Die Verhinderung eines zu einfachen Sanduhrgedichts

Lyrischer Prosatext

von  Redux

sanduhren eignen sich idealerweise für philosophische lyrik

dachte ich eines abends

unter dem kirschbaum

im schatten meiner zweiundfünfzig jahre

und ich glaubte festzustellen

dass nur der fluss der stetig rieselnden stunden

das einzig beständige des kosmos sei

und die stunden die stets in das sich verengende sich winden

fließen durch das unendlich unfassbare

 

 jetzt

 

hinab in das sich weitende und nie wieder aufsteigende

bis hin zum moment des versiegenden

wobei über allem die frage schwebt

wo denn diese eine hand sich befindet

die die das erste sandkorn bewegte

und die sanduhr baute

den sand erschuf

und die zeit

in der sich der sand befindet

bis hin zu der frage ob eben diese hand

die zeit und die sanduhr beherrschend

zu einem zeitpunkt x

das sein auf links ziehen wird

und alles wieder neu bewegt

und das alles erschien mir wahnsinnig passabel

logisch und tiefsinnig hier des abends

unter dem kirschbaum im schatten meiner jahre

bis ich argwöhnte

dass es immer wohl diese sanduhren sind

immer dieses woher komme ich wohin gehe ich

und was kommt danach und was war davor

und niemand hat je eine schlüssige sanduhrlösung in der hosentasche

und dabei bemerkte ich das loch in meiner hosentasche

die fehlenden autoschlüssel

und als ich es meiner frau erzählte

gerieten wir in streit

weil sich auch der hausschlüssel am bund befand

und wir gerieten in panik

es entstand stress

sie nannte mich einen schlamper und ich ging

bevor es dunkel wurde alle wege ab

um diese verdammten schlüssel zu finden

und ich schimpfte flüsternd auf meine frau

auf schlüssel und kirschbäume und sanduhren

da stand ich im schatten meiner zweiundfünfzig jahre

und war so klug wie mit null

 



Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Taina (39)
(01.05.23, 17:21)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Redux meinte dazu am 01.05.23 um 20:31:
Ich glaube kaum, dass unser menschliches Verständnis das fassen könnte.
Taina (39) antwortete darauf am 01.05.23 um 20:50:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Redux schrieb daraufhin am 01.05.23 um 20:56:
Da könnte man tasächlich schlussfolgern, dass wir das " jetzt" nicht vollständig erfassen können.
Oder denke ich da zu sehr um die Ecke?
Taina (39) äußerte darauf am 01.05.23 um 22:28:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 AchterZwerg (01.05.23, 17:50)
Um philosophische Lyrik zu verhindern, eignete sich ein Metronom vermutlich noch einen (schnellen) Tic besser. Denn die Philosophie ist Erbfeindin und natürliche Gegnerin jeder lyrischen Anwandlung,

ahnt, ja weiß, der8.

(Bei dir gehts aber wegen der Schlüsselepisode gerade noch so dorsch ... :D und bei Nietzsche)

 Redux ergänzte dazu am 01.05.23 um 20:32:
Aber ja, liebe achte, ich gebe dir recht mit der Erbfeindin.
Sie ist es , ganz klar....

 ginTon (01.05.23, 21:13)
ich meine das Unendlichkeitszeichen ähnelt ja in der ein oder anderen Weise auch einer Sanduhr... schönes Auf und Ab entlang der Glasschwingung, klingt irgendwie poetisch...  :)

 Redux meinte dazu am 02.05.23 um 16:04:
Ist es nicht die liegende acht?
Das könnte man auch als Verharren der Zeit, also als Unendlichkeit sehen.
Danke, ginton
Agnete (66)
(02.05.23, 14:19)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Redux meinte dazu am 02.05.23 um 16:05:
Ja, das könnte man. Und sicher würde er oder sie zu dem gleichen Schluss kommen.
Danke, Agnete
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram