Die Evolution

Innerer Monolog

von  kipper

Z

Aufgetaucht   ©  kipper 2008



Es dauerte eine Weile, aber dann gewöhnte man sich daran.

 

Am schwierigsten war es anfangs mit der Orientierung, weil es dort keine Farben mehr gab und auch keine Geräusche, oder nur solche, an die man keine Erinnerung hatte. Und die Einteilung nach Stunden und Tagen, die war auch fort.  Man dachte, man würde vermissen, was man zurückgelassen hatte. So, wie ein tiefer Schnitt brennt, der lange offen steht und ewig braucht, um zu heilen. Von dem Narben bleiben, die man für immer bei sich trägt.

 

Aber jetzt ist es nicht mehr so. Es hat alles gar kein Gewicht mehr.

 

Wenn man nicht vertrieben würde, sondern von allein wegginge, sei man stets in der Hoffnung des Zugewinns, sagten unsere Lehrer und jene, die sich dafür hielten. Alle, die oben geblieben sind, sagten uns das, als wir aufbrachen.

 

Hier unten aber gibt es keine Lehrer. Es gibt auch kein Falsch und kein Richtig mehr. Beides ist unnötig geworden, weil niemand da ist, der es wahrnehmen würde. Was niemandem mehr dient, existiert nicht. Ein paar Millionen Jahre hat es gedauert, bis wir zurückgekehrt sind in die Tiefe. Wir sind freiwillig gekommen und haben doch nichts dazugewonnen. Wir atmen eure Luft noch, aber unsere Blicke bleiben unter dem Meeresspiegel.

 

Manchmal werden wir abgeholt. Wir wissen nicht, warum und von wem. Es geht rasch, es fängt an mit einem leisen Summen aus der Weite, das sich verstärkt, bis es direkt über uns ist und zu schmerzen beginnt. Aber dann ist es auch schon vorbei. Das Bersten der Granate in uns hören wir nicht mehr.

 

Es ist schön, nicht mehr wissen zu müssen, was Zeit ist und wo Anfang und Ende einer Geschichte sind.

 

Vielleicht hattet ihr doch recht, da oben?



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Kommentare zu diesem Text


 Gabyi (21.05.23, 10:28)
Super! Und schaurig. LG Gabyi
lyrikPower (84)
(21.05.23, 11:31)
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 kipper meinte dazu am 21.05.23 um 17:34:
Ein Walfisch ist nur in der Bibel und bei Johan Sebastian Bach einer, ihr Lieben.

In Wirklichkeit waren es bis vor 50 Millionen Jahren noch Landsäuger, die von der Erdoberfläche in die Tiefe des Wassers verschwanden und danach aussehen wie Fische, obwohl sie mit Lungen atmen und ersticken mussten, wenn sie nicht ab und zu nach oben kommen und atmen konnten. Sie tragen non Teile des Schlüsselbeins und Beckenknochen bei sich.

Über die Wale wird heute unendlich viel Unsinn erzählt. Sie wurden nur bis etwa 1850 mit Segelschiffen und Ruderbooten gejagt, gefahrvoll und grausam abgestochen, um an ihren wertvollen Speck und damit an den Tran, einen damals konkurrenzlosen, kaum rußenden Brennstoff, zu kommen.

Dann wurde das Erdöl entdeckt und der Walfang sofort unrentabel. Er lebte erst in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts anteilig wieder auf, weil Devisen knapp und aus dem Tran nicht nur Waschmittel („Persil“), sondern vor allem auch Nitroglyzerin zum Befüllen von Handgranaten, Bomben und Torperdos gewonnen werden konnte. Bis 1939 unterhielten allein die Deutschen 5 Walfang-Mutterschiffe und über 100 schnelle und wendige, dieselgetriebene Fangboote mit meist norwegischen Harpunieren.

Damit war es mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schlagartig vorbei. Die Walfang-Mutterschiffe wurden zu Hilfskreuzern umfunktioniert und gingen in Flammen auf; die einzig übrig gebliebene „Jan Wellem“ wurde nach dem Krieg zu  einer holländischen Fischmehlfabrik umgebaut.

Das letzte Europäische Walfang-Mutterschiff war die „Olympic Challenger“, die unter griechischer Flagge fuhr und deren Besatzung hauptsächlich aus ehemaligen Deutschen Walfängern bestand. Sie wurde 1953 von Aristoteles Onassis stillgelegt; seither gibt es keine Europäische Jagd auf Großwale mehr.

Wegen des zunehmenden Nährstoffgehalts der Meere und des damit verbundenen Planktonreichtums hat es, bei gegebenem Ende der Waljagd, weltweit noch nie so viele Walfische gegeben wie ebengerade. Die Folgen sind zunehmende Strandungen, die von allen möglichen „Fachleuten“ mit dem angeblich  überbordenden „Lärm unter Wasser“ begründet werden.

Aber das ist Unsinn. Das bisschen Krach, das die Schiffe machen, stört die Wale nicht. Er ist Millionen mal leiser als die brechenden Brandungen und die Geräusche der sturmbewegten See; er ringt den Walen allenfalls ein müdes Lächeln ab.

Ich bin sicher, sie stranden nicht aus Versehen, sondern absichtlich. Sie haben die eisigen, stillen Tiefen satt und wollen zurück an Land, zu uns. Vielleicht möchten sie wieder gebraucht werden und suchen nach einem Sinn?

Vergnügt

kipper

Antwort geändert am 21.05.2023 um 17:35 Uhr

 AlmaMarieSchneider antwortete darauf am 21.05.23 um 23:49:
Dieser Kommentar ist sehr berührend kipper.
Ich finde schon lange, dass der Mensch mit Fischen sehr schlimm umgeht. Diesen großen Säugern wurde ihr Lebensraum verseucht. Mikroplastik und Plastik wird auch eines Tages den Menschen töten.

LG
Alma Marie

 kipper schrieb daraufhin am 22.05.23 um 08:20:
Den Walen tut schon lange keiner mehr was, liebe AlmaMarie; die Menschen (jedenfalls die im „Westen“) leben immer gesünder und werden älter denn je, wenn nicht gerade ein Russischer Zar kommt und sie mitsamt ihren Städten in die Luft sprengt.
 
Natürlich ist‘s – bei über acht Milliarden menschlichen Erdbewohnern – ein Problem mit dem Abfall, das aber in den Griff zu bekommen ist, wie die Geschichte des am dichtesten besiedelten Teils der Welt zeigt (Mitteleuropa).

Natürlich gibt’s, wie immer und überall, Gruppierungen und Publizisten, die ihr Dasein und ihre Einkommen aus Hiobs Nachlass schöpfen, aber wer denen unbedenklich nachläuft, ist selbst schuld an seinem Unglück.

Auch die in aller Munde befindliche „KI“ wird uns nicht ersparen, immer und überall selbst genau hinzugucken, bevor wir Entscheidungen treffen, die richtig oder falsch sein mögen. Denn es hängt, wie immer und überall, viel vom Standpunkt ab, den wir einnehmen oder in den wir hineingeboren sind: Was dem einen sin Uhl, ist dem andern sin Nachtigall, und cuius regio, eius religio gelten vom Anfang bis zum Ende der Welt.

Heiter

kipper
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