20 zauberhafte Minuten

Skizze zum Thema Allzu Menschliches

von  B_B

Ein dunkelhaariger Typ mit Gitarre. So attraktiv, dass die meisten Frauen wohl gern mit ihm ins Bett würden. Nur Geld in den Gitarrenkoffer werfen tut noch keine. Es ist noch leer. Er wirkt etwas verloren auf dem feucht glänzenden Kopfsteinpflaster.

Es ist einer dieser Feelgoodsongs, die auch mit der Ukulele gut kämen. Aus dem Cafe gegenüber kommt eine Mitarbeiterin und wirft ihm schnell etwas in den Hut. Vielleicht hat sie das Ganze von Drinnen schon länger beobachtet. Sie nimmt keinen Blickkontakt auf, so schüchtern ist sie.

Es ist, als hätten alle Umstehenden ein Niedlichkeitsmitgefühl ihm gegenüber. Diesem Romantiker, der da geradeheraus in die Welt trällert, als könnte ihm nichts was anhaben.

Die Sonne steht immer tiefer und der romantische Lichteinfall erleichtert ihm zunehmend das Geschäft. Und wie durchs warme Licht hervorgelockt, füllt sich die Fußgängerzone langsam.

„Unterstützen sie Straßenmusiker! Ich bin arm!“ Ruft er. Einige lachen. Die Stimmung ist gelöst.

Es folgt ein schmachtiges Soulpoplied, so eines, was man zwar nicht kennt, dessen Melodie einen aber direkt ins Kitschzentrum des Herzens trifft und dort ein klein wenig weicher macht für einen Moment.

Mir fällt eine kleine Gruppe jugendlicher Mädchen auf, die ihn filmen, dabei verträumt auf ihre Smartphonedisplays schauen. Er könnte einfach ein Student sein. Sogar ein Klischee von Student mit Jack Wolfskin Jacke.

Er hustet und es klingt nicht gut. Kränklich. Eine Strategie um Mitgefühl zu erzeugen?

Seine Musik wird rockiger, er stimmt eine emotionale Indie-Rock-Ballade an. Er steckt voll drin. Er taucht voll ein, schließt die Augen, genießt, variiert die Lautstärke seiner Stimme und Gitarre.

Das Lied gefällt mir sehr, merke ich und überlege, ob ich ihn gleich fragen soll, wie es heißt. Aber ich kann nicht zu ihm hin. Sonst müsste ich danach auf meinen Platz zurück und würde mich exponiert fühlen. Ich werde ihm, wie jede*r, erst direkt vorm weggehen etwas Geld in den Hut werfen, für die zauberhaften 20 Minuten, die ich zugehört habe.

 

Und ich denke daran, wie süß ich es fand, dass du gesagt hast, dass du eigentlich am liebsten Straßenmusiker sein würdest und lächle.



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