlich beinhaltet der Suizid Annahmen über das, was nach dem Tode kommt. Das sollte ein Suizident überlegen.
Georg Christoph Lichtenberg hat das mit diesen Worten vorgemacht:

Freunde! Ich stehe jetzo vor der Decke im Begriff sie aufzuziehen, um zu sehen ob es hinter derselben ruhiger sein wird als hier. Es ist dieses keine Anwandlung einer tollen Verzweiflung, ich kenne die Kette meiner Tage aus den wenigen Gliedern die ich gelebt habe zu wohl. Ich bin müde weiter zu gehen, hier will ich ganz ersterben oder doch wenigstens über Nacht bleiben. Hier nimm meinen Stoff wieder, Natur, knete ihn in die Masse der Wesen wieder ein, mache einen Busch, eine Wolke, alles was du willst aus mir, auch einen Menschen, aber mich nicht mehr. Dank sei es der Philosophie, daß mich jetzo keine fromme Possen in dem Zug meiner Gedanken stören. Genug, ich denke, ich fürchte nichts, gut, also weg mit dem Vorhang! --

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:11:
An Verlo:

Man sollte rechtzeitig abtreten. "I beats old age, disease, and falling down the cellar stairs." (Ambrose Bierce) Beim ihm war es anscheinend der Grand Canyon.

Es gibt Zustände, wie sie mit dem unvermeidlichen körperlichen Zerfall verbunden sind, die ich nicht erleben möchte.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:14:
An Alma:

Man sollte helfen, wenn Hilfe gewünscht wird. Aber die Telephonseelsorge kann nicht das verhindern, was mit unserer condicio humana unweigerlich verbunden ist: "Nascentes morimur finisque ab origine pendet - Wir sterben ab der Geburt, und das Ende droht von Anfang an."

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 23:19:
Graeculus:

Es gibt Zustände, wie sie mit dem unvermeidlichen körperlichen Zerfall verbunden sind, die ich nicht erleben möchte.

Noch Stefan Zweig konnte einfach in eine Apotheker gehen und das entsprechende Mittel kaufen.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:28:
Daß das heute nicht mehr ganz so einfach ist, hängt sicher auch mit der paternalistischen Einstellung zusammen, die sich immer mehr breitmacht.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 23:33:
@Graeculus
Wie viele Hilferufe verhallen ungehört, weil nicht konkret um Hilfe gebeten wird (Selbstmordversuche), weil der Hilferuf nicht verstanden wird.


"Nascentes morimur finisque ab origine pendet - Wir sterben ab der Geburt, und das Ende droht von Anfang an."

Der Körper stirbt, das ist sicher. Aber was macht uns aus?
Was ist unsere Natur? Ich kann da meine Erfahrung nicht außer Acht lassen.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 00:08:
Alma, vermutlich meinst du Nahtoderfahrung.

Aber vielleicht ist der Begriff ebenso falsch wie "hirntot": wenn Geräte nichts mehr anzeigen, kann trotzdem etwas passieren.

(Einfaches Beispiel: Anzeige "Kein Kraftstoff mehr", obwohl im Tank noch genug ist.)

Ich erinnere einen Kollegen, der jede Nacht Alpträume hat, bei denen der sich auch von außen sieht, als würde er über sich schweben.

Das gilt ja als ein Merkmal von Nahtoderfahrungen und wird als "die Seele hat den Körper verlassen" beschrieben.

Oder ein Freund, der für tot erklärt wurde (im Krankenhaus), aber seine Frau fühlte, daß er noch lebt und hat verhindert, daß er wirklich gestorben ist. Obwohl die Medizin sagt, so lange "tot zu sein" übersteht niemand ohne Schäden (vor allen Dingen im Hirn), hat er alles ohne Schaden überstanden.

Ich gehe davon aus, wenn man tot ist, ist man nicht mehr. Da ist nur noch Fleisch, das sich mit jeder Minute mehr zersetzt.

Wäre es anders, würde man "Tote" für eine Organtransplantation nicht am Leben erhalten, sondern einfach ins Kühlfach schieben, bis man die Organe entnimmt.

Vielleicht ist es ganz einfach: jede lebt nur einmal, alles andere ist Glaube und Religion.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 00:28:
@Verlo
Ich habe das ja angemerkt in meinem Artikel: "Ist denn tot wirklich tot?" und darüber nachgedacht.
Es gibt darüber viele Erkenntnisse der Wissenschaft und es wird weiter geforscht. Ich glaube an Parallelwelten (Quantenphysik).
Denn wie konnte ich Frequenzen hören, die ein Mensch nicht hören kann und Farben sehen, so anders und intensiv für die ich keine Worte habe. Kann die Seele mehr und ist aufgrund unseres Körpers nur dazu in der Lage, was er leisten kann? Ich bin mir da nicht mehr so sicher im Bezug auf Deinen letzten Satz.

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 01:15:
Alma, du kannst das, weil du seltene Talente hast.

Wo hast du über diese Frequenzen und Farben geschrieben?

Mein Bruder glaubt auch an Parallelwelten. Ich nicht: Verlo gibt es nur einmal. 

Vielleicht unterscheidet uns, dich und mich, außerdem, daß ich kein großes Problem habe, die Welt zu verlassen, was selbstverständlich meine Sicht prägt.

Ich erwarte, erhoffe nicht mehr viel Neues, Besseres, es ist nur noch weg zu tun, dann ist mein Werk vollendet. 

Es wird wird nicht umfassender, wenn ich noch vierzig Jahre lebe. Jedenfalls kann ich mir das nicht vorstellen. 

Bei Technik würde man sagen: ausentwickelt.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 16:05:
An Alma:

Hilferufe zu ignorieren, ist schlecht. Die Verweigerung der Annahme von Hilfe zu ignorieren, ist paternalistisch, ist ebenfalls schlecht. Manchmal ist der Suizid der bewußte Abbruch von Kommunikation. Das hat man letztlich zu respektieren. (Wie auch sonst im Leben, wenn jemand mit mir einfach nix mehr zu tun haben will.)

An ein Leben nach dem Tod glaube ich nicht, erhoffe es nicht einmal. Deine Erlebnisse zeigen auch mir, daß da ein kleines "Vielleicht" bleibt. Eigenes Erleben ist sehr eindringlich.
Nicht einmal, wann man wirklich tot ist, wissen wir so ganz sicher.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 21:09:
@Verlo

Alma, du kannst das, weil du seltene Talente hast.

Wo hast du über diese Frequenzen und Farben geschrieben?
Nirgends habe ich darüber geschrieben Ich war damals in Narkose. Wie hätte ich sehen oder hören können?

Und doch habe ich gesehen und gehört.
Wie kann man etwas beschreiben, wofür es keine Worte gibt?

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 21:32:
Alma, du hast gesehen und gehört, ob andere das für möglich halten, spielt keine Rolle.

Alma:

Wie kann man etwas beschreiben, wofür es keine Worte gibt?
Stell dir vor, du erzählt dein Erlebnis jemanden, der so viel Zeit hast, wie du brauchst, und dir gern zuhört.

Vielleicht kannst du es auch laut erzählen. Da kannst du es dann auch aufnehmen (Telefon, Diktiergerät).

Und schon hast du einen Text, den du so lange verfeinerst, bist es genau das ausdrückt, was du gesehen und gehört hast.

Vielleicht geht es aber nicht mit Worten. Dann machst du Musik. Oder zeichnest, malst.

Danach kannst du deine Musik oder dein Bild beschreiben.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 21:52:
@Verlo
Malen wäre einen Versuch wert.  :)

 Verlo meinte dazu am 09.03.23 um 22:00:
Ich drücke dir die Daumen, Alma!

Du kannst dich auch um einen Traum bitte, der dir erklärt, hilft zu verstehen.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 22:16:
@Graeculus

An ein Leben nach dem Tod glaube ich nicht, erhoffe es nicht einmal. Deine Erlebnisse zeigen auch mir, daß da ein kleines "Vielleicht" bleibt. Eigenes Erleben ist sehr eindringlich.

Nicht einmal, wann man wirklich tot ist, wissen wir so ganz sicher.

Zu viele Völker glauben an das kleine "Vielleicht". Ist es nur die Hoffnung oder weiß unser Unterbewusstsein mehr?

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:21:
Es zu malen, mag ein interessanter Versuch sein.

Übrigens gibt es Mystiker, die ein solches Out-of-body-Erlebnis (im Bewußtsein eigener Unzulänglichkeit) beschrieben haben, z.B. Heinrich Seuse. Bei ihm war es anscheinend ein Blick in den Himmel.

All das kann dazu dienen, einem potentiellen Suizidenten (oder Den-eigenen-Tod-Sucher) Überlegungen nahezulegen, was denn wohl danach kommt. Man möchte seine Lage ja nicht verschlimmern.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:26:
An Alma:

Was den Glauben an die Unsterblichkeit angeht, so denke ich zunächst an zweierlei:
1. der Wunsch nach Unsterblichkeit, die Angst vor dem Tod
2. die Erfahrung - sie muß für frühere Menschen eindrucksvoll gewesen sein -, daß Tote in unseren Träumen auftauchen und zu uns sprechen; da liegt die Deutung nahe, daß sie offenbar irgendwie noch existieren.

Ob unser Unbewußtes oder Unterbewußtes (LotharAtzert unterscheidet das streng und klopft mir bei dieser Gelegenheit gerne auf die Finger) mehr weiß, das weiß ich nicht. Sofern es sich dabei um eine Art Instinkt handelt, traue ich ihm nicht. Instinktive Annahmen können täuschen.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 22:38:
Heinrich Seuse? Mit ihm habe ich mich noch nicht beschäftigt. Ich werde mal sehen was ich über und von ihm finde. Danke für den Hinweis.
Ich kann nur für mich sprechen. Es bleibt eine unbestimmte Sehnsucht zurück. Eine Art Melancholie. Das Gefühl "Zuhause" gewesen zu sein. Doch nie habe ich dabei an Suizid gedacht. Ich liebe "meine" Erde.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:42:
Hier ist die zentrale Stelle seines Berichts (in der 3. Ps. Sg. geschrieben, weil eine Nonne ihn nach seinen Aussagen aufgezeichnet hat):

Um dieselbe Zeit war er in besonders harter Bedrängnis durch schweres Leid, das auf ihm lag. Und wie er so trostlos dort stand und niemand noch um ihn war, wurde seine Seele verzückt in dem Leibe oder aus dem Leibe heraus. Da sah er und hörte, was allen Zungen unaussprechlich ist: es war formlos und erscheinungslos und trug doch aller Formen und Erscheinungen freudenreiche Lust in sich. Das Herz war gierig und doch gesättigt, der Wille lustig und wohl gelenkt; ihm war Wünschen entschlafen und Begehren vergangen. Er starrte nur immer in den glanzreichen Widerglast hinein, in dem er zu einem Vergessen seiner selbst und aller Dinge gelangte. War es Tag oder Nacht, er wußte es nicht. Es war eine ewigem Leben entquellende Süßigkeit mit gegenwärtigem, stillestehendem, ruhigen Auskosten. Er sagte danach: „Ist dies nicht Himmelreich, so weiß ich nicht, was Himmel ist; denn alles Leiden, das man je in Worten wiedergeben kann, kann solche Freude dem nicht als gerechten Lohn verdienen helfen, der sie ewiglich besitzen soll.“

Ich staune immer, wenn ich das lese. Was hat er da erlebt?

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:46:
Vielleicht kann man noch diese Passage anfügen, die direkt darauf folgt:

Diese über alles hinausschwingende Verzückung währte wohl eine Stunde, vielleicht auch nur eine halbe; ob die Seele dabei in dem Leibe blieb oder von dem Leibe geschieden war, wußte er nicht. Als er wieder zu sich selber kam, da war ihm ganz zumute wie einem Menschen, der von einer andern Welt gekommen ist.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 22:58:
Ja das ist es. Das Gefühl "dort" ist unbeschreiblich. Jedem dieser Worte stimme ich zu. Ich nenne es Anderland.

Antwort geändert am 09.03.2023 um 23:04 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 12:55:
Auffallend und bedenkenswert erscheint mir dieser Satz:

ob die Seele dabei in dem Leibe blieb oder von dem Leibe geschieden war, wußte er nicht.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 10.03.23 um 13:53:
Für mich gesehen muss ich den Körper verlassen haben. Wie hätte ich von oben herab sehen und hören können. Mein Körper war in Narkose. Die Zeit, die er ja auch anführt. Ich hatte den Eindruck von einer Stunde. Das hätte aber mein Körper nicht überlebt. Da ich die Gespräche des OP-Teams wiederholen konnte, kann es nicht gewesen sein, als ich wieder zurück gekehrt war. Daran konnte ich den Zeitpunkt des Geschehens festmachen. Es können eigentlich nur Sekunden, maximal Minuten gewesen sein.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 14:13:
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 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 10.03.23 um 15:57:
@Taina

Ich erinnere mich, ich war damals fast 14 Tage vollkommen weg. Die Narkose war aufgrund meines Notfalls eher zu hoch berechnet. 153 cm groß/ 42kg schwer , da hat sich der Anästhesist wohl vollkommen verschätzt.
Die Frau neben mir hat mir erzählt, dass ich ständig gesprochen habe, lauter unmögliches Zeugs. Sie kam erst später zu mir ins Zimmer, nachdem man wusste, dass ich es schaffe.

Ja, es ist eine andere Welt, Anderland, so nenne ich sie.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 10.03.23 um 16:01:
@Graeculus


Was den Glauben an die Unsterblichkeit angeht, so denke ich zunächst an zweierlei:
1. der Wunsch nach Unsterblichkeit, die Angst vor dem Tod
2. die Erfahrung - sie muß für frühere Menschen eindrucksvoll gewesen sein -, daß Tote in unseren Träumen auftauchen und zu uns sprechen; da liegt die Deutung nahe, daß sie offenbar irgendwie noch existieren.
Das kann ich nachvollziehen und entspricht auch meinen Gedanken.


Ewiges Leben? Dann aber nicht altern.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 17:11:
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 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:45:
An Alma & Taina:

Wenn das ewige Leben mit einer unendlich langen Zeit gleichgesetzt wird, dann frage ich mich, wie dann unendliche viele Informationen (Input, Erfahrungen) gespeichert werden sollen. Müßte man dann nicht auch unendlich viel wieder vergessen, um den Speicher zu entlasten?

Es gibt eine hübsche Geschichte aus dem Mittelalter über zwei Mönche, die darüber diskutieren, ob das Leben nach dem Tode so ähnlich sei wie unser jetziges (= taliter) oder anders (= aliter). Sie vereinbaren dann, daß derjenige, der zuerst stirbt, dem Überlebenden eine Nachricht zukommen lassen werde. Einer stirbt, und am folgenden Morgen findet er andere Mönch diese Nachricht unter seinem Kopfkissen: "Nec taliter nec aliter, sed totaliter aliter - Nicht so wie jetzt und auch nicht anders, sondern total anders."

Ich persönlich habe ja Schwierigkeiten, mir vorzustellen, daß ich ohne oder mit einem anderen Körper noch ich bin, weil alles, was mir zu mir einfällt, irgendwie mit meinem Körper zu tun hat. Alter, Geschlecht, Zuneigungen, Abneigungen usw.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 10.03.23 um 18:23:
@ Graeculus, Taina
Ich kann immer nur von mir sprechen. In der Gruppe, in der ich war, waren alle Erlebnisse ähnlich. Es gab aber welche, die Personen gesehen haben.

Ich hatte mein Gedächtnis, sogar schärfer als je zuvor, doch ich weiß nicht ob es sich dort verliert. Zeit: Für mich gab es keine Zeit, deshalb auch ihre Erwähnung von Heinrich Seuse. Ich fand es sehr bemerkenswert, dass auch er keine exakte Schätzung abgeben konnte.

Graeculus: Ich weiß jetzt, der Körper macht den Menschen nicht aus. Ich war auch dann noch ICH, aber anders.
O Gott, wie soll ich das jetzt beschreiben.
Die Protokolle vom Psychologen habe ich übrigens nie gesehen. Vielleicht raffe ich mich dazu mal auf.
Taina (39) meinte dazu am 10.03.23 um 19:40:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:35:
Ich gehe zunächst von dem aus, was meine eigenen Erfahrungen und Überlegungen mir sagen. Und da ergibt halt die Vorstellung, ich (als der, der ich bin) hätte einen anderen oder gar keinen Körper, keinen Sinn. Schon den einer Frau zu haben oder den eines Kindes, wäre tief irritierend.
Auf der anderen Seite muß ich selbstverständlich offenbleiben für Menschen, die sagen: "Ich habe das erlebt!"

Beide Gesichtspunkte zusammenfassend: Wie wäre es, wenn mir ein Junge sagen würde, er sei meine (wiedergeborene) Großmutter, und das mit Erinnerungen unterlegen würde, die nur meine Großmutter haben kann? Verstörend wäre das - ebenso wie wenn ein im Koma oder mit dem EEG auf der Nullinie liegender Patient uns später berichtet, was er nur von oben auf seinen Leib blickend sehen konnte.
Almas Erlebnis kommt da ja dicht dran.

 Dieter Wal meinte dazu am 14.03.23 um 23:17:
Es gibt eine hübsche Geschichte aus dem Mittelalter über zwei Mönche, die darüber diskutieren, ob das Leben nach dem Tode so ähnlich sei wie unser jetziges (= taliter) oder anders (= aliter). Sie vereinbaren dann, daß derjenige, der zuerst stirbt, dem Überlebenden eine Nachricht zukommen lassen werde. Einer stirbt, und am folgenden Morgen findet er andere Mönch diese Nachricht unter seinem Kopfkissen: "Nec taliter nec aliter, sed totaliter aliter - Nicht so wie jetzt und auch nicht anders, sondern total anders."

@ Graeculus; Alma: Super Anekdote. Danke! Woher hast Du sie?

"Nec taliter nec aliter, sed totaliter aliter - Nicht so wie jetzt und auch nicht anders, sondern total anders."

Vielleicht ist ein "Leben nach dem Tod" ebenso überraschend anders wie eine Gottesbegegnung? Rudolf Otto in seinem Klassiker "Das Heilige" legt es nahe.

