Literarische Rätsel 5

Ansprache zum Thema Erkenntnis

von  EkkehartMittelberg

Der bekannteste deutsche Autor der Trümmerjahre wurde so berühmt, dass ich auf die Benennung von Werken verzichten kann.

Sein Leben wurde von Krieg und Krankheit überschattet und er starb mit 26 Jahren.

Der nordwestdeutsche Rundfunk sendete einen Tag nach seinem Tode sein Hauptwerk, ein Drama, als Hörspiel und verschaffte ihm hohe Anerkennung als Literat.

Seine Kurzgeschichten in der Tradition von Hemingway, Thomas Wolfe und Faulkner geben authentische Einblicke in die deutschen Umbruchjahre nach dem Zweiten Weltkrieg.

Nach abgebrochener Schulausbildung bestand er 1941 die Ausbildung als Schauspieler.

Dem Panzergrenadier blieben der Vorwurf der Selbstverstümmelung und sechs Monate Haft mit anschließender Frontbewährung im Prozess wegen Heimtücke nicht erspart.

Erfrierungen, Gelbsucht und Verdacht auf Fleckfieber machten 1943 eine Rückkehr nach Deutschland unumgänglich.

Der Untaugliche für den Frontdienst parodierte Goebbels beim Fronttheater und erhielt 1944 wegen Wehrkraftzersetzung neun Monate Gefängnis, mit Strafaufschub zur Feindbewährung.

Doch wegen seiner schweren Erkrankungen blieb er bei einer Garnison in Jena, die sich den Franzosen ergab. Er konnte aber entfliehen und erreichte nach einem Fußmarsch von 600 km schwer krank am 10. Mai 1945 sein Elternhaus in Hamburg.

Er wird Regieassistent am Hamburger Schauspielhaus und veröffentlicht 1946 eine Gedichtsammlung.

Sein literarisches Können manifestiert sich aber in den Kurzgeschichten, die er jetzt schreibt. Darin sahen seine Zeitgenossen ihre Nachkriegsschicksale gespiegelt.

Er stirbt u. a. wegen eines Leberschadens im November 1947 während eines Kuraufenthaltes in der Schweiz.







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Kommentare zu diesem Text


 TassoTuwas (18.05.23, 01:13)
Hallo Ekki,

den sollte keiner vor der Tür stehen lassen.
Eine Tragödie, dass er so früh sterben musste!

Herzliche Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 11:42:
Merci, Tasso, eine schöne Anspielung von dir auf sein Hauptwerk.

Herzliche Grüße
Ekki

 AlmaMarieSchneider (18.05.23, 01:23)
Ja und er sagt auch:
"Wir sind die Generation ohne Bindung und ohne Tiefe.
Unsere Tiefe ist der Abgrund."

Ich mochte ihn, habe ihn gern gelesen.

Herzlichst
Alma Marie

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 18.05.23 um 11:45:
Grazie, Alma Marie,
wenn diese Generation nicht in den Abgrund fiel, wurde sie doch um viel Lebensglück betrogen.

Herzlichst
Ekki

 Dieter Wal (18.05.23, 01:39)
Sein Werk ist mir so lieb wie die Briefe der Weißen Rose.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 18.05.23 um 12:03:
Ja, Dieter, der mutige, tapfere und kreative Mensch verdient deine Anerkennung ebenso wie die Weiße Rose.
Taina (39)
(18.05.23, 06:26)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 18.05.23 um 12:06:
Merci, Taina, die sachliche Formulierung "Verursacher ohne Verantwortung" ist fast noch beschönigend.

 AchterZwerg (18.05.23, 07:22)
Auch einer der Zurückgelassenen.
Einer, den wir aus dem Deutschunterricht kennt, aber seitdem kaum mehr in die Hand genommen haben.
In modernen Lehrplänen wird er keinen Einlass mehr finden.

Schade. Aber das Schicksal der allermeisten Autoren: Sie dümpeln in der Nationalbibliothek herum wie du und ich. 8-) 

Schöne Grüße
Piccola

 Redux ergänzte dazu am 18.05.23 um 07:27:
Ein ganz großer,  der viel zu früh gehen musste.
Ich liebe seine Kurzgeschichten.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 12:13:
Grazie, liebe Piccola. Ich habe die Hoffnung, dass wir eine Renaissance erleben, weil er als Autor geschätzt und als Mensch geliebt wird. Die zahlreichen Kommentare hier bezeugen dies.
Beste Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 12:18:
Gracias, Redux,
die Alten sagen, dass die Götter den lieben, der früh gehen muss.
Seine Kurzgeschichten sind herzergreifend.
Teolein (70)
(18.05.23, 09:21)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 12:27:
Vielen Dank Teo.  Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben; denn du schreibst immer in seinem Sinne.
Liebe Grüße zurück
Ekki
Muckelchen (70)
(18.05.23, 10:57)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 12:32:
Merci, Muckelchen,
es ist seiner Beliebtheit geschuldet, dass es diesmal einfach war, denn ich habe auf keinen Titel direkt verwiesen.
Die Hamburger mit ihrem Stolz auf ihn stehen repräsentativ für die Republik.

 Graeculus (18.05.23, 11:42)
Es ist gut, daß Du die Kurzgeschichten besonders hervorhebst; die hatte ich etwas aus der Erinnerung verloren.

Es ist traurig, daß sich sein Aufruf "Dann gibt es nur eins!" nicht durchgesetzt hat.

 Graeculus meinte dazu am 18.05.23 um 12:27:
Ich glaube, einfach war dieses Rätsel nur für ältere Leute. Welche Rolle spielt er heute noch? Wird sein Theaterstück noch aufgeführt? Gibt es noch Neuauflagen seiner Bücher?

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 12:39:
Hallo Graeculus, Experten für Kurzgeschichten halten die von Borchert für besonders gelungen.
Eines bleibt den Menschen immer erhalten: ihre Angst. Deshalb hat sich sein Aufruf nicht durchgesetzt.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 18.05.23 um 13:12:
Borchert-Renaissance?
Lieber Graeculus,
ich bin sehr in Eile. Aber die Welt vom 12.12 2013 bringt unter der Überschrift "Borchert-Renaissance. Draußen vor der Tür steht der Zweite Weltkrieg" einen umfassenden Überblick zu deiner Frage.

 Dieter Wal meinte dazu am 18.05.23 um 13:18:
Welche Rolle spielt er heute noch?
Für Literaturbegeisterte eine erhebliche. Großartiger Lyriker, Dramatiker und Erzähler.


Wird sein Theaterstück noch aufgeführt?
Leider nicht. Vielleicht zuweilen an Schülertheatern?
Mein kriegstraumatisierter Vater verlangte von meiner späteren Mutter, es zu lesen. Sie sahen es auch im Theater. Er erkannte seine Situation als innerlich zerstörter Kriegsheimkehrer darin. Als ich begann, mich auf Schauspielschulenaufnahmeprüfungen vorzubereiten, studierte ich auch einen Borchertmonolog daraus ein.


Gibt es noch Neuauflagen seiner Bücher?
Ja. Sein Gesamtwerk ist überschaubar und passt in einen Band.

 Graeculus meinte dazu am 19.05.23 um 00:06:
Die Dichter/Literaten mit dem kleinen Lebenswerk, das deshalb nicht unbedeutend sein muß, wären eine eigene Betrachtung wert.

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 14:57:
Gute Idee.
Daniel Casper von Lohenstein (" Dies Leben ist ein Kürbs"), Georg Büchner und Wolf von Kalckreuth fallen mir dazu ein.

Schick fände ich auch ein Essay über Silesius.

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 17:42:
Die als rororo-tb über Borchert erschienene Biographie vom humorvollen Lyrikgenie Peter Rühmkorf höchstpersönlich ist so liebe- und verständnisvoll geschrieben, dass man als Leser den Eindruck erhält, Peter Rühmkorf muss Wolfgang Borchert sehr geliebt haben. Doch das hätte er als mehr oder weniger typischer Mann seiner Generation s o selbstverständlich nie geäußert.

 FrankReich meinte dazu am 19.05.23 um 17:54:
Stimmt, auch als Lyriker hatte er etwas auf der Pfanne:

In Hamburg

In Hamburg ist die Nacht
nicht wie in andern Städten
die sanfte blaue Frau,
in Hamburg ist sie grau
und hält bei denen, die nicht beten,
im Regen Wacht.

