Der Amoklauf

Kurzgeschichte zum Thema Frieden

von  Terminator

"Du wolltest wirklich nie dazugehören", sprach der Klassenalpha, vom Charakter Gamma, in gewohnt verurteilendem Ton, als der Schulwechsel beschlossene Sache war. Ariel schwieg. "Wir waren dir nicht gut genug. Zu dumm. Zu langweilig", flennte der treueste Beta fast. Die peinliche Stille, die durch Ariels Nichterwiderung zustande kam, wurde von einem Laufburschen unterbrochen, der Deutschlehrer kam nämlich zur Tür und bat einen gewissen Ariel Herr zum Direktor. Dieser sagte im bedauernden Ton: "Herr Herr, wir bedauern sehr, dass Sie unsere Schule verlassen". Dann giftete und keifte dieser alte Trottel, doch Ariel hörte nicht zu. Er nickte nur höflich und verabschiedete sich im freundlichen, ruhigen Ton.


Zurück im Klassenraum, alle Furienaugen auf ihn: "Du warst ja gar nicht der Fuchs mit den Trauben! Du fandst ja tatsächlich alle Mädchen hier zu hässlich!" Ariel erklärte diplomatisch, dass die Mädchen auf dieser Schule nunmal nicht seinem Geschmack entsprachen, der ja subjektiv sei. Außerdem sei er selbst leider zu klein geraten und fühle sich beim Anblick der jungen Frauen ein wenig minderwertig. In Wirklichkeit war er mit seiner Körpergröße mehr als zufrieden, und vor allem glücklich, dass er keine affig großen Hände hatte. Noch am selben Tag fuhr er in die andere Stadt zu seiner neuen Schule. Gleich das erste Mädchen, zierlich, filigran, kein Kuhblick, sondern ein intelligenter, gefühlvoller Blick, gefiel ihm. Lächeln wurden dezent ausgetauscht.


Auf der Terrasse mit Blick ins Tal setzte sich Ariel auf eine Couch, und neben ihm zwei wunderschöne Mädchen. Die Feinheit, die Zartheit dieser durch und durch weiblichen, nicht Unisex-Körper mit zufälliger Genitalienzuteilung, kitzelte seine Beschützerinstinkte. Die Ihrigkeit kleiner mädchenischer Hände sollizitierte ein aristokratisches Gefühl im Bauch. Mit Erleichterung und Wohlwollen dachte Ariel an seine alte Schule, und freute sich auf die neue.





Aufgeregt und angenehm erregt: Schulwechsel halt. Und so war es eben: neue Klasse, neue Mädchen einfach. Aber nicht einfach, denn Kiite war halt 12, und schüchtern eben. Doch so ist es dann halt.


In der 6-ten war es so halt, dass es da eben keine interessanten Mädchen gab. Kiite wurde immer schlechter in allen Fächern und das ergab dann den Schulwechsel: der Junge sei halt unmotiviert eben. Und dann geschah ein Wunder.


Das Wunder war klein, zuzweit und passte in rote, gelbe und schwarze Jackentaschen; das Wunder war hellweiß, fast schon durchsichtig; windhauchfrisch und seidig zart. Das Wunder spielte oft mit den langen geraden Haaren, hellblond.


Auf dem Schulhof stellte Kiite fest, dass das Mädchen mit der am ersten Tag roten kurzen Sommerjacke aus der 9 war. Ein kleines, zierliches Mädchen. Kiite war kein bulliger Trottel, selber angenehm zierlich, und das Mädchen war noch kleiner. Und so unglaublich schlank.


Das Wunder zog Kiite wie ein Magnet an, doch die Schüchternheit stieß ihn immer wieder zurück. Den Trajektorien auf dem Schulhof versuchte er immer einen natürlichen Anschein zu verpassen, was auch stets gelang, sodass er sich nicht allzu awkward fühlte.


Eines wundervoll windigen, immer noch warmen, ernsthaft-pathetisch bewölkten und zurfünftenstunde-igen Tages wehte der Wind dem Mädchen, diesmal oberjäcklich in Gelb, eine Trajektorie auf, die das Wunder den es so bewundernden Kiite berühren ließ. Das zarte Mädchen lächelte verlegen und sagte nichts. Kiite war das ganze folgende Wochenende der glücklichste Junge der Welt.


Da gab es eine Mieze. Alle starrten sie an, keiner traute sich. Zierlich, schlank, süß, brünett, aber halt eine Mieze aus der 11, kein kleines Mädchen mehr. Dieser beautyarrogante Blick! Jungen schlossen Wetten, doch jeder verlor. Sie setzten sich Ansprechfristen, doch keiner konnte sich den letzten Ruck geben.


An einem sonnigen Herbsttag ging der kleine Kiite direkt auf die wunderschöne Mieze zu, die gerade in ihrem Heft etwas zeichnete. Er ging schnurgerade durch den Schulhof zu ihr, denn er hatte gerade etwas gesehen, das ihn sehr entschlossen machte. Er zeigte der Mieze das Mädchen aus der 9 und fragte: "Könntest du ihre Hände zeichnen?" Sie lächelte und nahm zärtlich den Stift.



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