Heinrich Seuses Berufungsvision(?), außerkörperliche Erfahrung(?) oder Gottesoffenbarung, danke an Graeculus, der mich mit diesem bedeutenden Schüler Meister Eckeharts erst bekannt machte, schildert das Befremden und die totale Andersartigkeit des Erlebens.

Sind Out-of-Body-Experiences (OBE) dasselbe wie Theophanien? Nicht ansatzweise. Doch machen sie bewusst, wie unvollkommen unser Alltagsbewusstsein und sogenannter gesunder Menschenverstand sein mögen. Eine eigene Theophanie zeichnete sich durch völlige Andersartigkeit und maximales Befremden aus.

Antwort geändert am 14.03.2023 um 23:20 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:34:
"Nec taliter nec aliter ...", irgendwo mal gelesen. Was sagt die Suchmaschine? Sie sagt ja, so meine ich, zu allem etwas.

Theophanie. Fehlt mir als Erfahrung. Philip K. Dicks sehr umfangreiche Auseinandersetzung mit seinen beiden Theophanien kennst Du. Stimmt, eine OBE war das nicht.

Antwort geändert am 15.03.2023 um 17:46 Uhr

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 14.03.23 um 23:38:
@Graeculus


Von Graeculus
Anschließend kann man von einem "Verstorbenen" reden; allerdings gibt es da einige Aspekte, bei denen die Art des Todes schon eine Rolle spielt, etwa bei einer Lebensversicherung.

Unzulänglichkeit von Sprache:
Lebensversicherung! Als ob man das Leben versichern könnte. Du hängst Dich ja gern an Begriffe auf. Müsste es nicht Hinterbliebenenversicherung heißen?

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:39:
Noch an Dieter:

Selbst Wikipedia weiß etwas dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Totaliter_aliter

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:44:
An Alma:

Nun, es gibt Lebensversicherungen, und bei denen spielt der Suizid eine Rolle. Also gibt es da auch einen Bedarf für den Sprachgebrauch.
Ob man das wichtig findet, ist eine andere Frage - ich selbst habe keine Lebensversicherung. Das hat ja auch, wenn ich recht informiert bin, oft mit der Versorgung von Hinterbliebenen zu tun. Anscheinend finden nicht wenige Menschen das wichtig.
In meinen Lebensumständen wäre ich, da ich das Wort "Selbstmörder" ablehne, schon froh, wenn es eine neutrale Bezeichnung dafür gäbe.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 15.03.23 um 02:22:
@Graeculus
Ich fühle mich nicht verstanden!

Es geht mir nicht um den Sinn einer Lebensversicherung, sondern um das unmögliche Wort "Lebensversicherung".

Im Übrigem müssen jetzt auch Lebensversicherungen bei Selbsttötung zahlen. Die Lebensversicherung muss aber mindestens 3 Jahre laufen. 

Wird hier langsam etwas unübersichtlich.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.03.23 um 10:05:
@Graeculus:

Verblüffender Link. Ich schwöre, ihn nicht vor meiner Antwort gelesen zu haben. Danke.


Diese über alles hinausschwingende Verzückung währte wohl eine Stunde, vielleicht auch nur eine halbe; ob die Seele dabei in dem Leibe blieb oder von dem Leibe geschieden war, wußte er nicht. Als er wieder zu sich selber kam, da war ihm ganz zumute wie einem Menschen, der von einer andern Welt gekommen ist.


Es dürfte spontane Ekstase gewesen sein. Die spontane Ekstase, welche Paulus in 2 Korinther 12 beschreibt, ähnelt in der Formulierung etwas dem Seuse-Bericht.


Ich weiß einen Menschen-in-Christus - vor vierzehn Jahren wars,  ob er sich nun in seinem Leibe befand, ich kann´s nicht sagen, oder (ob es ein ekstatisches Erlebnis war) außerhalb des Leibes, ich weiß es nicht,Gott weiß es -  der  wurde entrückt bis in den dritten Himmel. (3) Und ich weiß von demselben Menschen - ob er nun im Leib oder außerhalb seines Leibes gewesen ist, ich weiß es nicht,Gott weiß es - (4) dass er entrückt wurde ins Paradies und hörte unaussprechliche Worte, die ein Mensch nicht aussprechen darf.
Nach dem Seuse-Zitat war die Erfahrung überwältigend. Paulus "berichtet" darüber ja eher, dass er nicht darüber berichten darf. Doch liegen jüdische Erfahrungsberichte der sogenannten Merkawa-Mystik aus derselben Zeit vor. Die allerdings wurden willentlich herbeigeführt.

Almas Erzählungen ihrer OBE finde ich sehr schön. Danke dafür.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 17:45:
An Alma:

Ach so, das Wort "Lebensversicherung" als solches stört Dich. Das kann ich nachvollziehen. Mir stößt es schon auf, wenn es heißt, daß "Ärzte Leben retten". Wir sind ja durch unsere Geburt unwiderruflich zum Tode verurteilt, und eigentlich können sie Leben nur verlängern. Sie schenken uns gleichsam eine Gnadenfrist.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 17:54:
An Dieter:

Leider verrät uns der Link nicht, wo genau diese Geschichte herstammt. Oder habe ich da etwas überlesen?

Ist meine Annahme zutreffend, daß Du die Exegese "Auf der Suche nach VALIS - Apologia pro mea vita" von Philip K. Dick, in der er sich mit seinen Theophanie-Erlebnissen auseinandersetzt, kennst? Im Original soll sie an die 10000 Seiten umfassen; die deutsche Ausgabe hat knapp 500.
(Es wird schwierig sein, dieses Buch zu bekommen. Auf der Flohmarkt-Webseite des Verlages gibt es aktuell nur einen Sucher, keinen Anbieter: http://www.editionphantasia.de/flohmarkt.html)

 Dieter Wal meinte dazu am 15.03.23 um 20:01:
Ist meine Annahme zutreffend, daß Du die Exegese "Auf der Suche nach VALIS - Apologia pro mea vita" von Philip K. Dick, in der er sich mit seinen Theophanie-Erlebnissen auseinandersetzt, kennst?
@ Graeculus:


Leider nicht zutreffend. Von Dir las ich, dass er zwei erlebte und sie auf 25 000 Seiten wegrationalisiert. Das ist für mich insofern nicht interessant, weil es mir bekannt vorkommt und damit zusammenhing, dass ich noch nicht Rudolf Otto gelesen hatte, und mir die Sache sehr suspekt war.

Wenn schon Mammutwerke, dann den Sohar. Ich nehme an, das ist ertragreich.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:44:
Ich hatte das schonmal Dir gegenüber erwähnt, das wußte ich. Habe ich tatsächlich von 25000 Seiten gesprochen? Das wäre etwas übertrieben.

Nein, wegrationalisiert hat Dick das nicht; er hat "nur" alle möglichen Erklärungen durchdacht. Das Wunder blieb.

Ich fand die Lektüre ertragreich. Aber gut, dann hast Du ein Problem weniger: wie Du an dieses Buch kommst.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.03.23 um 22:50:
Die 25 000 waren nur noch etwas übertriebener als die von Dir erwähnten 10 000. Suchte bisher vergeblich nach der Originalausgabe.

Diese ungeheure Seitenanzahl würde glatt einen E-Reader in meinen Augen rechtfertigen.

Wie lautet der Originaltitel?

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 23:46:
Originaltitel? "In Pursuit of VALIS. Selections from the Exegesis." Das müßte die Vorlage der deutschen Auszugs-Ausgabe sein. Ob die kompletten 10000 Seiten in den USA veröffentlicht sind, weiß ich nicht.

VALIS = Vast Active Living System, Dicks Bezeichnung für Gott.

 Dieter Wal meinte dazu am 15.03.23 um 23:57:
 Da schau her! Bei Amazon. 976 Seiten.

Danke für den Tipp!

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 00:07:
Die Ausgabe der edition phantasia? Das waren 250 numerierte Exemplare. Oder das US-amerikanische Original?

 Dieter Wal meinte dazu am 16.03.23 um 00:19:
Das Taschenbuch der amerikanischen Originalausgabe. Man kann bei Amazon auch eine Leseprobe anklicken.

edition phantasia läge, wenn man ein Exemplar findet, bei etwa 400€.

Nicht für ein Buch, das mit einem hochgetriebenen Preis von Sammlern ergattert wird.

Für einen seltenen Band Wolf von Kalckreuths. Ja klar.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.03.23 um 00:24:
"Voluminöses Aktives Lebendes Intelligenz-System". In den letzten acht Jahren seines Lebens bemühte er sich um Aufklärung darüber, was ihm tatsächlich widerfahren war ... hatte Gott zu ihm gesprochen, eine höhere Entität aus einer anderen Dimension, oder handelte es sich - auch diese Möglichkeit schloß er nicht aus - um einen psychotischen Zusammenbruch?
Aus dem deutschen Klappentext.


Nach den wenigen Zitaten, die ich im Vorwort der amerikanischen Ausgabe las, kommt es mir auch wie eine längere psychotische Episode bei ihm vor. Überdeutlich, wie ich finde.

Beeindruckend, was er alles in künstlerischer Hinsicht daraus erschuf. Das diskutiertet ihr die Tage in einem dieser Fäden. Viele Autoren wären nie kreativ geworden und geblieben, wenn sie nicht seelisch krank gewesen wären. Ihre künstlerische Verarbeitung hielt sie relativ gesund.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 00:35:
Eine psychotische Episode hat er selber in Erwägung gezogen. 1. Sie ist nie bei ihm diagnostiziert worden (im Unterschied zu etlichen Neurosen). 2. Eines seiner Gegenargumente besteht darin, daß ihn Gott (oder wer auch immer) auf eine schwere Krankheit seines Sohnes aufmerksam gemacht habe, die dann von Ärzten auch bestätigt worden sei.

Gehört habe ich einmal die Hypothese einer Schläfenlappen-Epilepsie; auch dabei sehe man Dinge, 'die es gar nicht gibt'. Zum Beispiel hat Dick - unabhängig von der Theophanie - einmal tagelang eine großes, metallenes Gesicht am Himmel gesehen. Daraus hat er seinen Roman "The Three Stigmata of Palmer Eldritch" gemacht, den ich für seinen besten Roman halte. *)
Allerdings ist auch eine Schläfenlappen-Epilepsie nie bei ihm diagnostiziert worden.
_____
*) John Lennon hat nach Lektüre dieses Romans bei Dick angerufen und gefragt, ob die Filmrechte noch zu haben seien. Tief beeindruckend und verstörend jedenfalls, obwohl der Roman m.W. bis heute nicht verfilmt worden ist - im Gegensatz zu vielen anderen seiner Werke.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.03.23 um 00:41:
Psychotiker können unglaublich beeindruckende Psychosen durchleiden. Für Nichtbetroffene aufgrund besonderer Fantasie beeindruckend. Doch die Erkrankten genießen ihre Halluzinationen keineswegs.

Zu seelisch Erkrankten gehört nahezu automatisch Hypersensibilität. Daher ist es nicht verwunderlich, wenn Dicks Hallus auch Wahrheiten brachten, die ohne sie vorher nicht gegeben waren.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 01:44:
Ja, meine Aufschlüsselung des Akronyms muß ich korrigieren: Vast Active Living Intelligent System. Das ergibt dann VALIS. Übrigens auch der Titel einer Roman-Trilogie von ihm.

Vermutungen über Dicks Erkrankung müssen hypothetisch bleiben; bestimmte Diagnosen außerhalb von Neurosen sind ihm halt nie von Ärzten gestellt worden. Andererseits hat er Dinge gesehen und erlebt, die wir geradezu reflexartig mit Psychosen in Verbindung bringen. Was immer es war, es war nicht nur für ihn, sondern - zu Literatur verarbeitet - auch für Leser tief beeindruckend. Ja, eine Wahrheit, irgendwie.

Nach "Die drei Stigmata des Palmer Eldritch" wirst Du, diese Prognose wage ich, nicht mehr derselbe sein wie vorher. Bei mir war es so, und Du bist sensibel genug, um diesen Eindruck zu teilen.
Die erste deutsche Ausgabe im Insel-Verlag hieß übrigens "Die LSD-Astronauten". Aber PKD hat immer bestritten, daß dieser Roman LSD-Erfahrungen verarbeite; er habe erst später erstmals LSD genommen.

Es gehört zu den nicht allzu zahlreichen Büchern, die ich fünfmal gelesen habe. Ich war immer auf der Spur, wie er literarisch diesen Effekt erreicht, seine Leser in einen Sog des Zweifels an der scheinbar unerschütterlichen cartesischen Gewißheit des Ich zu ziehen. Vergiß nicht, am Ende des Romans die Vorbemerkung nochmals zu lesen!

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 01:46:
Es gibt ja Dinge, nicht übertrieben viele, für die ich dem Leben dankbar bin. Die Bekanntschaft mit PKD gehört ohne Zweifel dazu.

 Dieter Wal meinte dazu am 16.03.23 um 17:59:
Nach "Die drei Stigmata des Palmer Eldritch" wirst Du, diese Prognose wage ich, nicht mehr derselbe sein wie vorher. Bei mir war es so, und Du bist sensibel genug, um diesen Eindruck zu teilen.
Das freut. Las bisher nichts von PKD. Er scheint eine echte Entdeckung zu sein. Danke!

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 18:35:
Graeculus:

Nach "Die drei Stigmata des Palmer Eldritch" wirst Du, diese Prognose wage ich, nicht mehr derselbe sein wie vorher. Bei mir war es so, und Du bist sensibel genug, um diesen Eindruck zu teilen. 

Danke.

Ich habe das Buch als eBook gekauft und hoffe, ich erweise mich als würdig.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:21:
Mir ist heute der Vergleich mit einer Achterbahnfahrt eingefallen, die ja ganz harmlos beginnt, wenn man auf die Höhe gebracht wird. So kommt mir auch dieser Roman vor: Die ersten ca. 100 Seiten wirkt er wie ein normaler SF-Roman ... doch dann geht's los, toller und immer toller.

Du wirst gelegentlich von deiner Erfahrung berichten. Ob du dann noch sicher sein wirst, Verlo zu sein?

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:36:
An Dieter:

Stanislaw Lem ("Science fiction - ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen") ließ nur zwei Ausnahmen zu: sich selbst und PKD.
Und während heute vieles von Lem etwas angestaubt wirkt, ist PKDs Werk frisch wie eh und je. Nicht zufällig sind viele seiner Romane und Erzählungen verfilmt worden und werden es noch. Er hat, obwohl 1982 gestorben, Ideen kreiert, die uns heute mehr denn je betreffen.

 Verlo meinte dazu am 19.03.23 um 23:18:
Graeculus:

Du [Verlo] wirst gelegentlich von deiner Erfahrung ["Die drei Stigmata ..."] berichten. Ob du dann noch sicher sein wirst, Verlo zu sein?
Bist jetzt verstehe ich die Wirkung des Buches – dein Leben verändert zu haben (?) – auf dich nicht.

Der viele Sex mit jungen Frauen hat mir jedoch einige wilde Träume beschert.

Ansonsten habe ich mich nicht verändert.

Das Setting finde ich unglaubwürdig: extreme Hitze, Gemüsegärten auf dem Mars, Kampf der Drogen-Barone. 

Graeculus, vielleicht habe ich Aspekte übersehen ... vielleicht bin ich aber auch zu unsensibel ... oder schon zu alt.

 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 17:34:
Du bist anscheinend gefestigt gegenüber der Vorstellung, du selbst könntest der Mensch sein, den du für deinen größten Feind hältst. Sowas nennen diejenigen, die darüber verfügen, wohl gesunden Menschenverstand, während andere es Phantasielosigkeit nennen könnten.

 Verlo meinte dazu am 20.03.23 um 18:43:
Graeculus, ich war mein größter Feind. Ist das aus meinen bisherigen Texten nicht deutlich geworden?

"Die drei Stigmata ..." ist mein ersten Buch von PKD, aber ich keine die Verfilmungen "Blade Runner", "Die totale Erinnerung" und "Minority Report".

Als ich in "Die drei Stigmata ..." las:

Unter seinen Füßen fing es an zu pochen; der Boden bebte. Das Kühlsystem war angesprungen. Der Tag hatte begonnen.
war mir klar, daß die Geschichte der Phantasie des Autors entsprungen war, das heißt nicht wirklich ernst genommen werden kann: ist es wirklich so unerträglich heißt, wie vorher beschrieben, kann man in der Nacht das Kühlsystem nicht abschalten.

Die Panik, weil ein Konkurrent eine besser Droge auf den Markt bringt, konnte ich nicht nachvollziehen. Auch nicht die Angst, die Existenz deswegen zu verlieren. 

Die Drogen selbst sind, was mich am wenigsten beeindruckt hat. Ihnen kann man sich entziehen, indem man sie nicht nimmt. Damit ist alles, was sich aus der Einnahme der Drogen ergibt, für den drogenfreien Leser uninteressant.

Vielleicht ist "Die drei Stigmata ..." eins von PKDs schwächeren Werken, immerhin wurde es nicht verfilmt.

Vielleicht bin ich aber auch nur phantasielos.

Trotzdem, Graeculus, danke für die Empfehlung.

 Dieter Wal meinte dazu am 20.03.23 um 19:31:
Du bist anscheinend gefestigt gegenüber der Vorstellung, du selbst könntest der Mensch sein, den du für deinen größten Feind hältst. Sowas nennen diejenigen, die darüber verfügen, wohl gesunden Menschenverstand, während andere es Phantasielosigkeit nennen könnten.
@Graeculus, Verlo: Verlo ist seinem   schlimmsten Feind nur noch nicht begegnet. ;)

 Verlo meinte dazu am 20.03.23 um 19:44:
Dieter, es gibt immer jemand, der klüger ist oder mehr Geld hat oder die schönere Frau oder eben der schlimmere Feind. 

Bisher war ich allerdings mein schlimmster Feind.

 Graeculus meinte dazu am 21.03.23 um 00:11:
Nein, Verlo, es geht schon um einen anderen Menschen, der dein größter Feind ist. Selbst wenn du selbst dein allergrößter Feind bist, gibt es auch andere, und unter diesen einen größten.
Ich möchte nicht zu sehr ins Private gehen, aber wenn jemand als Kind sexuell mißbraucht worden ist, und dann feststellt, daß dieser Mensch a) die Realität kontrolliert (deshalb werden die bewußtseinsverändernden Drogen erwähnt) und b) diese Macht so weit geht, daß du vielleicht selber dieser Mensch bist, dann ist das der GAU.

