17. I. 1915. “Den Tag im Graben verbracht. Nachts im Granatloch.“ Jünger – ’Kriegstagebuch 1914 – 1918’

Text zum Thema Aktuelles

von  alter79

Heiermann ist Rentner. Um die 70. Einsam. Trotz Auto. Eigentumswohnung. Heiermann bewohnt die Wohnung unter mir. 50 Quadratmeter. Und. Heiermanns Dach ist meine Terrasse. Meine Terrasse ist Heiermanns Dach. Doch wir beide haben keine Probleme damit, dass ich ihm auf dem Kopf rum- trete. Wenn ich will. Denn Heiermann hört schwer. Auch seinen Fernseher. Was solls. Dennoch. Ab und an habe ich Probleme mit Heiermanns Heiermann. Zum Beispiel, wenn er 5 10 Mal am Tag anruft. 4 7 Mal an meiner Tür klingelt. Wegen Nonsens. Wegen NICHTS. Wegen immer gleicher Problemen, die IHN beschäftigen. Nicht mich. Obwohl er es wohl gerne so hätte. Probleme, die durch seine Beziehung zu seinen Nachbarn links und rechts geprägt sind. Zu Frauen. Mit denen er einst befreundet war. Sagt er. Nun. Heiermann leidet unter Bronchialasthma. Hustet. Und trägt ein Toupet ich sah ihn noch nie ohne bei dem Rost den Scheitel prägt. Jedenfalls sieht es zwischen den grauen Haaren verdächtig gelb aus. Könnte auch Schwefel sein. Pisse. Trotzdem. Das Teil rutscht beim Husten. Doch fragen werde ich ihn dazu nicht. Denn Heiermann erzählt mir schon ungefragt eine Menge anderer Dinge. Besonders von seinen vollschlanken Nachbarinnen links und rechts. Von denen die eine der anderen den Freund ausgespannt hat. Und es öffentlich wurde, als sie im Negligee durch den Flur sprang um dem Lover die klemmende Tür am Anfang vom Gang zu öffnen. Und genau das hat Heiermann gesehen; konnte den Heiermann gegenüber der anderen Dame nicht halten, die zur der Zeit im Krankenhaus lag. Heiermanns Telefonrechnung und sein Tabletten verbrauch (Valium) war entsprechend. Worüber er sich bei mir ausheulte.

Zwei Tage später besuchte er mich mit einem Revolver in der Hand. Smith and Wesson. Magnum. Sportwaffe. 6 mm Luftdruck. Nein. 4 mm. Dachbodenfund, erklärt er. Für 50 Euro können Sie die haben.


Heiermann besucht regelmäßig den Friseur im Ort.

Zum Haare schneiden? Frage ich.

Was sonst? Fragt er.

Ich schweige taktvoll, nehme seine verrutschte Perücke nicht zur Kenntnis, blicke direkt auf seine hochgezogenen Augenbrauen, die sich mit dem Haaransatz verbunden haben - was er unbeeindruckt zum Anlass nimmt mir zu erzählen, was über ihn beim Friseur erzählt wird und was der Friseur ihm dann weiter erzählt. Nur Schlechtes, seit ich aus der SPD ausgetreten bin, nölt er. Und scheint traurig zu sein. Enttäuscht. Blickt halt suchend, ergriffen in Richtung seiner Schuhspitzen. (Und ich bin voll bei ihm, denke: Hoffentlich weint er nicht! Und falls doch - was dann?)

Dabei haben Sie doch so viel für den Ort getan, versuche ich Trost zu spenden. Nicht wahr, antwortet er wieder voll auf Kurs, mir seine alten Neuigkeiten zum zigsten Male mitzuteilen - und grinst dabei neckisch. Vor allem die Weltmeisterschaft im Steckenpferd reiten. Unvergesslich. Sogar die internationale Presse hat sich bei mir gemeldet. 70 Anrufe teilweise am Tag. Und an die hundert Telefonate nach dem Eintrag ins Guinness Buch der Rekorde. Ja, ich war schon berühmt... Glänzen seine Augen hinter der zerschrammten Brille. Doch alles kein Wunder, sammelt er sich dann, schließlich besaß ich mal einen Reiterhof. - Ihr Nachbar übrigens, wir stehen auf dem Hof vor meiner Wohnung und Heiermann deutet mit dem Finger auf die Praxis vom Tierarzt, wollte meine Pferde nicht behandeln. Der sagte, ich solle mir jemanden anderen suchen, - er könne nur Rinder.

Nanu, sage ich, meinen Hund behandelt der aber schon.