In Hamburg wohnt die Nacht
in allen Hafenschänken
und trägt die Röcke leicht,
sie kuppelt, spukt und schleicht,
wenn es auf schmalen Bänken
sich liebt und lacht.

In Hamburg kann die Nacht
nicht süße Melodien summen
mit Nachtigallentönen,
sie weiß, daß uns das Lied der Schiffssirenen,
die aus dem Hafen stadtwärts brummen,
genau so selig macht.

👋🙂

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:25:
Lieber Dieter,
ich teile deine Ansicht, dass Borchert für Literaturbegeisterte immer noch eine erhebliche Rolle spielt. Als Lyriker halte ich ihn jedoch nur für mittelmäßig. Der Hamburger Pultursenator  Peter Rühmkorff, selbst ein guter Lyriker, sagt dazu:"Rühmkorf ermittelte, daß der »verhinderte Komödiant« Borchert - er wurde am 20. Mai 1921 in Hamburg als Sohn des Volksschullehrers Fritz Borchert und der Heimatschriftstellerin Hertha Borchert geboren - schon in seinem fünfzehnten Lebensjahr begonnen hatte, Gedichte zu schreiben, zuweilen zehn und mehr am Tag, die er seinem Vater

zur Lektüre und Korrektur vorlegte: »Alles in allem war seine Produktion eher leichtfertig als frühreif zu nennen, und der junge Dichter eher unausgegoren als hoffnungsvoll begabt. Völlig zu Recht korrigierte der präzise Vater Satzbau, Grammatik und Rechtschreibung, völlig zu Recht spendete er nur selten Ermunterung und meldete seine Kritik an, wo einer sich als Dichter aufspielte und nicht einmal richtiges und gutes Deutsch zu schreiben vermochte.«
( Wieder draußen - DER SPIEGEL9

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 19:49:
Lieber Ekki,

waren Deine lyrischen Jugendsünden besser? Meine nicht. Sie waren n o c h wesentlich schlechter als meine heutigen Gedichte. Ich weiß nur von Brecht, dem bereits mit 15 ein druckreifes Frühgedicht gelang. Es ist wundervoll. Andere angehende Lyriker schrieben nach Methode learning by doing.

Gruß
Dieter

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:59:
Schon richtig, Dieter. Aber es ist bekannt, dass Rühmkorff Borchert sehr schätzte. Sei sicher, er hätte auch seine Lyrik gerühmt, wenn ihm dies möglich gewesen wäre.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 20:04:
Merci, Frank, du drückst dich angemessen über den Lyriker Borchert aus. Die Qualität seiner Kurzgeschichten hat er in diesem Genre nicht erreicht.
LG
Ekki

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 20:06:
Mag sein. Doch benötigt man Peter Rühmkorf, um sich ein Urteil zu bilden, ob man Borcherts Gedichte sehr schätzt oder nicht? Ich glaube kaum. Es wäre völlig ok, wenn Rühmkorf Borcherts Gedichte weniger schätzte. Wo ist das Problem? Ich glaube, es gibt keins. Oder machst Du Dein eigenes literarisches Urteil immer von anderen abhängig? Auch das wäre in meinen Augen völlig in Ordnung. Ich finde, gerade weil sich eh so gut wie niemand in Deutschland für Lyrik interessiert, kann und sollte man sich die Freiheit nehmen, zu schreiben was und wie man will und möglichst unabhängig zu lesen und zu schätzen, was man will.

 FrankReich meinte dazu am 19.05.23 um 21:31:
Auch bspw. Wedekinds und Hesses Gedichte werden von Kritikern vorwiegend als mittelmäßig bewertet, aber ziehen wir zu Borcherts Entlastung doch mal ein Gedicht von Ringelnatz aus dem Hut, der vorwiegend als Poet unterwegs war, dann wird eigentlich klar, warum Borcherts Lyrik eher geringschätzt wird, ich denke aber, dass "Die neuen Fernen" und "In Hamburg" auf die eine oder andere Art durchaus ebenbürtig sind, und wer weiß, was aus Borchert noch geworden wäre, wahrscheinlich hätte er sogar Erich Kästner überflügelt, dessen Humor ist "In Hamburg" nämlich schon nachvollziehbar gut umgesetzt.