Gewiß ist dieser Roman kein schlechter von PKD, und er ist auch nicht deshalb noch nicht verfilmt worden, weil er schlecht ist - es ist schwierig, Romane zu verfilmen, bei denen sich das Entscheidende im Kopf des Protagonisten abspielt.
So ist es etwas sehr diffizil, den "Ulysses" von James Joyce zu verfilmen, und ich glaube, das hat auch noch niemand getan.

 Verlo meinte dazu am 21.03.23 um 02:35:
Graeculus, vorhin schreibst du


Du bist anscheinend gefestigt gegenüber der Vorstellung, du selbst könntest der Mensch sein, den du für deinen größten Feind hältst.

Jetzt 

Nein, Verlo, es geht schon um einen anderen Menschen, der dein größter Feind ist.
Wenn folgendes eintritt

b) diese Macht so weit geht, daß du vielleicht selber dieser Mensch bist,
dann ist man doch sein größter Feind. 

Aber wenn man sein größter Feind ist, hat man auch Einfluß. 

Graeculus, wie kommst du vom Buch auf "als Kind sexuell mißbraucht"? Hab ich da etwas überlesen?

Sicherlich ist es eine sehr subjektive Wahrnehmung, ob ein Buch für den Leser "gefährlich" oder nicht.

Für mich eben eher nicht. Es sind nach meinem Geschmack zu viele Ungereimtheiten.

Und die Drogen werden freiwillig genommen. Deshalb hat auch der Leser die Wahl: es muß sie nicht nehmen. Und schon bleibt er Betrachter.

Mir hat der Autor jedenfalls keine Angst gemacht. Da hab ich schon Schlimmeres tatsächlich erlebt.

 Graeculus meinte dazu am 22.03.23 um 00:28:
Ist ja gut bzw. "gut", du hast schon Schlimmeres erlebt (eine kleine Angeberei, in gewissem Sinne). Dich hat das Buch nicht beeindruckt, das habe ich verstanden.
Schlimmeres als den absoluten Wahnsinn ... aha.

 Verlo meinte dazu am 22.03.23 um 05:52:
Graeculus, indem du dich über mich lustig machst, beantwortest du meine Fragen nicht wirklich.

Falls für dich das Buch "Die drei Stigmata ..." schlimmer war als die Wirklichkeit, sei froh.

 Verlo meinte dazu am 22.03.23 um 15:54:
Ich habe die Macht der Täter gegenüber Kindern erfahren, die meist bist in hohe Erwachsenenalter anhält, wenn der sexuelle und seelische Mißbrauch bereits Jahrzehnte zurückliegt.

Ein Buch dagegen kann man einfach zuklappen und weglegen.

 Graeculus meinte dazu am 23.03.23 um 14:41:
Unter den Büchern, die ich gelesen habe, war "Die drei Stigmata ..." in der Tat das beunruhigendste. Wobei sich manche Schrecken - und nicht die geringsten - sich ja im Kopf abspielen. Da hilft es dann wenig, das Buch zuzuklappen und wegzulegen. Das hängt freilich von der Suggestibilität des Lesers ab.

Für dich wäre vielleicht Jean Raspails "Das Heerlager der Heiligen" erscheckender, weil es dem näher steht, was du ohnehin schon denkst.

 Verlo meinte dazu am 23.03.23 um 15:25:
Graeculus, es sind nur Bücher!

Vor Büchern muß man sich nicht fürchten.

 Judas (08.03.23, 11:47)
Aktuelle Ereignisse in meinem Umfeld lassen mich denken, dass Suizid nicht der "Freitod" ist, den alle immer so nennen. Wenn jemand nach einem Suizidversuch zu dir sagt "Glaubst du wirklich, ich will mich umbringen? Ich will das nicht", dann gibt das zu denken. Wenn er es dann letztlich doch schafft, gibt es dir noch mehr zu denken.

Psychosen können sehr vielfältig sein.
Nicht alles, was uns auf den ersten Blick freiwillig erscheint, nicht einmal Suizid, ist auch wirklich freiwillig.

"Mutig" find ich es übrigens überhaupt nicht. "Mutig" ist, zu leben und zu überleben.

Kommentar geändert am 08.03.2023 um 11:47 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 12:00:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Judas meinte dazu am 08.03.23 um 12:07:
Korrekt. Und wenn du einmal zu den Hinterbliebenen gehörst (was ich niemandem wünsche), ändert sich deine Sicht auf Suizid komplett und alles, was dir bleibt, sind ein Berg voll Fragen auf die es nie eine Antwort geben wird.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 12:27:
@Judas
Man ist dann mit den Nichtwissern und Besserwissern konfrontiert und selbst in der Verzeiflung. Alle wussten warum, nur ich nicht.
Ich habe das beim Selbstmord einer Schulkameradin erlebt.
Meine beste Freundin.
Taina (39) meinte dazu am 08.03.23 um 12:59:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.03.23 um 13:03:
Richtig.

 Judas meinte dazu am 08.03.23 um 13:40:
@Alma den Begriff "Selbstmord" mag ich nicht mehr. Wobei es eben bei der Frage, wie freiwillig der Suizid eben wirklich war, vielleicht nicht zwingend untreffend ist. Trotzdem...
Aber ja, das Schlimmste sind dann die Leute, die es erklären wollen. Manchmal sogar beschönigen.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 13:57:
Ja, es ist ein schrecklicher Begriff, doch das Wort "Suizid" macht die Handlung nicht besser.  sui caedere „töten, morden“

 Judas meinte dazu am 08.03.23 um 14:00:
Ach verdammt, den Wortstamm kannte ich bisher nicht. Ja, das macht es echt nicht besser.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:18:
An Judas und die anderen hier in diesem Teil:

Der Suizid ist ein vielschichtiges Phänomen und denkbar schlecht geeignet für moralische Urteile, die ja ohnehin die unangenehme Neigung haben, zu moralischen Verurteilungen anderer zu führen.
Es sind unter den Suzidenten Menschen, die sich das sehr gut und sehr lange überlegt haben (Bilanzsuizid); es gibt solche, die einen objektiven, gut nachvollziehbaren Grund dafür haben (meine Beispiele); und es gibt auch unüberlegte Suizide, Suizide und Suizidversuche als Bestrafung und Erpressung anderer; ebenso solche unter dem Einfluß einer Psychose.
Unsere Reaktionen sollten da sehr spezifisch sein und mit dem Zuhören beginnen.

Nur eines kann ich ihnen allesamt nicht zusprechen, daß sie feige wären. Da hat einmal ein Mann Rohfrei in Wasser gelöst und das dann ausgetrunken. Es ist klar, was das bedeutet. Boah, welch ein Mut, welch ein starker Wille, habe ich mir gedacht.
Ein anderes Beispiel dafür ist die Verweigerung der Nahrungsaufnahme, der freiwillige Hungertod.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:32:
caedere hat beide Bedeutungen und noch einige andere; es läßt aber immer die Möglichkeit offen, nicht morden damit zu meinen, und nicht jede Tötung ist ein Mord, auch und gerade juristisch nicht. Mord hingegen ist immer negativ konnotiert.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 23:15 Uhr

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 19:55:
@Graeculus
Das normale Volk spricht einfach von Selbstmord. "Negativ konnotiert". Dafür mache ich mit die christliche Kultur verantwortlich und natürlich das Wort "Mord" ansich. 
Ich gehöre mit zum normalem Volk und spreche dessen Sprache.
Juristisch ist Selbstmord kein Thema. Im Zweifel kümmert sich die Gerichtsmedizin darum. Den Zweifel muss aber erst einmal ein Arzt anmelden.

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 22:41:
Alma, wie sollte man die Selbsttötung nach deiner Meinung bezeichnen?

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:17:
Selbsttötung ist schon nicht schlecht und frei von Bewertung; leider kennt die deutsche Sprache kein Wort für den, der das tut. "Selbsttöter" ist ja nicht in Gebrauch.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 08.03.23 um 23:40:
Um verstanden zu werden, muss man die Sprache derer sprechen, die die Botschaft erhalten sollen. Ich bin gern bereit für Wortschöpfungen, doch wer versteht mich dann noch.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 16:08:
Die Langform "jemand, der sich selber tötet" ist ja immer möglich; allerdings neigen wir im täglichen Sprechen zu zeitsparender Kürze. Und irgendwie scheint "Selbstmord" auch einer inneren Haltung zu entsprechen, die ich allerdings nicht teile und die, soweit ich das noch überblicke, hier auch nicht geteilt wird.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 18:12:
@Graeculus
Mir ging es nicht ums Teilen, sondern ums Verstehen, auch wenn der "übliche Begriff" nicht geteilt wird.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 22:29:
Das ist schon klar. Ich suche einen Ausgleich zwischen Verständlichkeit und Abstinenz von Vorverurteilung durch Sprache, also durch abwertende Begriffelichkeit.

 AlmaMarieSchneider meinte dazu am 09.03.23 um 22:48:
Damit kann man sich unbewusst abwenden vom Normalbürger und in eine Fachsprache verlaufen. Abwertende Begrifflichkeiten stören mich auch, doch Sprache entwickelt sich über Jahrhunderte und Kultur.
Vorverurteilungen sind auch ein Schutzmechanismus und Überlebenswichtig.

 Judas meinte dazu am 10.03.23 um 11:27:
Soweit ich weiß, ist "Suizid" durchaus der gängige, neutrale Begriff (Wortstamm hin oder her), glaube "Freitod" gibt es auch manchmal (aber da wären wir wieder bei der Freiwilligkeit, siehe mein Eingangskommentar).

Das ist so 'ne Sache mit der Sprachentwicklung und der Konnotation es spricht nichts dagegen, zu versuchen, Negatives zu vermeiden.

(Ganz anderes Thema aber) Im Studium zB wurde uns eingetrichtert den Begriff "Volksglaube" statt "Aberglaube" zu benutzen und das macht man zwei, drei Mal und dann ist das drin und man nutzt nie wieder den Begriff "Aberglaube".


(edit: ich kann nicht mehr schreiben, sorry.)

Antwort geändert am 10.03.2023 um 11:28 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:48:
Gutes Beispiel, Judas. Wenn man es will oder muß, gewöhnt man sich rasch daran. Wie die NachrichtensprecherInnen ans Gendern.

"Freitod" ist schon nicht schlecht, nur gibt es da keine Bezeichnung für den, der das macht. Freitöter?

 Judas meinte dazu am 10.03.23 um 19:01:
Ja, das ist nicht schlimm oder schwer und man würde sich wundern, wie schnell man sich daran gewöhnt.
Das Problem mit Freitod besteht weiterhin, dass ich das "freiwillig" eben anzweifel.
Und was den, der es getan hat angeht, naja... ist dann "der Verstorbene" nicht ausreichend?

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:28:
Der 'freie Wille' ist ja ohnehin stark umstritten. Ich sehe jedenfalls nicht ein, warum er bei einem überlegten und abgewogenen Suizid weniger frei sein sollte, als wenn man wählen geht ... womit ich nicht nur, aber auch die AfD meine.

Anschließend kann man von einem "Verstorbenen" reden; allerdings gibt es da einige Aspekte, bei denen die Art des Todes schon eine Rolle spielt, etwa bei einer Lebensversicherung.

 Dieter Wal meinte dazu am 14.03.23 um 23:04:
Das Problem mit Freitod besteht weiterhin, dass ich das "freiwillig" eben anzweifel.

@Judas, Graeculus, Alma Marie:

Ich auch.

Es gibt drei Arten von Begriffen für Suizid:

1. Das positiv wertende Wort "Freitod",
2. Das negativ wertende Wort "Selbstmord",
3. Das überwiegend in der Schweiz übliche neutrale Wort der "Selbsttötung" oder des "Suizids".

Antwort geändert am 14.03.2023 um 23:05 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:17:
Wo zweifelt Ihr die Freiwilligkeit denn sonst noch an? Wenn ich mich setze, beuge ich mich dann freiwillig der Schwerkraft? Jedenfalls sollte man die Freiwilligkeit nicht nur dann anzweifeln, wenn einem als Außenstehender die Handlung nicht gefällt oder unverständlich erscheint.
Ziemlich sicher bin ich mir, daß ein Säugling nicht freiwillig getauft wird.

Es gibt eine Wortauswahl, aber bei der Bezeichnung der Person, nicht ihrer Handlung, ist sie in der deutschen Sprache dürftig.

 Judas meinte dazu am 15.03.23 um 18:33:
Was sind denn das für blöde Vergleiche. Mein Eingangskommentar ist doch eindeutig, eindeutiger geht's doch nicht mehr:
wer sich gezwungen fühlt zum Suizid, aus welchen Gründen auch immer (äußere oder innere), bei dem kann von "Freitod" oder "freiwillig" nicht gesprochen werden.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:41:
wer sich gezwungen fühlt zum Suizid, aus welchen Gründen auch immer (äußere oder innere), bei dem kann von "Freitod" oder "freiwillig" nicht gesprochen werden.

Frei bin ich dann, wenn ich tun kann, was ich will. Und wenn ich sterben will und mich deshalb umbringe, dann ist das ein freiwilliger Tod. Warum ich das will, ist eine andere Frage ... und die kann man in tausend Handlungen unseres Lebens stellen. Vielleicht gibt es die Freiheit, wie Du sie anscheinend meinst, gar nicht? Manche Philosophen und viele Neurophysiologen behaupten das. Schließlich gibt es immer einen Grund oder eine Ursache oder ein Motiv für das, was wir wollen. Determiniert uns das?

 Terminator meinte dazu am 16.03.23 um 07:21:
Frei bin ich dann, wenn ich tun kann, was ich will. Und wenn ich sterben will und mich deshalb umbringe, dann ist das ein freiwilliger Tod. Warum ich das will, ist eine andere Frage
Freiheit verstehen die meisten als Abwesenheit von Gründen/Ursachen/Motiven, aber das wäre nicht Freiheit, sondern Willkür.


Ich bin frei, meinen Beruf und Wohnort selbst zu bestimmen. Das bedeutet nicht, dass ich erst dann frei meinen Wohnort wähle, wenn ich spontan und grundlos entscheide, morgen einfach mal dorthin zu ziehen. Ich ziehe z. B. freiwillig nach Heidelberg, weil es eine schöne Stadt ist. Macht der Grund die Entscheidung unfrei?

Freiheit ist aber auch, nicht durch einen Grund determiniert zu sein: ich bin ein guter Lektor, aber das bedeutet nicht, dass ich als Lektor arbeiten muss. Ich entscheide frei, dass für die Wahl des Berufs ein Grund wichtiger ist, der nichts mit dem Beruf zu tun hat: intellektuelle Drecksarbeit nimmt mir den freien Kopf zum Lesen und Nachdenken.

Beim Freitod habe ich die freie Wahl, frei zu entscheiden, ob der Grund, nicht für mich selbst sorgen zu können, für mich hinreichend ist. Ich habe auch die Wahl, frei zu entscheiden, dass ich, obwohl mein Harem weniger zahlreich ist als der von König Salomo, trotz Frust, Selbsthass, Neid und Depressionen weiter am Leben bleibe.

Antwort geändert am 16.03.2023 um 07:22 Uhr

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 08:15:
Graeculus:

Frei bin ich dann, wenn ich tun kann, was ich will.


Terminator:

Beim Freitod habe ich die freie Wahl, frei zu entscheiden, ob der Grund, nicht für mich selbst sorgen zu können, für mich hinreichend ist.

Ich schließe mich an.

Daß es dabei innere Zwänge geben kann, macht eine Entscheidung zum Freitod nicht unfrei, weil ich mich entscheide, welche Faktoren wie wie gewichte.

Es sollte klar sein, daß Leben nicht generell besser als Tod ist, Leben um jeden Preis nicht das Ziel sein kann.

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 08:59:
Terminator:

Ich entscheide frei, dass für die Wahl des Berufs ein Grund wichtiger ist, der nichts mit dem Beruf zu tun hat: intellektuelle Drecksarbeit nimmt mir den freien Kopf zum Lesen und Nachdenken.

Nichts schlimmer als: man kommt nach Hause, möchte sich mit Themen beschäftigen, die einem wichtig sind, aber man hat nicht mehr die Energie, weil sie bei irgend einen Scheiß auf Arbeit aufgebraucht wurde.

Antwort geändert am 16.03.2023 um 09:24 Uhr

 Terminator meinte dazu am 16.03.23 um 09:20:
Verlo, früher hatte ich nach 5 Stunden Lektorat (gemütlich, bei bestem schwarzen Tee aus Yorkshire, von zu Hause aus und mit Pausen zwischendurch) nur noch die Konzentration und Aufmerksamkeit für Sandman und Turd Flinging Monkey auf Youtube. Heute, nach 8 Stunden Pflege und Betreuung, las ich, wie jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit und zurück, ein Buch (diesmal war es eins von Johan Huizinga). Mein gegenwärtiger Beruf ermöglicht mir eine private Fortsetzung des Philosophiestudiums, das Lektorat damals kostete mir die geistige Energie für Weiterbildung.

Ich hatte die Freiheit, weiter Lektor zu bleiben, wie ein Depressiver die Freiheit hat, weiterzuleben: ich musste nicht den Job wechseln, er muss sich nicht umbringen. Doch ich entschied mich aus für mich zwangsläufigen Gründen für einen Berufswechsel. Wenn ein hoffnungsloser Verzweifelter sich für einen Ortswechsel (von Dies- nach Jenseits) entscheidet, sind die Gründe dafür aus seiner Perspektive zwingend, und doch ist er in seiner Entscheidung frei.

Und hier fängt die Grauzone an, in der subjektiv zwingende Gründe (die Gründe selbst können gleichwohl niemals eine Entscheidung erzwingen) in Zwänge übergehen, aus denen heraus ein psychisch kranker Mensch sich das Leben nimmt. "Ich will es so" und "Ich kann nicht anders" sind in der Lebenswelt viel näher beieinander als in einer philosophischen Diskussion. Ich habe ein "Jetzt muss ich mich umbringen" von 18 bis 25 oft erlebt, und doch bewiesen, dass ich frei bin, indem ich es nicht getan habe.