Mag ja sein, scheint Heiermann erneut pikiert, aber wie Sie wissen, ist ein Hund kein Pferd.

Stimmt auch wieder. Aber sagen Sie mir bitte was eigentlich aus ihrem Pferdehof geworden ist?

Aus dem in Prödelsau oder dem in Pisselberg?

Beides irgendwie lustige Ortsnamen, amüsiere ich mich.

Sie sind ja leicht zu unterhalten, meckert er, ich habe Ihnen da mehr zugetraut. Und als ich schweige. Die Pferde sind alle in der Konkursmasse gelandet. Bei wem auf dem Teller weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich aus Gründen der Pietät einige Zeit vollkommen auf Fleisch verzichtet!


Was machst du? fragt Heiermann

Tagebuch schreiben.

Musik passt ja auch nicht zwischen 2 Buchdeckel!

Malerei?

Ich schon!

Heiermann hält sich für eine Art Strichmännchen, das auf dem Kopf steht.

Was schreibst du so?

Übers Leben.

Auch über mich?


Heiermann ist und war der gute Onkel von nebenan. Ponyreiter. Pferdehofbesitzer. Puppenspieler. Bobonkäufer. Tränentrockner. Kinderschänder. Psychopath. Mörder. Menschenfresser. Zelle 32. Doch noch ist Heiermanns Glück unverbraucht. Scheint die Unbekümmertheit des Daseins makellos. Noch ist der Tag, die Stunde nicht Nacht. Leidet sein Mut unter Ohnmacht. Ist der Hund Herr. Noch ist Zuversicht. Doch es wird. Je mehr wird. Wie das Recht auf Vergessen. Dass er im Schwimmbad die Umkleidekabinen auf der Suche nach jungem Fleisch plünderte. Boys. Girls. Egal! Bis 12 Jahre waren sie alle eine Herausforderung. Und manche noch darüber hinaus. Diese Pfirsiche. Mit blanker Haut. Die blitzenden Augen. Ihre runden Ärsche. Spitzen Mäuler. Engen Löcher. Wenn man den Blick von oben hinein tut. Wie sie unter der Dusche singen. Ihre nackten Körper mit Streifenmuster. Waschen. Diese wunderbaren Bilder auf dem iPhone. Den Saum in die Höhe. Ihre blanken Schniepel. Von ihm täglich neu arrangiert. Und zum Küssen nahe. Ob um 10 Uhr morgens. Mittags. Nachts. Es passt überall. Wie ihre Locken. Ihre Haare, in einem Schränkchen zusammen mit den Fotos. Um nichts zu vergessen. Den Geruch. Ihren Geschmack. Um sich an jeden Bissen zu erinnern. Den kleinsten Schrei. Davor und danach. Jedes Wort. Das in sauberer Ästhetik konserviert ein Zeugnis für die Ewigkeit. Ein gutes Dutzend waren es; oder doch wesentlich mehr? Denn auf eins schichtete er gleich ein neues. Einmal 3 Stück am Tag. Eine grauenvolle Serie. Schrieben die Zeitungen. Platzte es aus den TV- Geräten. Doch wenn die wüssten. Von Munk. Weil die Saison lange nicht passé. Das der Herr Doktor Munk ihn duzt. Ihn herzt - wie einen Bruder. In Zelle 32.




Anmerkung von alter79:

Hinweis: Bei vielen Reizen auf einmal kann ich mich nicht konzentrieren. Wenn mich dann aber etwas schwer begeistert, kriege ich den Superfokus. Hopper sagt ähnliches über Cape Cod Morning. Nämlich, dass es dem, was er fühlen würde, näher käme als manch anderes seiner Bilder. Doch er glaube nicht, dass es wichtig sei, zu wissen, was das genau wäre.


...nun ja auch das ist text (im thema) den ich oft las. Der von ungefähr - doch routiniert geschrieben. Jawohl. Hätte ich jenes textteil gearbeitet würde ich fürchten, jemand merkt an: gerne gelesen! Nicht nur das die sätze zu lang und die handlung und person(en)mir unterfrachtet: nein es ist im wesentlichen das fehlen von originalität. Leider weder geruch, geschmack und farbe in reihe nicht reichen. Lediglich klassisches future im morgengrauen mit un- oder sinntax rechtschreibschwäche, die ich zugehörig einteilen könnte. Schade! Fazit: im schlechtesten fall könnte es also aus jeder preußischen schreibstube sein, - der das fatale lob einfährt: gerne gelesen! 6, setzen!


17. I. 1915.
Den Tag im Graben verbracht. Nachts im Granatloch.
Jünger Kriegstagebuch 1914 1918

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