Es regnet Menschen

Text zum Thema Flucht/ Vertreibung

von  RainerMScholz

Ein blinder Passagier ist am

Sonntag aus einem Flugzeug in

einen Garten in London gestürzt.

Sein gefrorener Körper schlug (…)

etwa einen Meter neben einem Mann auf, der

ein Sonnenbad nahm. Der blinde

Passagier hatte sich im Fahrwerk

einer Maschine von Kenya Airways

versteckt. (…) Es kam bereits mehrfach vor,

dass blinde Passagiere aus Flugzeugen fielen.“

Frankfurter Rundschau vom 3. Juli 2019


Es ist so kalt, meine Glieder sind erstarrt, mein Gesicht brennt. Das glänzende, metallische Fahrzeug hat mich in den Himmel gespuckt, hat mich brüllend ausgespien und ich konnte mich nicht halten. Ich stürze als schwarzer Mensch auf eine weiße Erde.

Die Sonne schien warm zu Hause, heiß und schwül, und ich hatte noch den Boden unter den Füßen, auch wenn er mir sehr schwer geworden war, so schwer. Jetzt, in diesem weißen Himmel, falle ich und stürze, die Luft ist kalt und rau und Eis glitzert auf meinen Augen; nichts vermag mir Halt zu geben; aber hier wollte ich doch sein; wenn auch nicht so hoch; hier werde ich ein Leben haben, Schutz finden, Geld verdienen können. Es ist so kalt und nichts hält mich.

Aber bald bin ich daheim, dort, wo ich mir ein Heim schaffen werde. Ein neues Leben wird beginnen. Wenn ich nur daran glaube, wird alles gut werden. Ich sehe das Grün und das Blau, ich spüre eine Wärme, die den Körper neu belebt und den Geist. Ich weiß, ich werde bald da sein. In einem neuen Leben. Und alles wird gut.

Nur müde bin ich. Sehr müde. Von der Reise, dieser ewigen ungewissen Fahrt, der endlosen Flucht; ich bin so müde. Könnte ich nur mein Haupt betten in weiche Kissen, schlafen in diesen Wolken, in klarer blauer Luft, ein Heim, in dieser weißen Welt ruhen und nie mehr erwachen.

Dieses neue Leben. Bald werde ich schlafen.

Ich sehe es schon.



© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 franky (13.03.23, 10:12)
Hi lieber Rainer
 
Ein toller Text, mit feinsten Gefühlsadern durchzogen.
Verdient zwei super Sternchen
 
Grüße von Franky

 RainerMScholz meinte dazu am 14.03.23 um 15:54:
Ich danke, Franky. Die Adern und die Venen.
Grüße,
Rainer

Antwort geändert am 14.03.2023 um 16:00 Uhr

 AchterZwerg (13.03.23, 16:37)
Da frage ich mal ganz zynisch, ob ein solcher Fall als Teil der Klimakatastrophe verstanden wird?
Bei uns hagelt es gerade Riesenbälle - und ich frage mich, ob das Dachfenster standhalten wird ...

Sehr guter Text, übrigens, Rainer. :)

 RainerMScholz antwortete darauf am 14.03.23 um 15:55:
Und Sonne tanken kann man auch nicht mehr, ohne in den Himmel zu gucken.

Bauernregel: Kräht der Hahn auf dem Mist, ...
Mit dem Wandel des Klimas kommen noch ganz andere Katastrophen auf uns zu, Holländer zum Beispiel.
Gruß + Dank,
R.

Antwort geändert am 14.03.2023 um 16:03 Uhr

 Regina (13.03.23, 17:39)
Wer in das Fahrwerk eines Flugzeugs klettert, um als blinder Passagier mitzufliegen, sollte wissen, dass es in der Höhe eiskalt wird.
Taina (39) schrieb daraufhin am 14.03.23 um 12:35:
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 RainerMScholz äußerte darauf am 14.03.23 um 15:56:
Das stimmt alles, was ihr meint.
@Taina: ...in lebensfeindlichen Transportmitteln...In SUV auch. Auf der linken Spur der Autobahn.

Antwort geändert am 14.03.2023 um 16:06 Uhr

Antwort geändert am 15.03.2023 um 21:14 Uhr
Taina (39) ergänzte dazu am 14.03.23 um 16:14:
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 RainerMScholz meinte dazu am 15.03.23 um 21:13:
Genau! Weg mit den SUV! Oder ich kleb´ mich an KV!
Taina (39) meinte dazu am 16.03.23 um 05:48:
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 RainerMScholz meinte dazu am 17.03.23 um 18:11:
Keine Bange, nur ein zynisch-humoristischer Einwand, der nicht gegen dich persönlich gerichtet ist.

 AngelWings meinte dazu am 07.04.23 um 23:09:
In Lebensgefahr bringt! 
Andere sitzen in Schlauboot und gehen unter.

 RainerMScholz meinte dazu am 11.04.23 um 22:53:
In diesem Schlauboot sitzen viele.
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