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 09:30:
Terminator:

Ich habe ein "Jetzt muss ich mich umbringen" von 18 bis 25 oft erlebt, und doch bewiesen, dass ich frei bin, indem ich es nicht getan habe.

Dieses "Jetzt muß ich mich umbringen" war eine durch dich verschlüsselte Botschaft, die eigentlich sagen wollte: mein Leben, wie ich es aktuell führe, gefällt mir nicht, aber ich traue mich nicht, es zu ändern.

Stellt sich die Frage, warum. 

Denn im Grunde war es einfach: du hast die Arbeit gewechselt.

Trotzdem war es so einfach eben nicht, sonst hätte sich nicht in dir gemeldet: 


Jetzt muss ich mich umbringe

Du solltest herausfinden, wer oder was dir das Leben so schwer gemacht hat, weil dieser Einfluß vermutlich immer noch besteht und jeder deiner Entscheidungen beeinflußt.

Der "Fluch" muß entkräftet werden, damit du wirklich frei entscheiden kannst.

 Terminator meinte dazu am 16.03.23 um 11:24:
Denn im Grunde war es einfach: du hast die Arbeit gewechselt.
Ich war als Lektor mit Mitte 30 nicht suizidgefährdet, es ging mir da insgesamt und allgemein recht gut.


Mit 18 war ich Schüler, mit 25 habe ich studiert. Das war die Zeit, als ich jeden Tag an Suizid dachte, und durch den Gedanken an Suizid erst überhaupt weiterleben konnte. Die Möglichkeit, mich umbringen zu können, war der einzige Trost jahrelang.


Du solltest herausfinden, wer oder was dir das Leben so schwer gemacht hat, weil dieser Einfluß vermutlich immer noch besteht und jeder deiner Entscheidungen beeinflußt.
Lies 2002/03 (in "Tagebücher"), das ist mein persönliches Statement zur Suizidfrage. Natürlich traumatisiert extremstes Unglücklichsein in den besten Lebensjahren für den Rest des Lebens. Der "Fluch" kann bei dieser Überdeterminierung, bei dieser 500%-igen Wahrscheinlichkeit, bis 25 an Suizid gestorben zu sein, die dann (durch eigene Willenskraft) doch nicht eingetreten ist, nur das Karma sein.

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 13:50:
Terminator:

Die Möglichkeit, mich umbringen zu können, war der einzige Trost jahrelang.

Terminator, du hast mein Mitgefühl.


Terminator:

Lies 2002/03 (in "Tagebücher"), ...

Es geht nicht darum, ob ich es weiß oder verstehe, sondern darum, daß bestimme psychische Mechanismen meist großflächig wirken.

Meine Eltern zB haben mich Jahrzehnte unter Druck gesetzt, damit aus mir endlich etwas Vernünftiges wird, oft sogar genauso ausgesprochen. Durch meine emotionale Abhängekit war es mir unmöglich, mit dem, was für mich das Beste ist, zufrieden zu sein.

Dabei haben sie meine Seele deformiert, so daß ich nie das werden konnte, was ich mit einer gesunden Seele mit Leichtigkeit geworden wäre.

Selbstverständlich ist das nur ein Teil des "Fluches" und relativ schnell zu erkennen.

Es bringt nicht viel für dich, wenn ich weitere Beispiele vortrage, weil wir verschieden sind.

Letztendlich geht es darum, daß du dir deine Wünsche erfüllst und alle Probleme löst, die dem im Weg stehen.

Du bist das Maß der Dinge, die dich betreffen.

Das Wichtigste ist die Ehrlichkeit zu sich selbst, dem einem aberzogen worden ist, damit man der Diener anderer sein kann.

Vielleicht willst du allein leben. Vielleicht aber auch nicht.

Das herauszufinden ist schwer als es auf den ersten Anblick aussieht, weil die Wahrheit meist verschüttet wurde. Damit man anderen dienen kann.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:16:
Du bist das Maß der Dinge, die dich betreffen.

Klingt nach dem "Satz des Protagoras" (nicht: Pythagoras), ist also antik.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:19:
An Terminator:


"Ich will es so" und "Ich kann nicht anders" sind in der Lebenswelt viel näher beieinander als in einer philosophischen Diskussion.

Ja. Und während wir umstandslos unter Freisein verstehen, daß wir tun können, was wir wollen, ist die Freiheit, auch selbst entscheiden zu können, was wir wollen, doch sehr zweifelhaft.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:26:
Auch an Terminator:


Freiheit verstehen die meisten als Abwesenheit von Gründen/Ursachen/Motiven, aber das wäre nicht Freiheit, sondern Willkür.

Da höre ich nun Schopenhauers Schrift "Über die Freiheit des Willens" heraus. Ein gutes Buch, sozusagen ein Muß, wenn man über dieses Thema spricht.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:29:
An Verlo:


Es sollte klar sein, daß Leben nicht generell besser als Tod ist, Leben um jeden Preis nicht das Ziel sein kann.

Da sind wir uns einmal einig. "Das Leben ist der höchsten Güter eines nicht." Hat irgendein Klassiker gesagt. Man muß das, was höher steht, nicht einmal "Werte" nennen, kann es aber.

 Verlo meinte dazu am 17.03.23 um 09:39:
Graeculus:

Verlo:

Du bist das Maß der Dinge, die dich betreffen.

Klingt nach dem "Satz des Protagoras" (nicht: Pythagoras), ist also antik.
Graeculus, ich bin der wiedergeborene Protagoras ...

 Graeculus meinte dazu am 19.03.23 um 22:40:
Schön. Für die anderen gebe ich seinen sog. Homo-mensura-Satz wieder: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge, der seienden, daß sie sind, und der nicht-seienden, daß sie nicht sind."

 harzgebirgler (08.03.23, 17:17)
bedenkenswerter Kontrast zu dem bekannten
Wort von Oscar Wilde, wonach "Selbstmord das größte Kompliment (ist), das man der Gesellschaft machen kann".

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:19:
Ach. Kannst Du sagen, wo das steht?

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 18:26:
Das interessiert mich wirklich. Von Oscar Wilde sind so viele echte und unechte Zitat im Umlauf.

 harzgebirgler meinte dazu am 08.03.23 um 19:17:
es ist mir zwar seit Jahren vertraut, doch findet sich auch im Internet nur ohne genauere Quellenangabe außer "von Oscar Wilde".

 Mondscheinsonate meinte dazu am 08.03.23 um 20:15:
Ich empfehle: https://www.brandstaetterverlag.com/buch/ich-war-mein-groesster-feind/

Interessant ist, gibt man in den Google das Wort Selbstmord ein, kommt sofort eine Notrufnummer. Das ist sehr wichtig.

Antwort geändert am 08.03.2023 um 20:41 Uhr

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 22:40:
Mondscheinsonate:

Ich empfehle: Adele Neuhauser "Ich war mein größter Feind"

Der Verlag schreibt:


Adele Neuhauser ist ein Kind zweier Welten. Als ihr griechischer Vater und ihre österreichische Mutter sich trennen, beschließt die erst 9-jährige Adele beim Vater zu leben – eine Entscheidung, die Gefühle von Schuld und Zerrissenheit auslöst. Sie wird sich und ihrer Umwelt sechs Selbstmordversuche antun.

Sechs Selbstmordversuche, weil man beim Vater statt der Mutter lebt?

Mondscheinsonate, du hast das Buch gelesen: Was bedeutet das?

 Verlo meinte dazu am 08.03.23 um 22:44:
Mondscheinsonate:

Interessant ist, gibt man in den Google das Wort Selbstmord ein, kommt sofort eine Notrufnummer. Das ist sehr wichtig.

Google hilft!

Sieht jedenfalls so aus.

 Graeculus meinte dazu am 08.03.23 um 23:21:
An Mondscheinsonate:

Eine Notrufnummer kann nicht schaden. Mir war damals damit allerdings nicht geholfen. Die Zeit hat das getan - weshalb ich gerne diesen Psychiater zitiere, dessen Namen ich übrigens vergessen habe: "Der ideale Abschiedsbrief ist vierzehn Tage alt." Sein Leben aus einer momentanen Gemütslage heraus, also spontan, zu beenden, das kann man niemandem empfehlen.

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 16:11:
Den Oscar Wilde kann ich auch mal selber nachschauen. Es gibt da eine Spruchsammlung "Oscar Wilde für Boshafte" in Buchform.

 harzgebirgler meinte dazu am 10.03.23 um 08:12:
:) super! ich hoffe, du wirst fündig!

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:23:
Gut, daß Du mich erinnerst. Über anderen Aufgaben hatte ich das schon wieder vergessen. Jetzt mache ich mir eine Notiz und werde im Erfolgsfall berichten.

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:24:
Den Kontext, in dem Wilde das gesagt hat, werde ich freilich & leider auch dort nicht finden.

 Graeculus meinte dazu am 12.03.23 um 16:27:
Durchgelesen und nichts gefunden.

 harzgebirgler meinte dazu am 12.03.23 um 16:50:
:'( 
schade zwar, doch dann neige ich auch eher zu der ansicht, dass es sich dabei um ein dem wilde einst untergeschobenes zitat handelt.

 Graeculus meinte dazu am 12.03.23 um 22:25:
Bei Oscar Wilde ist das anscheinend häufig der Fall, d.h. viele seiner angeblichen Zitate lassen sich nicht verifizieren.
Dann brauchen wir uns über den Sinn dieses Ausspruchs auch nicht groß zu unterhalten.
Wohl aber hat die Lektüre dieses empfehlenswerten Büchleins hübsche Aussprüche zutage gebracht.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:14:
Ach, Mondscheinsonate (weiter oben), die Adele Neuhauser, die mag ich. Danke für den Hinweis auf diesen Aspekt ihres Lebens.

 Verlo (09.03.23, 11:50)
Vielleicht lesen die Diskutanten, falls nicht bekannt, den Text "Suiziderfahrung" von solxxx:

 https://keinverlag.de/423907.text

 Graeculus meinte dazu am 09.03.23 um 16:12:
Ach, der solxxx! Interessant.

 AngelWings (10.03.23, 14:33)
Und warum haben sich so viele Sänger umgebracht? 
Mörder oder so sagt Pyscho kranke Verbrecher die andere töten. Töten sich nicht aus Verzweiflung, sondern weil sie Opfer nicht Preis geben, oder nicht gegen über angehören sich nicht stellen wollen. Auch Terroristen, tun das weil keine verraten sollen. Solch tun das nicht aus zweifelloskeit, oder auch nicht wegen  ein schwer Krankheit.

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:50:
Daß sich besonders viele Sänger umgebracht haben, ist mir noch nicht aufgefallen.

Ja, die Motive sind vielfältig, und manche von ihnen sind nachvollziehbar und vernünftig. So meine Meinung.

 Regina (10.03.23, 14:41)
Ich kannte einen Vater zweier Kinder, der sich umbrachte, niemand weiß, warum. Die Kinder haben zwei Jahre gebraucht, bis sie es einigermaßen verkraftet hatten. Eigentlich war er ein verantwortlicher Vater gewesen. Ich fand den Akt der Selbsttötung verantwortungslos, weil es ja nicht allein um ihn selber ging, sondern die ganze Familie litt.

 Verlo meinte dazu am 10.03.23 um 17:00:
Regina, du kanntest ihn: was denkst du?

Wie alt waren die Kinder?

 Graeculus meinte dazu am 10.03.23 um 17:54:
Die Folgen für die Nahestehenden sind ein traditionelles Argument gegen den Suizid. In Deinem Falle, Regina, entnehme ich Deiner Schilderung überhaupt kein Motiv - niemand weiß es, wie Du schreibst.

Aber wenn ein Mensch schwer am Leben leidet und auch darüber hinaus ist, noch ein für ihn sinnvolles Leben führen zu können, dann erscheint es mir geradezu egoistisch von seinen Mitmenschen, von ihm zu verlangen, daß er dennoch weiterlebt. Mitfühlend sind die ja dann gerade nicht.

 Regina meinte dazu am 10.03.23 um 18:55:
Die Kinder waren im Schulalter. Ich finde das nicht witzig. Wenn eine Selbsttötungsabsicht polizeibekannt wird, kommt er in die Psychiatrie und die spritzen ihm Medikamente, dass er von seiner Aufregung herunterkommt. Dieser Mann hier hat es aber nicht angekündigt.

 Regina meinte dazu am 11.03.23 um 14:27:
"
Aber wenn ein Mensch schwer am Leben leidet und auch darüber hinaus ist, noch ein für ihn sinnvolles Leben führen zu können, dann erscheint es mir geradezu egoistisch von seinen Mitmenschen, von ihm zu verlangen, daß er dennoch weiterlebt."
Der Suizident erwartet ja offensichtlich, dass er nach dem freiwilligen Tod Ruhe hat, dass er in ein Nichts entschlüpft, das ihm Erlösung bietet. Aber was, wenn er in einer feinstofflichen Sphäre umherirren muss und eine bodenlose Leere empfindet, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er normalerweise gestorben wäre? Oder eine andere Unbill, die ihn sagen lässt "Wäre ich bloß im Körper geblieben!" Dann hat er falsch spekuliert.

 



 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:21:
Ich meinte lediglich, daß der Anspruch von Verwandten und sonstigen Nahestehenden, ein elend dahinsiechender Mensch möge gefälligst weiterleben, keinen hohen Wert hat, sogar recht egoistisch ist. Schon aus Mitgefühl würde ich sagen: Papa, jetzt ist es gut, meinetwegen brauchst du dich nicht länger zu quälen.

Was nach dem Tode kommt, ist eine Frage, ja, jedoch eine, die wir hier kaum ausdiskutieren können.
Zu der Frage, einer 'unnatürlichen' Lebensverkürzung hat Dieter Birnbacher die Frage gestellt, was denn dann mit der 'unnatürlichen Lebensverlängerung', sprich: den Bemühungen der modernen Medizin sei. Dieses Bedenken  gilt in erster Linie denjenigen, die gegen den Suizid einwenden, daß allein Gott der Herr über Leben und Tod sei. Überhaupt erscheint mir Dein Begriff "normalerweise gestorben wäre" stark problematisch, ja, gerade im Lichte der bekannten Bemühungen, das Leben so lange wie möglich auszudehnen.

Antwort geändert am 12.03.2023 um 22:27 Uhr

 Regina meinte dazu am 11.03.23 um 23:04:
Dieser Mann siechte nicht elend dahin, der Suizid kam für alle unerwartet.
Die Lebensverlängerung durch medizinische Maßnahmen sehe ich durchaus auch kritisch, ist aber doch kein Argument, sich das Leben durch Freitod zu verkürzen. "normalerweise gestorben". Ich glaube, dass die Dauer, d.h. die Lebenskraft, die zur Verfügung steht, in etwa vorgegeben ist. Durch unvernünftige Lebensweise kann man die Anzahl an Lebensjahren etwas verkürzen, durch einen sehr gesunden Lebensstil vllt. optimal nutzen. Aber nicht unbegrenzt. 
Einem Vater, der sich nicht um seine Kinder kümmert und nicht für sie zahlen will, kommt man im Leben mit dem Jugendamt oder evtl. sogar mit dem Anwalt, aber einem, der die Kinder per Suizid im Stich lässt, dem willst du pauschal die Absolution erteilen.

 Graeculus meinte dazu am 12.03.23 um 22:32:
aber einem, der die Kinder per Suizid im Stich lässt, dem willst du pauschal die Absolution erteilen.

Das ist nun eine Unterstellung! Wo habe ich derartiges gesagt?
Geschrieben habe ich:

Ich meinte lediglich, daß der Anspruch von Verwandten und sonstigen Nahestehenden, ein elend dahinsiechender Mensch möge gefälligst weiterleben, keinen hohen Wert hat, sogar recht egoistisch ist.

D.h. wenn die Kinder erwachsen und selbständig sind, der Papa hingegen auf dem Zahnfleisch robbt, dann sollten die (erwachsenen!) Kinder ihn nicht moralisch unter Druck setzen, wenn er sein Leben beenden möchte.
Vielleicht würde er ohne den Suizid noch ein qualvolles Jahr länger leben - was das Wesentliches an der 'natürlichen Lebensspanne' ändern sollte, erschließt sich mir nicht.
Überhaupt ist "natürlich" kein normativer Begriff, und schwammig ist er obendrein.

 Mondscheinsonate meinte dazu am 13.03.23 um 18:32:
Ich bin geistig bei Regina. Graeculus,für jedes psychische Problem gibt es eine Lösung. Psychopharmaka helfen mittlerweile ganz gut. Leider ist es noch immer Usus, dass es vielerorts "peinlich" ist, vorallem als Mann, sich Hilfe zu suchen. Ich differenziere: bei todbringenden Krankheiten verstehe ich Suizid, bei psychischen Krankheiten, vorallem Depressionen, heutzutage nicht mehr. Es gibt Hilfe, überall und überhaupt bei Kindern hört es sich echt auf. 
Als Betroffene bin ich froh, dass ich Tabs bekam, Therapie und NOCH LEBE. 
Was anderes auch, Graec, was hälst du von 16-jährigen, die aus Liebeskummer oder schlechten Noten vor den Zug springen? Das ist doch mAn der unnötigste Selbstmord aller Zeiten. Kannst du das auch verteidigen?

Antwort geändert am 13.03.2023 um 18:35 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 18:56:
Daß Du geistig auf Reginas Seite bist, ist völlig in Ordnung - solange Du mir nicht ein Motiv unterstellst, das 1. ehrenrührig ist und 2. von mir gar nicht vertreten wird.

Es mag sein, daß es für jedes psychische Problem eine Lösung gibt. Zwar bin ich da ein wenig skeptisch, aber nehmen wir es einmal vorläufig an. Für hohes Alter im Siechtum, objektive Ausweglosigkeit und endgültiges Scheitern des Lebenszieles gibt es m.E. kein Heilmittel. Und das sind nur die Fälle, die ich bisher vorgestellt habe. (Solange hier immer noch weiterdiskutiert wird, möchte ich aus 'diskussionsökonomischen' Gründen noch nicht mit Teil 2 rüberkommen.) Ich denke etwa an meinen 97jährigen Vater, der weder sehen noch hören noch gehen konnte und dem damit alles verwehrt war, was sein Leben lebenswert machte. Ich denke an meine Mutter, die 1945 von Rotarmisten vielfach vergewaltigt worden ist. Manche Frauen haben sich dem durch Suizid entzogen. Und Kriege samt Vergewaltigungen gibt es auch heute noch, etwa in der Ukraine. Ich hätte auch eine andere Entscheidung meiner Mutter verstanden, selbst um den Preis, daß es mich dann nicht gäbe.