Ciao, Frank

 Dieter_Rotmund (18.05.23, 14:42)
Für meinen Geschmack etwas zu einfach, aber gerne gelesen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:31:
@ Dieter_Rotmund: Falls du damit Borcherts Lyrik meinst, stimme ich dir zu.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 20:17:
@ Dieter Wal.: Stelle hier doch bitte ein Gedicht von Borchert vor, das du für mehr als mittelmäßig hältst. Ich bin gespannt.

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 20:56:
Nicht nötig, lieber Ekki, wir müssen nicht immer einer Meinung sein. Borchert gelang es, für mich zumindest emotional überaus ansprechende Hamburg-Gedichte in unverkennbar eigenem Tonfall zu schreiben, wie man selbst dann sofort erkennen würde, wenn der Autorenname nicht mit genannt wird. Sie sind durchgängig stimmungsvoll, originell, atmosphärisch dicht, spielerisch und charmant. Es handelt sich um Miniaturen und Kabinettstücke. Bei kV kenne ich momentan leider keine Lyrikerin und keinen Lyriker, der so etwas vermag.

Antwort geändert am 19.05.2023 um 20:57 Uhr

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 21:04:
Okay, Dieter, du äußerst deinen persönlichen Geschmack.

 Dieter Wal meinte dazu am 19.05.23 um 21:20:
Okay, Dieter, du äußerst deinen persönlichen Geschmack.
Selbstverständlich. Wieviele geistlos- durchschnittliche "Germanisten" duckten sich seit 100 Jahren unter der Last, sie könnten ihren "guten Ruf" verlieren, äußerten sie ein eigenständiges Urteil über Literatur, wenn "größere" vor ihnen bereits ein abfälliges absonderten, um sich "Geltung" als Kritiker zu verschaffen und die nächste Professur zu sichern. Germanistik in Deutschland haucht kopflos ihren Atem aus. Siehe das Trauerspiel von Lohenstein. Das verhält sich längst nicht nur unter Germanisten so. Eigenständiges Denken wurde und wird an Schulen nicht gefördert, sondern unterdrückt. Arschkriecherei wird belohnt. Wir leben in einer Gesellschaft von schulisch bis universitär verblödeten Vollidioten. Unser Bildungssystem ist immer noch an soldatischen Kriterien orientiert. Befehlsempfänger, ritualisiertes Kotau und Lehrern nach dem Mund schreiben. Furchtbar. Dabei ist die Bundeswehr längst so gut wie handlungsunfähig. Der wilhelminische Pickelhelm ist immer noch in deutschen Köpfen.

 uwesch (18.05.23, 15:17)
Was du alles weißt - beachtlich. Vermutlich hast du Dich mit Literaturwissenschaft beschäftigt.  LG Uwe

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:37:
@Dichter mit dem kleinen Lebenswerk. Auch ich finde deine Idee gut, Graeculus. Aber vorher sind noch ein paar andere, 
 aus meiner Sicht zu wenig Gewürdigte, dran.

 AZU20 (18.05.23, 20:00)
Werde mir mal wieder etwas von ihm vornehmen. Danke

 Graeculus (19.05.23, 16:32)
Ein schönes Photo habe ich in meinen Beständen gefunden:


 FrankReich meinte dazu am 19.05.23 um 18:16:
Das erinnerte mich sofort an diesen Kollegen:


und tatsächlich hatte auch Borchert eine Schauspielausbildung.

👋🥳

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:45:
@Graeculus: Zu dem Bild von Wolfgang Borcchert: Kein Wunder, dass dieser Dichter auch wegen seines Aussehens zu einem ungewöhnlichen Sympathieträger wurde.

 Saira (19.05.23, 17:28)
Lieber Ekki,

auch ich empfinde es als tragisch, dass dieser Autor so früh sterben musste.

Seine Kurzgeschichten und Gedichte zeugen von seinem literaischen Können.

Herzliche Grüße
Sigi

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.05.23 um 19:50:
Vielen Dank, Sigi. Ich bin gespannt, ob die Schicksale der vom Ukraine-Krieg Betroffenen Borchert zu einer neuen Renaissance verhelfen.

Herzliche Grüße
Ekki
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