Hanami

Kurzgeschichte zum Thema Jahreszeiten

von  RainerMScholz

Andi und Chrissi sitzen am Uhrtürmchen in einem Straßenlokal, haben ein Pils und einen Äppler vor sich auf dem marmornen Tischchen stehen und schauen den vorübereilenden Frauen hinterher.

Die da würde noch gehen.“

Welche?“

Die mit den flachen Schuhen und dem Rock bis über die Knie.“

Nee, zu sehr Typ Hausfrau.“

Kannst Dir ja die sackleinerne Edekatasche wegdenken.“

Die färbt sich bestimmt schon die Haare.“

Was ist mit der Bedienung?“

Die war doch gerade...“

Ich meine so als...“

Ach so, na, ich bin doch kein Päderast. Die ist bestimmt erst im zweiten oder dritten Semester Soziologie. Vielleicht, wenn man hinterher nicht noch reden muss und so.“

Andi sieht aus wie immer in seinem karierten Flanellholzfällerhemd und den abgelatschten Schuhen. Chrissi hat beigefarbene Slipper und ein weißrosa Bankiershemd von der Stange an. Von weitem sehen beide, wie sie so da sitzen an dem kleinen Tischchen, wie ein alterndes schwules Pärchen aus.

Andi sagt: „Ein kleiner Penis ist im Alter übrigens besser als ein großer Penis.“

Ach was.“

Ja, wegen des Schwellkörpers. Bis in einen großen Penis, mit den Sehnen und Adern und Venen, das ganze Blut hineingeflossen ist, ist die ganze Geschichte doch schon gelaufen und so mühsam, dass die Stimmung längst verflogen ist, die Frau ist vielleicht schon halb eingeschlafen oder genervt; und dann muss das ganze Blut ja auch irgendwo herkommen.“

Bei Dir aus dem Hirn, wie es scheint.“, Chrissi lacht mit geschlossenen Zähnen, man kann seine Metallkronen so nicht sehen.

Ja, auch, aber hauptsächlich aus dem Herzen, weißt Du. Und das lässt das Herz wie einen alten Ledersack aussehen.“

Wie einen alten Ledersack, noch einer?“, Chrissi nippt an dem Pils, bei dem schon der Schaum eingetrocknet ist, kleckert sein Hemd voll und versucht die Flecken durch Handabstreifen zu verwischen.

Ein kleiner Penis ist – zack – voll Pressblut und los geht die wilde Minna.“, sagt Andi und schaut einem jungen Mädchen mit Teddybärrucksack nach.

Während so ein großer, fleischiger Penis, ne, da kriegst du doch einen Ohnmachtsanfall ab fünfzig.“

Da sind wir schon darüber.“

Genau.“

Und?“

Nächste Woche hab´ ich einen Termin beim Urologen.“

Worum geht es denn, Prostatäterä?“

Nee, der ist Spezialist für Penisverkleinerungen.“

Chrissi bestellt noch ein Binding bei der jungen Bedienung. Die Uhr am Turm zeigt Viertel nach vier.

Das ist doch Quatsch, Alter.“, sagt Chrissi. Das Bier kommt in einem perligen Glas.

Chrissi denkt nach.

Wie heißt denn der Urologe?“

Schindowski.“

Meinst Du, ich kriege da auch einen Termin in nächster Zeit?“

Weißt Du, dass in Ockstadt gerade Kirschblüte ist?“

Wo ist das denn?“

Chrissi und Andi schauen weiter den Frauen hinterher.


© Rainer M. Scholz



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Kommentare zu diesem Text


 minimum (20.03.23, 13:38)
Nichts Stimmungsvolleres auf Erden als ein unverfälschtes Frankfurter Frühlingserwachen. Mit großem ethnologischem Vergnügen gelesen.

Kommentar geändert am 20.03.2023 um 18:30 Uhr

 RainerMScholz meinte dazu am 21.03.23 um 21:05:
Die Ethnologen sind eh die glücklichsten Aussteiger.
Gruß + Dank,
R.

 Dieter_Rotmund (20.03.23, 18:36)
Zwei Unsympathen beim Nachmittagsbier. 

Gerne gelesen.

 RainerMScholz antwortete darauf am 21.03.23 um 21:17:
Jup.
Taina (39)
(20.03.23, 23:22)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 RainerMScholz schrieb daraufhin am 21.03.23 um 21:06:
Bleibt nie aus, keine Suppe ohne Salz.

 AchterZwerg (21.03.23, 07:13)
Hallo Rainer,
im fortgeschrittenen Alter kann solch ein urologischer Austausch hilfreich sein. Als Beweismittel sollte allerdings ein handelsübliches Zentimetermaß nicht fehlen,

ahnt der8.

 RainerMScholz äußerte darauf am 21.03.23 um 21:08:
Jetzt wollen wir aber nicht ins Detail gehen, nicht wahr (was ist ein Zentimetermaß?).
Gruß + Dank,
R.

Antwort geändert am 21.03.2023 um 21:17 Uhr
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