Du hast vielleicht Verständnis für das, was ich damit meine, und fokussierst Dich letztendlich auf Depressionen. Gibt es da immer ein wirksame Therapie? Ich hatte noch keine, aber mich hat David Foster Wallaces intime Schilderung in "Infinite Jest/Unendlicher Spaß" sehr stark beeindruckt. Es ist die Hölle auf Erden! Und er hat sich aufgehängt. Ich mag nicht derjenige sein, der das verurteilt. Gerade fällt mir die Aussage eines Psychiaters ein, der sagte: "Gerade bei Depressiven beobachten wir zum Teil sehr harte Methoden beim Suizid." Da erinnere ich an den hier irgendwo erwähnten Mann, der Rohrfrei in Wasser gelöst und getrunken hat. Wer das tut, der muß unter einem enormen Leidensdruck stehen! Und der hatte das nicht von heute auf morgen, aus einer Laune heraus getan, sondern nach jahrelangen Therapieversuchen.

Natürlich würde ich einem 16jährigen, der sich wegen Liebeskummer oder schlechter Noten umbringen will, sagen: "Bist du bekloppt? Man hat doch nur ein Leben, und das wirft man doch nicht einfach so weg!" Ich verteidige überhaupt nur den überlegten, abgewogenen und auf Alternativen hin abgeklopften Suizid. Weil eben nicht jedes Problem in diesem Leben und dieser Welt lösbar ist.
Hannibal - entschuldige das Beispiel aus der Antike - hatte nur noch genau zwei Optionen: von den Römern nach einem demütigenden Triumphzug erdrosselt zu werden oder Suizid zu begehen.

(Zwischendurch hat mir mein Programm angezeigt, daß Du Deinen Beitrag überarbeitet hast; aber ich schicke das jetzt mal so ab.)

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 19:15:
Wie siehst Du das eigentlich juristisch? Mir sagte ein befreundeter Rechtsanwalt einmal, bezogen auf Volljährige: "Selbstverständlich ist es erheblich, wenn nicht sogar entscheidend, ob jemand gerettet werden will!"
Dabei konnte er sich auf die eindeutige Rechtsprechung unseres BVerfGs beziehen, daß das Recht auf Leben keineswegs eine Pflicht zu leben bedeutet.
(Kirchen und Ärzte standen kurz vor dem Herzkasper.)

 Mondscheinsonate meinte dazu am 13.03.23 um 19:58:
Na ja, juristisch gesehen, bekommst du hierzulande eine Strafe, wenn der Selbstmord missglückt, du kommst drei Monate in die Psych. 
Tja, ich glaube, man sollte Jugendliche auf extremen Herzschmerz vorbereiten, indem man ihnen eine gute Gesprächsbasis anbietet. Ich weiß noch, dieser elende Herzschmerz, zwei Wochen später kam der nächste Herzschmerz. Das ist eine enorme Belastung.
Gut, du bringst Extrembeispiele mit der Mama und Papa. Wie gesagt, bei Krankheiten sehe ich es ein. Na ja, wenn es so weitergeht, dass man, wie in Österreich, ein 3/4 Jahr auf Therapie auf Krankenschein warten muss und dann nur Psychologe, der nicht mal Tabs verschreiben darf, ein Psychiater ist teilweise unleistbar, ich bezahlte 250 Euro für 1 Stunde (!), dann sehe ich sowieso schwarz. Aber, das Thema "Depression" ist noch immer kein Politikum, das wird unter den Teppich gekehrt. Wir haben keine Probleme. Schau dir den Berni an, der ist schwerst depressiv und bringt sich sukzessive mit Alk und Drogen um, weil er im Grunde zu feig ist, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen. Standardsatz:"Ich wünschte, der Blitz würde mich treffen, dann wäre es endlich vorbei!" Er hat eine lustigere Lösung zu sterben gefunden. Schön für ihn, aber im Ernst, ich habe mir die Szene angeseheb, junge Menschen zwischen 20-30 jammern, wie schwer das Leben ist und schwarz ihre Seele. Ja, alles in Ordnung im Staat. Selbstmord, Graec, ist echt Scheiße, taugt mir gar nicht. Werde nie vergessen, als ich Maximillian als kleines Mädchen im Geschäft baumeln sah. Das ist so grauenhaft, lässt ratlos zurück. Ich glaube, Gegner und Befürworter finden nie einen Konsens, da ist zumeist etwas passiert, das blieb.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 22:34:
Ich werde, liebe Mondscheinsonate, in Ruhe über das nachdenken, was Du geschrieben hast, und dann morgen darauf antworten. Wir werden uns vielleicht nicht einig werden, aber doch - so hoffe ich - einander verstehen und den Standpunkt des anderen respektieren.

Das, was meiner Mutter 1945 passiert ist, steht mir natürlich nicht bevor, aber das Schicksal meines Vaters könnte es ... und, vom Ende her gesehen, auch ihres: Demenz. Welchen Sinn sollte es haben, daß ich mich diesem Zustand aussetze: zu vergessen, wer oder was Mondscheinsonate war bzw. nicht einmal mehr ein Buch lesen zu können?
(Wenn wir, mein Vater und ich, meine Mutter besucht haben und sie mußte zwischendurch auf die Toilette, dann hatte sie anschließend bereits vergessen, daß wir als ihr Besuch dort saßen.)

Also, auf morgen!

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 23:39:
Ich hoffe, Du hast Verständnis für mein Verschieben, aber im Augenblick prasselt es von allen Seiten auf mich herein. Dazu noch separate Texte von Schimmel und Regina.
Je suis encore vivant!

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 00:00:
Ich verstehe dein Verschieben, Graeculus!

Vielleicht reicht es, wenn wir alte Männer das Thema aus unserer Sicht betrachten. Für die, die Liebeskummer nicht aushalten oder ..., sollten andere sprechen.

Die beste Art in Hinblick auf andere ist wohl: im Bett einen "Schlaftrunk" zu sich zu nehmen: von wem man auch gefunden wird, der erste Gedanke wird sein "friedlich eingeschlafen".


Graeculus:

Das, was meiner Mutter 1945 passiert ist, steht mir natürlich nicht bevor, 

Je nach dem, wer Deutschland das nächste Mal befreit, müssen auch Männer mit Vergewaltigungen rechnen.

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 00:21:
Graeculus:

(Wenn wir, mein Vater und ich, meine Mutter besucht haben und sie mußte zwischendurch auf die Toilette, dann hatte sie anschließend bereits vergessen, daß wir als ihr Besuch dort saßen.)

Dann konnte sie sich bei einem Besuch mehrmals über den Besuch freuen.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 00:41:
Scherzkeks. Sie ist einfach auf ihr Zimmer gegangen.

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 00:57:
Cool!

Ich hätte sie nicht mehr besucht.

Graeculus, du weißt, daß man erst durch eine Obduktion feststellen kann, ob das Hirn geschädigt ist.

Es gab Untersuchungen bei Nonnen: man hat ihre kognitiven Leistungen gemessen und war nach ihrem Tod teilweise erschrocken, weil das Hirn dermaßen zersetzt war, daß diese Leistungen hätten nicht erbracht werden können.

Anderseits gibt es Fälle, in denen Männer oder Frauen nach dem Tod des Partners auf einmal dement sind.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 15:42:
Selbstverständlich haben wir sie weiterhin besucht. Nur, alle ihre Fragen zehnmal zu beantworten, alle Sätze immer wieder zu sagen und dabei zu wissen, daß nichts davon über den Moment hinausreichte und binnen kurzem dieselbe Frage wieder zu erwarten war, das war sehr traurig.
In einem relativ frühen Stadium wüßte sie immerhin noch, wieviel sie vergaß (auch wenn sie es beharrlich leugnete), später nicht einmal mehr das.

Für mich habe ich die Entscheidung getroffen, daß ich nicht so werden möchte, soweit es in meiner Macht steht.

Ob nun wirklich ihre Hirnsynapsen verklumpten, wie man es von Alzheimer sagt, darüber haben wir, mein Vater und ich, uns keine Gedanken gemacht. Ihr Verhalten und daß es unabänderlich war, reichte uns. Und froh waren wir, daß uns am Ende selbst die Ärztin von einer PEG-Sonde zum Zweck, das Leben irgendwie noch zu verlängern, abgeraten hat.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 15:44:
An Mondscheinsonate: die angekündigte Antwort - s.u.
Und: Je suis encore vivant!

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 16:10:
Graeculus: 

Für mich habe ich die Entscheidung getroffen, daß ich nicht so werden möchte, soweit es in meiner Macht steht.

Da bin ich voll bei dir.

Und es steht auch keinem zu, uns vorzuschreiben, was wir auszuhalten haben, weil es ja nicht so schlimm ist, weil das Leben so wertvoll ist, weil man anderen nicht wehtun darf ...

Graeculus, man muß nur vorsorgen, damit es dann auch klappt, wenn man den Zeitpunkt für gekommen sieht.

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 16:16:
Graeculus:

Ob nun wirklich ihre Hirnsynapsen verklumpten, wie man es von Alzheimer sagt, darüber haben wir, mein Vater und ich, uns keine Gedanken gemacht. 

Klar, denn am Zustand würde es nichts ändern.

Aber für einen selbst macht es einen Unterschied: depressive Zustände und Demenz haben eine symptomatische Schnittmenge.


Graeculus:

Und froh waren wir, daß uns am Ende selbst die Ärztin von einer PEG-Sonde zum Zweck, das Leben irgendwie noch zu verlängern, abgeraten hat.

Das ist nicht die Regel: normalerweise wird der "Wirtschaftsfaktor" ausgenutzt, bis es nicht mehr geht.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 17:07:
Ja, meine Mutter war keine Privatpatientin. Davon abgesehen hätten mein Vater und ich das nicht zugelassen.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 17:34:
Vor den Zug werfen werde ich mich jedenfalls nicht, falls es einmal soweit sein sollte - dafür bin ich zu sehr Bahnfahrer.

 Verlo meinte dazu am 14.03.23 um 19:46:
Graeculus, deine Frau arbeitet im Krankenhaus ...

Es gibt gute Mittel: da schläft man ein, und irgendwann hört das Herz auf zu schlagen.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:09:
Du glaubst, daß ein Krankenhausmitarbeiter mal so eben ein Portiönchen Gift entwenden kann? Und "zufällig" stirbt genau daran anschließend ein Mensch, zu dem er in einem persönlichen Verhältnis steht?

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 23:16:
Graeculus, man muß kein Gift nehmen, um zu sterben.

Wenn man Zugang hat, stelle ich mir das "entwenden" nicht schwer vor, und wenn man geschickt vorgeht, wird man sie zur Verantwortung gezogen.

Ich wette, in deiner Bibliothek gibt es Beispiele, wie Unterschlagung geschickt gemacht wird.

 Regina meinte dazu am 16.03.23 um 23:20:
Ist alles schon passiert. Und notfalls tut es eine Überdosis Schlaftabletten auch. Aber wir wollen ja keine Anleitung geben.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:45:
Nein, eine Anleitung wollen wir nicht geben, das ist nicht meine Absicht. Ich erinnere mich aber gut, daß vor ca. 40 Jahren eine (ernstgemeinte) "Gebrauchsanleitung zum Selbstmord" ein Verkaufsschlager war, und zwar, wie mir ein Buchhändler versicherte, bei alten Leuten.

Heute gibt es ja das Internet. Und wenn du, Regina, irgendeinen Ort suchst, der jugendgefährdend ist, dann suche dort.

Verlo, wie kannst du annehmen, daß ich bei meinem Tod irgendjemanden in eine Unterschlagung verwickeln möchte?

 Regina meinte dazu am 16.03.23 um 23:53:
Ja, diese Anleitung habe ich vorhin gesehen. Insofern, ja, da gibt es noch viel schlimmere Texte.

Aber auch: Vorbeugung gegen Demenz: Vitamin D (Merkur)

 Verlo meinte dazu am 16.03.23 um 23:54:
Graeculus, wäre ich deine jüngere (vermute ich) Frau und würde in einem Krankenhaus mit entsprechendem Zugang arbeiten, würde ich deinen Wunsch wie meinen behandeln.

Und selbstverständlich würde ich mich clever genug anstellen, so daß es nie zu einer Anklage wegen Unterschlagung kommt.

Wir würden das alles so organisieren, daß alle davon ausgehen, du bist auf natürliche Weise gestorben. Dann stellt auch niemand weitergehende Fragen.

Keinesfalls müßtest du bei mir leben, ohne dich an deine Bücher zu erinnern.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:59:
An Regina:

Für ein paar Tage bin ich jetzt weg und werde anschließend auf deinen Beitrag sowie auf alles, was bis dahin sonst noch hier eingetroffen sein wird, antworten. Für heute ist für mich Schabbes.

 Graeculus meinte dazu am 17.03.23 um 00:01:
An Verlo:

Sollte ich einmal diese Hilfestellung benötigen, bist du der erste, an den ich mich wenden werde. Und deine Memoiren haben dann einen Titel: "I Killed Graeculus."

Mehr und anderes später ... ich bin dann mal weg.

 Verlo meinte dazu am 17.03.23 um 09:36:
Graeculus:

Und deine [Verlos] Memoiren haben dann einen Titel: "I Killed Graeculus."

Graeculus, ich besorgte nur das Mittel, du vollführtest.

 Graeculus meinte dazu am 19.03.23 um 22:39:
Das war jetzt wieder ironisch von mir. Juristisch hast du natürlich recht.

 Terminator (11.03.23, 22:29)
Nochmal zur Feigheit: es ist oft feiger, Suizid nicht zu begehen. Suizide werden aus folgenden Feigheitsgründen oft nicht begangen:

◉ Angst vor dem Sterben (aber die Qual im Fall einer schweren Krankheit geht täglich weiter)

◉ Feigheit, zuzugeben, dass man im Leben gescheitert ist (und die verzweifelte Hoffnung auf ein Wunder, das die Lebenszufriedenheit, die Ehe oder die Karriere doch noch rettet)

◉ Angst vor der Einsamkeit, die mit der Vorstellung des Todes einhergeht

◉ Flucht vor Verantwortung (aus der Ehrenperspektive betrachtet)

◉ Die gute alte Todesfurcht, dieser Wächter am Ausgang des Lebens (Schopenhauer; sinngemäß: wenn das Leben so begehrenswert ist, warum steht an seinem Ausgang solch ein schrecklicher Wächter?)

 Graeculus meinte dazu am 11.03.23 um 22:46:
Danke für diese Zusammenstellung, die ein starkes Argument ergibt. Auch die Erinnerung an die Aussage Schopenhauers ist wichtig, d.h. sehr bedenkenswert.
Taina (39) meinte dazu am 12.03.23 um 06:43:
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 Graeculus meinte dazu am 12.03.23 um 22:35:
Ich mag es, wenn man den gegen einen gerichteten Spieß einmal umdreht. Wenn man schon den Begriff Feigheit verwendet, dann wird man darüber sprechen dürfen, wer feige ist.
Man kann das allerdings auch gänzlich unterlassen und auf die moralische Berurteilung des Lebens anderer (was nicht dasselbe ist wie eine rechtliche Beurteilung) verzichten.

 Terminator meinte dazu am 12.03.23 um 23:13:
Moralisch relevant wird der Suizid erst bei sogenanntem erweiterten Suizid (im Grunde dasselbe wie ein Amoklauf, mit dem Unterschied, dass der Suizid bei einem "normalen" Amoklauf nicht die ursprüngliche Intention, sondern eine nicht zwingende Folge ist).

Das Moralisieren (Benutzen der Moral als Waffe) schadet übrigens Suizdgefährdeten bei der Hilfesuche: wird der Suizid als feige abgestempelt, wird man eher einen Suizidversuch unternehmen als direkt um Hilfe zu bitten, in dem man "feige Suizidabsichten" äußert. Und bei manchen als Hilferuf gemeinten Suizidversuchen kommt jede Hilfe zu spät.
Taina (39) meinte dazu am 13.03.23 um 05:15:
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 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 18:12:
An Terminator:

Psychisch kranke Menschen haben ohnehin schon eine hohe Hemmschwelle zu überwinden, wenn sie sich entschließen, um Hilfe nachzusuchen. Man sollte ihnen nicht auch noch Schuldgefühle aufladen. Wenn ich jemandem, der erwägt, sich zu töten, sage: "Das ist feige!", dann hat er gleich ein weiteres Problem an der Backe. Ich jedenfalls käme ihm nicht so.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 18:21:
An Taina:

Die Entlastung des Suizids von Schuldvorwürfen als "Glorifizierung" zu bezeichnen, ist aber doch etwas polemisch, nicht wahr?
Du meinst wohl, um Suizide zu verhindern, müsse man eine möglichst hohe moralische Hürde dagegen errichten.
Das erinnert mich - entschuldige, aber das tut es - an die Einstellung, man müsse Homosexualität verteufeln, weil es sonst immer mehr Homosexuelle gäbe.
Das hat nichts miteinander zu tun? Oh doch, das hat es, denn es geht in beiden Fällen um das Recht auf den eigenen Körper und was man mit ihm macht.
Daß dadurch mehr Menschen sich umbringen, ist eine bloße Vermutung - ebenso wie Deine Annahme, in der Vergangenheit habe die 'Oberschicht' ihre Rechtfertigung des Suizids dazu benutzt, um gleichsam Schwache zu entsorgen. Wann genau soll das der Fall gewesen sein?

Interessant wäre es, vergleichende Statistiken über den Suizid aus Ländern und Kulturen zu haben, die entweder den Suizid tabuisiert oder enttabuisiert haben. Das gibt es aber nicht. Länder mit einem solchen Tabu führen darüber keine Statistiken, sondern vertuschen solche Fälle.
Taina (39) meinte dazu am 13.03.23 um 20:03:
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 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 22:23:
Was auch immer Terminator dazu sagt - für mich ist das eine Möglichkeit, über die man einmal nachdenken kann: Ist der Nicht-Suizid nicht manchmal die 'feigere' Möglichkeit? Immerhin, es steht ja schon in meinem Ausgangstext, daß der Suizident den stärksten uns von der Natur mitgegebenen Trieb überwindet. Das ist keine Kleinigkeit, und deshalb ist auch Suizid nie ein - wie Michel Foucault tatsächlich einmal einen Aufsatz zum Thema betitelte - "Ein ganz harmloses Vergnügen".

Wir wollen uns hier ein wenig für den Selbstmord einsetzen. Nicht für das Recht darauf, worüber zu viele schon allerhand Gutes gesagt haben. Vielmehr wollen wir etwas gegen das Erbärmliche sagen, als das er hingestellt wird.

Ist ein interessanter Aufsatz (wie so viele Gedanken 'gegen den Strich'), doch ich teile seinen Standpunkt letztlich nicht.

Antwort geändert am 14.03.2023 um 15:34 Uhr
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 15:45:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 17:06:
Das halte ich für einen insgesamt richtigen Vorschlag.
Nur wenn man auf dieser moralischen Kategorie besteht, darf man auch mal umgekehrt fragen.

 Terminator (11.03.23, 22:55)
Ein anderes (aktuelles) Thema: Suizid als Amok-Vorsorge (bzw. Vorbeugung). Wenn einem klar ist, dass man zusehends verzweifelt, und seine Ressentiments nicht im Griff hat, dann sollte man doch gerade aus moralischen Gründen seinen Mitmenschen ein Massaker ersparen und sich umbringen.

Was bringt es, sich selbst weiter zu quälen, und eine tickende Zeitbombe zu sein, wenn man unheilbar unglücklich ist?

Mir ist das Argument mit der Suizidprävention mehr als verdächtig: als wäre es nicht selbstverständlich, dass wir als zivilisierte Gesellschaft denen, die Hilfe brauchen, helfen wollen! Aber solche "Helfer" nehmen dem "Selbstmörder" die Agenz, sprechen ihm quasi die Zurechnungsfähigkeit ab und machen ihm zu einem unmündigen psychiatrischen Pfelegefall.

Die Verantwortung für sich selbst besteht aber selbstverständlich auch bei Krankheit, Unglück und Verzweiflung. Das ist die Würde des Menschen. Und auf der anderen Seite gilt es, eine selbstbestimmte Entscheidung für den Freitod zu akzeptieren, auch wenn sie aus unglücklichen Umständen getroffen wurde (Hobbes, sinngemäß: das menschliche Leben ist dreckig, brutal und kurz. Auch für die, die es meistern! Bei Licht betrachtet, ist jeder Mensch jeden Tag lebensmüde genug, so dass es dafür reicht, sich das Leben zu nehmen. Gründe für den Suizid gibt es unzählige. Aber ein Mensch lebt nur weiter, wenn er Gründe hat, am Leben zu bleiben (welche, glücklichstenfalls, Lust- und Sinngründe, und keine Zwangs- und Pflichtgründe sind).

 Regina meinte dazu am 11.03.23 um 23:11:
Das sind vllt. Gründe, sich sterilisieren zu lassen, damit nicht noch mehr Elend in die Welt kommt, oder sich freiwillig in die Psychiatrie zu begeben.

 Terminator meinte dazu am 11.03.23 um 23:36:
Der Amokläufer von Hamburg hat also mit dem Amoklauf selbst nichts falsch gemacht, vorausgesetzt, er hat keine Kinder in die Welt gesetzt?

Hätte sich Thomas Hobbes freiwillig in die Psychiatrie einweisen lassen müssen? So hatte er das Leben charakterisiert: "...solitary, poor, nasty, brutish, and short". Wogegen hätte er behandelt werden müssen? Gegen Weisheit?
Taina (39) meinte dazu am 12.03.23 um 06:51:
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 Graeculus meinte dazu am 12.03.23 um 22:40:
Wenn ein Suizid aus einem solchen Tunnelblick heraus ins Auge gefaßt wird, dann ist ein Helfer hilfreich. U.a. deswegen habe ich immer dafür plädiert, eine solche Entscheidung nicht aus einem Moment heraus zu treffen, sondern sorgfältig über eine längere Zeit hinweg zu erwägen.

Der Gesichtspunkt, den Terminator ins Gespräch bringt, daß nämlich jemand seine Existenz als die einer tickenden Zeitbombe begreift, ist ein mir neuer. Gibt es dagegen eine psychiatrische Vorbeugung?

 Terminator meinte dazu am 12.03.23 um 23:05:
Amok ist wieder was anderes, da stecken innere Zwänge dahinter. Mit normalen Argunemten kommt man dem nicht bei, fürchte ich.
Mit normalen Argumenten kommt man auch bei einem schwer Depressiven mit Tunnelblick nicht weiter. Und zu beidem, deucht mir, muss die Frage
Gibt es dagegen eine psychiatrische Vorbeugung?
eine negative Antwort erhalten. Wenn Suizidgefährdung und Amoklauf-Neigung durch schwere psychische Störungen verursacht sind, kann weder moralisches noch logisches noch therapeutisches Argumentieren weiterhelfen.

 Regina meinte dazu am 13.03.23 um 03:45:
Solche Neigungen sind immer durch schwere psychische Störungen verursacht. Wer da helfen kann, der helfe. Aber Texte wie diese kehren die Lebenswirklichkeit um, indem sie den psychisch kranken Selbsttöter rechtfertigen, seine Handlung als die wünschenswerte und rationale hinstellen und den Wert des Weiterlebens relativieren. Jugendgefährdend und pervers!

 Terminator meinte dazu am 13.03.23 um 04:01:
Jugendgefährdend und pervers!
Mitnichten. Pervers (im ursprünglichen Sinne: "verkehrt") ist dein Vorwurf gegenüber "Texten wie diesen".


Gern wiederhole ich mich: Als suizidgefährdeter Jugendlicher litt ich jahrelang darunter, nicht frei über Suizid sprechen zu können. Stigmatisierung und Pathologisierung wäre die Folge gewesen. Ich suchte schließlich nach Büchern, die den Suizid thematisierten, und fühlte mich verstanden und erleichtert, unabhängig davon, ob sich der Autor für oder gegen den Suizid aussprach.

Den Suizid zu tabuisieren oder moralisch zu verurteilen, ist jugendgefährdend. Der Jugendliche wird mit seiner Verzweiflung allein gelassen, und damit noch mehr in den Suizid getrieben. Offen über den Suizid zu sprechen, ist dagegen schon Suizidprävention. Ignoranz und Moralinsäure haben noch kein Leben gerettet.

Also nein, auch nicht jugendgefährdend.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 18:01:
An Terminator:

Zwar kenne ich mich in der Psychiatrie nur bedingt aus, aber soviel weiß ich doch, daß es da nicht immer um psychotherapeutisches Argumentieren geht. Und manchmal hilft bei Fremdgefährdung nur die Sicherungsverwahrung, zumindest auf Zeit.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 18:09:
An Regina:

Angesichts eines Textes, der nichts weiter will, als einerseits den Schuld- und Feigheitsvorwurf aus dem Spiel zu nehmen und andererseits darauf hinzuweisen, daß es sehr wohl Fälle eines wohlüberlegten und gerechtfertigten Suizids gibt (neben den bekannten Kurzschlußhandlungen), wirst du dermaßen heftig und polemisch, daß ich mich frage (!), ob hier vielleicht etwas eine Rolle spielt, das Terminator wenigstens offen zugibt: eine ganz persönliche Betroffenheit.
Es ist auffallend, daß es in der Geistesgeschichte der europäischen Neuzeit zwei extreme Typen gibt: einerseits Arthur Schopenhauer, der die Möglichkeit des Suizids verteidigt (auch wenn er warnend auf das hinweist, was danach kommt), aber selber nie ernsthaft an Suizid gedacht hat, andererseits Ludwig Wittgenstein, der den Suizid scharf verurteilt ("wenn der Selbstmord erlaubt ist, ist alles erlaubt"), von dem man aber weiß, daß er viele Jahre seines Lebens täglich in der Versuchung war, sich selber umzubringen, wie es auch zwei seiner Geschwister getan haben.
Will sagen: Manchmal steckt hinter der heftigen Ablehnung etwas sehr Persönliches. Das sollte man aber nicht verallgemeinern.

 Regina meinte dazu am 13.03.23 um 18:31:
Du versuchst hier, den spieß umzudrehen und mich wie deinen Wittgenstein als heimliche Selbstmörderin hinzustellen. Aber vielleicht steht es eher um dich so dramatisch. Hier wiederhole ich erneut dich fragend: Wie sähe deine Einstellung aus, träfe es nicht Cato oder sonst einen aus der Antike, sondern eines deiner Kinder? Würdest du dann immer noch den Mut postulieren, der alle Schranken zum letzten Schritt niederreißt?

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 19:28:
Nein, ich habe nicht versucht, dich "so hinzustellen"; ich habe eine Frage gestellt und dies auch noch mit einem Ausrufungszeichen (nur eine Frage!) versehen.
Was an Persönlichem hinter deiner Einstellung steht, kannst nur du beurteilen. Ich sage lediglich, daß die Heftigkeit, die Leidenschaftlichkeit, mit der manche Menschen den Suizid verurteilen, einer Erklärung bedarf.

Um deine Frage zu beantworten: Das hinge von den Umständen ab, unter denen eines meiner Kinder diesen Schritt täte. Manche Umstände wie Siechtum in hohem Alter werde ich ja nicht mehr wahrnehmen. Selbstverständlich würde ich mit ihnen - falls sie mich frügen - mögliche Alternativen durchgehen.
Schon heute habe ich hohen Respekt vor ihren eigenen Entscheidungen, in die ich mich nicht einmische!

Mir fällt der Fall von Ambrose Bierce ein, dessen Sohn im Zuge eines Eifersuchtsdramas seinen Freund und Rivalen erschossen hat und danach sich selbst. Solch ein Eifersuchtsdrama und die Tötung eines anderen Menschen kann ich nicht billigen; aber als der Totschlag begangen war ... die Alternative zum Suizid wäre für ihn die Hinrichtung gewesen. Bierce hat den zweiten Schritt akzeptiert, da der erste, der sehr törichte, nunmal getan war.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 22:15:
An Regina:

Könntest du wohl noch meine Frage beantworten, wie du darauf kommst, daß ein Suizident sich im Rahmen der Wiedergeburt - falls es soetwas gibt - verschlechtert und nicht etwa verbessert?

Ich habe die Vermutung, daß du einerseits meinst: Suizid ist schlecht, weil man sich dadurch eine schlechtere Wiedergeburt einhandelt, andererseits aber annimmst: Ein Suizident handelt sich eine schlechtere Wiedergeburt ein, weil Suizid schlecht ist.
Das wäre ein logischer Zirkel, d.h. A (schlechte Wiedergeburt) würde mit B (Suizid ist schlecht) und B (Suizid ist schlecht) mit A (schlechte Wiedergeburt) begründet.

 Regina meinte dazu am 13.03.23 um 22:52:
Ich habe nichts darüber geschrieben, wie sich Suizid auf Reinkarnation auswirkt, nur dass es sinnlos ist, sich umzubringen, wenn man an der nächsten Ecke wieder auf die Welt kommt. Wie? Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Vllt. auch wieder genauso.
Ein Mörder hat keine Achtung vor dem Leben, ein Selbstmörder hat keine Achtung vor dem eigenen Leben. 

Antwort geändert am 13.03.2023 um 22:56 Uhr

Antwort geändert am 13.03.2023 um 23:02 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 23:07:
Na, ob und wie ich dann wieder auf die Welt komme, da bin ich ganz unbesorgt. Und "keine Achtung vor dem eigenen Leben"? Ich habe schon an anderer Stelle darüber geschrieben, daß das Leben nicht der höchste Wert ist. Das wäre ein ganz moderner Gedanke ... von Menschen, die keine höheren Werte mehr kennen.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 23:09:
Ist das wirklich deine Ansicht, daß du unter allen Umständen leben möchtest, ganz gleich wie?

 Regina meinte dazu am 13.03.23 um 23:31:
Warum sollte ich meinen Eltern die Mühe machen, mich großziehen, der Natur, mich zu ernähren, mir selbst den Stress, laufen zu lernen und dann die Muttersprache einzuüben, Schule, Studium usw., um bei der nächsten besten Schwierigkeit zu sagen, jetzt spiele ich aber nicht mehr mit. Ich habe nicht vor, mir nichts dir nichts aufzugeben.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 23:36:
Der nächsten besten Schwierigkeit? Wer spricht denn davon? Wenn du die Diagnose "Demenz, unheilbar" hast, wäre das eine ausreichende Schwierigkeit? Irgendwann ist Schabbes mit dem Leben. Und ich weiß nicht, was deine Eltern oder sonstwer davon hätten, wenn du als sabbernde Ex-Regina, die sich nicht einmal mehr an ihre Eltern erinnern kann, herumtappst. So ging es mit meiner Mutter, die in ihrer letzten Lebensphase weder meinen Vater noch mich erkannt hat.

 Regina meinte dazu am 13.03.23 um 23:41:
Bei Demenz wäre ich aber gar nicht mehr in der Lage, aktiv einen Freitod herbeizuführen. Einladend finde ich das nicht.

 Graeculus meinte dazu am 13.03.23 um 23:49:
Nicht in der letzen Phase der Demenz, gewiß nicht; aber wenn du die Diagnose bekommst, dann hast du noch die Option ... wie beispielsweise Walter Jens.
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 01:45:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 15:31:
Ein zweiter Sohn ist Alkoholiker geworden. Bierce selbst hat seine Frau, die Mutter seiner Kinder, verlassen, nachdem er die sorgsam verwahrten Liebesbriefe eines anderen Mannes bei ihr gefunden hatte. Er sagte darauf mit vollendeter Höflichkeit (wo andere zugeschlagen hätten): "Madam, ich nehme grundsätzlich an keinem Wettbewerb teil, auch nicht an dem um die Gunst einer Frau." Packte seine Sachen zusammen und ging davon. Wie die Kinder das empfunden haben, weiß man nicht; die Frau soll sich noch längere Zeit darum bemüht haben, die Ehe zu kitten, worauf Bierce sich nicht eingelassen hat.

Was das Trauma seines Lebens angeht, so kann man wohl eine ziemlich eindeutige Aussage treffen: Es war der Bürgerkrieg. Immer wieder ist er das Thema seines Schreibens, während ich mich nur an eine einzige Geschichte erinnern kann, in der Liebe bzw. Ehe eine Rolle spielen; die Frau kommt dabei nicht gut weg, aber das eigentliche Thema ist auch in diesem Falle, wie der von seiner Frau aufgereizte Mann sich im Kriegsgeschehen verhalten hat.

Nein, Bierces Lebensthemen sind Krieg (unter Mitbürgern!) und Tod.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 15:34:
Daß Regina keine Aussage darüber macht, wie sich ein Suzid auf ein eventuelles Leben nach dem Tod auswirkt, habe ich zur Kenntnis genommen. Argumente wie "dir droht ein Leben als Huhn in der Massentierhaltung" oder "dafür kommst du in die Hölle" entfallen also.
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 15:40:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 16:00:
Was den Krieg angeht, liebe Taina, so habe ich betont, daß es sich um einen Bürgerkrieg handelte; was sich bei Bierce darin ausdrückt, daß in seinen Geschichten häufiger Vater auf Sohn, Bruder auf Bruder treffen, indem sie auf verschiedenen Seiten kämpfen. Das setzt m.E. noch etwas drauf auf den "normalen" Krieg.

Bierce selbst ist übrigens schwer verwundet (Schuß in den Schädel, was ihm lebenslange Kopfschmerzen beschert hat) und dann ausgemustert worden. Hinzu kam bei ihm Asthma.

Da ich meinen ganzen Text ja begonnen habe mit einem Bierce-Zitat über Feigheit (und da auch Bierce Suizid begangen hat), erlaube ich mir noch diesen Hinweis: Er hat den Krieg ganz unten, als Trommlerbub, begonnen und ist nach und nach bis zum Offizier befördert wordern. Dabei hat er mehrere Tapferkeitsauszeichnungen erhalten, aber auffallenderweise nicht für das Töten von Feinden, sondern für das Retten von Verwundeten unter feindlichem Feuer. Das ist so zu verstehen: Die beiden Frontlinien liegen einander gegenüber. Eine Seite befiehlt den Angriff, und dann krabbeln die Soldaten aus den relativ sicheren Schützenlinien, um über das freie Feld, in das Gewehr- und Artillieriefeuer hinein, auf die feindlichen Linien zuzulaufen. Oft führt das nicht zum Erfolg, und danach liegen die Schwerverwundeten hilflos zwischen den Linien. Um deren Rettung - gleich, ob es Konföderierte oder Unionisten waren - hat Bierce sich verdient gemacht: er hat sie da rausgeholt, damit ein Sanitäter sich um sie kümmern konnte.
Das tut kein Feigling.
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 16:05:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 16:29:
Versuch einer persönlichen Zwischenbilanz:

Ich betreibe keine Werbung für den Suizid. Ich habe überhaupt keine Neigung, irgendjemandem die Entscheidung abzunehmen, ob und wie lange sein Leben für ihn lebenswert ist. Was ich möchte, ist, diejenigen von pauschalen Vorwürfen zu entlasten, die sich unter bestimmten Bedingungen für den Suizid entscheiden. Von diesen bestimmten Bedingungen habe ich bisher zwei genannt: 1. die objektive Auswegslosigkeit, 2. das Scheitern eines Lebenszieles. Weitere Fälle bzw. Bedingungen sollen folgen und werden folgen, falls sich nicht Regina mit ihrem Wunsch durchsetzt, der Webmaster möge diesen Text "ohne Wenn und Aber" löschen. Daß er das tun wird, bezweifle ich stark (auch angesichts dessen, was er sonst so alles hier durchgehen läßt).

Wichtig ist mir, daß die genannten und auch die folgenden Fälle in wohlüberlegten Entscheidungen bestehen. Mein Leben einfach aus einer Laune heraus wegzuwerfen, kommt für mich nicht in Betracht - auch wenn ich selbst in diesem Falle nicht als erstes an Feigheit und Fahrerflucht denke; eher an Dummheit.

Neben der hier mehrfach angesprochenen Demenz, für die es bekanntlich keine Heilung gibt und die mir aus einer persönlichen Erfahrung her nahegeht, und abgesehen von dem unbestreitbaren Umstand, daß wir alle unweigerlich älter werden, immer mehr verfallen und schließlich sterben werden (ein Jahr früher, ein Jahr später - ist das so wichtig?), abgesehen davon ist mir heute noch eine ebenfalls unheilbare Krankheit in den Sinn gekommen, die ich jedenfalls nicht erleben und bis zur Neige auskosten möchte: die Amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Sie ist vielleicht durch Stephen Hawking bekannt, doch ich möchte sicherheitshalber erläutern: bei völlig klarem, ungetrübten Bewußtsein verliert der Patient nach und nach die Kontrolle über seinen Leib, bis dieser in vollständiger Bewegungslosigkeit verbleibt. Ein wacher, lebendiger Geist gefangen in einem Körper, der ihm in nichts mehr gehorcht, den er überhaupt nicht mehr unter Kontrolle hat. Kurz vor dem letzten Stadium können sich die Patienten gerade noch durch Blinzeln der Augen vertständigen, schließlich jedoch auch das nicht mehr.
Man lasse sich nicht täuschen durch den Fall Stephen Hawking - der war in aller Munde, aber ein extrem untypischer, nämlich über Jahrzehnte sich hinziehender Krankheitsverlauf (Wahrscheinlichkeit 1 : 1000), zudem bei einem Patienten, der vermögend genug war, sich alle technischen Hilfsmittel auf dem jeweils neuesten Stand leisten zu können, um sich mittels Rollstuhl und Computer noch längere Zeit bewegen und mit anderen kommunizieren zu können.

Die Diagnose ALS wäre ein Fall, in dem ich - gänzlich ohne irgendein schlechtes Gewissen - eine Entscheidung treffen müßte. Ich träfe sie nach reiflicher Überlegung und in Absprache mit Menschen, die mir lieb sind; aber ganz gewiß ließe ich mich darin nicht von moralisierenden Zeitgenossen beeinflussen, die mir eh nicht täglich den Hintern abwischen und zur Fütterung den Schlabberlatz umbinden würden!

Bis dahin habe ich für mich fünf Fähigkeiten bewußt gemacht und festgelegt, die mir das Leben lebenswert machen; falls sie alle oder fast alle entfallen, ist mir mein Leben nicht mehr lebenswert. Und so habe ich das auch den Menschen, die es angeht, mitgeteilt. Eine entsprechende Patientenverfügung gehört dazu.

Antwort geändert am 14.03.2023 um 16:30 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 16:52:
Ein Nachtrag:

Der Suizid ist nach dem Urteil des BVerfG legal, und selbst die Sterbehilfe, so hat es entschieden, darf nicht grundsätzlich verboten werden.
Warum es unzulässig sein sollte, über etwas Legales offen zu sprechen und zu diskutieren, erschließt sich mir nicht.
Soll etwa Art. 2 des Grundgesetzes für ein Tabu erklärt werden?
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 16:55:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 17:03:
Man denke nur an Judas. Er ist der einzige Suizident, von dem das Neue Testsament berichtet. Auffallenderweise wird zwar sein Verhalten vor dem Suizid verurteilt (der Verrat), der Suizid selber jedoch überhaupt nicht.
Ich sagte schon, daß es weder im Tanach noch im Neuen Testament noch im Koran irgendeine explizite Verurteilung des Suizids gibt. Dies nur den Gläubigen gesagt, für die das eine Bedeutung hat.

Davon abgesehen, hat die Kunst natürlich vielfach Suizide dargestellt, und zwar mit ganz unterschiedlicher Tendenz.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 17:13:
Noch zu Taina, weiter oben:

Nein, Du hast das nicht getan. Und Traumatisierung ist etwas anderes. Nur sollte es, wenn man bei jemandem davon spricht, dafür Anhaltspunkte in seinem Verhalten oder seinen Äußerungen geben. Bei Bierce ist das "nur" der Bürgerkrieg.
Unmittelbar bevor er aus dem Leben verschwunden ist - er gilt ja als verschollen -, hat er noch einmal die Schlachtfelder seiner Jugendtage besucht. Da werden Erinnerungen hochgekommen sein.

 Regina meinte dazu am 14.03.23 um 17:55:
Allein schon, dass du hier mit den Begriffen "lebenswert" und "nicht mehr lebenswert" herumargumentierst, lässt mich schaudern. Wenn du schon dein eigenes Leben unter bestimmten Umständen als "nicht lebenswert" qualifizierst, dann ist das Eigeneuthanasie! Wie sieht die Wertschätzung eines anderen, behinderten oder dementen Lebens aus? Auch "lebensunwert". Dann aber wären wir bei der faschistischen Euthanasie!
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 18:00:
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 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 18:11:
An Regina:

Ach, das Dammbruch-Argument. Niemand hat diese armen Menschen damals gefragt, ob sie leben wollten; niemand hat sich um ihre Wünsche und Entscheidungen gekümmert. Die Nazis haben das alte griechische Wort (eu thanatos - guter Tod) zur Verschleierung einer Mordaktion mißbraucht. Siehst Du irgendeinen Ansatzpunkt bei mir dafür, daß ich das Leben anderer für wertlos erkläre? Ich plädiere für die Selbstbestimmung des Indiviuums. Nichts könnte den Nazis ferner stehen. Nichts. Bei ihnen bestimmte der Führer über andere!

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 18:18:
An Taina:

So kann man hypothetisch vorgehen. Allerdings bezweifle ich, ob Ambrose Bierce ein üblicher Mensch war.

Man kann sogar noch weiter in seine Kindheit zurückgehen, wo die Traumata ja meist beginnen. Der Vater hat anscheinend einen Tick gehabt, denn er hat seinen sämtlichen 13 Kindern mit "A" beginnende Vornamen gegeben. Bei unserem Bierce ist ihm dann nur noch Ambrose eingefallen. Zählt das schon als Trauma, wenn man mit dem Vornamen Ambrose (Ambrosius) durchs Leben laufen muß? Wir wissen es nicht. Es gibt eine an  der Grenze des guten Geschmacks wandelnde Geschichte von Bierce, in der jemand lustvoll seine sämtlichen Verwandten umbringt. Das läßt Schlimmes ahnen.

 Regina meinte dazu am 14.03.23 um 18:21:
Ja, so einen Anhaltspunkt sehe ich in der Tat. Der ergibt sich aus der Aussage, dass du dein eigenes Leben unter bestimmten Bedingungen für "unwert" erklärst. Dann sind doch andere Leben im gleichen Zustand ebenfalls unwert. 
Bei den Anthroposophen nennen sie ein Behindertenleben eine "Ausruhinkarnation". Leute, die sich nicht selber versorgen können, ruhen sich eben von diesen Lebensverpflichtungen aus. Das mag auch bei Dementen nach einem stressigen Leben so sein. Ich sehe da keinen Grund für Suizid. Eine Mordabsicht äußerst du aber "nur" für dich selber. Ich verabscheue Mord.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 18:35:
Dann sind doch andere Leben im gleichen Zustand ebenfalls unwert.

Das ist falsch!, und zwar deshalb, weil diese Bewertung eine subjektive Entscheidung ist, die ich für mich treffe. Für mich wäre mein Leben wertlos, wenn ich nicht mehr X tun könnte, während dir X völlig gleichgültig ist, weil du mehr Wert auf Y legst.
Wenn ich dir das nicht klarmachen kann, daß ich es ablehne, über den Lebenswert anderer zu urteilen, dann weiß ich nicht mehr was ich tun soll.

Dann, den Begriff tendenziösen Selbstmord aufnehmend, den Mord ins Spiel zu bringen, geht nicht nur an der geltenden Rechtslage völlig vorbei, sondern ignoriert einfach den Umstand, daß ein Mord immer gegen den Willen des Betroffenen erfolgt. Deshalb sind die Nazis Mörder und Verbrecher, Suizidenten sind es nicht.

Also, wenn du oder irgendjemand in einer Ausruhinkarnation verharren möchte, ich habe nichts dagegen. Aber zwinge weder mir noch irgendjemand anderem das auf: zu leben, wie er nicht leben will.

Das sage ich übrigens für viele religiöse Regeln: Wer danach leben möchte, mag das tun; aber andere dazu zu zwingen, ist nicht hinnehmbar und ist - da wiederhole ich mich - gegen das geltende Recht.

Du hast deine Ansichten. Von mir aus. Aber du willst, daß andere danach handeln. Das geht nicht. Das ist übrigens der faschistischen Einstellung sehr viel näher als mein konsequent liberaler Standpunkt.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 18:39:
P.S.: Du darfst sogar versuchen, mich von deinem anthroposophischen Standpunkt zu überzeugen; deshalb diskutieren wir ja. Aber die Entscheidung darüber, was mein eigenes Verhalten angeht, die liegt bei mir!

 Regina meinte dazu am 14.03.23 um 19:28:
Als ob ich das könnte, dich zu irgendwas zu zwingen. Den Faschismusvergleich verbitte ich mir.
Ich finde diese Ausruhtheorie recht logisch. Sie kann nichts tun, andere müssen für sie sorgen. Stressig ist das bei Dementen ja oft für einen Angehörigen, der rund um die Uhr für den Patienten da sein muss.
Aber su solltest präventiv etwas gegen Demenz tun, wenn du davor Angst hast. 

Antwort geändert am 14.03.2023 um 19:38 Uhr

Antwort geändert am 14.03.2023 um 19:43 Uhr

 Regina meinte dazu am 14.03.23 um 19:28:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 14.03.2023 um 19:45 Uhr wieder zurückgezogen.
Taina (39) meinte dazu am 14.03.23 um 19:58:
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 Terminator meinte dazu am 14.03.23 um 21:00:
Ich finde diese Ausruhtheorie recht logisch. Sie kann nichts tun, andere müssen für sie sorgen.
Für mich selbst würde ich diesen Zustand nicht als "Ausruhen" empfinden, sondern als extrem erniedrigend. Ich will nicht von mir auf andere schließen, aber für mich ist das so, und der Verlust der Fähigkeit, für mich selbst zu sorgen, ist für mich ein hinreichender Grund, mein Leben zu beenden.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 22:57:
An Regina:

In der Tat kannst du mich nicht zu etwas zwingen. Dein mehrfach geäußerter Wunsch, der Webmaster möge meinen Text sperren bzvw. löschen, geht allerdings schon ein wenig in diese Richtung, indem du insinuierst, man möge mir den Mund verbieten. Daß er das höchstwahrscheinlich nicht tun wird, ist ja nicht dem Konto deiner liberalen Einstellung gutzuschreiben.

So, du bringst mich bzw. meinen Standpunkt mit dem Nationalsozialismus (Euthanasie) in Verbindung, verbittest dir aber, selber mit Faschismus in einem Atemzug erwähnt zu werden (autoritäre Verbote). Sachen gibt's ...

Demenz ist sicher für die Angehörigen und Pflegenden anstrengend, aber das ist für mich nicht entscheidend. Wie fühlt sich der demente Mensch selber? Da kann ich dir sagen, daß zumindest meine Mutter sich beschissen fühlte. Es war ihr ja nicht gleichgültig, daß sie alles vergaß, nicht mehr wußte, wo die Toilette war und vieles andere mehr. Ja, sie konnte sich freuen, wenn sie ein Kinderlied aus alter Zeit hörte, aber das meiste war ihr selber höchst peinlich. Den Namen ihres Kindes, ihres Mannes nicht mehr zu wissen! Ich wüßte nicht einmal, was ich den Tag über tun sollte. Nichts von dem, was ich liebe, würde noch funktionieren. Was soll es, zu schreiben oder zu lesen, wenn man am Ende eines Satzes schon den Anfang vergessen hat?
Ich kenne die Art, wie der alte Kant geschrieben bzw. zu schreiben versucht hat. Bei ihm war es Demenz oder Arteriosklerose, das weiß man nicht.

Mit ALS Tag für Tag hilf- und bewegungslos im Bett zu liegen und mir zu sagen, daß das eben eine Ausruhphase in der Vielzahl meiner Existenzen ist, hülfe mir nicht.
Aber jeder, wie er mag.

Nein, ich möchte das für mich nicht!

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:01:
An Taina:

Nö, so richtig vertraut ist mir das Thema Trauma nicht. Allerdings kann ein Name durchaus traumatisch sein - Du kennst sicherlich den Song "A Boy Named Sue" von Johnny Cash.

 Graeculus meinte dazu am 14.03.23 um 23:06:
An Terminator:

Ja, "hundert pro"! Ich bin auch nicht so sicher, wie ein Demenz- oder gar kein ALS-Patient das empfindet, wenn man ihm rät, sich auszuruhen. Für einen kreativen Menschen ist das doch eine Verarschung.
Wenn ich in einem Heim diesen Spruch gehört habe, habe ich mir immer gedacht: Du arme Socke, das ist eine andere Art dir mitzuteilen, daß du zu nichts mehr zu gebrauchen bist!

 Terminator meinte dazu am 15.03.23 um 02:46:
Außerdem: was soll dieses Schönreden des Pflegefalls? Ich arbeite selbst als Pfleger für geistig Schwerstbehinderte. Der Personalmangel ist extrem, die Belastungen für Pflegekräfte sehr hoch (darum ein dauerhaft hoher Krankenstand bei den Pflegekräften). Ich habe mir bei der Jobmesse neulich für meinen Arbeitgeber die Zunge aus dem Mund geredet (konnte als einziger der 6, die wir waren, Englisch, und wir wurden fast nur auf Englisch angesprochen), aber kaum einer will in der Pflege arbeiten, erst recht kein Deutscher, und deutsche bzw. in Deutschland aufgewachsene geistig Schwerbehinderte können nunmal kein Englisch. Es werden dann halt Ukrainer, Afrikaner und Inder (Teilzeit-Studentenjobs) zu uns kommen, die unsere Klienten zwar versorgen können, aber nur rudimentär mit ihnen kommunizieren. Und selbst bei der Versorgung kommen wir aufgrund des Personalmangels kaum hinterher, und Entlastung ist nicht in Sicht. Fachkräfte können wir vergessen, selbst Hilfskräfte, die für den Job geeignet sind, sind kaum zu finden.

Das sind gegenwärtig die Zustände, die einen Menschen, der gepflegt werden muss, in jeder Pflegeeinrichtung erwarten (mit angemessener Zuwendung und luxuriös dahinvegetieren können nur wirklich Reiche).
Taina (39) meinte dazu am 15.03.23 um 07:37:
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 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 17:35:
An Terminator:

Danke für diesen authentischen Einblick in die Verhältnisse auf Pflegestationen.
Ich habe einmal einen Pfleger dort angesprochen: "Möchten Sie hier liegen?" - "Auf keinen Fall!", lautete seine Antwort.

Das muß sich jeder selber überlegen - aber jeder sollte sich vor der Entscheidung informieren.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 17:41:
An Taina:

Was meinst Du? Seine Kriegserlebnisse waren für Bierce gewiß traumatisch - das bezeugt sein Schreiben. Bei seiner Ehe und seinem Vornamen bin ich mir nicht sicher und habe lediglich gesagt, daß sogar ein Vorname traumatisieren kann - belegt durch ein, zugegeben: fiktives Beispiel. Für sein Verhältnis zu seinen Verwandten gibt es diese eine Geschichte als Anhaltspunkt. Immerhin besaß sein Vater ein Bibliothek, die Ambrose ausgiebig genutzt hat.

Sind damit die Mißverständnisse beseitigt?

 Regina meinte dazu am 15.03.23 um 17:53:
Terminator: Die Engpässe in der Pflege bestehen unzweifelhaft und wie da mit Personal und Patienten umgegangen wird, ist sicherlich ganz und gar falsch, aber das hat ja Gründe. Mit den Schulen und Krankenhäusern ist es nicht viel besser. Unsere Gesellschaft braucht eine neue, menschengemäße soziale Ordnung oder hätte das schon längst organisieren müssen. Durch den Abgang der Boomergeneration und niedrige Geburtenrate entsteht jetzt Personalmangel, dann meiden Mitarbeiter natürlich schlechte Arbeitsbedingungen. Ein Schwerkranker/Dementer braucht mehrere Pflegepersonen, sollen die nicht am Burnout erkranken, aber was ist die Realität: viele Patienten auf eine Pflegekraft. So geht das nicht. Aber wenn sich die Leute deswegen umbringen, wird es erst recht nicht besser.
Taina (39) meinte dazu am 15.03.23 um 19:29:
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 Terminator meinte dazu am 15.03.23 um 22:05:
Nun muss aber nicht in der Utopie, sondern in der gegenwärtigen Realität entschieden werden, ob man seine letzten Lebensjahre in einem Alten- und Pflegeheim verbringen möchte. Das Wesentliche ist aber: der aktuelle Notstand in den Pflegeeinrichtungen ist nur ein zusätzliches Übel zum bereits hinreichenden Übel, das die Krankheit selbst schon ist. Ich würde mich auch nicht in eine ideal funktionierende Pflegeeinrichtung begeben, egal wie perfekt die Bedingungen und wie zahlreich, sympathisch und motiviert die Pflegekräfte wären.

Wichtig ist es, nicht unvorbereitet in eine Situation zu kommen, aus der man sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien kann.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:28:
An Regina:

Selbstverständlich sollte niemand sich wegen der manchmal katastrophalen Bedingungen auf Pflegestationen umbringen. Dann läuft etwas schief in unserem System.
Allerdings kann man sich das System, in dem man lebt, nicht aussuchen.

Aus persönlichen Gründen möchte ich mein Lebensende nicht in einem Pflegeheim verbringen, in welchem auch immer; auch das ist meine Entscheidung.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:33:
An Taina:

Ist gut. Allerdings sehe ich noch nicht einmal eine klare Meinungsverschiedenheit zwischen uns. Sogar über Bierce könnten wir uns einig werden, denke ich.

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:34:
An Terminator:

Da stimme ich Dir zu, wie ich es auch schon bei Regina ausgedrückt habe. Kein Pflegeheim. Und auch kein Zustand, in dem man mir den Hintern abwischen muß, während mir der Sabber aus dem Mund läuft.

 Terminator meinte dazu am 15.03.23 um 23:22:
Jenseits der hedonischen oder emotionalen Gründe, rational, philosophisch, halte ich die bedingungslose Unterwerfung unter den "Lauf der Natur" für Sklavenmoral. Der Mensch ist kein bloßes Tier, wir folgen in unserem Leben nicht dem Lauf der Natur. Unser Leben ist erfüllt mit Technik, ohne die wir nicht leben wollen (und nicht mehr können), und da sagt mir eine Internetnutzerin, ich darf über mein Lebensende nicht selbst bestimmen, weil das gegen die Natur sei?

Wenn Ted Kaczynski, der selbst in den Wald gegangen ist, um wie ein Naturmensch zu leben, mir so etwas sagen würde, wäre es glaubwürdig. Aber sich aussuchen, wann man mit und wann man gegen die Natur geht, ist unlauter.

Das muss nun jeder mit seiner eigenen Integrität vereinbaren. Doch anderen willkürlich vorzuschreiben, wann sie dem "Lauf der Natur" folgen sollen, das geht nun wirklich nicht, außer man ruft konsequent und ohne Rosinenpickerei zu einem "Zurück zur Natur" auf.

Beispiel: "Sterbehilfe: nein, Palliativmedizin: ja". Beides ist "unnatürlich".

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 23:59:
Genau das. "Natürlichkeit" ist als normativer Begriff völlig ungeeignet. Wir Menschen folgen von Beginn unserer Gattungsexistenz an nicht der Natur, und es gibt auch keine verbindliche Norm das zu tun - es ergibt nicht einmal einen Sinn, bezogen auf Menschen, die vor einem PC sitzen und ihre Meinung ins Internet schicken.

 Regina meinte dazu am 16.03.23 um 18:42:
Als Baby waren wir alle auch nicht in der Lage, uns selber zu versorgen, aber das seht ihr nicht als unwürdig an. Ja, es ist erschreckend, festzustellen, wie dem alten Menschen alles wieder genommen wird, was er in mittleren Jahren vermochte. Aber das Leben endet so, wie es angefangen hat. Der Mensch muss wieder gewickelt und gefüttert werden.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:01:
Als Baby hatten wir ein ganz anderes Bewußtsein, ganz andere Bedürfnisse, als wir sie heute haben. Zumindest gilt das für mich und die Menschen, die ich kenne. Als Baby habe ich nicht gelesen, aber jetzt gilt mir ein Tag ohne Buch als ein verlorener Tag. Als Baby war ich (vermutlich) glücklich und habe gelacht vor Freude, wenn meine Mutter "Dadadada" zu  mir gesagt hat.
Ja, im Alter werden wir physisch oft wieder so wie Säuglinge ... doch wir empfinden das anders.

Und ALS (davor hätte ich wirklich Angst, wenn ich nicht aus dem Alter herauswäre, in dem diese Krankheit normalerweise ausbricht) ist dann noch eine andere Hausnummer.

Momentan habe ich die Absicht, im zweiten Teil meines Essays den Fall der Frau eines Freundes zu erwähnen, die infolge eines Hirntumors aggressiv und bösartig gegenüber den Menschen wurde, die sie doch eigentlich liebte; sie konnte das nicht steuern, nicht beherrschen.
Mit dem zweiten Teil komme ich aber erst rüber, sobald hier die Diskussion aufgehört hat. So viele Rekommentare schaffe ich nicht.

 Regina meinte dazu am 16.03.23 um 23:10:
Selbst wenn du den Text unkommentierbar machst, schießen noch Folgetexte aus dem Boden wie Pilze. Das schafft man wirklich nicht mehr abzuarbeiten.

 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 23:41:
Das ist wirklich auffallend. Ich kann mich nicht erinnern, daß in meiner Zeit bei kV jemals ein Thema die Leute dermaßen aufgewühlt hätte - mit Ausnahme des Krieges in der Ukraine.

Mir jedenfalls gilt das als gut, wenn wir müssen doch die wichtigen, die entscheidenen Themen unseres Lebens reflektieren. Und was könnte wichtiger sein als unser sicher bevorstehender Tod? Würde der als ein Tabu behandelt, müßte ich meine Identität als Philosoph aufgeben.

 Graeculus meinte dazu am 21.03.23 um 00:01:
wenn --> denn (ehe Dieter_Rotmund das entdeckt)

 AngelWings (15.03.23, 18:07)
"Lasst uns", sagt er, "die Sorge des römischen Volkes für eine lange Zeit erbringen, wenn es bedenkt, dass der Tod eines alten Mannes lange auf sich warten lässt."
Wie gesagt, kann das  nicht Freitod nicht vergleichen. 

Dieser Mensch stand den Tod schon nah!

 Graeculus meinte dazu am 15.03.23 um 22:23:
Nun, er hat Gift genommen, also sich selber umgebracht. Er hatte auch eine Wahl, nur wäre die andere Option weitaus unangenehmer gewesen als ein rascher, durch eigene Hand herbeigeführter Tod. Ein Suizid war das schon. Vielleicht vergleichbar dem Suizid Goerings vor seiner Hinrichtung ... obwohl ich Goering nicht mit Hannibal auf eine Stufe stellen möchte.
Taina (39) meinte dazu am 16.03.23 um 05:36:
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 Graeculus meinte dazu am 16.03.23 um 22:51:
Es ist schon klar, durch was ein Mensch üblicherweise traumatisiert wird. Es gibt allerdings auch Fälle, in denen ein bestimmter Mensch nicht dadurch, sondern vielleicht durch etwas anderes traumatisiert wird. Deshalb achte ich bei Bierce auf das, wovon sein Werk oder sonstige Äußerungen Zeugnis geben. Nicht das Trauma selbst hängt davon ab, aber unsere Kenntnis.
Ich denke z.B. an Arthur Rimbaud, der im dt.-frz. Krieg darauf aus war, von Soldaten vergewaltigt zu werden (sofern man das dann noch so nennen kann), weil er extreme Erlebnisse wollte.
Bierce war gewiß nicht unverwundbar im psychischen Sinne, aber ob und wie ihn das Scheitern seiner Ehe berührt hat, weiß ich nicht - weil Frauen fast keine Rolle spielen in seinem Werk. Tod und Krieg, Krieg und Tod.
Verstehst Du, was ich meine?
Taina (39) meinte dazu am 17.03.23 um 09:51:
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 Graeculus meinte dazu am 19.03.23 um 22:29:
Ja, so in etwa. Ich unterstelle nicht gerne etwas, wofür es keine Belege gibt. Möglich ist es freilich, daß ihn vieles geschmerzt hat.

 AngelWings (17.03.23, 01:35)
Betrug der Frau? Sowas kann man über wenden, aber der Tod von Menschen und Tiere. Die durch Suizid oder ein Auto umfall oder durch ein Tötung um leben kommen. 
Sowas gibt tief Narben in der Seele.

 Graeculus meinte dazu am 19.03.23 um 22:31:
"Horae vulnerant omnes, ultima necat (Alle Stunden verwunden, die letzte tötet)" heißt es auf einer antiken Sonnenuhr. Da kommt schon einiges zusammen, und was das Schlimmste ist, wage ich nicht zu berurteilen.

 Regina meinte dazu am 20.03.23 um 18:20:
Graeculus: "
Daß Regina keine Aussage darüber macht, wie sich ein Suzid auf ein eventuelles Leben nach dem Tod auswirkt, habe ich zur Kenntnis genommen. Argumente wie "dir droht ein Leben als Huhn in der Massentierhaltung" oder "dafür kommst du in die Hölle" entfallen also."
Habe ich jemals so einen Unsinn behauptet? 

 



 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 18:45:
Meines Wissens so nicht, obwohl ich mich erinnere, schonmal über den Zusammenhang von unseren hiesigen Taten mit der Art der Wiedergeburt (Karma) sowie über Belohnung und Bestrafung im Jenseits etwas gehört zu haben.
Immerhin 'schreit' Deine Klassifizierung des Suizids als "widernatürliche Todsünde" nach einer Strafe, meinst Du nicht? (Dies hat Du in einem inzwischen von Dir gelöschten Thread geschrieben, aber Du hast es geschrieben.)

 Regina meinte dazu am 21.03.23 um 00:55:
Den thread habe ich gelöscht, um nicht an einem Werthereffekt mitschuld zu tragen. Strafe? Hm, der Jurist sieht sich seiner Möglichkeiten beraubt, weil Täter und Opfer hier eine Person sind und der erstere sich quasi die Todesstrafe schon selber gegeben hat. An eine Hölle im katholischen Sinne glaube ich auch nicht. Karma benennt die Folgen einer Tat nicht als Strafe, sondern eher als Ausschlagen eines Pendels zwischen Ursache und Wirkung. Das ist eben die Schwierigkeit, mit dir zu diskutieren, weil du dieser extrem materialistischen Auffassung folgst, dass eben nach dem Tod nicht einmal spekulativ ein wie auch immer geartetes Weiterleben folgen könnte, dabei liegt schon durch die Biochemie auf der Hand, dass zumindest die biochemischen Stoffe nicht verschwinden. Bei der Erdbestattung ist auch der Körper erst in etwa zehn Jahren aufgelöst, die Knochen bleiben noch länger, bei der Feuerbestattung geht es schneller. Dir da mit der anthroposophischen Auffassung vom Astralkörper zu kommen, bleibt aussichtslos. Warum sollte ich dich überzeugen wollen? Du würdest solche Gedanken immer wieder ins Abergläubische verweisen. Im übrigen könntest du dich bei Anthrowiki selber informieren. Es gibt auch Seiten, wo die verschiedenen Einstellungen der Religionen dargestellt werden. Da könntest du dich informieren, wenn du das wolltest.

 Regina meinte dazu am 21.03.23 um 00:58:
 https://www.deutschlandfunk.de/die-katholische-position-thierse-suizid-als-inbegriff-der-100.html

 Selbstmord, Suizid: Religion, Spiritualität – PSYLEX Zusammenhang Spiritualität/Suizi

"Ein Mörder hat die Möglichkeit seine Tat zu beweinen (Buße tun). Ein Selbstmörder beraubt sich selbst dieser Möglichkeit."
Diese Antwort gab der orthodoxe Lektor Igor auf die Frage, warum ein Mörder doch noch in den Himmel kommen könne, ein Selbstmörder aber nicht. 
Die strikteste Ablehnung des Suizids findet sich im Islam, danach folgen Orthodoxie und traditioneller Katholizismus, letztere heute modernisiert.  Danach folgen Religionen, die Ausnahmen zulassen wie Judentum und Katholizismus. Dann die "weichen" Richtungen Buddhismus, Bahai und Anthroposophie, die zwar nichts verbieten, aber auf karmische Folgen hinweisen.
Schon im 19. Jhdt. beobachtete man, dass Protestanten sich weitaus häufiger das Leben nahmen als Katholiken, die meisten Suizide aber finden sich auch heute noch bei den atheistisch/materialistisch Orientierten. Also je liberaler, je ungeistlicher, desto lebensmüder. Gibt dir das nicht zu denken?


Antwort geändert am 21.03.2023 um 01:00 Uhr

Antwort geändert am 21.03.2023 um 01:22 Uhr

Antwort geändert am 21.03.2023 um 08:05 Uhr

 Graeculus meinte dazu am 22.03.23 um 00:11:
An Regina 1:

Ich bin kein Materialist und bin das auch nie gewesen. Das heißt aber nicht, daß ich mir unüberprüfbare Hypothesen zu eigen mache. Selbstverständlich bleibt etwas von einem toten Menschen übrig, sein Leben hat Folgen, und aus seinem Stoff wird etwas anderes, möglicherweise anderes Leben. Was vor allem bleibt, sind seine geistigen Entdeckungen, sofern er welche gemacht hat. Der Satz vom zu vermeidenden Widerspruch bleibt auf ewig mit Aristoteles verbunden, die Relativitätstheorie mit Albert Einstein usw.
Aber als leibliche Individuen sind sie tot und kehren nicht wieder - so wenig wie ihr Leib, an den ihr individueller Geist gebunden war, wiederkehrt.

 Graeculus meinte dazu am 22.03.23 um 00:24:
An Regina 2:

Keine (!) der drei heiligen Schriften der monotheistischen Religionen - Tanach, Neues Testament, Koran - verurteilt an irgendeiner Stelle den Suizid; das ist altbekannt.
Was die Theologen dieser drei Religionen daraus gemacht haben, steht auf einem anderen Blatt.

Was "der orthodoxe Lektor Igor" (nie gehört - ist das eine Autorität für irgendetwas?) geäußert hat, erscheint mir als eine sehr pharisäische Auffassung des Christentums: Er traut der Liebe und dem Verständnis seines Gottes offenbar wenig zu. Diesen Schmonzes - oder sagen wir: diesen Mythos - von der Wichtigkeit der Reue im letzten Lebensaugenblick kenne ich noch aus meiner Kindheit.

Daß die Zahl der Suizide mit der Liberalität der Gesellschaft resp. der in ihr dominierenden Religion zusammenhängt, halte ich für gut möglich. Möglich! Denn vor allem in islamischen Gesellschaften liegt ein starkes Tabu auf dem Suizid, was die Führung glaubhafter Statistiken verhindert. Da wird so mancher Suizid unter den Teppich gekehrt.

Die sieben Todsünden sind: Hochmut, Geiz, Wollust, Neid, Völlerei, Zorn und Trägheit. Der Suizid gehört nicht dazu. Soviel noch zur "widernatürlichen Todsünde".

Mich beeindruckt übrigens das Gefühl der Freiheit, der Befreiung, von dem viele Suizidenten berichten. "Der Tod steht heute vor mir wie ein Lichtblick am Himmel, wie wenn ein Mensch nach Jahren der Gefangenschaft nach Hause zurückkehrt", heißt es in einem 3500 Jahre alten ägyptischen Gedicht ("Das Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele"). 1500 Jahre vor Sokrates hat also schon jemand diesen Gedanken ausgesprochen, der dessen letztes überliefertes Wort ist: daß das Leben die Krankheit und der Tod deren Heilung ist.

 Dieter_Rotmund (20.03.23, 18:33)
Dictator -> Diktator (als allgemeingültiger Begriff, nicht als röm. Titel)

 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 18:40:
Danke für den Hinweis. Aber Caesar war nun einmal Träger dieses römischen Titels. Hat ihn das Leben gekostet, und ist insofern nicht unerheblich.

Unter all dem, was hier diskutiert wird, ist Dir allein das der Rede wert?

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 20.03.23 um 18:46:
Nun, ich habe den Text gerne gelesen, aber zum Thema einfach nichts zu sagen. (Die bisherigen Kommentare habe ich nicht gelesen)

 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 23:58:
Und nichts zu sagen, das ging nicht? Ein Ratschlag: Wenn Du Autoren suchst, bei denen es Schreibfehler zu berichtigen gibt, wirst Du andernorts leichter fündig. Hin und wieder, ja, auch bei mir, aber das lohnt nicht.

 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 23:59:
Danke immerhin für das "gern gelesen".

 Terminator (20.03.23, 23:07)
Das sind übrigens durchaus paradigmatische Beispiele für den Suizid. Als Philosoph kann ich mir einen Hannibal-Suizid so vorstellen: Ich habe alle Gegner philosophisch widerlegt, aber sie haben nicht in der Sache, sondern durch die Besetzung aller Professuren mit Idioten "gewonnen". Nun, alt geworden, trinke ich Gift, damit sie keine Angst haben, daran denken zu müssen, dass der einzige noch lebende Philosoph nicht zu ihnen, den "Philosophen" zählt.

Cato-Suizid: Es gibt eine grün-linksversifft-woke Weltregierung, die beschließt, dass alle schönen Frauen sich einen BMI von mindestens 30 anfressen oder sich in Männer umwandeln müssen. Eine Welt ohne schöne Frauen ist nicht meine Welt. Sollte die Welt so werden, kann ich mit Cato sagen: "Jetzt gehöre ich mir selbst".

 Graeculus meinte dazu am 20.03.23 um 23:57:
Es gibt für jeden Menschen in verschiedenen Konstellationen aussichtslose Situationen. Allerdings: Da die Professoren weder Dich noch mich überhaupt kennen, werden sie wohl kaum über uns verzweifeln. Wenn mich aber jemand doch kennt und verbal mißbilligt, denke ich mir: Sticks and stones may break my bones, but words can never hurt me.

Die Cato-Variante liegt noch in ferner Zukunft.
Mir fällt auf, daß wenigstens Du verstanden hast, daß ich mich an einer Systematik, an Typen von Situationen orientiere.

 Terminator meinte dazu am 21.03.23 um 00:25:
Meine Beispiele waren natürlich (selbst-)ironisch. Was ernste paradigmatische Suizid-Entscheidungen betrifft, bin ich auf den zweiten Teil gespannt. Mit der Anmerkung: es ist nicht irrelevant, sondern höchst relevant, und sogar viel besser, Beispiele aus der Antike zu nehmen, weil die Antike im Gegensatz zu unserer Zeit noch unverstellt war, und damals alles weitgehend als es selbst ausgesprochen wurde, und nicht erst nach gründlicher narzisstischer Selbstbespiegelung und mit zugesicherter gesellschaftlich-gemeinschaftlicher Erlaubnis.

 Graeculus meinte dazu am 21.03.23 um 00:39:
Das ist ein Plus der Antike, das offenbar wenige zu schätzen wissen.

Der zweite Teil ist längst fertig, doch ich werde ihn erst vorstellen, wenn ich nicht mehr täglich damit beschäftigt sein werde, auf Kommentare hier zu antworten. Voraussichtlich also im Herbst.
Nicht, daß ich nicht gerne antworte, aber es kostet zu viel Zeit, um auf zwei Hochzeiten zu tanzen.

 Graeculus meinte dazu am 23.03.23 um 14:51:
Die Wogen haben sich hier inzwischen verplätschert, und es gibt kaum noch neue Kommentare.
Ich danke allen, die sich an der Diskussion beteiligt haben.
Nun kann ich allmählich einmal den Teil 2 vorstellen.
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